Rap ist gefühlt so erfolgreich und präsent wie nie zuvor. Mittlerweile laufen auf jeder Party ganz selbstverständlich Hits von Kendrick Lamar, Travis Scott oder Post Malone – oder hierzulande RAF Camora und Bonez MC. Soundtechnisch ist hier vor allem der Trap- beziehungsweise Dancehall-Sound vertreten. Die Musik der Verrückten Hunde habt ihr auf der letzten Deutschrap-Party wahrscheinlich genauso wenig gehört, wie ihr sie in der "Deutschrap Brandneu"-Playlist auf Spotify finden werdet. Die Berliner Crew – bestehend aus den Rappern Scu und Foxn, den DJs Da Kid und Geraet sowie Kova am Mix – steht für einen klassischen Rap-Entwurf, angelehnt an den Sound Mitte der 90er Jahre, den sie sowohl rap- als auch produktionstechnisch ins Heute transportiert. Musik von Heads für Heads, für B-Boys und Writer. Anlässlich ihres dritten Albums "VH" und der dazugehörigen Tour sprachen wir mit Scu und Da Kid über das Alleinstellungsmerkmal ihrer Crew und das frühere Außenseiterdasein als HipHopper in der Gesellschaft. Außerdem über die Wertigkeit von Musik in Zeiten von Streaming-Diensten und natürlich ihre Lieblingshunde.
MZEE.com: Die verrückten Hunde können mittlerweile auf fast zehn Jahre Bandgeschichte zurückblicken. Was ist die größte Veränderung, die ihr als Crew in diesen Jahren durchgemacht habt? Und was ist immer gleichgeblieben?
Scu: Eigentlich ist vieles gleichgeblieben, was zum Beispiel den Arbeitsprozess und so weiter angeht. Die ganze Herangehensweise ist aber ein bisschen professioneller geworden, sowohl live als auch auf Platte. Wir haben eben irgendwann gemerkt, dass einige Leute unsere Musik gerne hören. Dann professionalisierst du dich automatisch und organisierst dich besser.
Da Kid: Mit der Zeit muss man dann keine Releasedaten mehr verschieben, wie es beim ersten Album immer passiert. (grinst) Wir wissen schon, wie wir alles vorbereiten müssen, um ein Release locker über die Bühne zu bringen.
Scu: Und wir wissen auch genauer, was wir wollen. Auf den ersten Releases haben wir uns noch etwas ausprobiert, die Styles der Beats gewechselt und die Leute auch mal in die Irre geführt, weil wir halt Bock darauf hatten. Einen roten Faden im Soundbild und allem Drumherum haben wir eher seit "Tohuwabohu", als wir angefangen haben, wieder mit der SP1200 Beats zu machen.
MZEE.com: Von der Soundästhetik her seid ihr euch immer recht treugeblieben. Die verrückten Hunde von vor zehn Jahren wären vermutlich cool damit, was ihr macht, oder?
Scu: Ja, ich denke schon. Wir machen halt den Sound, den wir können. Ich mach' das seit 25 Jahren, die anderen auch schon länger und wir haben einfach Bock darauf, wenn wir zusammen Mucke machen. Es ist ja nicht so, dass wir Scheuklappen tragen und nur die Musik feiern, die wir machen. Wir wissen auch, was sonst so abgeht. Aber dieser Sound und der Flavour ergeben sich bei uns einfach. Im Endeffekt ist das halt 'ne Geschmacksfrage.
Da Kid: Wir haben an sich ja auch alle einen unterschiedlichen Musikgeschmack. Da arrangiert man sich natürlich immer wieder. Ich leg' in Clubs ja auch Trap und anderen modernen Scheiß auf. Foxn und Scu hören halt immer noch die ganzen alten Schinken. (grinst) Da groovt man sich einfach ein und muss auch keine großen Kompromisse finden. Es fühlt sich einfach richtig an.
Scu: Genau. Auch wenn wir total verschieden sind, clasht es da eigentlich nie richtig. Wir sind immer froh, wenn wir zusammen sind, wir haben ja auch beruflich andere Verpflichtungen als früher. Wenn wir zusammenkommen, ist es einfach immer insgesamt ein cooler Vibe. Wir haben halt Bock, zusammen Mucke zu machen und vor allem miteinander abzuhängen. Das ist ja das Wichtigste: Einfach 'ne gute Zeit zu haben.
