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Interview

LUX

"Das Album ist für mich ein Sym­bol der Zer­ris­sen­heit. Man kann die Din­ge nicht immer nur schwarz-​weiß dar­stel­len oder in gut oder böse und ja oder nein unter­tei­len." – LUX im Inter­view über sein Album "IKIGAI", das japa­ni­sche Kon­zept hin­ter dem Namen und das neue Poli­zei­auf­ga­ben­ge­setz in Bayern.

Was ist der Sinn des Lebens? Wofür lohnt es sich zu leben? Wofür stehst du mor­gens auf? Nach den Ant­wor­ten auf die­se Fra­gen sucht wohl jeder Mensch nicht nur ein­mal im Leben. So auch der Münch­ner Rap­per LUX. Eine mög­li­che Her­an­ge­hens­wei­se hat er im japa­ni­schen Kon­zept des IKIGAI gefun­den, wel­ches der Namens­ge­ber für sein am ers­ten Juni erschei­nen­des, neu­es Album ist. Frei über­setzt bedeu­tet das Wort in etwa das, wonach der Mensch sucht: "Lebens­sinn", "das, wofür es sich zu leben lohnt" oder eben "das Gefühl, etwas zu haben, für das es sich lohnt, mor­gens auf­zu­ste­hen". Gra­fisch lässt sich das Kon­zept durch vier Krei­se dar­stel­len, deren Schnitt­stel­le das IKIGAI ist. So soll der Mensch in Ein­klang brin­gen, was er liebt, was die Welt braucht, wofür er bezahlt wer­den kann und wor­in er gut ist Lei­den­schaft, Auf­ga­be, Beru­fung und Beruf. Im Inter­view haben wir mit LUX sowohl über das IKIGAI-​Konzept an sich als auch über sein neu­es Album, Selbst­re­fle­xi­on und Dank­bar­keit, das neue Poli­zei­auf­ga­ben­ge­setz in Bay­ern und die nächs­ten Zie­le des Münch­ner Rap­pers gesprochen. 

Das Inter­view wur­de vor der Ver­ab­schie­dung des Poli­zei­auf­ga­ben­ge­set­zes im baye­ri­schen Land­tag geführt.

MZEE​.com: Das japa­ni­sche Wort bezie­hungs­wei­se Kon­zept "IKIGAI" dient als Album­ti­tel dei­nes neu­en Releases. "IKIGAI" steht für den Lebens­sinn, also für das, wofür es sich zu leben lohnt. Hast du die­ses IKIGAI bereits für dich gefunden? 

LUX: Ich glau­be, das IKIGAI ver­än­dert sich immer wie­der. Die­se vier Krei­se, die dem Kon­zept zugrun­de lie­gen, rücken mal näher anein­an­der und auch wie­der aus­ein­an­der. Es gibt Zei­ten, in denen man denkt, sein IKIGAI gefun­den zu haben bezie­hungs­wei­se nah dran zu sein. Und dann pas­siert etwas, das einen der Krei­se wie­der wei­ter weg­stößt, wodurch die Schnitt­men­ge ja klei­ner wird. All­ge­mein ist aber natür­lich die Musik in gewis­ser Wei­se mein IKIGAI, des­halb hab' ich auch das Album so genannt. Mal kommt mehr Geld dadurch rein, dann ist es wie­der weni­ger … Und ob die Welt mei­ne Musik braucht oder nicht, ist auch so eine Fra­ge, die man sich selbst als Künst­ler stellt. Man­che Songs oder Pro­jek­te haben viel­leicht einen Mehr­wert für die Welt, ande­re haut man eben ein­fach so raus. Im End­ef­fekt suche ich mein IKIGAI in der Musik und fin­de es mal mehr und mal weniger.

MZEE​.com: Die Idee des IKIGAI sieht kurz gesagt vor, die vier Kom­po­nen­ten "Was Sie lie­ben", "Was die Welt braucht", "Wofür man Sie bezah­len kann" und "Wor­in Sie gut sind" in Ein­klang zu brin­gen – so hab' ich es zumin­dest verstanden.

LUX: Ja, genau. Ich wür­de sagen, je mehr man es schafft, die Kom­po­nen­ten in Ein­klang zu brin­gen, und je näher die­se vier Krei­se zusam­men­rü­cken, des­to mehr ist man mit sich selbst im Rei­nen. Das Album ist für mich auch ein Sym­bol der Zer­ris­sen­heit. Man kann die Din­ge nicht immer nur schwarz-​weiß dar­stel­len oder in gut oder böse und ja oder nein unter­tei­len. Des­halb ist das Kon­zept für mich sehr nah am Leben, das eben auch nicht immer so ein­fach dar­zu­stel­len ist.

