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Interview

Hinterlandgang – ein Gespräch über Ostdeutschland

"Für Gene­ra­tio­nen vor uns war es nie cool, aus Ost­deutsch­land zu kom­men. Bei uns ver­spü­re ich einen Stim­mungs­wech­sel." – Die Hin­ter­land­gang im Inter­view über ein ver­än­der­tes Ost­be­wusst­sein von jun­gen Menschen.

Ein Haupt­mo­tiv von Rap war schon immer, Geschich­ten aus der eige­nen Hei­mat zu erzäh­len. Dies gilt auch für unse­re heu­ti­gen Gesprächs­part­ner Albert und Pablo. Bei den bei­den Mit­te 20-​Jährigen geht es aller­dings nicht um das Frank­fur­ter Bahn­hofs­vier­tel, St. Pau­li oder Berlin-​Neukölln, son­dern um die Pro­vinz Mecklenburg-​Vorpommerns – irgend­wo zwi­schen Dem­min und Jar­men im Land­kreis Vorpommern-​Greifswald. Gemein­sam bil­den sie die Crew Hin­ter­land­gang und erzäh­len von Per­spek­tiv­lo­sig­keit, grau­en Fas­sa­den und dem Lebens­ge­fühl im ost­deut­schen Hin­ter­land. Von Zeit zu Zeit erwei­tern Albert und Pablo die­sen Blick­win­kel aller­dings und wid­men sich einer gesell­schaft­li­chen Debat­te, die älter ist als sie selbst: der Dis­kus­si­on über die Unter­schie­de zwi­schen ost- und west­deut­schen Bun­des­län­dern und die nach wie vor bestehen­de Mau­er im Kopf vie­ler Men­schen. Dies geschieht bei­spiels­wei­se auf dem Song "3. Okto­ber" von ihrem 2022 erschie­ne­nen Debüt­al­bum "Maschen­draht", auf dem Albert rappt: "Resi­gnier­te Eltern mit einem Trau­ma aus der Wen­de­zeit erklä­ren ihren Kin­dern, dass der größ­te Feind der Wes­ten bleibt." Doch wie sehen das besag­te Kin­der? Wir spra­chen mit Pablo und Albert dar­über, wie sie als Teil der jun­gen Gene­ra­ti­on, die lan­ge nach der Wie­der­ver­ei­ni­gung in Ost­deutsch­land auf­wuchs, auf die gesell­schaft­li­che Debat­te um Ost und West, die dar­in ent­hal­te­ne Rol­le von Kli­schees und Rap­mu­sik sowie auf das spe­zi­el­le Ost­be­wusst­sein ihrer Gene­ra­ti­on blicken.

MZEE​.com: Natür­lich gibt es nicht "das eine Ost­deutsch­land", son­dern vie­le Regio­nen mit ver­schie­de­nen Men­schen, Geschich­ten und Gene­ra­tio­nen. Ihr seid bei­de Mit­te 20 und habt eine jun­ge Per­spek­ti­ve auf eure Regi­on in Mecklenburg-​Vorpommern. Was mögt ihr an der Gegend, aus der ihr kommt?

Albert: Ich mag ger­ne, dass hier wenig los ist. Das klingt para­dox, aber dadurch haben wir die Frei­heit, unse­re eige­nen Sachen auf­zu­zie­hen. Die­ses Jahr haben wir bei­spiels­wei­se ein Open Air auf der Wald­büh­ne in Dem­min ver­an­stal­tet, bei dem neben uns Zuge­zo­gen Mas­ku­lin und wei­te­re Künst­ler auf­ge­tre­ten sind. Das ist eine alte Büh­ne aus DDR-​Zeiten, die für über 2 000 Men­schen aus­ge­legt ist und damit für uns eigent­lich viel zu groß ist. Wir konn­ten sie inklu­si­ve Anla­gen für 200 € von der Stadt mie­ten. Ich selbst woh­ne in einem Dorf und fin­de es gut, dass man hier so ruhig und unauf­ge­regt lebt. Zur­zeit sind wir recht viel in Deutsch­land unter­wegs, mor­gen spie­len wir bei­spiels­wei­se ein Kon­zert in Dort­mund. Das macht Spaß, aber ich freue mich schon dar­auf, nach Hau­se zu kom­men und in Jog­ging­ho­se und Schlap­pen durch das Dorf zu lau­fen, weil das hier kei­ne Sau inter­es­siert. Man hört oft, dass Leu­te Städ­te wie Ber­lin so geil fin­den, weil man dort angeb­lich rum­lau­fen kann, wie man will. Bei mir ist das genau anders­her­um. In Ber­lin habe ich das Gefühl, es inter­es­siert mich und jeden ande­ren total, wie die Men­schen aus­se­hen. In Klein­städ­ten wie Dem­min ist es dahin­ge­gen wirk­lich egal. Und ich mag die Nähe zum Meer.

