Es gibt große Künstler, die Auftritte eine halbe Stunde vor Beginn absagen, weil sie etwas erkältet sind. Vielleicht auch, weil sie einfach keine Lust haben, aber das ist an dieser Stelle natürlich Spekulation. Und es gibt Künstler, die schwer angeschlagen eine große Festivalbühne abreißen und sich vorher noch von uns zum Interview bitten lassen. In diesem Fall sprechen wir von Lakmann One. In einem, nur gelegentlich von kleinen Hustenanfällen unterbrochenen, sehr ehrlichen Gespräch redete der Wittener mit uns vor einem Auftritt über seine Karriere, die Wertigkeit von Musik in Zeiten von Spotify & Co und die aktuelle Entwicklung der deutschen Rapszene. Außerdem sprachen wir mit Lakmann über die lockere Herangehensweise an seine aktuelle Platte "Fear of a wack Planet" und die positive Resonanz darauf, die deutsche Battlerap-Szene und einen noch unerfüllten Traum.
MZEE.com: Beginnen wir das Interview mit einem kleinen Gedankenspiel: Stell dir mal vor, der junge Lakmann von damals würde heute in Kontakt mit der HipHop-Szene kommen. Meinst du, er würde von der Szene an sich und dem ganzen Vibe genauso gecatcht werden?
Lakmann: Nee, wahrscheinlich wäre ich nicht so begeistert gewesen. Das Ganze ist heute ja viel einfacher zugänglich. Wir mussten damals nach HipHop und unseren Gleichgesinnten suchen. Diesen Goldschatz zu finden, hat es so reizvoll gemacht. Wenn etwas schwerer zu kriegen ist, hat es für dich ja einen viel größeren Wert, als wenn du es an jeder Ecke hinterhergeschmissen bekommst. Und abgesehen davon ist natürlich vieles im Rapkosmos heute ziemlich weichgespült. Ich meine das gar nicht negativ, es müssen ja nicht alle auf hart machen. Aber der Sound und die Images von vielen Leuten sind doch sehr Pop-orientiert, glatt und konturlos. Die Rapper, die mich als Siebzehnjährigen begeistert haben, waren eher roughe Typen mit Charakter. Du wusstest genau, wofür jeder stand. Da kann man zum Beispiel Busta Rhymes und Mobb Deep unterscheiden. Zwei Legenden, aber total unterschiedlich. Ein Verrückter und zwei Street-Rapper. Wenn wir das auf die heutige Zeit und das angesagte Soundbild übertragen, sind alle im gleichen Gewand und füllen die gleiche Schablone von Sounds aus. Das macht die halt extrem auswechselbar.
MZEE.com: Was meinst du, wie es ausgesehen hätte, wenn du im Jahr 2000 geboren wärst?
Lakmann: Da hast du natürlich ganz andere Anfangsvoraussetzungen, wie du überhaupt Musik hörst. Wahrscheinlich hörst du nicht so viel Musik rückwirkend wie wir damals. Wir haben uns, nachdem wir in den frühen 90ern die ersten Amis gehört haben, immer im Nachhinein die vorherigen Sachen von denen angehört. Durch eine Handvoll Artists hat sich da ja für dich schon ein ziemlich weiter Raphorizont aufgetan, in dem du alles wichtige mitbekommen hast. So haben wir dann Public Enemy und KRS-One gehört. Wenn du das heutzutage machen willst, hast du ja 'ne Mammutaufgabe vor dir.
MZEE.com: Deine erste Antwort zeigt schon, dass du einigen Entwicklungen in der Szene recht kritisch gegenüberstehst. Was ist deiner Meinung nach denn die positivste Entwicklung im deutschen Rap seit Mitte der 90er Jahre?
Lakmann: Boah. Vielleicht der Erfolg, der Fame und das Geld, das für die Artists dabei abspringt.
MZEE.com: Ein größerer Kuchen für alle?
