An dieser Stelle möchten wir Gedanken zu aktuellen Geschehnissen aus dem Deutschrap-Kosmos zum Ausdruck bringen, die woanders keinen Platz finden. Dabei kommt nicht nur die MZEE.com Redaktion zu Wort, sondern auch andere Szene-affine Persönlichkeiten wie Rapper, Veranstalter oder Produzenten. Wer sich also mitteilen möchte, soll hier auch die Möglichkeit haben, dies zu tun. Die jeweils dargestellte Meinung entspricht jedoch nicht zwangsläufig der unserer Redaktion – wir sehen aber ebenfalls nicht die Notwendigkeit, diesen Stimmen ihren Raum zu nehmen.
Im folgenden Text beschäftigt sich unser Redakteur Daniel mit der Unfähigkeit der deutschen Rapszene, in Anbetracht der Antisemitismus-Debatte selbstkritisch zu sein.
"Wenn man sagt, dass man Rap hört, stellen sich 100 Fragen. Und man fühlt sich so, als würde 'ne Rechtfertigung erwartet …" – Auch wenn ich nie ein sonderlich großer Fan von F.R. war, konnte ich diese Zeile aus seinem Track "Rap braucht Abitur" immer recht gut nachvollziehen. Gerade als ich vor etwa 15 Jahren begann, Rap zu hören, hatte ich des Öfteren das Gefühl, rapfernen Menschen aus meinem Umfeld erklären zu müssen, warum ich mich denn mit "sowas" befassen würde. Denn für die meisten war deutscher Rap damals wenig mehr als rumpelnde Beats und eher mäßig aneinandergereihte Reime von ein paar Halbstarken, die vorwiegend vom Leben als "Gangsta", von Waffen, Drogen und Nutten erzählten.
Aber Rap wurde reifer, vom kleinen Nischengenre zum etablierten Business. Der stümperhafte Sound von einst wich ausgefeilten Produktionen. Aus jungen Leuten, die sich an Beatprogrammen und dem Mikrofon ausprobierten, wurden gestandene Berufsmusiker. Hohe Chartplatzierungen stehen heute ebenso an der Tagesordnung wie Gold- oder sogar Platinauszeichnungen und selbst der Feuilleton kann sich der Rapmusik seit einiger Zeit nicht mehr gänzlich verschließen.
Mit der steigenden Popularität und der wachsenden Aufmerksamkeit, die Rap erhielt, verstanden auch mehr und mehr Außenstehende, was diese Szene etwa für mich hauptsächlich ausmachte: der oft rohe, direkte Umgangston Heranwachsender, die einen kritischen Blick auf die sie umgebende Gesellschaft werfen. Die soziale und politische Missstände anprangern, das Musikbusiness nur zu gern als dieses scheinheilige Gebilde entlarven, das es nun mal ist und letztlich sogar dem Kapitalismus in gewisser Weise ein Schnippchen schlugen, wenn etwa Menschen aus einer gesellschaftlich niedrigen Schicht und frei von popindustriellen Strukturen monetären Erfolg verbuchen konnten.
Dafür übertrat Rap auch schon immer gerne Grenzen, schockierte und provozierte – denn wer will, dass die eigene geäußerte Kritik auch gehört wird, der muss eben manchmal laut sein. Nur: Wenn es darum geht, sich selbst und das eigene Handeln zu kritisieren, schweigen die Lärmer.
Der "Report von der Straße", als welchen jeder zweite Rapper seine Musik einst gerne bezeichnete, verendete schon immer kurz vor der eigenen Haustür. Und auch die großen Namen des deutschen HipHop-Journalismus halten sich mit tatsächlicher Kritik in den meisten Fällen noch immer gerne zurück. Deshalb werden Diskussionen über Rassismus, Sexismus oder Homophobie im HipHop hier und da zwar aufgegriffen, verlaufen aber nur zu schnell auch wieder lieblos im Sand.
