Antisemitische Texte, Übergriffe auf Journalisten und Verschwörungsmythen – in den letzten Jahren häuften sich die Schlagzeilen um sogenannte NS-Rapper. Sie pflegen teilweise gute Kontakte zu rechten Verlagen, rechten Hooligans sowie zur organisierten Kriminalität. Mit Blick auf den deutschen Mainstream-Rap gewinnt man vielleicht den Eindruck, die örtliche Szene sei unpolitisch. Schaut man sich jedoch das Geschehen abseits an, landet man schnell in Kreisen, in denen politischer Rap zum guten Ton gehört. Innerhalb dieser politischen Rapszenen ist die Diversität zwischen den einzelnen Künstlern teils groß. Unter diesem Aspekt scheint es fast eine natürliche Entwicklung zu sein, dass Rechte und Rechtsextreme Rap irgendwann für sich entdeckten. Die folgende Reportage setzt sich mit der Entstehungsgeschichte des sogenannten NS-Rap, heutigen Figuren der Szene und Teilen ihres Wirkens auseinander.
Ein kurzer geschichtlicher Überblick
Seit dem Frühjahr 2001 gibt es Diskussionen über das Nutzen von Rap als ideologisches Werbemittel der Rechtsextremen. Schon bevor es dieser Szene zugehörige Rapper gab, waren die Diskussionen über Rap vor allem aufgrund des kulturellen Ursprungs groß, der schon damals Rechtsextreme störte. Um besser verstehen zu können, woran sich einige Rechte bei Rap stören, ist es nötig zu wissen, wie Rap entstanden ist beziehungsweise was seine kulturellen Einflüsse sind.
Konkret kann Rap seine Wurzeln klar in den "work songs" afroamerikanischer Sklaven sowie in den afroamerikanischen Kirchen verorten. Die Predigten sind hier oft sehr viel musikalischer und die Prediger wechseln zwischen Sprechen und Singen und verwenden durchaus auch Sprechgesang. Zusätzlich dazu hat Rap Einflüsse westafrikanischer "Griots", einer Gruppe westafrikanischer Berufssänger und -dichter. Über die vielen Jahrzehnte, die darauf noch folgten, gab es eine Vielzahl weiterer afroamerikanischer Einflüsse, sowohl musikalisch als auch thematisch. So stellten New Yorker Parties und Ghettos weitere wichtige Elemente dar. DJs fingen an, während der Tracks zu reden, um die feiernde Menge anzuheizen. Immer öfter wurde das Gesagte an den Rhythmus angepasst und sogar mit Reimen verschönert. Einflüsse gab es hier von jamaikanischen Sprechgesängen. Der direkte Vorläufer des heutigen Raps war geboren. In den 1970er Jahren wurde außerdem Universal Zulu Nation ins Leben gerufen, ein weiterer Schlüsselmoment für den Verlauf von HipHop. Diese Gruppierung rund um den DJ Afrika Bambaataa versuchte, mit Elementen der HipHop-Kultur und dem Kredo zum strikten Verzicht auf Drogen und Gewalt eine Alternative zu Gangs für die von der vermeintlichen Mehrheitsgesellschaft sozial, ethnisch und wirtschaftlich segregierten Menschen der Ghettos zu bieten. Aufgrund dieser Wurzeln haben Rap und HipHop im Allgemeinen seit ihrer Entstehung stets auch einen emanzipatorischen Zweck, entweder durch angesprochene Themen oder durch den Akt der musikalischen Selbstermächtigung. So sind Rassismuserfahrungen und Systemkritik thematische Grundbausteine des Raps.
Über die Vereinbarkeit rechter Ideologien und des Nutzens von Rap als ideologisches Werbemittel gibt es bis heute keinen Konsens in der rechten Szene. Vermutlich begann alles mit einem Artikel im Rechtsrock-Magazin "Rock Nord" von 2001, der sich wegen rassistischer und antisemitischer Lines, die gefallen seien, positiv über Battlerap äußerte. "Rock Nord" wurde von 1997 bis 2005 publiziert und galt als das einflussreichste rechtsextreme Musikmagazin. Weiterhin gab es Diskussionen in rechten Internetforen zu diesem Thema. Obwohl es zu dem Zeitpunkt neben Rockbands auch Rapper mit nationalistischen, rassistischen und antisemitischen Texten gab, waren diese kein Teil der rechtsextremen Szene.
