"Was?! Du kennst das nicht? Sekunde, ich such' dir das mal raus." Und schon öffnet sich die Plattenkiste. Wer kennt diesen Moment nicht? Man redet über Musik und auf einmal fällt ein Name – egal ob von einem Song, einem Künstler oder einem Album – mit dem man nicht so recht etwas anzufangen weiß. Und plötzlich hagelt es Lobpreisungen, Hasstiraden oder Anekdoten. Gerade dann, wenn der Gesprächspartner ins Schwärmen verfällt und offen zeigt, dass ihm das Thema wichtig ist, bittet man nicht allzu selten um eine Kostprobe. Die Musik setzt ein und es beginnt, was der Person so sehr am Herzen zu liegen scheint. In diesem Fall – was uns so sehr am Herzen liegt: Ein Auszug aus der Musik, mit der wir etwas verbinden, die wir feiern, die uns berührt. Ein Griff in unsere Plattenkiste eben.
"Ich weiß noch genau, wie das alles begann …" Ich fuhr mit meinen besten Freunden in der Wendeschleife hinterm Haus Skateboard. Da wir in unserem Dorf quasi gefangen waren, hatten wir sporadisch ein Rail und einen Kicker zusammengeschustert. Hier verbrachten wir jeden Tag, wenn das Wetter es zuließ. Ich probierte mich an 5-0s, als mein Kumpel mit einer Frage mein Leben auf den Kopf stellte: "Ey! Kennst du das schon?"
Also setzte ich mich neben ihn auf den Bordstein, nahm die Kopfhörer und hörte zum ersten Mal "Ich habe eine Crew" vom Blumentopf. Ein leiernder Beat, Kneipengeräusche im Hintergrund und der Refrain hingegrölt – ich war begeistert. Das Album "Kein Zufall" gab er mir direkt mit und ich hörte wochenlang nichts anderes. Es war meine erste aktiv wahrgenommene Rap-Platte und der Beginn meiner Liebe zu Sprechgesang. Ich suchtete das Album so sehr, dass ich noch heute jeden Text komplett auswendig kann. Auf 20 Anspielstationen erzählen mir die Münchner Jungs vom Leben, geben mir Tipps für den Alltag und schlachten "mehr MCs ohne Flow als die Engländer Ochsen wegen BSE". Die Punchlines bewegen sich zwischen lustig und clever zu on point gesetzten Scratches. All das findet auf maßgeschneiderten Beats des Crew-DJs Sepalot statt. Die Songkonzepte waren so kreativ, dass ich nicht nur mehr vom Topf hören wollte, sondern gleich anfing, mich mit dem ganzen Genre zu beschäftigen. "Film Roger" und "Daß ich nicht lache" sind gute Beispiele: Bis heute sollten sie Vorbilder für jeden Rapper sein, dessen Texte über den Tellerrand der üblichen Themen hinausgehen. Das Augenzwinkern höre ich förmlich raus und egal, wie schlecht es mir geht, diese Lieder zaubern mir direkt wieder ein Lächeln ins Gesicht.
Wenn ich heute "Kein Zufall" von Blumentopf höre, ist das wie eine Begegnung mit meinen besten Freunden: Egal, wie lange wir getrennt sind, schon ab den ersten Worten ist alles wieder wie früher und wir knüpfen nahtlos an unsere letzte Begegnung an. Ich kann es nicht genau beschreiben, "aber irgendwie lieb' ich das".
(Blan P)