MZEE.com: Beim Hören eures Albums habe ich mich vom Sound und der Attitüde her zurück in die Golden Era versetzt gefühlt. Würdet ihr das als das Besondere und Alleinstellungsmerkmal eurer Musik bezeichnen?
Da Kid: Schon, ja. Ich kenne zumindest keine andere deutsche Rap-Band, die diesen Sound macht. Das ist halt der Sound, mit dem wir aufgewachsen sind und wir bleiben der Sache treu. Das nächste Album könnte natürlich auch problemlos ein Trap-Album werden, aber das macht halt jeder. Umso mehr freut es uns natürlich, wenn wir mit der Musik das Gefühl vermitteln können, das wir auch selbst haben. Der Song "Golden Rapreaver" repräsentiert das eigentlich zu 100 Prozent. Jede Zeile, die da gesagt wird, ist halt genau so gewesen. So haben wir HipHop von 1996 bis 2000 wahrgenommen.
Scu: 1993 ging's ja eigentlich los, bei mir zumindest. Aber wir sind jetzt auch nicht total hängengeblieben, wir wollen den Sound von damals schon in die heutige Zeit transportieren. Deswegen haben wir auch den Kova dazugeholt, der alles gemixt hat. Der hat ein goldenes Ohr. Wir haben die Platte fett mastern lassen. Also, wir wollen schon, dass es zeitgemäß und heute noch hörbar ist, es soll nicht wie von Tape klingen. Und es hat viel Zeit und Mühe gekostet, den Sound ohne total analoges Studio hinzubekommen. Es ist auf jeden Fall unser Anliegen, den Leuten zu zeigen, dass diese Mucke auch heute noch fett ist. Und wenn wir die Sachen live spielen, haben die Leute auch mega viel Spaß. Es ist ja nicht so, dass das keiner nachvollziehen könnte.
MZEE.com: Rap selbst hat sich in den vergangenen zehn Jahren enorm verändert – mal weiter- und mal zurückentwickelt. Welchen Wandel der Szene betrachtet ihr als positivsten, welche Veränderung ist für euch die negativste?
Scu: Es ist geil, dass Rap größer geworden ist und überall stattfindet. In jedem Subgenre gibt es supergute Acts, finde ich. Es hat sich allgemein megamäßig weiterentwickelt. Aber was sich leider nicht so weiterentwickelt hat, ist einfach der Sound an sich. Da wird ein bisschen auf die Qualität geschissen. Es geht ja nur noch um MP3s und so weiter – wir stehen noch drauf, das über HiFi-Boxen oder live gut hören zu können, sodass dir die Höhen nicht um die Ohren fliegen. Da wird halt drauf geschissen, weil auch das Geld dafür nicht mehr so da ist wie früher. Die fetten, analogen Studios gibt's ja kaum noch. Aber ansonsten hat es sich super entwickelt – es gibt so viel HipHop in jeglicher Form in Deutschland beziehungsweise auf der ganzen Welt. Und es ist schon cool, wie sich das entwickelt hat.
MZEE.com: Auf "Golden Rap Reaver" rappt Scu: "Ich war grad' 16, da hat das alles angefangen. Die einen Freunde hörten Heavy Metal und die anderen Punk." – Habt ihr euch zu Beginn eurer Aktivität in der Szene als Außenseiter in der Gesellschaft gefühlt?
Da Kid: Absolut. Du wurdest ja auf der Straße blöd angeguckt, wenn du 'ne Baggy anhattest. Auch allein clubmäßig: Wir mussten uns den Floor halt meistens mit Punk-Bands oder Crossover-Musik teilen. Das heißt, es lief ein paar Stunden was anderes und dann kam ab und zu mal 'ne halbe Stunde HipHop. Heutzutage hast du für jedes Genre einen eigenen Club. Hier in Berlin haben wir mindestens fünf Clubs, in denen wir jede Art von Rap hören können. Die Leute heutzutage haben es da schon wesentlich einfacher. Wir mussten uns die Informationen ziehen und die Inspiration suchen, um überhaupt mit HipHop in Kontakt zu kommen.