Die erste Generation an NS-Rappern tauchte ungefähr 2005 auf. Die wichtigsten Namen sind Bock, Dee Ex, Villain051 und Sash JM. Letzterer betrieb die Webseite rechtsrap.de und sitzt seit 2013 eine zwölfjährige Haftstrafe wegen Mordes ab. Laut Aussage einer Bekannten und Gehilfin habe sich das Opfer über die rechte Gesinnung und das Buch "Mein Kampf" von Adolf Hitler lustig gemacht. Daraufhin hat Alexander K., der Mann hinter dem Pseudonym Sash JM, das Opfer brutal ermordet. Obwohl über seine Musik hinaus eine klare rechtsextreme Gesinnung erkennbar ist, war dies zu keinem Zeitpunkt wichtiger Gegenstand der Verhandlungen.
"Und MaKss Damage landet 'nen Hit"
Mit dem Jahr 2011 sollte die heutige Galionsfigur der Szene, NS-Rapper MaKss Damage, mit viel Aufsehen die Bildfläche betreten. Schon 2008 droppt er sein erstes Mixtape "Alarmstufe Rot". Auf dem Cover: die New Yorker Skyline und ein rot-orangener Sonnenuntergang. Im Vordergrund eine Person, vermutlich Damage, mit einer Flagge der Sowjetunion den Rücken bedeckend. Im Hintergrund rechts die Freiheitsstatue, während links die Twin Towers des World Trade Centers emporragen. Außerdem ist ein Flugzeug zu erkennen, welches kurz davor ist, in einen der Türme zu fliegen. Diese Romantisierung eines sieben Jahre zuvor verübten Terroranschlags mit über 3 000 Toten zeichnet ein erstes Bild der Persona MaKss Damage zu Beginn seiner Karriere.
Der aus Gütersloh stammende Rapper ordnet sich am Anfang seiner musikalischen Laufbahn der linksradikalen Szene zu. Bereits zu dieser Zeit veröffentlicht er immer wieder Lieder voller Sexismus und Antisemitismus. So werden seine Tracks innerhalb der linken, insbesondere der linksradikalen, Szene stark diskutiert und kritisiert. Aufgrund der heftigen Kritik wird er 2009 vom Soli-Konzert "Rap ist Klassenkampf", organisiert von der linksradikalen Kreuzberger Initiative ARAB, wieder ausgeladen. Auf seinem 2010 veröffentlichten Tape "Makssismus" ruft er zum Mord an antideutschen Linken auf und rappt davon, "lyrisch" Juden zu töten.
In einem im Februar 2011 erscheinenden Interview mit dem rechtsextremen Aktivisten Axel Reitz macht Damage seinen ideologischen Wechsel in den Rechtsextremismus öffentlich. Zusammengefasst geht es in dem 25-minütigen Interview in erster Linie darum, die linke Szene zu diskreditieren und der rechten zu schmeicheln. MaKss Damage erzählt von einer angeblich schwachen linken Szene, die nichts als hohle Parolen rufen würde und vom wachsenden Machteinfluss durch antideutsche Strömungen. Immer wieder sagt Damage, dass einer der Gründe für seinen Ideologiewechsel die fehlende Gewaltbereitschaft und der fehlende Militarismus gewesen seien. Insgesamt wirkt das Interview wie ein Glaubensbekenntnis zur rechten Szene. Er betont wiederkehrend, dass er mit einer angeblich schwachen und fehlgeleiteten linken Szene absolut nichts mehr am Hut habe und seine aktivistische rechte Karriere nun losgehen werde.