MZEE​.com: Wie bist du denn auf das The­ma gestoßen?

LUX: Ich weiß es gar nicht so genau. Mir war, glau­be ich, rela­tiv lang­wei­lig. Ich bin da ein­fach irgend­wann im Inter­net drauf gesto­ßen. (grinst) Aber dann bin ich hän­gen­ge­blie­ben! Also, ich hab' mich dann schon mehr damit beschäf­tigt und auch rela­tiv schnell den Song dazu geschrie­ben. Ich fand das Bild an sich ein­fach schön, dann ist mir noch die Geschich­te dazu ein­ge­fal­len … Ich hab' auch noch ein Buch dazu gele­sen, in dem es aber noch etwas mehr um das The­ma "Lang­le­big­keit" als das Kon­zept an sich geht. Das Kon­zept kommt ja aus Japan. In dem Buch geht es dar­um, wie die Men­schen auf der Insel Oki­na­wa leben. Das ist einer der Orte auf der Welt, an dem die Men­schen am ältes­ten wer­den, die haben eine der höchs­ten Raten an Men­schen, die über hun­dert Jah­re alt sind. Das IKIGAI spielt dabei laut die­sem Buch eine gro­ße Rol­le. Fami­lie, sozia­les Leben, Ernäh­rung, Bewe­gung. Zum Album­ti­tel ist es dann gewor­den, nach­dem ich schon län­ge­re Zeit nach einem pas­sen­den Titel im Zusam­men­hang mit die­ser ange­spro­che­nen Zer­ris­sen­heit gesucht habe. Das pass­te dann auch echt gut, weil der Won, der das Cover gestal­tet hat, das auch direkt gefei­ert hat.

MZEE​.com: Ich fin­de an dem Kon­zept auch den Ansatz sehr inter­es­sant, auf der Suche nach sei­nem Lebens­sinn eben nicht nur auf sich selbst zu schau­en, son­dern auch dar­auf, was für das gro­ße Gan­ze am Bes­ten ist.

LUX: Das war auch einer der Grün­de, war­um es mich so gefes­selt hat. Ich fin­de eben­so total gut, dass in dem Kon­zept offen kom­mu­ni­ziert wird, dass man eben auch Geld ver­die­nen muss. Anders läuft es halt nicht. Sol­che Kon­zep­te sind ja oft ein biss­chen blau­äu­gig, da heißt es dann: "Ja, du musst ein­fach machen, was du liebst." Aber wenn du damit kein Geld ver­dienst und dei­ne Fami­lie nicht ernäh­ren kannst, kannst du's ver­ges­sen. Ich find' das IKIGAI-​Konzept dadurch ein­fach sehr ehrlich.

MZEE​.com: Ich habe es auch so ver­stan­den, bewusst danach zu suchen, wofür es sich zu leben lohnt. Denkst du, dass das zu weni­ge Men­schen tun?

LUX: Ich den­ke, es geht oft gar nicht dar­um, dass man das IKIGAI unbe­dingt kom­plett erreicht. Tat­säch­lich ist es wahr­schein­lich schon ein guter Schritt, sich bewusst zu machen, was man tun kann, um bestimm­te Din­ge zu errei­chen. Ich glau­be defi­ni­tiv, dass sich die meis­ten Leu­te zu wenig Gedan­ken dar­über machen und auch zu abge­stumpft oder unsen­si­bel sind, um sich die­se Fra­gen zu stel­len. Unse­re Gesell­schaft ist ein­fach so auf­ge­baut, ich habe das Gefühl, das soll man sich gar nicht fra­gen. Im Kapi­ta­lis­mus zählt ja einer der vier Krei­se defi­ni­tiv am meis­ten: Du sollst ordent­lich Geld ver­die­nen, Steu­ern zah­len und Geld aus­ge­ben. Die ande­ren Krei­se sind eher zweit­ran­gig. Das merkt man ja dar­an, was auf der Welt pas­siert. Die Leu­te den­ken nicht oft dar­an, ob ihr Han­deln dem gro­ßen Gan­zen hilft oder scha­det. Ich hof­fe auf jeden Fall auch dar­auf, dass sich viel­leicht ein paar Leu­te durch das Album oder nur den Titel ein paar Gedan­ken dazu machen.