Scu: Ich bin ja noch ein bisschen älter. Ich hab' so um 1992 herum angefangen, Rap zu hören. Da gab's noch nicht mal Baggys in den Läden. Du bist zu C&A gerannt, hast dir 'ne weite Opa-Hose geholt und die umschneidern lassen. Hast dir noch 'ne Opa-Mütze geholt und bist abends damit in den Club gegangen. Das war schon funky. (grinst) Oder du bist jeden Samstag in den Second Hand-Laden gegangen, um ein cooles Outfit zu haben. 'Ne Lederjacke oder so, um ein bisschen B-Boy-mäßig rüberzukommen. Da musste man sich schon Gedanken machen. Heute kannst du dir halt alles im Internet kaufen.
MZEE.com: Ihr habt schon gesagt, es freut euch, dass Rap mittlerweile so groß ist. Wie seht ihr denn die Entwicklung, dass andere HipHop-Elemente wie Breakdance oder Graffiti in der breiten Wahrnehmung vergleichsweise eine eher kleine Rolle spielen?
Scu: Das sieht man ja auch an Rapvideos. Die B-Boys sind dann irgendwann eigene Wege gegangen. Die haben schon zu meiner Zeit gar keinen Rap mehr gehört, weil sie sich benachteiligt gefühlt haben. Du siehst B-Boys nur noch auf irgendwelchen eigenen Tanzveranstaltungen, die Writer ziehen nachts los, aber von denen hören auch viele gar keinen Rap mehr. Zumindest die, die ich kenne. Das ist leider etwas auseinandergegangen, aber wir halten da noch die Fahne hoch und probieren auch, das mit unserem Projekt zu kommunizieren, damit es nicht in Vergessenheit gerät. Der Stuff ist schon wichtig für uns, auf jeden Fall.
Da Kid: Graffiti ist aber auf jeden Fall immer noch groß, finde ich. Wenn du dir Berlin anguckst … Auch die 187er sind da ja zum Beispiel voll am Start. Und auch die DJ-Szene als "viertes Element" wächst.
MZEE.com: Mich würde eure Meinung zu einem Thema interessieren, über das wir vor Kurzem mit Lakmann gesprochen haben: den Stellenwert von Musik in einer Zeit, in der sie über Streaming-Dienste immer verfügbar ist. Lakmann hat die These aufgestellt, dass Musik dadurch an Wertigkeit verliert. Wie seht ihr das?
Da Kid: Da würde ich ihm vollkommen zustimmen. Das siehst du ja auch selbst an deiner Playlist, wenn du auf dein Handy guckst. Ich glaube nicht, dass du das noch nach Genres oder alphabetisch sortierst. Wir streamen halt alles, worauf wir gerade Bock haben. Diese "Generation Playlist" finde ich auch nicht so geil. Echte Künstler versuchen halt, auf einem Album einen roten Faden von A nach B durchzuziehen. Durch diese Playlists geht das total verloren. Aber es gibt ja auch schon die ersten Leute, die etwas aus diesem Playlist-Flavour machen. Zum Beispiel jede Woche einen Song hochzuladen und so das Album entstehen zu lassen, finde ich wieder ganz geil. So erzieht der Künstler die Hörer auch ein bisschen. Aber insgesamt finde ich es schade, dass das Format "Album" so untergeht und es nur noch um Singles geht. Dadurch geht schon ein Feeling verloren.
Scu: Genau. Dieses Feeling, dass dich ein Album mit auf eine Reise nimmt. Der Prozess, das Album erst mal im Plattenladen zu diggen und dir dann bewusst diese 12 bis 16 bis 20 Songs anzuhören, geht leider total verloren. Ich finde auch, dass dir nur ein Album ein richtiges Bild vom Künstler vermitteln kann. Ein Song kann das nicht wiedergeben. Aber das ist für die junge Generation eh nicht mehr interessant. Die sind auf ihrem Film und das ist auch völlig okay, genauso, wie wir auf unserem Film waren. Die Zeiten ändern sich halt. Wir feiern immer noch Alben und versuchen auch, gute Alben zu machen. Obwohl wir wissen, dass das zumindest in der Masse nicht allzu viele Leute nachvollziehen können.
MZEE.com: Mauli hat in einem Interview mit uns den Begriff "Streaming-Rap" für diese ganzen Singles benutzt. Er meinte, dass es ihn total ankotzt, dass viele Rapper quasi nur noch Tracks aus den angesagten Deutschrap-Playlists kopieren.