Im Frühjahr 2011 mobilisiert MaKss Damage in einem Track seine Fans zu einem "Trauermarsch" in Stolberg. Dort kam drei Jahre zuvor ein 19-Jähriger bei einem Streit mit einer Person mit Migrationshintergrund ums Leben. Damage assoziiert das Opfer fälschlicherweise mit der rechtsextremen Szene und instrumentalisiert den Tod eines jungen Erwachsenen perfide. In den Zeilen, in denen er Werbung für den "Trauermarsch" macht, bezieht er sich auf das Opfer und spricht davon, dass er "stolz" auf die Teilnehmer des Marsches wäre. Er nennt an dieser Stelle auch den Klarnamen. Indizien, das Opfer habe zur rechten Szene gehört oder mit ihr sympathisiert, gibt es nicht.
Zwei Lieder seiner später gedroppten "Sturmzeichen"-EP landen auf der "Schulhof-CD" der NPD. Diese Tracks sind auch mitverantwortlich für die spätere Indizierung der Reihe. Die "Schulhof-CD" der NPD erscheint zwischen den Jahren 2004 und 2013 fast jährlich. Mit verschiedenen Bands und Künstlern versucht die NPD, gezielt vor Schulen, Jugendtreffs sowie per Brief Kinder und Jugendliche für ihre Partei anzuwerben. Insgesamt werden vier Ausgaben der "Schulhof-CD" indiziert, unter anderem auch die aus dem Jahr 2011, auf der MaKss Damage vertreten ist. Diese wird im März 2012 wegen des Aufrufs zu Fremdenhass als schwer jugendgefährdend kategorisiert.
Der Berliner Radiosender KISS FM erregt 2016 durch ein veröffentlichtes Interview mit Damage mediale Aufmerksamkeit. Geplant war ursprünglich eine Diskussion zwischen dem Künstler und Comedian Shahak Shapira. Nachdem Shapira jedoch ablehnte, folgt ein Solo-Interview mit dem Rapper. Shapira erklärt sich für eine Vor- und Nachbesprechung bereit, kritisiert diese Aktion jedoch stark. Kritik erfolgt landesweit auch durch andere Medien. So leitet die Journalistin Fatma Aydemir ihren Kommentar bei der taz wie folgt ein: "Der Radiosender KissFM lädt einen rechtsradikalen Rapper in seine Sendung - und lässt ihn nahezu ungestört auf die Jugend los." Auch David Molke veröffentlicht einen Beitrag bei Hiphop.de mit dem Titel: "Wer Nazi-'Rapper' interviewt, muss sie auch kritisieren."
Damage blickt bis heute auf acht Veröffentlichungen zurück. 2015 wurde er wegen Volksverhetzung und Verbreitung gewaltpornografischer Schriften zu einer Geldstrafe von 700 Euro verurteilt. Obwohl er mittlerweile eine wichtige Rolle als eine der Figuren, die NS-Rap populärer gemacht haben, genießt, muss er sich Kritik und Unverständnis rechter Gleichgesinnter stellen. Einige äußern großen Unmut über die Nutzung von Rap als ideologisches Werbeinstrument aufgrund der afrikanischen und afroamerikanischen Wurzeln. Doch dass diese Kritikpunkte auch gegen Rechtsrock sprechen, scheint in jener Debatte meist nicht so wichtig zu sein. Bei dieser Diskussion scheint es allgemein keinen Konsens in der rechten Szene zu geben. Mit Sicherheit lässt sich jedoch sagen, dass Damage bei den Rechten für mehr Akzeptanz gegenüber NS-Rap gesorgt hat.