Lakmann: Ja, ich glaub' schon. Ein Kuchen ist da, ich weiß nicht, ob der größer geworden ist. (grinst) Es ist ja so, dass jeder, der ernsthaft rappt, extrem viel opfert. Und bei jedem, der etwas opfert, sollte auch mal etwas auf der Habenseite stehen, sonst ist es ein unfaires Spiel. Deshalb ist es nur gerecht, dass das Ganze größer geworden ist.
MZEE.com: Die Tapefabrik, die sich das Motto "Untergrund aus Prinzip!" auf die Fahne geschrieben hat, ist in diesem Jahr zum Beispiel im Vorhinein ausverkauft gewesen.
Lakmann: Diesmal war es schon sehr underground. Es gab keinen einzigen Major-Artist als Hauptact. Ich habe aber auch mal mit Creutzfeld & Jakob auf der Tapefabrik gespielt, als auch Hafti gebucht war. Und dann hat es mal ein Jahr gar nicht stattgefunden. Es gab also eine "gesunde Häutung".
MZEE.com: Durch das allgemein größere Interesse an Rap finden eben auch mehr Menschen in die Nischen und verschiedenen Subgenres beziehungsweise -szenen. Da spielt auch Spotify eine Rolle, das es dir ja wahnsinnig einfach macht, auch nach unbekannter Musik zu suchen.
Lakmann: Das stimmt zum einen, schlägt aber auch die Brücke zu der Frage nach Verfügbarkeit von Musik. Etwas verliert an Wert, wenn es dir einfach for free vor die Nase gehalten wird. Ich mein' das auch wertfrei. Damals hab' ich mich geärgert, dass wir bei Horten oder Galeria Kaufhof nur ein kleines Mini-Segment für HipHop-CDs hatten. Das waren vielleicht 20, 30 Stück. Fanden wir natürlich scheiße. Heute hast du halt diese riesige Vielfalt und na ja, du wünschst dir jetzt nicht die alte Zeit zurück, aber … Man kann es den Menschen eben nie recht machen. Auf der anderen Seite sieht's immer besser aus. Kurz gesagt: Wenn du immer mehr kriegen kannst und so ein angefixter Nerd bist, dann ist es natürlich gut, dass du so viel hören kannst.
MZEE.com: Gibt es nach all der Zeit, die du dich in dieser Szene bewegt hast, denn heute noch HipHop-Momente, die dich wirklich berühren?
Lakmann: Auf jeden Fall. Es gibt immer herzliche und tolle Momente im Live-Sektor, in dem wir mit Witten Untouchable jede Woche unterwegs sind. Von kleinen Kindern in der ersten Reihe, die in die nächste Stadt zum Konzert reisen, weil der Veranstalter Kinder reinlässt, bis zu richtigen Bekanntschaften. Als wir heute angekommen sind, hat die Katja geschrieben – die ist mittlerweile so Mitte 50, glaub' ich. Deren Sohn Justin hat mal Aquarell-Portraits von uns gemalt. Die verfolgt uns von Auftritt zu Auftritt hier in der Region. Oder jemand, der sich "Untouchable" tätowiert hat und für immer bei uns in den Backstage kann. Zu solchen Leuten halten wir auf jeden Fall einen kleinen, privaten Draht. Die Momente sind voll krass für mich. Bei anderen Artists finde ich diese Momente allerdings nicht mehr so sehr wie früher. Wobei: Drakes "God's Plan"-Aktion fand' ich wirklich cool, das hat mich berührt. In Amerika kommt sowas ja auch gut an, da gönnen dir die Leute, wenn du es geschafft hast. Wenn du es dann mit den Leuten teilst – noch besser. Der hat da ja scheinbar Menschen glücklich gemacht. Ist nur die Frage, wie es in Deutschland ankommt, wenn man so eine Aktion von Drake feiert. Eigentlich hasse ich den auch. (lacht) Wie er bei den Toronto Raptors an der Bank sitzt und die anderen Spieler aufstachelt, das mag ich überhaupt nicht. Aber man sagt auch, dass große Egos ein großes Herz haben und ich fand die Aktion klasse.