MZEE​.com: Bevor wir gleich genau­er auf die Plat­te ein­ge­hen: Meinst du denn, dass die Chan­ce, das IKIGAI zu fin­den, über­haupt grö­ßer wird, wenn man bewusst danach sucht?

LUX: Schwie­rig. Man muss sich natür­lich nicht dar­auf ver­stei­fen und dog­ma­tisch nach die­sem Kon­zept leben. Aber ich den­ke, dass es wich­tig ist, die­ses Bewusst­sein zu schaf­fen. Ich glau­be schon auch ziem­lich stark an das Schick­sal und dass die Din­ge eben kom­men, wie sie kom­men … aber man soll­te schon bewusst handeln.

MZEE​.com:  Im Pres­se­text zur Plat­te steht: "Zwi­schen dem Vor­gän­ger '24/​7 Power­nap' aus dem Janu­ar 2017 und jetzt 'IKIGAI' liegt etwas ganz Ent­schei­den­des: das Leben." Wel­che war die größ­te Ent­wick­lung, die du in der Zeit zwi­schen den bei­den Plat­ten gemacht hast?

LUX: Man kann die Ent­wick­lung gar nicht so auf die­se ein­ein­halb Jah­re beschrän­ken. Für mich ist der Zeit­raum zwi­schen den bei­den Plat­ten eigent­lich viel grö­ßer. "IKIGAI" war fast fer­tig geschrie­ben, als "24/​7 Power­nap" raus­kam. Und die ers­ten Songs für "24/​7 Power­nap" habe ich, glau­be ich, so vor vier Jah­ren geschrie­ben. Seit­dem bin ich schon ein biss­chen weg von die­sem Hänger-​Lifestyle. Ich hab' mit zwei lang­jäh­ri­gen Kum­pels in einer WG gewohnt in der Zeit, in der man viel aus­ge­ras­tet ist, gefei­ert, gekifft und in einer dre­cki­gen Bude rum­ge­han­gen hat. Vor drei Jah­ren bin ich dann aus­ge­zo­gen und mein gan­zes Umfeld ist ein biss­chen clea­ner gewor­den. Der Job neben der Musik hat sich gefes­tigt. Ich bin ein­fach etwas kla­rer, moti­vier­ter, fit­ter, gesün­der und "gesett­le­ter" gewor­den. Das hört man wahr­schein­lich auch der Musik an.

MZEE​.com: Pierre Sona­li­ty hat uns in einem Inter­view auch erzählt, dass er seit Län­ge­rem etwas gesün­der lebt, kei­nen Alko­hol mehr trinkt und ihm das total gut­tut. Es ist auch ein­fach ein nor­ma­ler Pro­zess, dass sich der Fokus auf ande­re Din­ge ver­schiebt, wenn man älter wird, oder?

LUX: Ja, auf jeden Fall. Bei man­chen mehr, bei man­chen weni­ger und bei man­chen kommt es sicher erst spä­ter, wenn ich so in mei­nen Freun­des­kreis gucke … (grinst) Bei mir hat es sich in den letz­ten zwei, drei Wochen rela­tiv krass ver­än­dert. Ich trin­ke auch seit zwei Wochen bewusst kei­nen Alko­hol, weil ich ein­fach gemerkt habe, dass es mir dadurch bes­ser geht. Ich hab' vor zwei Jah­ren auf­ge­hört zu rau­chen und kif­fe auch seit Kur­zem nicht mehr, weil ich kei­nen Bock auf den Strugg­le habe. Ich find's gera­de ein­fach total nice, um acht Uhr auf­zu­ste­hen und fresh zu sein. Wenn ich abends einen Joint geraucht habe, bin ich sicher nicht vor elf Uhr auf­ge­stan­den und war dann noch die ers­ten paar Stun­den total deezy. Aber in mei­nem Freun­des­kreis geht's schon noch gut ab, also ich glau­be, bei den meis­ten geht die­se Pha­se län­ger. Ich sag' jetzt auch nicht, dass das bei mir kom­plett vor­bei ist. Wir gehen im Okto­ber auf Tour, also … (grinst) Aber es ist schon ganz cool, ein­fach mal bewusst nicht zu trin­ken. Oder eben bewusst auf die Kacke zu hau­en und sich die Kan­te zu geben. Nicht jeden Abend zwei Bier und 'n Joint.