Beginn des heutigen NS-Rap
Zunächst ist zu erwähnen, dass es keine universelle Definition von NS-Rap gibt. Viele Definitionen und Beiträge stammen von Recherche-Netzwerken, Initiativen und Blogs, die teilweise etwas unterschiedliche Definitionen anführen. Auch aus den verschiedenen Verfassungsschutzberichten lässt sich keine allgemeingültige Definition ableiten. Vom zeitlichen Beginn spricht man allgemein aber von und um das Jahr 2005. Ab hier lässt sich erkennen, dass sich die NS-Rap-Szene anfing, enger zu vernetzen. So war die erste Generation hauptsächlich darüber definiert, dass eine stärkere Vernetzung zwischen den NS-Rappern und der restlichen rechten Szene als Trend zu erkennen war. Es gab vorher auch schon vereinzelt Rapper mit rassistischen, völkischen und nationalistischen Texten. Diese Rapper waren aber nicht vernetzt genug, dass man hier von NS-Rap gesprochen hätte. Mit der zweiten Generation, zu der etwa auch Damage zählt, war eine weitere Steigerung der raptechnischen Qualität zu beobachten, auch wenn sie immer noch weit vom Mainstream-Rap entfernt war. Mit der dritten Generation wird NS-Rap sehr viel stärker professionalisiert, also dass ein stärkerer Fokus auf das Erwirtschaften von Umsatz gesetzt wird. Auch die Strömung der Neuen Rechten hat nun mehr Einfluss.
Schaut man sich Fanbase und Klickzahlen an, sind NS-Rapper der dritten Generation mittlerweile ganz vorne mit dabei. Auch im NS-Rap spiegelt sich der Wandel, den es in den letzten 20 Jahren in der rechtsextremen Szene gab, wider. Die Neue Rechte, wie diese politische Strömung genannt wird, versucht, die alte Ideologie neu und abgewandelt zu verpacken. Einer der bekanntesten Akteure im deutschsprachigen Raum ist die Identitäre Bewegung. Aber auch Strömungen innerhalb der AfD können ideologisch und personell der Neuen Rechten zugeordnet werden. Es geht um Stichworte wie "Islamisierung", "Defend Europe", der "Große Austausch" und "Reconquista". Die Neue Rechte arbeitet weniger mit vermeintlich genetischen Unterschieden, sondern bezieht sich auf Volksgemeinschaften, die durch Boden und Kultur zueinander gehören würden. Auch sind ihre Wortwahl und sprachlich genutzten Bilder im Allgemeinen meist weniger brutal. Obwohl nie eine homogene Gruppe, bezieht sich die Neue Rechte genauso auf "die Germanen", wie es auch "klassische" Nazis tun. So erscheint die Neue Rechte aufgrund einer anderen Wortwahl auf den ersten Blick eventuell zwar harmloser, doch im Kern beider rechtsextremen Strömungen geht es dennoch um sehr ähnliche Inhalte.
Das Erstarken der Neuen Rechten im Vergleich zum "klassischen" Rechtsextremismus, welcher natürlich keine durchweg homogene Gruppe ist, lässt sich auch im NS-Rap beobachten. Chris Ares, der im September 2020 seine Karriere offiziell für beendet erklärt hat, gründete 2019 das Label "NDS – Neuer Deutscher Standard". Die Rapper Prototyp, Primus und Runa stehen bei diesem Label unter Vertrag und so wird Chris Ares, wenn auch nicht mehr vor der Kamera beziehungsweise dem Mikro, musikalisch weiterhin Einfluss auf die Szene nehmen können. Im Vergleich zu Damages Veröffentlichungen hebt sich außerdem deren technische Produktionsqualität deutlich ab. Angefangen damit, dass beispielsweise Musikvideos voll ausproduziert werden. Das Video zu "Übernahme", einem Feature zwischen Primus und Prototyp, beginnt mit einem Drohnen-Shot über Teilen Bautzens. Es gibt schnelle, an den Beat angepasste Schnitte, Filter und Effekte, die in der Postproduktion eingefügt wurden, Color Grading und einen vernünftigen Bildaufbau. Sprich: Dieses Musikvideo wurde von Menschen produziert, die sich zumindest grundlegend damit auskennen, wie man ein Video ansprechend aufbaut und aufnimmt. Mit der dritten Generation NS-Rapper ist definitiv der Trend zu beobachten, dass sich die Szene weiter professionalisiert und damit auch monetarisiert. Ein Chris Ares, dessen Musik bis vor Kurzem noch über Spotify abrufbar war, hat so der Szene die Tore geöffnet, die eigene Musik noch stärker zu verbreiten.