MZEE.com: Hast du durch deinen Legendenstatus in der Szene manchmal das Gefühl, auch eine Art Verantwortung für Rap zu haben? Wie jemand, der hier immer mal wieder nach dem Rechten sehen muss?
Lakmann: Nee, also zur HipHop-Polizei gehör' ich gar nicht. Ich denke natürlich, dass ich eine echte Verantwortung für die Leute in meinem Umfeld hab'. Manchmal red' ich mir da auch ein, dass ich noch viel erfolgreicher sein müsste, um allen in meinem Umfeld mehr Möglichkeiten geben zu können, erfolgreich zu sein. Ich bin froh, dass es momentan für mich und meine Familie reicht. Zurzeit kommt bei Lakmann-Solo-Gigs ungefähr soviel rum wie bei Untouchable-Gigs, aber da müssen wir ja noch durch drei teilen. (grinst) Das Ziel wäre, das bei Untouchable jeder so viel kriegt wie bei einem Lakmann-Solo-Gig … und das ist auch schon nicht so viel.
MZEE.com: Lass uns mal über ein anderes Thema sprechen: Social Media ist in der Rapwelt so präsent wie nie zuvor. Bei dir kümmern sich Freunde und Kollegen um deine Accounts. Ist dir das Ganze einfach nur zu anstrengend und lästig? Oder hast du eine richtige Abneigung dagegen?
Lakmann: Es ist mir echt zu anstrengend und ehrlich gesagt auch zu blöde. (lacht) Wirklich. Wenn wir hier miteinander reden, dann hab' ich auch Bock darauf und antworte nicht einsilbig oder so. Auf Facebook kann ich ja gar nicht so auf jeden Post oder jede Nachricht eingehen. Visa Vie hat mir vor vielen Jahren schon gesagt, dass ich viel erfolgreicher wäre, wenn ich mein Social Media Game mal ein bisschen upsteppen würde. Das war mir aber damals einfach nicht wichtig und ist es jetzt, Jahre später, immer noch nicht. (lacht) Mein bester Homie führt jetzt aber immerhin meine Instagram-Seite. Die hat er aber auch nur gemacht, weil wir als Witten Untouchable ein E-Sports-Team haben. Wir zocken NBA 2K18 auf der XBox One. Spielt das einer von euch?
MZEE.com: Nee, leider nicht.
Lakmann: Also, wir spielen echt zu fünft mit Headset und so weiter online in einer E-Sports-Liga. Letztens hatten wir 39 Zuschauer auf Twitch und Leute gucken echt zu, wie der Lakmann da mit seinem Team mit Witten Untouchable-Logo zockt. Das ist schon geil. (grinst) Was mir ansonsten Leute bei Facebook und Instagram schreiben, erreicht mich auch alles, nur halt nicht so schnell. Ich bin da sehr altmodisch und schau' höchstens einmal am Tag rein. Was mich danach erreicht, beantworte ich erst am nächsten Tag. Den Rhythmus lass' ich mir nicht nehmen. Die Leute sagen immer, dass sie keine Zeit mehr hätten. Wir haben genug Zeit, wir müssen sie uns nur für die wichtigen Dinge nehmen und nicht jeder aufblitzenden Mitteilung sofort hinterherrennen. Dann verlierst du dich darin. Digital ist schön und geil, du musst es nur richtig nutzen. Wenn du dich als junger Dude total darin verlierst und sonst nichts auszufüllen hast, hast du auch echt nur wenig Persönlichkeitsbildung, finde ich zumindest.