Pablo: Den Punkt mit den Frei­räu­men kann ich bestä­ti­gen. Es ist cool, Din­ge wie die­se Büh­ne für unse­re Musik nut­zen zu kön­nen. Ich wür­de sagen, das The­ma Frei­räu­me spie­gel­te sich schon in der Kind­heit wider. Ich woh­ne zwar mitt­ler­wei­le in Greifs­wald und nicht mehr auf dem Dorf, aber ich glau­be, als Kind hat es mir gut­ge­tan, dass hier nicht alles vol­ler Men­schen und Autos war und man in Wäl­dern und auf Wie­sen spie­len konn­te. Ich mag es auch, mal im Tru­bel der Groß­stadt zu sein, wo stän­dig etwas Neu­es pas­siert und sich die Welt um einen her­um immer wie­der ver­än­dert. Aber das Hin­ter­land strahlt eine gewis­se Ruhe und Bestän­dig­keit aus und ich den­ke, dass das die Men­schen dort beein­flusst. Viel­leicht sind des­halb die Leu­te auf dem Dorf oft ein biss­chen kon­ser­va­ti­ver, aber die­se Bestän­dig­keit ist auf jeden Fall etwas, das ich genie­ßen kann.

MZEE​.com: Habt ihr auch in Zukunft vor, die­se Frei­räu­me für wei­te­re Events wie euer Open Air "100 Tage Som­mer" zu nut­zen oder sogar Plä­ne, die über die Musik hinausgehen?

Albert: Wir haben auf jeden Fall Bock, die­ses Open Air jedes Jahr zu ver­an­stal­ten und dort mit grö­ße­ren Acts so rich­tig auf die Kacke zu hau­en. Ansons­ten gibt es seit Jah­ren die Träu­me­rei, einen Jugend­treff in Dem­min zu grün­den. Einen Treff, wo jun­ge Leu­te wirk­lich ger­ne hin­kom­men, weil es gei­le Ange­bo­te und kei­nen Bull­shit gibt.

Pablo: Es geht dar­um, hier Din­ge auf die Bei­ne zu stel­len. Gewis­ser­ma­ßen ist das ja die Geschich­te, die wir als Hin­ter­land­gang in unse­rer Musik erzäh­len möch­ten. Vie­le gehen nach Ber­lin oder Leip­zig und ver­su­chen da ihr Glück. Wir machen dafür halt etwas in der Pro­vinz. Das Open Air soll ein lang­fris­ti­ges Pro­jekt sein, das mit uns wächst und an dem auch ande­re Leu­te aus der Gegend mit­wir­ken und sich ver­wirk­li­chen können.

Albert: Wir ach­ten bei­spiels­wei­se auch dar­auf, die Ticket­prei­se so güns­tig wie mög­lich zu hal­ten, damit alle jun­gen Leu­te kom­men kön­nen. Für mich als 15-​Jähriger wäre es damals ein­fach das Kras­ses­te gewe­sen, wenn Zuge­zo­gen Mas­ku­lin in Dem­min auf­ge­tre­ten wäre. Auch für das nächs­te Jahr haben wir einen beson­de­ren Act in der Pipe­line. Wir wol­len damit außer­dem ein State­ment set­zen, damit die Leu­te von außen fra­gen: "Krass, wie­so kommt die­ser gro­ße Act nach Demmin?"

MZEE​.com: Ihr seid bei­de nach der Wen­de in einem ver­ein­ten Deutsch­land gebo­ren. Könnt ihr euch an einen Moment in eurem Leben erin­nern, an dem euer Ost­be­wusst­sein geweckt wur­de und ihr gemerkt habt, dass es bis heu­te in den Köp­fen der Men­schen so etwas wie Ost- und West­deutsch­land gibt?

Pablo: Als Kind hat das für mich über­haupt kei­ne Rol­le gespielt. Ich hat­te nie das Gefühl, dass Ost­deutsch­land in der Schul­zeit beson­ders aus­ge­prägt behan­delt wur­de. Natür­lich hat man bei­spiels­wei­se mal über die Sta­si gere­det, aber mir war nie bewusst, dass das bei vie­len Men­schen, die einen umge­ben, bis heu­te prä­gend und ein Stück fami­liä­rer Geschich­te ist. Den einen Moment, an dem ich dach­te "Ok, ich füh­le mich jetzt ost­deutsch", hat­te ich als Kind also nicht. Aber in den ver­gan­ge­nen Jah­ren, als mei­ne Freun­de und ich älter wur­den, ist auf jeden Fall so ein Ost­be­wusst­sein gewach­sen. Ich fin­de, dass das bei unse­rer Gene­ra­ti­on sogar recht aus­ge­prägt und irgend­wie ein Rie­sen­ding ist. Dabei geht es dann gar nicht so sehr um die Auf­ar­bei­tung der Geschich­te. Vie­le fei­ern die­se "Ost­al­gie", also sym­bo­li­sche Din­ge wie Simson-​Mopeds oder Plat­ten­bau­ten. Das unter­schei­det uns viel­leicht von der Gene­ra­ti­on unse­rer Eltern. Mir wur­de mal erzählt, dass nach der Wen­de vie­le Men­schen ihre Trab­bis ein­fach an den Stra­ßen­rand gestellt haben, weil sie kei­nen Bock mehr dar­auf hat­ten. Nach dem Mot­to: "Das soll jetzt alles weg, jetzt kommt eine neue Zeit." Von der Gene­ra­ti­on unse­rer Eltern, auch bei mir, wur­den die­se The­men des­halb oft gar nicht mehr so inten­siv behan­delt. Die Jugend scheint sich die­se Din­ge selbst zu angeln.