Die Problematik der mangelnden Selbstkritik zeigt sich aktuell nirgendwo so deutlich wie in der Debatte um Antisemitismus in der Rapszene. Dabei besonders erschreckend: Während etwa im Falle von Sexismus zumindest größtenteils Einigkeit darüber herrscht, dass gegen diesen eigentlich vorgegangen werden müsste, scheint man sich beim Antisemitismus noch nicht einmal kollektiv sicher zu sein, ob er überhaupt in der Szene grassiere. Doch wer anhand all der Beispiele, die sich in den letzten Jahren herauskristallisierten, wirklich daran zweifelt, dass (auch) Rap ein Antisemitismus-Problem hat, befasst sich entweder nicht damit, ignoriert es bewusst oder schweigt es ganz aktiv tot.
Selbstverständlich ist Rap nicht der Ursprung für die fortwährende Judenfeindlichkeit. Als Spiegel gewisser Gesellschaftsschichten gibt er teils auch nur den Antisemitismus wieder, der in der Gesellschaft nach wie vor verwurzelt ist – stellenweise jedoch aber in potenzierter Form. Daher steht die Szene auch nicht in der alleinigen Verantwortung, etwas dagegen zu unternehmen. Sie muss aber dennoch entschieden gegen den in ihr steckenden und aus ihr heraus wirkenden Hass stehen. Insbesondere, da Rap längst nicht mehr einfach nur Sprachrohr einer perspektivlosen, wütenden Jugend ist, sondern eben jenes Sprachrohr im Zuge der Eigendynamik der Szene inzwischen auch in die andere Richtung verläuft. Rapper sprechen nicht mehr nur aus, was sie aus ihrer Jugend oder ihrem Umfeld kennen. Das, was Rapper sagen, wird inzwischen auch von den nächsten Generationen und deren Umfeld adaptiert. So wird der Antisemitismus einzelner Personen durch den Multiplikator Rap einer breiten Maße manipulierbarer Jugendlicher zugänglich.
Ob ein Haftbefehl das Judentum verflucht (eine Zeile, für die er sich inzwischen zumindest entschuldigt hat) oder immer wieder die "Rothschildtheorie" skandiert, ein PA Sports in einem Interview mit dem WDR erklärt, dass das Bild von Juden als machthungrige Banker durchaus zutreffe oder Farid Bangs Körper laut eigener Angabe eben definierter sei als der eines Auschwitz-Insassen: Antisemitische Inhalte haben in dieser Szene schon viele Formen und Gesichter angenommen.
Die Diskussion um letztere Zeile Farids im Zuge der Echo-Verleihung 2018 ist im Angesicht eines grundsätzlichen Problems letztlich also fast überflüssig, beschreibt aber beispielhaft Raps Unfähigkeit zur Selbstkritik. Denn spätestens an diesem Punkt müsste die Rapszene eigentlich innehalten, sich reflektieren und dann Kritik an sich selbst üben, so wie sie es seit jeher etwa mit Gesellschaft und Politik macht. Hier stehen jedoch nicht nur die Künstler in der Verantwortung, auch HipHop-Medien und letztlich sogar die Endverbraucher – also Fans und Hörer – müssen bereit zur Selbstreflexion sein. Dass dies ausgerechnet in einer Szene passiert, deren Grundprinzip gerade in Teilbereichen wie dem Battlerap auf Darstellung der eigenen Persona als möglichst stark und überlegen basiert, gestaltet das Eingestehen von Fehlern aber scheinbar als recht schwierig, wird prinzipiell umgangen und oftmals weder von Fans noch Medien ernsthaft eingefordert.
So spielt etwa ein Kollegah schon seit Jahren und auch weit abseits der Echo-Debatte ein "Katz und Maus"-Spiel mit dem Vorwurf des Antisemitismus, ohne wirkliche Sanktionen seitens seiner Hörer fürchten zu müssen. Und das nicht nur, weil die Entwicklung seinerseits fast schleichend geschah. Dem einstigen "Zuhälter" und selbsternannten "Boss" gelang es zu Beginn seiner Karriere dank kreativer Wortspiele und den sprachlichen Blumen seiner Texte stellenweise sogar, sexistische und homophobe Zeilen inhaltlich so auf ihre banale Lächerlichkeit zu reduzieren, dass sie fast selbst wie eine Kritik an ebenjenen Inhalten anmuteten.