MZEE​.com: Die Vorab-​Single "Fick den Club" knüpft ja the­ma­tisch durch­aus etwas dar­an an. Dar­auf beschreibst du, wie beschis­sen es in Clubs oft ist – und dass wir trotz­dem immer wie­der fei­ern gehen, ohne wirk­lich zu wis­sen, war­um. Wie­so machen wir das überhaupt?

LUX: Ich find' den Begriff "fei­ern" auch so ein biss­chen stran­ge. Was fei­ert ihr denn über­haupt? Fei­ert ihr jetzt euer Leben, ist das so geil oder was gibt's sonst zu fei­ern? Das ist eigent­lich 'ne krass schwie­ri­ge Fra­ge. Ich find's auch immer ein biss­chen dumm, zu sagen, dass sich alle wegen ihrem kras­sen Strugg­le betäu­ben müs­sen und so wei­ter. Manch­mal kommt's mir so vor, aber es ist auch so auf­ge­bla­sen. Vie­len macht es, glau­be ich, ein­fach Bock und es ist halt gera­de in unse­rer Gene­ra­ti­on total ver­an­kert. Der Song beschreibt das ja nur. Da kann sich dann jeder sei­nen Teil den­ken. Ich den­ke auf jeden Fall, dass jeder die­se Momen­te kennt, die in dem Song vor­kom­men. Ich fand den Song als ers­te Sin­gle auch ein­fach gut, weil er etwas locke­rer und ein biss­chen Balla-​Balla ist. Wir haben da auch so nach dem Eminem-​Prinzip ein total bescheu­er­tes Video gedreht. Ich besauf' mich ein­fach allei­ne gna­den­los. (lacht) Als zwei­tes Video kommt "IKIGAI", das dann sehr deep und mit gro­ßen Bil­dern wirkt. Das schafft einen ganz coo­len Kontrast.

MZEE​.com: All­ge­mein hört man dei­nen Tex­ten auf der Plat­te eine gro­ße Dank­bar­keit für das an, was du in dei­nem Leben hast. Gab es einen bestimm­ten Zeit­punkt, in dem dir bewusst gewor­den ist, wie gut es dir geht? 

LUX: Gute Fra­ge. Da hab' ich noch nie so drü­ber nach­ge­dacht. Ich bin auf jeden Fall ein opti­mis­ti­scher Mensch und ver­su­che immer, alles eher posi­tiv und das Gute statt das Schlech­te zu sehen. Mei­ne Schul­zeit war zum Bei­spiel von Anfang an ziem­lich kacke, die ers­te Klas­se war schon rich­tig ätzend. Ich hab' bis zum Schluss total Strugg­le gehabt. Aber umso mehr ich mein eige­nes Ding und das, was mir wirk­lich taugt, machen kann, geht es mir eigent­lich immer bes­ser. Da gehört eben auch dazu, sich von die­sem Hänger-​Lifestyle zu ent­fer­nen, wie ich es vor­hin erwähnt habe. Ich fühl' mich halt schon fres­her jetzt.

MZEE​.com: Ich mein­te auch ein bestimm­tes Bewusst­sein über die eige­ne Situa­ti­on. Dass man es eben zu schät­zen weiß, in einem rei­chen Land zu leben, Men­schen zu haben, die für einen da sind …

LUX: Ja, voll. Das ver­su­che ich schon, in mei­nen Tex­ten auch darzustellen.

MZEE​.com: Ich hab' manch­mal fast ein schlech­tes Gewis­sen, wenn man über Din­ge jam­mert, die eben auch wie­der gut wer­den. Es gibt halt immer jeman­den, der an etwas viel Här­te­rem leidet.

LUX: Klar, das kenn' ich auch. Aber es gibt eben Din­ge, die pas­sie­ren, und dann geht es einem nicht mehr so gut. Man hat Schmer­zen, irgend­was nervt, was weiß ich … Das ist dann halt auch kacke. Ich hat­te zum Bei­spiel letz­tes Jahr für eine kür­ze­re Zeit sau­kras­sen Lie­bes­kum­mer. Mir ging's rich­tig, rich­tig schlecht, auch kör­per­lich. Ich dach­te mir dann auch immer, das geht ja wie­der weg, so schlimm ist es nicht. Aber ein Kum­pel hat mir gera­ten, es ein­fach total aus­zu­le­ben, dass es mir schlecht ging, und qua­si auch dar­in auf­zu­ge­hen. Es hilft total, das ein­fach zuzu­las­sen, dadurch geht es einem dann auch wie­der besser.

MZEE​.com: Klar, das ist auf jeden Fall wichtig.