Albert: Bei mir war es anders. Es gab die­sen einen Moment, an dem ich gecheckt habe: "Ok, ich bin Ost­deut­scher." Das war in mei­ner Aus­bil­dung zum Zim­me­rer. Gegen Ende des ers­ten Lehr­jah­res kam ein Ver­tre­ter von der Gewerk­schaft IG Bau in die Berufs­schu­le. Er hat uns erklärt, dass es auf dem Bau in Deutsch­land zwei ver­schie­de­ne Lohn­grup­pen gibt, eine für nicht-​ausgelernte Bau­hel­fer und eine für Gesel­len. Das galt zumin­dest in West­deutsch­land. In den neu­en Bun­des­län­dern, also in Ost­deutsch­land, sag­te er, sind die Fir­men nur ver­pflich­tet, Gesel­len min­des­tens den Stun­den­lohn für unge­lern­te Bau­hel­fer zu bezah­len. Für unse­re gan­ze Berufs­schul­klas­se war das unfass­bar. Wir haben uns gefragt, wofür wir über­haupt die­se Aus­bil­dung machen, wenn wir theo­re­tisch ohne Abschluss auf den Bau gehen könn­ten und als Bau­hel­fer das Glei­che ver­die­nen wür­den. Das war der Moment, an dem ich gemerkt habe: "Krass, nur weil ich hier lebe, bekom­me ich für die glei­che Leis­tung fest­ge­legt drei bis vier Euro weni­ger." Und das Jahr­zehn­te nach der Wie­der­ver­ei­ni­gung! Das wur­de dann so begrün­det, dass in den neu­en Bun­des­län­dern die Wirt­schafts­kraft gerin­ger war und des­halb nicht mehr Lohn vor­ge­se­hen war. Was auch immer der dif­fu­se Begriff Wirt­schafts­kraft über­haupt bedeu­tet. Für mich hieß das damals: "Ihr ver­dient halt weni­ger Geld, weil alle bei euch weni­ger Geld verdienen."

MZEE​.com: Die Jour­na­lis­tin Nhi Le schil­der­te Ende Novem­ber auf einer Podi­ums­dis­kus­si­on in Leip­zig die Beob­ach­tung, dass jun­ge Men­schen, die die DDR gar nicht mehr mit­er­lebt haben, sich stär­ker als Ost­deut­sche zu iden­ti­fi­zie­ren schei­nen als älte­re Gene­ra­tio­nen. Pablo hat gera­de von der glei­chen Beob­ach­tung erzählt. Könnt ihr euch erklä­ren, wor­an das liegt? 

Pablo: Nicht wirk­lich. Viel­leicht picken sich jun­ge Leu­te ein­fach die gei­len Sachen her­aus. Ich habe letz­tens einen Typen getrof­fen, der unge­fähr zehn alte Motor­rä­der von sei­nem Vater restau­riert hat, weil er sie geil fand und nicht, weil er damit ost­deut­sche Geschich­te auf­ar­bei­ten woll­te oder so. Ich glau­be, der Unter­schied ist, dass unse­re Gene­ra­ti­on viel weni­ger Berüh­rungs­ängs­te mit die­sen Din­gen hat als unse­re Eltern. Für die ist das alles poli­tisch auf­ge­la­den. Da hieß es nach dem Mau­er­fall bei jeder klei­nen Annä­he­rung zum Osten: "Aha, du bekennst dich also zum Unrechts­staat? Du weißt aber schon, dass die DDR eine Dik­ta­tur war?" In mei­ner Gene­ra­ti­on gibt es dahin­ge­gen an vie­len Stel­len deut­lich mehr Leich­tig­keit. Das wird mei­ner Mei­nung nach bei­spiels­wei­se in dem Buch "Nuller­jah­re" von Hen­drik Bolz oder dem Film "Alle reden übers Wet­ter" deutlich.

MZEE​.com: Woher kommt die­se Leich­tig­keit in dei­ner Generation? 

