"Was?! Du kennst das nicht? Sekunde, ich such' dir das mal raus." Und schon öffnet sich die Plattenkiste. Wer kennt diesen Moment nicht? Man redet über Musik und auf einmal fällt ein Name – egal ob von einem Song, einem:einer Künstler:in oder einem Album – mit dem man nicht so recht etwas anzufangen weiß. Und plötzlich hagelt es Lobpreisungen, Hasstiraden oder Anekdoten. Gerade dann, wenn der:die Gesprächspartner:in ins Schwärmen verfällt und offen zeigt, dass ihm:ihr das Thema wichtig ist, bittet man nicht allzu selten um eine Kostprobe. Die Musik setzt ein und es beginnt, was der Person so sehr am Herzen zu liegen scheint. In diesem Fall – was uns so sehr am Herzen liegt: Ein Auszug aus der Musik, mit der wir etwas verbinden, die wir feiern, die uns berührt. Ein Griff in unsere Plattenkiste eben.
Irgendwann 2017 – ich klicke aus Langeweile auf ein mir vorgeschlagenes Video auf YouTube: Ein verträumter Synthesizer setzt ein, das klingt ja ganz nett … Aber diesen genuschelten Rap brauche ich jetzt nicht unbedingt. Wobei die Hook schon gut ins Ohr geht und der Rapper sehr sympathisch wirkt. Und wo ich jetzt mal auf den Text achte … Vielleicht habe ich zu schnell geurteilt!
Denn hinter der einfachen Fassade verbirgt sich eine wichtige existenzielle Frage: "Ist man glücklich oder nur dumm", stellt Rapper Benno Gut in seinem Track "Dumm" zur Diskussion. Ist man gerade nur gut gelaunt, weil man es schafft, die eigenen Probleme und die der Welt auszublenden? Die Frage nach seinem eigenen Gemütszustand weiß der Musiker mit einer Prise Sarkasmus zu beantworten: "Ja, mir geht es gut, danke, dass du nach mir fragst. Nein, ich lüge nicht, ich lache schon den ganzen Tag." Und auch sonst bleibt er trotz des philosophischen Themas relatable und stellt sich einen falschen Kaktus in die Wohnung, damit dieser erst gar nicht die Chance hat, einzugehen – alle ohne grünen Daumen geben selbigen hoch. Weitere ins Schwarze treffende Schilderungen aus einem tristen Alltag untermalt der von Benno eigens produzierte Beat, der die Hörer:innen in eine minimalistische, aber melodische Klangfläche bettet. Auch das Video hat der Rapper selbst zusammengeschnitten und gibt darin den schrulligen Sadboy. So zieht mich das Gesamtpaket nach und nach in seinen Bann und ich bemerke gar nicht, wie ich mir Song und Video zum zehnten Mal ansehe und -höre, während sich die Hook-Frage wie ein Mantra in meinen Kopf bohrt. Schließlich komme ich zu einem Fazit: Das ist gut, Benno.
Auch wenn ich ob meines ersten Eindrucks nicht umhinkomme, über den Song mit einem Augenzwinkern zu schreiben: Das Stück habe ich seit dem ersten Hören nicht mehr vergessen. Egal, ob es nun simpler Cloud-Rap oder dadaistische Kunst ist, "Dumm" ist ein schönes Lied. Denn Benno Gut schafft es, auf einem schmalen Grat zwischen tiefgründig und komisch zu wandeln, ohne die Balance zu verlieren.
(Tim Herr)