LUX: Das ist auch krass: Wir kom­men gera­de bei jedem The­ma zu dem Punkt, an dem wir mer­ken, dass man die Din­ge eben nicht so schwarz-​weiß sehen kann. (grinst) Irgend­wie steckt das alles in die­sem IKIGAI-Konzept.

MZEE​.com: Ich wür­de mit dir ger­ne über ein The­ma spre­chen, das für dich als Münch­ner ganz nah ist: die geplan­te Ver­schär­fung des Poli­zei­auf­ga­ben­ge­set­zes in Bay­ern, die bun­des­weit hoch­emo­tio­nal dis­ku­tiert wird. Tat­säch­lich wur­de das Gesetz schon 2017 ver­schärft, die Prä­ven­tiv­haft kann seit­dem unbe­fris­tet ver­län­gert wer­den. Eigent­lich kommt der Auf­schrei schon zu spät, oder?

LUX: Das ist an mir ehr­lich gesagt letz­tes Jahr auch vor­bei­ge­gan­gen. Klar, das ist ja am Ende immer so. Die hal­ten das ja auch solan­ge unter Ver­schluss, dass es meis­tens zu spät ist, wenn das Gesetz kommt. Die sind ja in den End­ver­hand­lun­gen. Wir sind jetzt auch alle bei der Groß­de­mo in Mün­chen am Start. Aber eigent­lich bro­delt das The­ma schon seit zwei, drei Mona­ten. Für mich ist das Gan­ze auch pri­vat echt krass. Ich wur­de Anfang Janu­ar hier in Mün­chen nachts von sechs Beam­ten ange­hal­ten. Die haben mich krass schi­ka­niert, es war sau­kalt, ich muss­te die gan­ze Zeit drau­ßen­ste­hen und am Ende sind die eben zum Blut­ab­neh­men mit mir in die Kli­nik gefah­ren, weil ich mich gewei­gert hab', 'ne Urin­pro­be abzu­ge­ben. Da waren dann wie­der sechs Poli­zis­ten drei, vier Stun­den mit mir beschäf­tigt, obwohl ich ein­fach nichts gemacht hab'. Mein Auto war top, ich war nüch­tern, ich hab' ganz nor­mal mit denen gere­det … es war völ­lig unver­hält­nis­mä­ßig. Mein Hass auf die Poli­zei war eh gestie­gen und jetzt kam das noch. Das ist schon 'ne echt schwie­ri­ge Zeit dies­be­züg­lich. Könn­te echt unge­müt­lich wer­den. Seit der Söder Minis­ter­prä­si­dent ist, geht es ja sowie­so voll ab. Bezüg­lich psy­chisch kran­ker Men­schen ist ja auch etwas ver­ab­schie­det wor­den. Die Daten über Men­schen, die wegen einer psy­chi­schen Erkran­kung in einer Kli­nik waren, wer­den jetzt nach der Ent­las­sung gespei­chert und zum Bei­spiel an die Poli­zei wei­ter­ge­ge­ben. Es reicht also, ein­mal in eine Kli­nik zu gehen, um voll abge­stem­pelt zu wer­den. Das fin­de ich auch extrem gefähr­lich. Die­se Din­ge schrän­ken unse­re Frei­heit enorm ein. Ich hab' schon über­legt, einen Song dar­über zu machen, aber das ist sausch­wie­rig. Es ist auf jeden Fall wich­tig, die Reich­wei­te als öffent­li­che Per­son zu nut­zen, um etwas dage­gen zu sagen.

MZEE​.com: Fin­dest du denn, dass es genug Gegen­wind gibt? 

LUX: Nee, ich glaub' nicht. Ich hab' das mei­nen Eltern auch vor ein­ein­halb Mona­ten erzählt und die wuss­ten gar nichts davon. Es wird auch in den gro­ßen Medi­en nicht aus­rei­chend the­ma­ti­siert, wir krie­gen da im Inter­net noch am meis­ten mit. Natür­lich kommt da jetzt mehr, aber es müss­te eigent­lich noch grö­ßer berich­tet wer­den. Was die Par­tei­en angeht, sehe ich ein paar Pla­ka­te von den Lin­ken und den Grü­nen, aber da müss­te auch mehr kom­men. Die CSU dis­ku­tiert ja auch nicht mit Kri­ti­kern, son­dern blockt das ein­fach alles als "lin­ke Pro­pa­gan­da" ab. Total absurd. Mei­ne Freun­din mein­te auch schon, wir müss­ten Sti­cker dru­cken und Ban­ner auf­hän­gen und was weiß ich. Aber sie kann's nicht ein­fach so machen und ich hab' halt auch wie­der die dum­me Aus­re­de, 24/​7 an die­sem Album zu sit­zen. Eigent­lich müss­te man auch selbst viel mehr machen. Ges­tern hab' ich wenigs­tens 'ne Sto­ry zu dem The­ma gepos­tet, das sehen immer­hin 800 Leu­te … ich pro­bier', da was zu sagen, wo ich was sagen kann.