Pablo: Ich den­ke, für unse­re gerin­gen Berüh­rungs­ängs­te sorgt die Tat­sa­che, dass die Gene­ra­ti­on unse­rer Eltern so ungern über ihre Alt­las­ten spricht. Dabei gibt es schon Din­ge, über die man hät­te reden müs­sen. Was ist denn in den ein­zel­nen Fami­li­en damals so pas­siert? Was macht es mit einer Fami­lie, wenn bei­spiels­wei­se der Vater Stasi-​Beamter war? Wel­che Vor­stel­lun­gen ver­fol­gen euch seit­dem noch immer? Bei Hen­drik Bolz geht es zum Bei­spiel viel um die­se "Ein Jun­ge weint nicht"-Einstellung. Das sind The­men, die unse­re Eltern viel­leicht noch immer prä­gen und über die man hät­te spre­chen müssen.

Albert: Aber ich glau­be, dass es da eine Ent­wick­lung gibt. Gera­de ist Ost­deutsch­land ein häu­fi­ges The­ma, bei­spiels­wei­se weil die AfD in Thü­rin­gen, Sach­sen oder auch hier in Mecklenburg-​Vorpommern so extrem groß und erfolg­reich ist. Alle fra­gen sich seit­dem: "Was ist da eigent­lich los?" Aber fak­tisch wur­de sich die­se Fra­ge davor 30 Jah­re lang nicht gestellt. 30 Jah­re lang hieß es: "Ach, der Osten ist Ver­gan­gen­heit. Lasst uns jetzt in die Zukunft bli­cken und bloß nicht mehr dar­über reden." Ich glau­be, genau das bricht gera­de auf. Jetzt haben Men­schen das Bedürf­nis, dar­über zu reden, weil ihnen vor­her gar nicht die Zeit gelas­sen wur­de, alles zu ver­ar­bei­ten. Die Men­schen in der DDR sind ja 40 Jah­re lang kom­plett anders auf­ge­wach­sen als in der BRD. Sie hat­ten ande­re staat­lich oder fami­li­är vor­ge­leb­te Idea­le, ein ande­res Sys­tem und ande­re Zukunfts­aus­sich­ten. Es gibt also so viel Anders­ar­tig­keit, die 30 Jah­re lang nicht beleuch­tet wur­de. Dabei muss man sie beleuch­ten, wenn man ver­ste­hen will, was jetzt gera­de los ist.

MZEE​.com: Eine Art, auf die das gemacht wird, ist Musik. Gera­de erst releas­ten Mar­te­ria, Sil­ber­mond und FiNCH den Song "Wen­de­kind", der vom Auf­wach­sen und dem Lebens­ge­fühl in Ost­deutsch­land erzählt. Inwie­fern könnt ihr euch dar­in wie­der­fin­den und was bedeu­tet euch so eine Kollabo? 

Pablo: Ich fin­de es auf jeden Fall span­nend. Ich wür­de nicht behaup­ten, dass der Song "Wen­de­kind" viel zu einer Debat­te bei­trägt, aber das ist an sich ja nichts Schlim­mes. In die­sem Bei­spiel ist es ein schma­ler Grat zwi­schen wich­ti­gen The­men und Kli­schees. Ist es wie­der nur die alte Sto­ry von Alko­hol, Per­spek­tiv­lo­sig­keit und Plat­ten­bau­ten oder schafft man es, etwas dar­über Hin­aus­ge­hen­des zu erzäh­len? Im sel­ben Spa­gat befin­den wir uns mit unse­rer eige­nen Musik. Die gro­ße Kunst für mich ist es, die The­men anzu­spre­chen, die eine gro­ße Rol­le spie­len, ohne in die­se aus­ge­lutsch­ten Bil­der zurück­zu­fal­len, die man ewig lan­ge vom Osten gese­hen hat. Man muss auf­pas­sen, dass man nicht irgend­wann dahin kommt zu erzäh­len, als Ost­deut­scher füh­le man sich in Deutsch­land wie Afro­ame­ri­ka­ner in den USA oder so. Klar ist das ein wich­ti­ges The­ma, das Deutsch­land seit Jah­ren prägt und das auch in Zukunft tun wird, aber man muss vor­sich­tig sein, den Kern der Sache nicht zu vergessen.

Albert: Wir haben uns bei­spiels­wei­se vor kei­nem Song gesagt: "So, jetzt machen wir ein Lied über Ost­deutsch­land." Auch nicht bei dem Song "3. Okto­ber", obwohl man das ver­mu­ten könn­te. Da habe ich die ers­te Zei­le geschrie­ben und dar­aus hat sich dann die gesam­te Stro­phe ent­wi­ckelt. Das kam, weil es ein inne­res und per­sön­li­ches Bedürf­nis war, dar­über zu spre­chen. Um auf den Song "Wen­de­kind" zurück­zu­kom­men: Ich den­ke, vie­le fin­den ihn cool, aber mich per­sön­lich berührt er nicht so sehr. Viel­leicht, weil er in einer ande­ren Gene­ra­ti­on statt­fin­det, aber auch, weil er nicht so unmit­tel­bar, son­dern ein biss­chen über­leg­ter ent­stan­den ist. Womög­lich ist das aber auch gar nicht so, dar­über möch­te ich mir kein Urteil erlau­ben. Ich fin­de es ein­fach nur geil, wenn ich das Gefühl habe, dass etwas orga­nisch und unüber­legt ent­steht. Des­halb haben Pablo und ich gar kei­nen Bock dar­auf, Ost­deutsch­land zu sehr zu unse­rem Aus­hän­ge­schild zu machen, nur weil es gera­de ein so gefrag­tes The­ma ist. Wenn wir das Bedürf­nis haben, dar­über zu rap­pen, dann pas­siert das und wird manch­mal in klei­nen sprach­li­chen Bil­dern und sehr prä­sent, wie auf "3. Okto­ber", in unse­re Musik einfließen.