Da Kid: Wir reden ja im Endeffekt auch immer über dieselben Playlists. Du skippst "Deutschrap Brandneu" durch und es ist einfach immer wieder dasselbe. Das Schema ist ja relativ simpel, das Rezept für einen Hit ist lesbar. Da reiht sich jeder ein. Ich glaube, dass wir mit unserer Musik letztendlich den längeren Atem haben und auch in den nächsten zehn Jahren unsere Mucke machen werden. Da werden einige Leute, die ihre Singles in diese Playlists gedrückt haben, wahrscheinlich irgendwann merken, dass sie nicht der Eine unter den Hundert sind und sich nach dem nächsten Trend richten. Die werden dann vielleicht Fashion-Blogger und fotografieren ihre Sneaker.
Scu: Die Langlebigkeit der Musik liegt uns sehr am Herzen. Uns schreiben auch vier Jahre nach Release noch Leute an und fragen nach älteren Alben, weil sie gerade erst auf uns gestoßen sind. Früher musstest du ein Original sein. Es gab zwar viele Rapper, aber die waren alle relativ eigen. Heute gibt's halt die zehnte Kopie von jedem. Ich finde die Originale teilweise sehr gut, aber das Problem ist eben, dass sich am Ende alles gleich anhört, weil alle den gleichen Style fahren. Ich will das nicht mal so sehr verurteilen. Aber diese HipHop-Einstellung, ein Original zu sein und einen eigenen Style zu kreieren, ist bei vielen auf der Strecke geblieben. Definitiv. Natürlich gibt's auch Veranstaltungen wie die Tapefabrik, auf der die Kultur noch lebt. Aber das ist im Endeffekt halt auch nur eine Subkultur.
MZEE.com: Wobei diese Subkultur auch total gewachsen ist. Die Tapefabrik war zum Beispiel in diesem Jahr erstmals im Vorhinein ausverkauft. Das Ganze hat eben zwei Seiten.
Scu: Voll, klar.
MZEE.com: Und tatsächlich sitzen bei Spotify ja schon ein paar Leute mit Ahnung, die für musikalisch ansprechende Listen sorgen. Die bieten ja zum Beispiel mit der "Rohstoff"-Playlist Beatmakern eine Plattform.
Da Kid: Stephan Szillus sitzt da, ja. Zum Glück sitzt da so einer.
Scu: Es ist auf jeden Fall cool, dass sie da auch jemanden mit Ahnung von der ganzen Geschichte einbinden.
MZEE.com: Kommen wir noch mal auf euer Album zu sprechen. Im Song "Schaukelstuhl" sprecht ihr über viele Ungerechtigkeiten und Dinge, die auf der Welt falsch laufen, kommt aber zum Schluss, dass ihr im Endeffekt auch nicht wirklich etwas dagegen tut. Beschäftigt euch das Thema häufiger?
Scu: Ja, das Thema beschäftigt mich sehr. Wir wollten mit dem Song mit einem sehr blumigen Instrumental und einer Jazz-Stimmung mal ein ernstes Thema ansprechen. Das haben viele auch nicht kapiert. Es geht eigentlich darum, dass der Mensch 'ne Bitch ist und dass sich auch keiner da rausnehmen kann. Wir tragen alle die Nikes und machen es irgendwie mit. Da ist es ein zweischneidiges Schwert, den Zeigefinger hochzuhalten. Auch wenn man vielleicht ein paar mehr Karmapunkte gesammelt hat, ist man 'ne Bitch, die in einem reichen Land im Westen lebt, während es 80 Prozent der Welt schlecht geht, damit 20 Prozent der Welt davon leben können. Man sollte sich schon vor Augen halten, wie gut wir es hier haben. Und wenn es uns schon ziemlich gut geht und trotzdem im Hintergrund Korruption und so weiter vor sich geht, was ist das dann für 'ne verfickte Welt? Darum ging es mir in dem Song. Es ist natürlich manchmal schwierig, das in einem Track für jeden verständlich zu machen, deshalb machen wir das oft zwischen den Zeilen …
Da Kid: (unterbricht) Ich dachte, wir machen nur Rap über Rap. (alle lachen)
Scu: "Schaukelstuhl" liegt mir auf jeden Fall sehr am Herzen. Aber ist natürlich nicht jedermanns Sache. Es hat nicht jeder Bock drauf, sich anzuhören, dass er auch ein Wichser ist.
MZEE.com: Was kann man denn auch aus seinem Schaukelstuhl heraus tun, um etwas zu bewegen?