Zudem haben sich rechte Verlage und Online-Shops in den letzten Jahren immer klarer zu wichtigen Instrumenten der rechtsextremen Szene herauskristallisiert – teils legal, teils illegal. So wird die Musik und das Merch einiger NS-Rapper, unter anderem von Prototyp und Primus, über den Acardi Verlag vertrieben. Auf der Website des Verlags findet man eine Auswahl an CDs, digitalen Downloads, Bekleidung sowie anderen Fanartikeln wie Fan-Boxen. Neben einer eigenen Kategorie für Chris Ares gibt es sowohl eine weitere für die beiden Rapper des Labels NDS als auch für den Cottbuser Rapper Bloody32.
NS-Rap und Öffentlichkeit
Die NDS-Rapper haben relativ hohe Klickzahlen, gut ausgebaute Vertriebsstrukturen und eine relativ hohe Produktionsqualität. Sie gehören damit zu einer vergleichsweise kleinen Gruppe an NS-Rappern. Zusätzlich ist es für NS-Rapper in den letzten Jahren nicht einfacher geworden, auf den gängigen Social Media-Plattformen aktiv zu sein und dort ihre Musik zu verbreiten. Mit der Löschung von Chris Ares bei Spotify erklärte die Musikstreaming-Plattform, "in Zukunft sei Musik, die ausdrücklich und hauptsächlich zu Hass oder Gewalt gegen eine Gruppe oder ein Individuum [aufrufe][…], verboten". Inwiefern aber Podcasts und kleinere rechte Künstler tatsächlich betroffen sind, ist unklar.
Des Weiteren haben Facebook, Instagram und YouTube ihre Terms of Service in den letzten Jahren immer wieder überarbeitet, sodass Hassrede, Aufstachelung zu Gewalt und Diskriminierung offiziell gegen ebenjene verstoßen. Auch wenn dies nicht perfekt funktioniert, da zum Beispiel auf YouTube gelöschte Musikvideos gerne von Drittaccounts neu hochgeladen werden, erschwert dies den NS-Rappern zumindest teilweise ihr Schaffen. Ihre Beiträge können so schneller entfernt werden oder eine Altersbeschränkung erhalten. Wiederum hat sich hier in den letzten Jahren gezeigt, dass diese Mechanismen auch bewusst von rechten Trollen genutzt werden können. Das Phänomen sogenannter Troll-Armeen gibt es schon länger. In den letzten Jahren benutzen es Rechte jedoch immer bewusster und erfolgreicher. Sie disliken Inhalte bewusst und fluten Kommentarsektionen, um andere Personen mit bewusst provokativen Nachrichten vollzuspammen, oder melden unbegründet Content von Künstlern und YouTubern. Sie versuchen so, Künstler und deren Inhalte zu diskreditieren sowie konstruktiven Austausch in den Kommentaren oder die Verbreitung von Inhalten zu stören. Aufgrund dieser neueren Mechanismen und der angepassten Terms of Service der Plattformen, gerade bei YouTube, ist das Phänomen öfter zu beobachten und die Plattformen nehmen vermeintlich kritischen Content schneller offline, wenn diese von genug Accounts gemeldet werden. So kommt es immer wieder vor, dass gezielt auch linke Künstler und deren Inhalte ins Visier der Troll-Armeen geraten.