MZEE​.com: Lass uns zum Ende des Inter­views noch ein biss­chen über Rap spre­chen. David Pe hat uns in einem Inter­view über Münch­ner Rap mal Fol­gen­des gesagt: "Ich glau­be, es liegt an unse­rem Natu­rell hier, dass die Münch­ner nie so krass raus­ge­sto­chen sind. Die meis­ten Münch­ner Bands und Künst­ler hau­en nicht so auf die Kacke. Wir sind recht dif­fe­ren­ziert und erken­nen, dass wir nicht das Non­plus­ul­tra sind. Das ist wahr­schein­lich unser Dilem­ma." Fin­dest du dich selbst dar­in wie­der oder wür­dest du ihm widersprechen?

LUX: Ich fin­de mich selbst dar­in wie­der und ver­su­che immer mehr, da raus­zu­bre­chen. (grinst) Das ist für mich auch mei­ne Auf­ga­be als Künst­ler, ein­fach etwas mehr raus­zu­ste­chen. Ich will mich dar­in eigent­lich nicht wie­der­fin­den müssen.

MZEE​.com: Ein Fato­ni zum Bei­spiel ist als Münch­ner ja schon rela­tiv "groß" gewor­den, er ist aller­dings auch nach Ber­lin gezo­gen. Hast du dies­be­züg­lich irgend­wel­che Plä­ne oder bleibst du in Mün­chen? Du möch­test ja schon, dass das Gan­ze noch etwas grö­ßer wird.

LUX: Auf jeden Fall. Wie gesagt, ich arbei­te echt krass viel für das aktu­el­le Album und will da nichts dem Zufall über­las­sen. In den letz­ten Tagen haben mich tat­säch­lich drei- oder vier­mal Leu­te auf die­ses Berlin-​Thema ange­spro­chen. Kei­ne Ahnung, ich fühl' mich ein­fach ver­dammt wohl in Mün­chen. Ich hab' mei­ne Fami­lie hier und alles, was ich mir auf­ge­baut hab'. Ich hab' super­kras­se Leu­te hier, mit denen ich arbei­ten kann und ohne die ich das alles sowie­so über­haupt nicht schaf­fen wür­de. Also Shou­tout an alle. (lacht) Allein, was die letz­ten Tage noch alles fer­tig gemacht wer­den muss­te. Und gera­de jetzt, wenn der Som­mer kommt, ist die Stadt ein­fach ver­dammt geil. Ich bin echt ger­ne hier und des­halb will ich aus die­sem Rah­men, den David Pe da beschreibt, von hier aus aus­bre­chen und nicht weg­ge­hen müs­sen. Lie­ber hier her­aus­ste­chen als in Ber­lin einer von Tau­sen­den zu sein und unterzugehen.

MZEE​.com: Wir kom­men zur letz­ten Fra­ge. Du hast dein Album nach dem Lebens­sinn benannt, danach, wofür es sich zu leben lohnt. Ich wür­de von dir ger­ne wis­sen: War­um lohnt es sich, dei­ne neue Plat­te zu hören?

LUX: Sie ist dope. (lacht) Da kom­men wir wie­der zur Fra­ge, die man sich im IKIGAI-​Konzept stellt: Braucht die Welt das wirk­lich, was ich da gemacht hab'? Das ist eine ver­dammt har­te Fra­ge. Ich wür­de ein­fach sagen, dass sehr viel Lie­be drin­steckt. Von Cap Kendricks in sei­nen Pro­duk­tio­nen über das Art­work von Won bis zu den Raps. Es ist kein schnell hin­ge­klatsch­tes Reißbrett-​Ding. Und ich den­ke schon, dass man etwas mit­neh­men kann, wenn man sich dar­auf ein­lässt. Man kann mit einem guten Vibe und einem guten Gefühl aus die­ser Plat­te raus­ge­hen und danach viel­leicht etwas für sich oder ande­re Leu­te bes­ser machen.

(Alex­an­der Hollenhorst)
(Fotos von Juli­an Dan­nou­ra & Tom Doolie)