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Kommentar

Wer Rap liebt, wählt AfD? – Warum Rap und Rechts nicht zusammenpassen

In der Wahl­kampf­wer­bung der Ber­li­ner AfD fin­det sich ein Ver­weis auf deut­schen Rap. Was erhofft sich die rech­te Par­tei von die­ser Anbie­de­rung? Über das Ver­hält­nis von Hip­Hop zu rech­ter Politik.

An die­ser Stel­le möch­ten wir Gedan­ken zu aktu­el­len Gescheh­nis­sen aus dem Deutschrap-​Kosmos zum Aus­druck brin­gen. Die jeweils dar­ge­stell­te Mei­nung ist die des:der Autor:in und ent­spricht nicht zwangs­läu­fig der der gesam­ten Redak­ti­on – den­noch möch­ten wir auch Ein­zel­stim­men Raum geben. 

Im Fol­gen­den setzt sich unser Redak­teur Felix mit dem HipHop-​Bezug in Par­tei­wer­bun­gen und der Annä­he­rung zwi­schen rech­tem Gedan­ken­gut und Rap auseinander.

 

Vor Kur­zem wur­de Ali Bumaye unge­wollt mit der AfD in Ver­bin­dung gebracht. Der Twit­ter­ac­count der AfD Ber­lin hat­te am Tag der Wahl ein Video gepos­tet, in dem der Rap­per ver­kün­de­te, dass vie­le sei­ner Freun­de AfD wäh­len wer­den. Das Video endet aller­dings abrupt, als Ali Bumaye den nächs­ten Satz begin­nen will. Schnell ist klar: Der Clip ist aus dem Zusam­men­hang geschnit­ten. Im Ori­gi­nal redet Ali Bumaye natür­lich wei­ter. Der Aus­schnitt "Da mache ich mir Sor­gen, wenn Leu­te wie icke […] jetzt die AfD wäh­len wol­len" hat es nicht mit in den Tweet geschafft. Statt­des­sen lau­tet die Über­schrift: "Wer Ber­lin liebt, wählt AfD." Alles in allem eine kal­ku­lier­te und rück­sichts­lo­se Akti­on. Doch war­um ent­frem­den rech­te Poli­ti­ker aus­ge­rech­net die Aus­sa­gen eines Rap­pers? Um das zu beant­wor­ten, lohnt es sich, den Wahl­kampf der Ber­lin­wahl und die Wur­zeln von Hip­Hop genau­er anzuschauen.

Zunächst ein­mal ist Rap seit jeher das Sprach­rohr der Unter­drück­ten, der Ver­nach­läs­sig­ten und der Ent­täusch­ten. Gera­de das sind auch wich­ti­ge Stich­wor­te zur Ber­lin­wahl. Der Wahl­sieg der CDU und der klei­ne Gewinn der AfD sind eher ein Pro­dukt der Unzu­frie­den­heit. Genau­er gesagt: Die Wähler:innen sind unzu­frie­den mit der Rot-​Grün-​Roten Regie­rung. Je wei­ter rechts das Kreuz gesetzt wur­de, des­to weni­ger geschah die Wahl aus Über­zeu­gung. Das erge­ben die Umfra­ge­wer­te des Umfra­ge­insti­tuts infra­test dimap. Durch den all­ge­mei­nen Zwei­fel an der füh­ren­den Regie­rung gab es gera­de bei der CDU einen gro­ßen Neu­zu­wachs an Stim­men. Genau damit hat­te eigent­lich auch die AfD gerech­net. Jedoch zeigt sich: Die übli­che Kli­en­tel wur­de zwar wie­der abge­holt – aber an Wachs­tum man­gelt es. Es muss also ein neu­es Publi­kum ange­spro­chen wer­den. Da kom­men auch die 37 Pro­zent der Bürger:innen mit Migra­ti­ons­hin­ter­grund infra­ge. Aber wie erreicht man die­se Bevöl­ke­rungs­grup­pe? Viel­leicht ja mit Rap? Eben hier kommt der Clip mit Ali Bumaye sehr gele­gen. Mit ihm bedient sich die AfD nicht nur an einem bekann­te­ren Ber­li­ner Rap­per, sie bedie­nen sich auch an einem Men­schen mit Migra­ti­ons­hin­ter­grund. Ähn­li­ches könn­te sich zuvor auch die CDU gedacht haben. Die Ber­li­ner CDU pla­ka­tier­te die Haupt­stadt im Wahl­kampf näm­lich mit dem Plakat-​Slogan: "Was Kri­mi­nel­le bald häu­fi­ger hören wer­den: Haft­be­fehl." Auch die kon­ser­va­ti­ve CDU schmust also betont wit­zig mit der HipHop-​Kultur. Zwar wird Haft­be­fehl nicht zum direk­ten Für­spre­cher einer Par­tei wie bei dem Tweet mit Ali Bumaye – aber für eine Refe­renz in einem Wort­spiel ist er trotz­dem brauch­bar. Es wird ein Mus­ter erkenn­bar. Ob direkt oder refe­ren­zi­ell, Deutschrap fin­det auch im Wahl­kampf rech­ter und kon­ser­va­ti­ver Par­tei­en statt. Mit Blick auf das Image der Kunst­fi­gur Haft­be­fehl ist eine Wahl­wer­bung der CDU mit sei­nem Namen absurd. Mit Blick auf die Wer­te von Rap all­ge­mein ist die­se Ent­wick­lung aller­dings zynisch.