Bekanntere NS-Rapper haben teilweise Probleme, Accounts auf den gängigen Plattformen zu erstellen oder aufgrund der Inhalte, die sie veröffentlichen, ein höheres Risiko, gemeldet und gesperrt zu werden. Dies führt dazu, dass sie sich teilweise unbekanntere Alternativen suchen, auf denen sie ebenfalls vertreten sind. So werden Musikvideos zum Beispiel auf alternativen Plattformen wie DailyMotion hochgeladen. Facebook und Instagram werden auch gerne um vk.com-Profile erweitert, eine russische Facebook-Alternative, die gerade bei Rechtsextremen hierzulande sehr beliebt ist, weil dort ihre Inhalte in den allermeisten Fällen nicht entfernt werden. Generell sind NS-Rapper stark über die verschiedenen Plattformen verstreut. Wegen dieser vielfältigen Gründe haben einige einen eigenen Telegram-Kanal, um zumindest einen stabilen, einseitig bespielten Kanal betreiben zu können. Doch auch wenn NS-Rapper heute mehr und besser auf Instagram und Co. beobachtet und gemeldet werden, hat sich ihre Reichweite in den letzten Jahren vergrößert. Auch wegen der vorher genannten Gründe sind Feature-Parts und Shoutouts zwischen den Rappern relevant, um so manuell die Reichweite zu teilen und weiter zu connecten.
Jahresabschlussberichte des Verfassungsschutzes
Je nach Reichweite der Rapper, Inhalte ihrer Tracks und Relevanz für die politisch-rechtsextreme Szene sind sie sich teils natürlich auch im Klaren darüber, dass neben Fans, Szeneinsidern und Journalisten auch Sicherheitsbehörden wie der Verfassungsschutz an ihrem Schaffen interessiert sind. Um digitale Überwachung durch Sicherheitsbehörden zu umgehen, spielen Szenetreffs, Demonstrationen sowie politische Konzerte eine nicht zu unterschätzende Rolle. So tauchen MaKss Damage und Chris Ares immer wieder im Jahresabschlussbericht des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz auf. Auch im Brandenburgischen Jahresabschlussbericht des Verfassungsschutzes von 2019 wird NS-Rap kurz thematisiert. Es wird jedoch angegeben, dass NS-Rap im Vergleich zu Rechtsrock eine sehr untergeordnete Rolle spiele. In den letzten Jahren haben die Beobachtungen von NS-Rap durch den Verfassungsschutz zugenommen. Dies liegt sowohl am Größerwerden der Szene als auch daran, dass man sicherheitspolitisch in Teilen erkannt hat, dass die großen Namen der Szene oft gute Verbindungen in die rechtsextreme Szene pflegen. Welche konkrete Gefahr jedoch von NS-Rap ausgeht, ist durch die Verfassungsschutzberichte nicht absolut zu beantworten. Während das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz etwas allgemeiner davon spricht, dass "rechtsextremistische Musik […] ein wesentliches Eintrittstor in die rechtsextremistische Szene" sei, spricht der Brandenburgische Verfassungsschutz von "Rap-Versuchen" und sieht "Skinheadmusik" und "Rechtsrock" als die beiden wichtigsten Musikrichtungen der rechtsextremen Szene an.
Verbindungen in die organisierte Kriminalität
Bloody32 hat Klickzahlen, von denen die meisten rechten Rapper nur träumen können. Ein Track von ihm heißt "Europa fällt". Dieser wurde vor rund einem Jahr veröffentlicht und seitdem fast 1,4 Millionen Mal geklickt. Insgesamt kann sein Kanal knapp sieben Millionen Views vorweisen. Bloody32 kommt aus der Cottbuser Hooligan-Szene und behandelt diesen Hintergrund auch in seinen Tracks, was sicherlich mit Grund dafür ist, warum seine Videos so hohe Klickzahlen aufweisen. Er hat ein Feature mit dem NDS-Rapper Prototyp und ist auch ansonsten nicht scheu, wenn es darum geht, seine rechtsextreme Gesinnung in seinen Tracks oder über Social Media kundzutun. Weitere Tracks von ihm tragen Titel wie "Ein Volk", "Unser Land" oder "Heute Kämpfen wir". Der Übergang von Hooligan-Romantik zu rechter Hetze ist fließend – dieselben fließenden Übergänge lassen sich auch im Bereich der organisierten Kriminalität in seiner Heimatstadt Cottbus finden.