Irgendwann jedoch wichen diese – für seine Art von Rap essenziellen – Spielereien anderen, problematischen Stilmitteln. Während sich Kollegah zunächst zum "King" und danach zum "Imperator" aufschwang – auch hier verlieh er sich beziehungsweise seinen Alben beide Titel wieder selbst – sprach er in seinen Texten nun immer öfter von Dingen wie "jüdischem Zinssatz" und von der Rothschild-Familie. Das mehr als 13-minütige Video zu "Apokalypse" erscheint in seiner Gesamtheit als antisemitisches Manifest, in welchem Kollegah – inspiriert von Texten des rechten Verschwörungstheoretikers Fritz Spengmeier – die Wurzel allen Übels bis hin zu 13 (jüdischen) Familien verfolgt, die dem Teufel selbst unterstehen sollen. Dies wird im Video dann sogar durch einen Teufel in Menschengewand samt Ring mit Davidstern verbildlicht. Erst, als der Protagonist die Welt von diesem Übel befreit, können "Christen, Moslems und Buddhisten" wieder in Frieden miteinander leben.
Wirklich entkräften wollte Kollegah diese Vorwürfe scheinbar nie. Zwar gab es von ihm in Richtung des Zentralrats der Juden das Angebot für ein klärendes Gespräch, ein Ende entsprechender Zeilen schien damit jedoch nicht verbunden. Stattdessen wurden mit meist recht fadenscheinigen Mitteln lediglich Fans und HipHop-Medien beschwichtigt, die die angebliche Widerlegung des Antisemitismusvorwurfs gerne annahmen. Ein Beispiel dafür ist das "Gespräch" mit Shahak Shapira und Kat Kaufmann: die reinste Farce, in welcher die Schriftstellerin und der durch ein paar semilustige Tweets bekannt gewordene Satiriker mit jüdischen Wurzeln auf Kollegahs Tour "eingeladen" wurden. Umringt von der Stiernacken-Entourage des Rappers sollte in unter einer Stunde über die Vorwürfe geredet werden, wobei auch hier wieder die Selbstdarstellung Kollegahs oberste Priorität zu haben schien. Das hierbei noch nicht einmal der Ansatz einer Diskussion zu Stande kommen konnte, dürfte von Anfang an klar gewesen sein.
Vorwürfe seitens BILD oder der Welt stellte Kollegah in Folge als einen aus dem Kontext gerissenen Versuch der Manipulation dar. Er redete davon, dass hier versucht würde, HipHop zu zensieren, und forderte dann allen Ernstes die deutschen Medien dazu auf, man solle stattdessen über Themen wie "Pizzagate" berichten. Hier passt gerade letzteres wunderbar in die verschwörungsideologische Verteidigungsstrategie des Rappers. Zur Erklärung trifft er dabei Aussagen wie, dass der Davidstern aus "Apokalypse" eigentlich ein Hexagramm sei und die in seinem Videostatement zur angeblich zweifelhaften Berichterstattung öffentlicher Medien gezeigte Karikatur eines Juden gar nicht von ihm selbst eingefügt wurde, sondern jemand anderes das Video für ihn erstellt habe. Das Ganze bewegt sich so erschreckend nah an "twitternden Praktikanten" und "mausgerutscht"-Erklärungsversuchen, dass man sich fragen muss, wer hier wirklich befriedigende Argumente finden wollte.
Doch die Bereitschaft vieler HipHop-Medien, sich damit zufriedenzugeben und das Problem ad acta zu legen, war schon immer ungemein groß. Der Grund dafür ist recht klar – wenn auch nicht unbedingt verständlich: Während Magazine wie ALL GOOD oder wir von MZEE.com unsere Arbeit größtenteils ehrenamtlich leisten und es uns daher erlauben können, kritisch und vor allem unabhängig zu berichten, sind andere Magazine monetär daran gebunden, sich mit Künstlern gut zu stellen. Die Kündigung der Zusammenarbeit durch einen Künstler kann hierbei direkte Auswirkungen auf die Einnahmen einer Seite haben.