Lakmann: Ich find's geil, dass das endlich mal ein paar Leute mitbekommen. Aus den Kritiken war ja auch rauszulesen, dass viele es so wahrgenommen haben, dass ich unbeschwerter rappe und die Platte etwas positiver klingt. Diesmal musste ich ja bei Orange Field nur einrappen. Props an die Jungs nochmal an der Stelle fürs Mischen und Arrangieren. Ich hab' mir Sorgen gemacht, dass vielen Leuten diese Ernsthaftigkeit fehlt und es ihnen zu locker ist. Ich hab' ja selbst immer diesen Anspruch. Tatsächlich gefällt es den Leuten so jetzt viel besser. (grinst) Aber mir persönlich gefällt eigentlich das andere besser. Du darfst halt beim Musikmachen niemals den Gedanken haben, dich irgendwie anzubiedern und zu überlegen, für wen du Musik machst, beziehungsweise wie es rüberkommt. Dann bist du schon verloren. Ich hab' mich deshalb total gefreut, dass die Platte so gut angekommen ist und die Leute das positive Soundbild und die Lockerheit gefeiert haben. Ich hatte echt noch nie so wenig geistigen Anspruch an die Texte wie bei dieser Platte. Da sieht man wieder: Du kannst so viel Arbeit in ein Projekt stecken und versuchen, alles perfekt zu machen, nur um sozusagen Perlen vor die Säue zu schmeißen. Du willst in deiner vernerdeten 20-Jahre-HipHop-Welt immer wieder was Neues umkrempeln und schaffen. Und bist viel zu weit weg von dem, was die Leute feiern. Wenn du dann einfach mal loslässt und einen Track oder eine ganze Platte lang "Lakmann", "Aah" und "Elahka" sagst … Es gibt kein Album, auf dem ich so oft "Aah" und "Elahka" sage. (lacht) Das trifft eben ein Gefühl. Es muss nicht die tiefste Lyrik sein. Das ist für mich das beste Kompliment an die Platte. Savas hat mir auch gesagt, dass er es geil findet, wie unaufgeregt ich auf der Platte rappe. Ich hab' mir eben keinen Kopf gemacht.
MZEE.com: Der Track "Wofür mach ich das", mit dem du dich vor rund sechs Jahren zurückgemeldet hast, war im Gegensatz zu deinen aktuellen Songs auch sehr viel trüber und melancholischer.
Lakmann: Ja, dazwischen liegen wirklich Welten. Aber sowohl die aktuelle Platte als auch die, die damals rauskam, ist sehr persönlich. "Fear of a wack Planet" ist sehr positiv, "2 Gramm gegen den Stress" war sehr depressiv. Es lag eine harte Zeit hinter mir. Ich war grad Papa geworden und wenn du Kinder kriegst, ändert das die Sicht auf viele Dinge. Prioritäten und Verhältnisse zwischen Menschen verschieben sich. Du bist für deinen Partner vielleicht nicht mehr die Nummer 1 und du willst auch nur noch für deine Kinder die Nummer 1 sein. Das stellt deine Beziehung auf die Probe, es kommen noch andere Probleme von Freunden und vieles anderes dazu – dann entsteht so eine Platte. Ich bin sehr froh, dass ich sie gemacht habe, die haben wir bis jetzt auch am häufigsten nachgepresst, vier oder fünf mal. Die bildet letztendlich das Fundament, auf dem Eartouch und Untouchable stehen. Da bin ich stolz drauf. Ich hab' aus der Not eine Tugend gemacht und die Scheibe im Alleingang veröffentlicht, genau wie "Aus dem Schoß der Psychose". Im Sinne von, ich saß hinter jeder Studiosession, jedem Scratch und jedem Beat und hab' alles zusammengefügt. Da hab' ich den Drive gehabt, es allen zeigen zu wollen. Alle meinten, es sei viel zu lang mit 23 Songs, zu melancholisch, zu düster und viel zu viel Rap über Rap. Und "Fear of a wack Planet" haust du so aus der Hüfte raus und es findet voll den Anklang. Das ist geil. Auf der anderen Seite gibt's ein klitzekleines Defizit: Du fragst dich, ob das der Anspruch ist, den du in Zukunft haben willst. Willst du wirklich nur noch so Musik oder auch weiter verkopfte Musik als Selbsttherapie machen? Im Endeffekt ist Musik bei mir aber immer Selbsttherapie. Ich bin dann froh, wenn es jemand gut findet. Wenn 100 000 Leute meine depressiven Platten kaufen würden, wäre irgendwie auch der Mindstate in der Gesellschaft falsch, Alter. (lacht)
MZEE.com: Wie schon erwähnt, stellte dein letztes Album Battlerap in den Fokus, bei verschiedensten Formaten präsentierst du immer wieder dein Freestyle-Talent. Könntest du dir vorstellen, auch mal Acapella zu battlen? Nicht wenige Menschen in der hiesigen Acapella-Battleszene würden dich dort gern einmal sehen …
Lakmann: Also, ich kann niemanden battlen und demjenigen danach die Hände schütteln und vor der Kamera posen. Geht einfach nicht.