Aus einem ZEIT ONLINE-Artikel vom 7. Oktober 2020 geht hervor, dass sich in Cottbus ein "toxisches Gebilde" zusammengefunden habe. So drückt es das Landesamt für Verfassungsschutz Brandenburg aus. Dabei handele es sich um eine insgesamt wohl circa 200 Personen starke Gruppe: Personen mit Hintergründen in der Hooligan-Szene sowie der "klassischen" Rechtsextremen-Szene, aus dem Rocker-Milieu sowie Kleinkriminelle. Unter dem Namen "Kampfgemeinschaft Cottbus" werden illegale Geschäfte im Bereich Drogen-, Menschen- und Waffenhandel sowie Körperverletzung und weitere Delikte begangen, die in den verschiedenen Milieus nicht unüblich sind. Die "Kampfgemeinschaft Cottbus" pflegt gute Verbindungen zum örtlichen Rockerclub "Provocateur MC", der den "Hells Angels" nahesteht. Außerdem gibt es Querverbindungen zwischen dem Cottbuser "PMC" und "Pure Hate", einem in Berlin ansässigen Rockerchapter (Anm. d. Red.: Ortsgruppe, die den Rockerclub in der entsprechenden Stadt vertritt), mit dem sich ein (hier ungenannter) Berliner Rapper gerne schmückt.
Was kann man für die Zukunft mitnehmen?
In der NS-Rapszene gibt es viele kleine Namen. Bei einer Einteilung des NS-Raps in drei Generationen sind für einen Überblick der heutigen Szene gerade die letzte Generation sowie MaKss Damage als bedeutendste Figur der zweiten Generation interessant. Mit ihm wurde NS-Rap tatsächlich ein Thema und ein Werbeinstrument der rechtsextremen Szene.
Wenig überraschend pflegen NS-Rapper teils gute Kontakte dorthin. Auch gibt es Verbindungen zu rechtsextremen Hooligans und in die organisierte Kriminalität. Diese sind oft sehr undurchsichtig und die Gruppierungen nach außen meist sehr verschlossen beziehungsweise schwer einsehbar für Außenstehende. In der Regel agieren die Gruppierungen nicht so offen wie die "Kampfgemeinschaft Cottbus". Daher kann die Musikrichtung des NS-Raps nur schwer isoliert von der rechten Szene betrachtet werden. Eine klare Trennung verharmlost außerdem grundsätzlich die gefährlichen Ideologien. NS-Rap im Allgemeinen hat heute eine größere Hörerschaft als noch vor zehn Jahren. Dies mag sicherlich verschiedene Gründe haben. Zum Beispiel hat sich unser Internetkonsum in den letzten Jahren extrem verändert und auch Rap wurde sehr viel erfolgreicher. Dabei kann speziell politische Musik nicht nur als Eintrittstor dienen, sondern auch ein Katalysator für Meinungsbildung sein.
NS-Rap ist sicherlich kein zu vernachlässigendes Thema. Ein Diskurs über rechte Strömungen in der Gesellschaft war, ist und wird auch weiterhin nötig sein, um zukünftigen gesellschaftlichen Schaden zu verhindern. Dies betrifft HipHop, aber auch soziale Medien und gesamtgesellschaftliche Diskussionen. Auch wenn es für die meisten, die im HipHop-Kosmos unterwegs sind, eine Selbstverständlichkeit ist, gegen Rechts zu sein, sollte mit steigendem Einfluss rechter Strömungen dieser Diskurs über einen angemessenen Umgang mit ihnen auch aktiver und größer werden. Die Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus muss in allen Teilbereichen der Gesellschaft passieren. HipHop und Rap können und sollten gerade aufgrund der Entstehungsumstände von Rap und seiner emanzipatorischen und systemkritischen Funktion von Beginn an hier auf jeden Fall ihren Beitrag leisten, so wie es im Deutschrap auch seit geraumer Zeit immer mal wieder passiert und in abgesteckten Bereichen von Rap zum guten Ton gehört.
(Abdu Baack)
(Grafik von Daniel Fersch)