MZEE​.com: Wie ihr bereits beschrie­ben habt, gehen Künstler:innen ganz ver­schie­den mit dem The­ma um. Felix Kum­mer sagt, ihm geht die Selbst­er­mäch­ti­gung teil­wei­se zu weit. Er emp­fin­det die "Ost-Ost-Ostdeutschland"-Attitüde als stö­rend. Bei Artists wie FiNCH ist genau das häu­fig der ele­men­ta­re Bestand­teil ihrer Musik. Wie viel Ost-​Selbstbewusstsein emp­fin­det ihr als gesund?

Pablo: Ich fin­de die­se Atti­tü­de oft ein biss­chen befremd­lich. Ich war auch mal in Neu­bran­den­burg auf einem Kon­zert von FiNCH, wo 5 000 Leu­te das aus vol­ler Keh­le gebrüllt haben. Das war schon ver­rückt. Es ist natür­lich in gewis­ser Wei­se hän­gen geblie­ben, ande­rer­seits ertap­pe ich mich selbst manch­mal dabei. Da geht es viel um das Gefühl, Teil einer Grup­pe zu sein und ein biss­chen den Har­ten zu mar­kie­ren. Teil­wei­se fin­de ich das aber etwas zu hef­tig. Wenn Leu­te auf unse­ren Kon­zer­ten die gan­ze Zeit "Ost-​Ost-​Ostdeutschland" grö­len wür­den, fän­de ich das komisch.

Albert: Das ist ein ähn­li­ches Phä­no­men wie in Fuß­ball­sta­di­en und man darf es nicht über­in­ter­pre­tie­ren. Ich selbst lau­fe zwar nicht rum und rufe das, aber im Sta­di­on brül­len die Fans ja auch die gan­ze Zeit den Namen der Stadt und der Regi­on. In die­sem Schlacht­ruf steckt so viel Ener­gie drin, weil er so pri­mi­tiv und ein­fach ist. Jeder kann das mit­grö­len. Natür­lich fin­den das man­che befremd­lich. Ich glau­be auch, dass das aus­ar­ten kann und rich­tig schlim­me Sachen pas­sie­ren kön­nen, wenn ein Mob so eine Grup­pen­dy­na­mik ent­wi­ckelt. In den meis­ten Situa­tio­nen geht es aber um die­se gei­le, dum­me Stim­mung. Ich war mal auf einem Kon­zert der 102 BOYZ in Ros­tock. Die haben die­se eine Line, in der sie "Ost­deutsch­land aso­zi­al" rufen. Danach haben alle Leu­te in der Hal­le "Ost-​Ost-​Ostdeutschland" gebrüllt und ich habe mit­ge­macht. Das war in dem Moment befrei­end und irgend­wie geil, aber für mich hat das kei­ne wei­te­ren Ebe­nen beinhal­tet. Es war nur die­ser stump­fe Moment, ohne dar­über nach­zu­den­ken, ob das jetzt hard­core patrio­tisch ist oder so.

Pablo: Ich kann bei­de Blick­wei­sen dar­auf ver­ste­hen. Ich kann nach­voll­zie­hen, dass das ein gei­les Grup­pen­ge­fühl ist, und gleich­zei­tig, dass es, von außen betrach­tet, komisch rüberkommt.

Albert: Was viel­leicht auch noch ein Punkt sein könn­te, ist, dass es für Gene­ra­tio­nen vor uns nie cool war, aus Ost­deutsch­land zu kom­men. Gera­de aus der Gene­ra­ti­on Hen­drik Bolz sind fast alle weg­ge­zo­gen. Bei uns ver­spü­re ich eher einen Stim­mung­wech­sel. Auf ein­mal ste­hen tau­sen­de jun­ge Men­schen auf einem Kon­zert und rufen "Ost­deutsch­land!". Viel­leicht schwappt das von einem Extrem ins ande­re. Vor­her schäm­ten sich die Leu­te dafür, wo sie her­ka­men, und jetzt schwingt das Pen­del in die ande­re Richtung.

MZEE​.com: Die Mau­er ist vor 32 Jah­ren gefal­len. Eben­so lang führt man in Deutsch­land eine gesell­schaft­li­che Debat­te über Ost und West. Wel­ches Bewusst­sein brau­chen jun­ge Gene­ra­tio­nen in Ost­deutsch­land eurer Mei­nung nach in die­ser Debatte?