MZEE.com: Kannst du das nicht trennen?
Lakmann: Na ja. Als ich bei "Feuer über Deutschland" den guten Basic – Rest in peace – gebattlet hab’, war das Neuland und so ein Competition-Ding für mich. Da war ich ja mit Brenna, Desasta und Ercandize unterwegs. Wir haben aber damals auch nie gedacht, dass "Feuer über Deutschland" so erfolgreich wird. Es war eher so ein Zusammentreffen von Leuten, die nichts zu tun hatten. Musik stand da für mich so an dritter, vierter Stelle … ich hab' viel mehr gepokert zu der Zeit. Da hab' ich das einfach so nebenbei gemacht. Die heutigen Battles sind ja so groß und die Leute so gut geworden … ich müsste mich dann auch auf den Gegner persönlich vorbereiten. Da hätte ich keinen Bock drauf. Früher haben wir einfach imaginäre, auf jeden ummünzbare Lines geschrieben, sodass du nicht in seine Privatsphäre tauchen musstest, sondern einfach nur eine Pointe brauchtest.
MZEE.com: Das ist auch eine total krasse Entwicklung. Und es ist auch beeindruckend, dass sich Rapper nach solchen Battles die Hände schütteln können, auch wenn es "Sport" ist.
Lakmann: Die Frage ist: Zeugt es nicht viel eher von deinen Skills, wenn du einen Battle-Text schreibst, mit dem du jeden zufälligen Rapper im Raum battlen kannst?
Lakmann: Genau. Das ist für mich die größere Leistung. Ich glaube, dass ein allgemeineres Battle größere Skills erfordert. Wenn du so persönlich gräbst und irgendetwas Peinliches findest, musst du dir nicht mehr so große Gedanken darüber machen, wie und was du erzählst. Du erzählst das dann eben wie einen guten Witz.
MZEE.com: Verfolgst du die Szene denn selbst?
Lakmann: Ich guck' alles. Ich hab' Big Chief auch eben noch getroffen. Zu dem muss ich auch 'ne kurze Geschichte erzählen. Er hatte "2 Gramm gegen den Stress" damals als einer der ersten vorbestellt, mit Unterschrift von mir. Wir haben das ja nur über die Vorbestellungen finanzieren können. Und dann treff' ich ihn eines Tages in Berlin im Cassiopeia und er steht da in seinem Anzug vor mir. Ich kannte ihn gar nicht von DLTLLY. Und er sagt mir, dass ich seine Scheibe nicht unterschrieben hätte. Der verpeilte Dude. (lacht) Ich wusste ganz genau, dass ich jede einzelne unterschrieben habe. Dann hab' ich die CD genommen, aufgeklappt und ihm die Innenseite gezeigt und gesagt: "Guck mal hier, Chief." Er hat da anscheinend nicht einmal reingeguckt. (lacht) Seitdem sind wir Best Friends, Mann. Also: Ich guck' sehr viel, am meisten DLTLLY.
MZEE.com: Wie würdest du das Niveau bewerten?
Lakmann: Einige finde ich gut, andere finde ich schlecht. Das liegt oft daran, dass ich die Reime plump und doof finde oder mir der Charakter des Rappers nicht reingeht. Es wird ja auch viel gechoked. Eigentlich ist ein Battle aber wie ein Dunking-Contest – du kriegst die Höchstnote nur, wenn du den Dunk beim allerersten Versuch schaffst. Na ja.
MZEE.com: Gibt's ein Battle, das dir richtig im Gedächtnis geblieben ist?