Nirgendwo macht sich dies deutlicher bemerkbar, als im Tun und Handeln der lautesten und einflussreichsten Stimme bei Hiphop.de: Rooz Lee. Mit gefühlt 90 Prozent der Szene verwandt, verbrüdert oder befreundet, wundert es fast, dass der Moderator und Selbstinszenierer in den von ihm geführten Interviews nicht schwebt – so bemüht ist er darum, keinem Künstler auf die Füße zu treten. Kritische Fragen finden sich in keinem seiner Interviews. Wenn es tatsächlich mal um unbequeme Inhalte geht, ist Rooz so lange darum bemüht, zu relativieren und dem Interviewpartner argumentative Schlupflöcher zu bieten, bis man sich endlich Themen wie Albumreleases, Verkaufszahlen oder irgendwas mit Fler zuwenden kann.
Unter sein Video zum Echo, das vor allem dazu dient, halbgare, fast lustige Kommentare über für die Debatte irrelevante Beisitzer wie Julia Engelmann oder Campino zu machen, schreibt Rooz in einem Kommentar: "Es sollte jedem klar sein, dass Antisemitismus und jede Art von Ausgrenzung das Letzte sind! Vor allem in der Hiphop-Szene! Die Line ist nur ein ekliger Spruch im Rahmen eines Battle-Songs, egal. Aber über antisemitische Einstellungen und Klischees muss gesprochen werden! Das passiert nicht, indem man Rapper auf eine Bühne stellt und ausbuht, um die Quote mitzunehmen, aber trotzdem sauber da zu stehen." [sic!]
Besonders dieses "egal", mit dem hier versucht wird, die beiden Künstler argumentlos von der Diskussion zu lösen, zeigt, wie wichtig es den Beteiligten zu sein scheint, den Fokus der Debatte von den problematischen Künstlern wegzubewegen. Stattdessen widmet man sich lieber der Darstellung des Echos als "böser Strippenzieher" eines inszenierten Skandals gegen zwei Rapper und damit die Gesamtheit von HipHop in Deutschland. Battlerap überschreitet hin und wieder Grenzen, ja. Hin und wieder versuchen Künstler auszuloten, wie weit sie gehen können. Und nicht jede Zeile, die im Kontext eines Battles oder Tracks gerappt wird, ist auch direkt so zu verstehen, wie es auf den ersten Blick scheint. Dennoch kann und darf das Etikett "Battlerap" niemals ein Freibrief dafür sein, sich antisemitisch äußern zu dürfen – EGAL, wie der Einzelne die Zeile meint oder versteht.
Ähnlich scheint es auch im Falle von rap.de zu sein. Anders kann ich mir nicht erklären, wie Chefredakteur Oliver Marquart in seinem Kommentar ernsthaft der Meinung sein kann, es ginge in der Echo-Debatte nicht um Antisemitismus. Es mag zwar zutreffen, dass sich die Echo-Veranstaltung bereits in den Vorjahren nicht mit Ruhm bekleckerte, wenn sie fragwürdige Künstler wie Xavier Naidoo oder Frei.Wild gastieren ließ – die Kritik an einer Textzeile, die das Andenken an sechs Millionen zu Unrecht inhaftierter und systematisch ermordeter Menschen zu Gunsten eines eher mäßigen Vergleichs ins Lächerliche zieht, ist dennoch in jedem Fall legitim. An dieser Stelle zu mutmaßen, die ganze Debatte würde sich nur um den muslimischen Glauben der beiden Rapper drehen, scheint so bewusst die gesamte Vorgeschichte Kollegahs mit Vorwürfen antisemitischer Inhalte zu ignorieren, dass man letztlich fast glaubt, es ginge Marquart eher darum, sich gegen die spießbürgerliche Echo-Verleihung zu positionieren, als das wirkliche Problem anzusprechen.
HipHop-Medien stehen allerdings nicht allein mit ihren Versuchen der Relativierung. Fans wie Künstlerkollegen von Kollegah und Farid Bang bemühen sich mit Kräften darum, die haarsträubendsten Gegenargumente und Vergleiche aufzufahren. Dabei werden nicht nur so absurde und komplett irrelevante Aussagen aufgeführt, wie die Frage, warum man hier Kritik an Rap herantragen würde, während Serien wie "South Park" weiterhin im Fernsehen liefen. Die verzweifelte Suche nach einem Whataboutism-Gegenargument bringt vor allem immer wieder die Frage hervor, warum derartige Zeilen kritisiert werden würden, während sich mehrere andere Zeilen auf der Platte ja auch gegen Flüchtlinge und Syrer wendeten. Die Vorstellung, dass man zwei Rapper vom Vorwurf antisemitischer Textzeilen reinwaschen möchte, indem man argumentiert, dass die beiden doch auch genug anderweitig rassistische Klischees bedienen würden, wirkt abseits jeder Realität. So abseits, dass man sich fragt, ob es in der breiten Rapmasse überhaupt noch moralische Standards gibt oder man alles zugunsten von ein paar schlechten Lachern über Bord wirft, um sich nie wieder mit interner Kritik beschäftigen zu müssen.