Pablo: Dazu muss man einen Schritt zurück­tre­ten und sich fra­gen: "Wo ste­hen wir?" Klar ist, dass es lan­ge Zeit enor­me Lücken zwi­schen Ost und West gab. Auch heu­te gibt es, wie teil­wei­se schon gesagt, Pro­ble­me wie nied­ri­ge­re Löh­ne, weni­ger Kul­tur oder gerin­ge­re Ren­ten. Ich glau­be aber, man muss auf­pas­sen, nicht zu sehr in die­se Underdog-​Romantik zu fal­len. Sonst ver­lie­ren die wirk­li­chen Pro­ble­me an Bedeu­tung. Wir wur­den ja nicht vom Wes­ten ver­sklavt oder so was. Man soll­te sich bewusst machen, wel­che Din­ge wirk­lich wich­tig für die Debat­te sind. Auch in der Corona-​Pandemie kam so eine Opfer­rol­le auf. Men­schen, die sich nicht imp­fen las­sen woll­ten, konn­ten in man­chen Läden nicht mehr ein­kau­fen und haben dann Ver­glei­che mit der Dis­kri­mi­nie­rung von Juden im Drit­ten Reich ange­stellt. Da sieht man, wie eine Opfer­rol­le den Bezug der Men­schen zur Rea­li­tät ver­zer­ren kann.

Albert: Das stimmt. Ich fin­de aber, dass die­ses Den­ken gegen­über dem Wes­ten in unse­rer Gene­ra­ti­on gar nicht mehr so prä­sent ist. Bei älte­ren Gene­ra­tio­nen, wie der mei­ner Eltern, ist das schon wie­der anders. Da gilt "Wes­si" noch häu­fig als Schimpf­wort und es wird über West­deut­sche her­ge­zo­gen. Bei die­ser Gene­ra­ti­on schwingt eben der Aus­ver­kauf der DDR nach der Wen­de mit. Das ist uns heut­zu­ta­ge schon egal, aber die­se Men­schen sehen sich zu einem gewis­sen Grad viel­leicht zurecht als Opfer. Es gibt schließ­lich Zah­len, die bei­spiels­wei­se bele­gen, dass ein Groß­teil der ost­deut­schen Immo­bi­li­en nach der Wen­de von west­deut­schen Inves­to­ren auf­ge­kauft wur­de. Nur sehr gerin­ge Antei­le sind in ost­deut­scher Hand geblie­ben. "Ost­deut­sche Hand" klingt jetzt nach däm­li­chem Scheiß, aber wenn man sich mal ratio­nal damit beschäf­tigt, wird man erken­nen, dass der kapi­ta­lis­ti­sche Markt eine Wie­der­ver­ei­ni­gung von heu­te auf mor­gen ein­fach nicht zuge­las­sen hat. Es gibt noch ande­re Bei­spie­le wie die Che­mie­fir­men, die von west­deut­schen Fir­men auf­ge­kauft und sofort dicht­ge­macht wur­den, damit kei­ne Kon­kur­renz ent­ste­hen konn­te. Das ist ein Mecha­nis­mus, der im Kapi­ta­lis­mus so funk­tio­niert. Und Fakt ist doch, dass die Bür­ger der DDR dar­auf nicht vor­be­rei­tet waren. Die wuss­ten doch gar nicht, wie kapi­ta­lis­ti­sche Mecha­nis­men funk­tio­nie­ren. Wenn man also auf­ar­bei­ten will, war­um älte­re Gene­ra­tio­nen sich in einer Opfer­rol­le sehen, muss man ver­ste­hen, dass sie wirk­lich beson­de­ren Situa­tio­nen aus­ge­setzt waren. Das hat nichts mit dem "Bösen Wes­ten" zu tun, aber das Gefühl, etwas auf­ge­drückt bekom­men zu haben, ist bei man­chen Men­schen immer noch omnipräsent.

Pablo: Das ist rich­tig. Eine Schwie­rig­keit ist der emo­tio­na­le Blick auf das The­ma Opfer­rol­le. Natür­lich wäre es rich­tig, sich bei­spiels­wei­se bei poli­ti­schen Ent­schei­dun­gen ein­fach ratio­nal anzu­se­hen, wie hoch Lohn­un­ter­schie­de aus­fal­len, und die­se Pro­ble­me dann zu lösen. Aber der sprin­gen­de Punkt ist: Es ist für vie­le eben auch ein emo­tio­na­les The­ma. Die Bei­spie­le, die Albert anspricht, klin­gen so banal. Fir­men wur­den halt von ande­ren Fir­men auf­ge­kauft. Aber sie waren nicht banal. Das waren ja kei­ne Fir­men ohne Gesicht, son­dern dahin­ter stan­den Men­schen. Und auf ein­mal kamen ande­re Men­schen aus dem Wes­ten, wur­den plötz­lich die Chefs und tra­fen die Ent­schei­dun­gen. Wenn man die­se emo­tio­na­le Ebe­ne mit­denkt, kann man ver­ste­hen, dass da eine Krän­kung und das Gefühl, das einem etwas über­ge­stülpt wur­de, vorherrschen.