Lakmann: Klar. Cris Kotzen gegen Rino Mandingo hatte die besten Lines, Alter. Habt ihr nicht gelacht?! "Ich mein' alleee!!!" (lacht) Hab' ich gepfiffen, ey. Cris Kotzen ist Boss. Gegen den willst du nicht battlen. Ich zumindest nicht. Vielleicht ist der auch einfach so ein gechillter Lebowski-Dude, für den diese Art zu battlen passt. Wenn jemand anders versucht, das nachzumachen, kommt es wahrscheinlich nicht so gut. Auf Tracks hindert ihn das angeblich so ein bisschen. Ich hab' noch keinen Song von ihm gehört.
MZEE.com: Das ist ja auch allgemein ein Thema bei Battle-MCs. Irgendwie tun sich viele schwer damit, gute Tracks zu machen.
Lakmann: Absolut. Und du musst als Rapper alles können, du kannst nicht nur eine Sache machen. Das ist Vergeudung an Talent, wenn du schon rappen kannst und dir der Macht der Sprache bewusst bist. Wenn du weißt, dass du mit deinen Worten etwas erreichen kannst, solltest du erstens nicht zu viel Bullshit erzählen, weil du eine Verantwortung hast. Und zweitens solltest du versuchen, dich breit zu fächern und alles zu können. Du musst ein guter Studio-MC sein, ein guter Live-Rapper, ein guter Battlerapper, ein guter Storyteller, ein guter Freestyler. Das musst du alles sein, finde ich zumindest.
MZEE.com: Blicken wir noch einmal auf deine Karriere. Du hast schon einiges mit deiner Musik erreicht. Hast du denn noch einen bisher unerfüllten HipHop-Traum?
Lakmann: (überlegt) Na ja. Ich war ja echt ehrlich heute. Also, ich hab' das Problem, dass ich so viel für die Musik geopfert habe, dass ich keine andere Ausbildung habe. Mitten im Abi hab' ich einfach aufgehört und bin auf Tour gegangen. Das war ein bisschen blöde, aber dieser Weg hat meine Persönlichkeit gebildet und ich würde ihn niemals tauschen. Vielleicht sollte ich jetzt schon etwas mehr auf der Habenseite haben. So, dass ich in zehn Jahren, wenn ich vielleicht nicht mehr rappe, nicht irgendwas anderes machen muss. Ich würde ungern in einem Plattenladen arbeiten, nur weil ich Rapper war. Ich kann halt nichts anderes. Also, ich weiß schon, dass ich auch anderes machen könnte, die Frage ist nur, ob ich das auch will. Ich kann meine Familie ernähren und meinen Kindern Werte vermitteln, dadurch, dass ich mein eigener Herr bin und tatsächlich arbeite, um zu leben und nicht andersherum. Deshalb würde ich auch gerne mal einen Nummer 1-Hit landen, so acht Wochen lang wie Bausa oder Sido. Oder halt so viel verkaufen, dass es irgendwann reicht. Also, ich befasse mich 0,0 Prozent damit. Ich weiß nur, wo alles angefangen hat. Es ist ein Unterschied, ob du weißt, wo dein Weg hinführt – das wissen nämlich viele Leute von Anfang an – oder, ob du den Weg einfach beschreitest.
MZEE.com: Du würdest dich ja vermutlich für so einen Nummer 1-Hit auch nicht verbiegen. Im Endeffekt ist ja auf diesem Weg, den man beschreitet, alles cool – solange man cool damit ist, wer man ist und mit niemandem tauschen möchte. Unabhängig davon, in welcher Lage man sich gerade befindet.
Lakmann: Das hab' ich erst so mit Anfang, Mitte 30 gecheckt. Das ist manchmal natürlich auch hart. Ich hab' mit Anfang 20 ein Rockstarleben geführt und dachte, es geht immer so weiter. Aber es ist tatsächlich so, wie du sagst, kann ich nur unterschreiben.
MZEE.com: Und wenn du mal zu deinen Kollegen schielst: Gibt es eine Person in der deutschen Rapszene, die dich während deiner bisherigen Karriere so richtig beeindruckt hat?