Scu: Du kannst das, was dir zur Verfügung steht, nutzen, um Menschen auf die Thematik aufmerksam zu machen. Unser Medium ist halt die Musik. Und wir versuchen, unseren Teil dazu beizutragen, dass andere Menschen mal darüber nachdenken, dass die Welt etwas gerechter werden könnte. Ansonsten war ich früher viel euphorischer und hoffnungsvoller und dachte, dass man viel ändern kann. Leider habe ich aber die Erfahrung gemacht, dass der Mensch in der Masse einfach zu Systemen mit Hierarchien und damit auch zu Korruption neigt. Nimm dir lieber deinen kleinen Freundeskreis, sei ehrlich zu deinen Freunden, häng mit denen ab und versuch, mit ihnen was Gutes zu machen. Bei zu vielen Leuten gibt es direkt wieder Neid und den ganzen Hickhack, den es seit Jahrhunderten gibt. So ist der Mensch eben gestrickt.
MZEE.com: Konkreter werdet ihr auf dem Track "Long ago", auf dem ihr gegen den Rechtsruck und die AfD schießt. Euch ist es diesbezüglich schon wichtig, auch eine politische Haltung einzunehmen?
Scu: Ja, haben wir früher nie gemacht. Ich find's immer scheiße, mit Halbwissen um sich zu werfen. Deshalb hab' ich es so gelöst, dass ich einfach Bilder aus dem Dritten Reich aneinandergereiht und am Ende etwas auf die heutige Zeit adaptiert beziehungsweise bezogen habe. Ansonsten halte ich mich von Politik eher fern, weil ich da einfach nicht viel Gerechtigkeit sehe. Den Song finde ich aber sehr gelungen, jeder kann seine Schlüsse daraus ziehen. Wir haben auf jeden Fall eine Meinung und die haben wir jetzt auch manifestiert. Ich bin sehr links erzogen worden und was gerade abgeht, ist für mich absoluter Wahnsinn. Ich kann gar nicht nachvollziehen, wie viele Menschen so eine Partei bei uns wählen können, wie viele Menschen so einen Präsidenten in Amerika wählen können … Das ist für mich echt unfassbar.
MZEE.com: Würdet ihr euch wünschen, dass mehr Künstler ihre Reichweite nutzen, um eine Haltung zu demonstrieren beziehungsweise auf solche Themen aufmerksam zu machen?
Scu: Definitiv. Es gibt so viele Leute, die viel mehr Reichweite haben als wir und bestimmt etwas bewegen könnten. Die müssen ja nicht immer nur über Drogen und Nutten rappen. Die haben zwar ihren Reiz, aber 'ne ehrliche Meinung ist auch mal ganz funky. Das haben ja die Lyriker vor Jahrhunderten auch nicht anders gemacht. Wir sind die Lyriker der Gegenwart, unsere Texte werden in 100 Jahren in irgendwelchen Büchern stehen. Nicht meine, aber die von großen Rappern. Das ist ja die einzige Lyrik, die gerade entsteht und wirklich Aufmerksamkeit erhält. Große Schriftsteller schreiben ja keine Gedichte mehr, sondern Romane, Novellen oder Ähnliches. Rapper und Musiker der Gegenwart haben in der Hinsicht schon Macht. Wenn jetzt ein Haftbefehl in der Hinsicht mal politisch korrekt einen politischen Song machen würde – das wäre schon was. (grinst)
MZEE.com: In der letzten Zeit hat Rap im Zuge der Echo-Verleihung aus unserer Sicht vor allem gezeigt, unfähig für Eigenkritik zu sein. Wie habt ihr den Umgang der Szene mit dem Thema wahrgenommen?
Scu: Das hab' ich ähnlich wahrgenommen. Man kann sich alles schönreden und das wurde wieder mal getan. Wenn Kollegah und Farid Bang die Line, um die es ja zu großen Teilen ging, auf ihrem Album nicht droppen: Verkaufen die dann zwei Alben weniger? Wahrscheinlich nicht. Das kann ich dazu sagen. Irgendwann ist es halt auch gut. Da wurde meiner Ansicht nach eine Grenze überschritten. Wir leben hier in dem Land, in dem vor 80 Jahren so eine Scheiße passiert ist. Dieses Thema sollte man dann einfach umgehen. Ich find' Battlerap schön und gut, das ist alles cool und man kann auch mal über die Stränge schlagen und geile, abgefahrene Metaphern bringen. Aber das war zu heftig für mich und ich find's scheiße, das schönzureden.