MZEE​.com: Fin­det ihr denn, dass die Debat­te um Ost- und West­deutsch­land gene­rell in die rich­ti­ge Rich­tung läuft, oder stört euch etwas daran?

Albert: Eine Sache, die mich stört, ist die­ses gene­rel­le Medi­en­phä­no­men der Suche nach Schlag­zei­len. Das ist nicht spe­zi­fisch auf Ost­deutsch­land bezo­gen, aber gera­de hier hat­te ich in den letz­ten Jah­ren das Gefühl, dass ger­ne extre­me Nega­tiv­schlag­zei­len gesucht wur­den, weil die­se gute Klick­zah­len ver­spre­chen. Wenn Ost­deutsch­land im Fern­se­hen zu sehen war, dann meis­tens wegen Pegi­da oder so. Das geht jetzt nicht gegen die Medi­en, die funk­tio­nie­ren nun mal so. Aber dadurch ist eben ein sehr ein­heit­li­ches Bild ent­stan­den. Wenn man Din­ge auf­ar­bei­ten und ver­ste­hen möch­te, müss­te viel weit­räu­mi­ger Bericht erstat­tet werden.

Pablo: Ich wün­sche mir, dass ein­fach mehr mit­ein­an­der gespro­chen wird. Ich kann mir vor­stel­len, dass vie­le Men­schen in West­deutsch­land unter ande­rem durch das, was Albert gesagt hat, eine bestimm­te Ein­stel­lung ent­wi­ckeln und sich den­ken: "Oh man, war­um ner­ven die­se Kack-​Ossis mit ihren Kack-​Demonstrationen eigent­lich so rum?" Und auf der ande­ren Sei­te hast du dann hier die­ses gekränk­te ost­deut­sche Bild von den Wes­sis mit ihren dicken Autos. Auch hier wird also viel Gül­le gela­bert. Es ist doch klar, dass nicht jeder Wes­si ein unsym­pa­thi­scher Geld­sack ist und nicht jeder Ossi ein arbeits­lo­ser Neo­na­zi. Es wäre so wich­tig, ein­an­der zu respek­tie­ren, end­lich aus die­sen Schub­la­den raus zu den­ken und offen mit­ein­an­der zu spre­chen. Dazu müs­sen genü­gend ost­deut­sche Reprä­sen­tan­ten in die Poli­tik und in Füh­rungs­po­si­tio­nen, damit es eine Dis­kus­si­on auf Augen­hö­he wird.

MZEE​.com: Wie ihr schon sagt, lebt die­se Debat­te häu­fig von Kli­schees über­ein­an­der. Eines von vie­len ist der Begriff "Dun­kel­deutsch­land", den ihr selbst auf dem Song "Hin­ter­land Ath­le­tik" gebraucht. Stört euch die­se Dar­stel­lung also nicht?

Pablo: Ich habe noch gar nicht so inten­siv über die­ses Wort nach­ge­dacht. Die­ser Song nimmt einen eigent­lich in ein Gefühl mit, dass hier etwas nach vor­ne geht. Die Mes­sa­ge ist also eine posi­ti­ve. Die­ses Dun­kel­deutsch­land stellt viel­leicht nur eine Art Aus­gangs­punkt dar und steht als Begriff sym­bo­lisch für ver­schie­de­ne Pro­ble­me, die man hin­ter sich lässt.

Albert: Es ging uns ein­fach nur dar­um zu sagen: "Ihr wollt zwei Atzen aus Dun­kel­deutsch­land? Ihr kriegt zwei Atzen aus Dun­kel­deutsch­land!" Wir geben den Leu­ten, die von außen dar­auf schau­en, das Bild von den bei­den Ost­deut­schen aus der Pro­vinz und benut­zen die­ses Unwort Dun­kel­deutsch­land für uns selbst.

MZEE​.com: Ein ande­res Ostdeutschland-​Klischee ist das von vie­len Neo­na­zis. Auf "3. Okto­ber" rappt ihr: "Wir wer­den links oder rechts, weil es hier sonst kei­ne Sze­ne gibt." – Kann man sich als Ost­deut­scher weni­ger die Gemüt­lich­keit erlau­ben, unpo­li­tisch zu sein und zu sagen "Die Pro­ble­me mit Faschos jucken mich nicht"?