Denn Rap steht dem Wahl­kampf der CDU und AfD gera­de­zu unver­söhn­lich gegen­über – zumin­dest soll­te er das. Rap hat sei­ne Wur­zeln in den "Work-​Songs" afro­ame­ri­ka­ni­scher Skla­ven und das Ver­ar­bei­ten von Ras­sis­mus und Dis­kri­mi­nie­rung sind the­ma­ti­sche Grund­bau­stei­ne des Raps. Das ist nicht der Sound­track zu Par­tei­en wie der CDU. Vor allem nicht, wenn die Par­tei im sel­ben Wahl­kampf nach den Vor­na­men der Tat­ver­däch­ti­gen bei den Angrif­fen der Sil­ves­ter­nacht fragt. Noch weni­ger ist es der Sound­track der AfD, die sich gleich für mehr Abschie­bun­gen und weni­ger "Mul­ti­kul­ti" ein­setzt. Nein, der ein­zi­ge Grund für den Bezug auf Hip­Hop im momen­ta­nen Wahl­kampf ist der Wie­der­erken­nungs­wert. Rap und die damit ver­bun­de­nen Künstler:innen haben nicht nur einen klei­nen Peak. Nein, Rap ist die neue Pop­mu­sik, also Popu­lar Music. Und bei die­sem rie­si­gen Kuchen gibt es natür­lich vie­le unge­woll­te Mit­es­ser. Nur ist es im Hin­blick auf die Geschich­te von Hip­Hop beson­ders schade.

Lei­der ist die­se Anbie­de­rung kei­ne neue Stra­te­gie der rech­ten Par­tei­en. Ein extre­mes Bei­spiel: Schon 2015 pos­te­te der Kreis­ver­band Leip­zig der NPD das Musik­vi­deo zur Sin­gle "Willst du": "Wie die NPD setzt auch der Künst­ler Alli­ga­to­ah ein Zei­chen gegen Dro­gen." Eine sehr schwa­che Ver­bin­dung zwi­schen Par­tei und Song. Ein Jahr zuvor unter­nahm die Par­tei schon mal einen ähn­li­chen Ver­such. Flers Zei­le "Bei mir hängt die Fah­ne nicht nur zur Fußball-​WM" wur­de in einem Wahl­brief der NPD zitiert. Der Ber­li­ner ant­wor­te­te mit einer Kla­ge – erfolg­reich. Auch gibt es seit den 2000ern Rap­per, die Tex­te mit rech­ter Ideo­lo­gie an die Hörer:innen brin­gen wol­len. Gera­de die bekann­te­ren die­ser soge­nann­ten NS-​Rapper haben oft Ver­bin­dun­gen zu rechts­extre­men Grup­pie­run­gen wie der Iden­ti­tä­ren Bewe­gung oder der AfD. Kurz­um: Deutschrap ist schon lan­ge auch in den rech­ten bis extrem rech­ten Flü­geln vertreten.

Solan­ge Rap wei­ter so popu­lär bleibt, wird er auch immer wie­der von Rech­ten instru­men­ta­li­siert wer­den. Par­tei­en wie die CDU oder die AfD wer­den sich auch wei­ter ohne Rück­sicht der Kul­tur bedie­nen, vor­aus­ge­setzt sie sehen dar­in einen mög­li­chen Nut­zen. Zwar war die Wer­bung mit Ali Bumayes Aus­sa­ge oder die Haftbefehl-​Plakate sicher nicht wahl­ge­win­nend, aber sie zei­gen der Öffent­lich­keit: Rap und Rechts, das ist kom­bi­nier­bar. Gera­de des­halb ist die Reak­ti­on von Haft­be­fehl auf die Wer­bung der CDU, indem er die Pla­ka­te der Uni­on auf Insta­gram ledig­lich mit einem Sonnenbrillen-​Emoji co-​signed, auch beson­ders schmerz­haft. Ali Bumaye hin­ge­gen distan­ziert sich in einer Instagram-​Story schnell von der AfD und deren Inhal­ten. Gera­de mit Blick auf die Popu­la­ri­tät von Rap soll­te man nicht ver­ges­sen: Rapper:innen sind oft gro­ße Vor­bil­der, gera­de für jun­ge Fans. Des­halb ist eine stär­ke­re Ver­tei­di­gung der Kul­tur und eine aus­drück­li­che Posi­tio­nie­rung gegen­über die­ser Instru­men­ta­li­sie­rung wich­tig. Sonst hal­ten Rapper:innen ja auch ihren Kreis klein und tei­len nur mit den Brü­dern und Schwes­tern. Es soll­te selbst­ver­ständ­lich sein: Rap und Rechts sind nicht ver­ein­bar. Oder um es mit den Wor­ten von Rap​.de zu sagen: "Ver­pisst euch aus unse­rem Rap!"

(Fejo­so)
(Gra­fik von Dani­el Fersch)