Lakmann: Puh. Also, beeindruckt haben mich nur am Anfang meiner Karriere Dike, Reimwärts, RAG und Too Strong. Und nachdem wir mit Creutzfeld & Jakob in deren Fahrwasser selbst die Bühne betreten haben, war's damit auch schnell vorbei. Aber diese Leute haben mich natürlich beeindruckt. Sonst keiner mehr. Es kamen dann ja auch viele Leute nach mir. Homies, die mich jetzt begleiten. Savas haben wir als erste auf einem Album gehabt. Die Sekte-Leute mit Sido kamen nach uns raus. Wir haben Ende der 90er die ersten Platten rausgebracht. Danach ist es schwer, zu irgendwelchen Leuten aufzusehen oder so. Natürlich haben die viel mehr erreicht und alles wurde immer größer – aber alle kochen nur mit dem gleichen Wasser. Daher hab' ich nur zu einigen, die vor mir kamen, aufgeschaut. Auch nicht zu allen. Fettes Brot und die Beginner waren vor uns da, aber nicht so mein Ding. Eher die, die mir in meinem Umfeld viel gezeigt haben.
MZEE.com: Du hast jetzt in unserem Interview schon einige Künstler erwähnst. Wenn du bei einem Rapper, ganz egal wer, Mäuschen im Studio spielen könntest: Wer wäre es und warum?
Lakmann: Wow. (überlegt) Das ist tricky. Ich würde gerne wissen, wie Devin the Dude recordet. Das fänd' ich krass. Ob der wirklich so laid back ist oder in irgendeine Rolle reinschlüpft und doch nur ein Typ ist, der halt einen Text vom Blatt abliest. Der rappt ja auch schon so lange und ist Vollblutprofi. Wenn ich so überlege, ist es vielleicht doch nicht so interessant. Der ist bestimmt mit allen Wassern gewaschen, so wie ich es auch gelernt habe. Ich glaube, es gibt keinen großen Unterschied zwischen der Art, wie die Leute in Amerika in den frühen 90ern und wir in den späten 90ern aufgenommen haben, sowohl von der Technik als auch der Mentalität. Du hast vom Blatt oder am besten aus dem Kopf gerappt. Heutzutage liest du wahrscheinlich vom Handy ab und machst am Besten gleichzeitig noch ein Selfie für den Blog. Ich denke, da möchte ich bei gar keinem vorbeigucken. (lacht) Ich glaube, die schlüpfen alle nur in eine Rolle und sagen irgendwelche schönen Dinge und stehen perfekt ausgeleuchtet im besten Licht. Ich würde gerne bei irgendeinem Rapper Mäuschen spielen, der den Studioingenieur voll anscheißt. (lacht) Der den Klaus Kinski raushängen lässt. Das wäre krass, aber keine Ahnung, wer das sein soll.
MZEE.com: Zum Abschluss würden wir gern noch eines wissen: Welcher ist der deiner Meinung nach beste Track, den du je veröffentlicht hast?
Lakmann: (überlegt) Im Kontext dieses Interviews muss ich "Unschärferelation" von "Aus dem Schoß der Psychose" sagen. Der Song ist sowas von Moll, melancholisch und depri. In diesem Stil hab' ich das noch von keinem anderen Rapper gehört. Vielleicht mal irgendein deepes Chabs-Ding aus den Frankfurter Roey Marquis-Zeiten, aber sonst nicht. Ich hab' den heute Abend nicht im Programm. In kleinen Clubs funktioniert der, wenn die Leute deepen Shit feiern. Aber so ab 300 Leuten aufwärts gucken die Leute dich nur so an: "Alter, hat der Probleme in seinem Leben? Lass mal 'ne Kerze anmachen und für den Jungen beten!" (grinst) Auf der Bühne vermittelst du damit wirklich das Bild eines vom Leben gezeichneten Menschen. Aber der Song bedeutet mir so viel. Vielleicht einer meiner Lieblingssongs.
(Laila Drewes & Alexander Hollenhorst)
(Fotos von Ziryshots)