Albert: Ja, ich den­ke schon. Ich den­ke, dass jun­gen Leu­ten hier nichts ande­res übrig bleibt, als poli­tisch zu sein und das nach außen zu tra­gen. Ich neh­me mei­ne Umge­bung in jeg­li­chen Facet­ten als sehr poli­tisch wahr. In mei­ner Aus­bil­dung habe ich mir, gera­de auf dem Bau, bei­spiels­wei­se viel rech­tes Gela­ber anhö­ren müs­sen. Ansons­ten sind die Men­schen, mit denen ich mich pri­vat umge­be, natür­lich nicht rechts, aber auch poli­tisch. Mei­ne Freun­din kommt aus einem Dorf in der Nähe von Köln. Sie sagt, dass sie ihre Jugend als total unpo­li­tisch wahr­ge­nom­men hat. Gera­de für jun­ge Men­schen war Poli­tik dort fast nie ein The­ma, son­dern lang­wei­li­ger Erwachsenen-​Kack. So nach dem Mot­to: Man­che Eltern wäh­len halt CDU und man­che SPD, ver­stehst du? Bei uns war das The­ma Neo­na­zis dage­gen halt ein all­täg­li­ches und omni­prä­sen­tes The­ma, über das man oft gere­det hat. Nicht, weil ich so viel Angst vor ihnen haben muss­te, jemand wie ich wird ja von ihnen gar nicht bedroht. Aber die­ses The­ma ist ein­fach immer da. Wie vor eini­ger Zeit, als ich mit mei­ner Freun­din in Mecklenburg-​Vorpommern an einem Bade­see war und eine Grup­pe glatz­köp­fi­ger Typen in sehr kli­schee­haf­ten Out­fits auf uns zukam. Auf dem Pull­over von einem der Typen stand über­ra­schen­der­wei­se "Refu­gees Wel­co­me". Ich habe mich noch gefreut und dach­te "Geil, hier so kor­rek­te Typen zu sehen". Erst als sie näher­ka­men, habe ich ent­deckt, dass zwi­schen den zwei Wor­ten auf sei­nem Pull­over das Wort "not" stand. Was ich sagen will: Das Poli­ti­sche ist immer da. Bei mir hat das schon mit 15 oder 16 ange­fan­gen, als ich auf mei­ne ers­ten Demos ging. Das ist für mich schon Teil der Jugend­kul­tur hier.

Pablo: Bei mir fing das eben­falls schon als Jugend­li­cher an. Aller­dings muss ich sagen, dass ich mehr Leu­te kann­te, denen das voll egal war, als sol­che, die sich poli­tisch posi­tio­nie­ren woll­ten. Der Groß­teil hat sich mei­ner Erfah­rung nach im Jugend­al­ter nicht für Poli­tik inter­es­siert. Ich ver­mu­te, das hängt sehr viel mit der Prä­gung aus dem Eltern­haus zusam­men, die man mit­be­kommt. Wie wird dort über das The­ma gespro­chen? Heißt es "Das ist ein Neo­na­zi" oder "Das ist der Onkel von Sven. Der ist natür­lich ein biss­chen doll, aber eigent­lich ist er ganz nett"? Leu­te, die sehr nah dran sind, bezeich­nest du dann ja gar nicht als Neo­na­zis. Dann wird das ein Teil der Nor­ma­li­tät. Ist der Osten jetzt aber all­ge­mein poli­ti­scher? Ich fin­de das schwie­rig zu beant­wor­ten, weil ich die Zeit momen­tan gene­rell als sehr poli­ti­siert wahr­neh­me. Ich kann es nicht abschlie­ßend sagen.

Albert: Du hast recht, eine gene­ra­li­sier­te Aus­sa­ge kann man dazu eigent­lich gar nicht tref­fen. Ich glau­be, ich umge­be mich mit vie­len poli­ti­schen Men­schen und neh­me mei­ne indi­vi­du­el­le Umge­bung des­halb als sehr poli­tisch wahr. Mei­ne Mut­ter ist selbst eine poli­ti­sche Per­son, wes­halb ich auto­ma­tisch auch eine bestimm­te Hal­tung ent­wi­ckelt habe. Zum The­ma Nor­ma­li­tät von Neo­na­zis möch­te ich noch etwas ergän­zen: Die gibt es ja auch anders­wo, aber dort fin­den sie viel­leicht auf einer ande­ren Ebe­ne statt. In der Gegend um Köln, wo mei­ne Freun­din her­kommt, gibt es bei­spiels­wei­se eben­falls eine Art von Frem­den­feind­lich­keit. Die hat dort aber eher etwas Bür­ger­li­ches, Kon­ser­va­ti­ves, Christ­li­ches und Wohl­ha­ben­des an sich. Hier hast du dage­gen gleich das Bild der täto­wier­ten, glatz­köp­fi­gen Typen im Kopf. Es ist nicht unge­wöhn­lich, hier auf Bau­stel­len mit dem Hit­ler­gruß begrüßt zu wer­den. Durch die­se all­täg­li­che Kon­fron­ta­ti­on und dem Aus­ein­an­der­set­zen damit ent­wi­ckelt man dann eine poli­ti­sche Hal­tung, so wie es bei mir oder eini­gen mei­ner Freun­de der Fall war. Ich habe das Poli­ti­sche ein­fach immer als eine wich­ti­ge Kon­stan­te in mei­nem Leben erfahren.

(Enri­co Gerharth)
(Fotos von Ole Kracht)