Den peinlichen Höhepunkt dieser Farce erreicht die Reaktion der Rapszene, als man sich nun verbündet gegen die Geissens stellt. Eine Trash-TV-Familie, die für Rap niemals relevant war und höchstens mal als Opfer der ein oder anderen schlechten Battlezeile von Farid Bang diente, äußert sich in für sie gewohnt hirnloser Manier und mit rassistischen Aussagen zu einer Debatte, zu welcher sie weder Bezug hat, noch irgendwas Sinnvolles beitragen kann. Im Grunde also etwas, was man in Hinblick auf das ernsthafte Problem des Antisemitismus in der Szene ignorieren könnte. Und doch ist es die Chance für viele Fans von Kollegah und Farid Bang oder andere Rapper, sich jetzt einschalten und gleichzeitig einen großen Bogen um das Antisemitismus-Thema machen zu können. Endlich kann sich Rap wieder in der Opferrolle sehen, weil er aufgrund von Vorurteilen und Klischees von Leuten attackiert wird, die Rap nicht verstehen. Endlich kann Rooz sich bald wieder wichtigen Themen im HipHop zuwenden und Kollegah und Farid Bang Respekt für ihre Verkaufszahlen zollen.
Es gab sie zwar zweifellos in dieser Debatte, die Stimmen aus dem HipHop, die sich gegen antisemitische Aussagen diverser Rapper stellten – doch dass man dies wirklich als etwas Anzuerkennendes erwähnen muss, da es keine Selbstverständlichkeit ist, verdeutlicht nur umso mehr, wie fernab von Selbstkritik viele Beteiligte der Rapszene denken. Mehr so selbstreflektierende und kritische Stimmen wären extrem wichtig und wünschenswert, um eine Besserung innerhalb des HipHop-Kosmos zu schaffen. Aktuell erklingen sie jedoch noch viel zu selten und zu leise. Und so werden nicht nur die Aussagen von üblichen Verdächtigen wie der Antilopen Gang, Staiger in seinem noisey-Artikel oder Retrogott in seinem lesens- und verbreitenswerten Statement zur Weigerung von Rap, sich sein Problem einzugestehen, wenig Wirkung zeigen. Auch der kürzlich veröffentlichte Artikel von Toxik, der zwar reflektiert und kritisch ist, sich aber dennoch bemüht, eine Legitimation für die Verteidigungshaltung der Szene zu finden, ist lediglich ein Tropfen auf den heißen Stein.
Es wäre deutlich sinnvoller und zielführender, wenn nicht Außenstehende über den Antisemitismus innerhalb unserer Szene diskutieren würden, sondern eben wir, die sich tatgtäglich mit dem Mikrokosmos Rap beschäftigen. Doch solange diese Selbstkritik im Großteil der Szene nicht stattfindet, kann und wird sich nichts verändern. Spätestens in ein paar Wochen beweist Rap dann aufs Neue, nicht nur auf dem antisemitischen, dem rassistischen, dem homophoben, dem sexistischen – letztlich also auf jedem für Rap problematischen – Auge blind zu sein. Sondern auch, wie schlecht sein Erinnerungsvermögen in solchen Fällen ist, wenn die gesamte Diskussion wieder vergessen wurde.
Und ich frage mich währenddessen, ob es nicht an der Zeit ist, nicht mehr nach Argumenten zu suchen, die anderen erklären, warum ich mich noch immer mit Rap befasse, sondern mir allmählich Gedanken darüber zu machen, wie ich das vor mir selbst noch rechtfertige.
(Text und Grafik von Daniel Fersch)