Da Kid: Ich finde es auch schade, dass die Rapszene darunter gelitten hat. Obwohl Rap in der Gesellschaft angekommen ist, gilt Rap jetzt so als "diese antisemitische Musik da".
MZEE.com: Es fehlt ja allgemein immer wieder an kritischen Stimmen in der Szene – auch wenn es um Themen wie Homophobie und Frauenfeindlichkeit geht.
Da Kid: Vor allem war das Thema in der Rapszene selbst bis April überhaupt nicht präsent. Das Album kam im Dezember raus. Wir hätten ja die Ersten sein müssen, die darüber in Interviews sprechen oder das kritisieren. Ich hab' keinen HipHop-Medienartikel darüber im Januar gelesen. Das ist eigentlich ein Riesenproblem. Und da sollten sich alle mal selbst an die Nase fassen, warum sie erst vier Monate später, nachdem sie schon 15 Reviews über das Album geschrieben haben, über diese eine Line debattieren.
Scu: Da musste erst Campino kommen.
MZEE.com: Kommen wir zum Ende des Gesprächs noch mal zu einem angenehmeren Thema: Euer eigener Sound knüpft ja eher an eure Lieblingskünstler von früher an. Ich wüsste gerne, welche Acts ihr aktuell gerne hört.
Scu: Bei Ami-Sachen bin ich völlig raus. Wenn ich mich mit Musik beschäftige, tu' ich das tatsächlich fast nur noch, wenn ich selbst Musik produziere. Man hat ja auch nicht alle Zeit der Welt. Aber dieser Kwam.e aus Hamburg ist mega dope. Tatsächlich hab' ich aber auch 'ne andere Seite. Meine Fans werden mich wahrscheinlich dafür hassen, aber ich bin ein ehrlicher Typ: Das Trettmann-Album hat mich so berührt. Das find' ich textlich und lyrisch so krass. Der darf auch mal Autotune benutzen, weil er singen kann. Ich hab' das gehört und mega Gänsehaut bekommen. Das Album hat mich jetzt lange Zeit richtig geflasht. Ich würde so einen Sound nicht machen, weil es nicht meiner ist, aber die Platte hat mich umgehauen. Der hat's auch echt verdient, dafür, dass er seit 30 Jahren rumstrugglet.
MZEE.com: Das Trettmann-Album ist in diesem Playlist-Dschungel echt eins der wenigen, das, glaube ich, viele Leute mal wieder über einen längeren Zeitraum begleitet hat.
Da Kid: Da reden ja auch alle über das Album. Das Thema "Single" ist da gar nicht so präsent.
Scu: Er hat's geschafft. Und das musst du heute erst mal.
Da Kid: Ich feier' Ulysse. Der wird auf jeden Fall noch was reißen. Und ja, die neuen Kwam.e Sachen sind auf jeden Fall auch dope.
MZEE.com: Dann kommen wir zur letzten Frage, die sich an eurem wunderschönen Crew-Namen orientiert: Was sind eure Lieblingshunde?
Scu: Mein Lieblingshund ist mein Hund! Der ist ja auch in unseren Blogs am Start. Das ist ein Labradoodle. Eine ganz süße, mittlerweile große Hündin. Ich bin Labrador-Fan, aber da ist Pudel mit drin, dann haaren die nicht so. Das sind so Anti-Allergiker-Hunde. Hunde sind einfach die besseren Menschen. Immer treu und an deiner Seite, die nehmen immer wahr, wie du drauf bist. Das ist 'ne coole Sache.
Da Kid: Später, wenn ich alt bin, hole ich mir auf jeden Fall einen Dackel. So richtig oldschool.
Scu: Alter. (lacht)
Da Kid: Ich erzieh' den zu 'nem richtigen Wichser. (lacht)
Scu: Die sind von Haus aus Wichser. Mein großer Traum ist 'ne Mischung aus Berner Senne und Bernhardiner. Das sind so richtig riesige Klöpse. Der kriegt dann ein Fass um, in dem ich mein Gras deponiere. Das mach' ich, wenn ich in Rente gehe.
(Alexander Hollenhorst)
(Fotos von Daniel Feigl)