Shindy wird in einem Kinderhörspiel von der Polizei kontrolliert, ein Kollege von OG Keemo philosophiert über Menschen und Hunde, ein Taxifahrer quatscht mit Döll-Produzent Gibmafuffi über halblegale Geschäfte. All das gibt es in Form von Skits auf Alben der genannten Künstler zu hören. Die kurzen Einspieler tauchen seit Ende der 80er Jahre auf und sind fast ausschließlich auf HipHop- und R 'n' B-Platten zu finden. Sie dienen unter anderem als humoristische Zwischenspiele oder um im Rahmen eines Konzeptalbums zusätzlichen Kontext zu schaffen. Während sie in den 90er Jahren auf vielzähligen Langspielern zu hören sind, tauchen Skits Ende der 2000er Jahre immer weniger auf. Dennoch nutzen sie manche Künstler:innen auch heute noch in ihren Werken und finden neue Herangehensweisen an die Lückenfüller.
Intro, Outro, Skit oder Interlude?
Streng genommen sind Skits gesprochene Sketche, die entweder einzeln als Songs auf Platten gelistet sind oder in Intros, Outros und inmitten von Tracks vorkommen. Dabei folgen die Sketche meist einer simplen Handlung und enden mit einer Pointe. Oft transportieren die Ausschnitte ein Statement – im Falle von Dölls "Halblegal"-Skit beispielsweise heißt es: lieber halblegal als gar kein Geld verdienen. Neben dem Skit gibt es den Begriff der Interludes. Diese sind wiederum musikalische – meist instrumentale – Zwischenspiele, die nicht die Länge eines normalen Songs erreichen oder eine Song-Skizze darstellen. Sie müssen jedoch nicht zwingend nur für sich stehen: Interludes dienen auch dazu, musikalische Motive vorab zu etablieren, die in einem anschließenden, vollständigen Track vorkommen. Doch die Grenzen zwischen beiden Begriffen verschwimmen hier und da, auch weil manche Musiker:innen es mit den Bezeichnungen nicht allzu genau nehmen. So gibt es auf Haftbefehls "Unzensiert"-Tape die Songs "Skit 2.1" und "Skit 2.2", auf denen der Offenbacher auf den gleichen Beat jeweils einen Zwölf-Zeiler rappt. Nach der klassischen Definition hätten die Stücke auch "Interlude 2.1" und "2.2" heißen können – und genauso gibt es Beispiele, bei denen gesprochene Skits Interludes genannt werden. Am Ende des Tages entscheiden jedoch die Künstler:innen selbst über ihre Track-Bezeichnungen.
3 Skits High And Rising
Die erste HipHop-Band, die auf ihrem Album prominent Skits einsetzt, ist De La Soul. Die drei Rapper aus der amerikanischen Kleinstadt Amityville zeigen auf ihrem 1989 erschienenen Debüt "3 Feet High And Rising" ihren Humor in kurzen musikalischen Comedy-Einlagen, Gesprächsfetzen und anderen Tonschnipseln. Dieser Humor äußert sich zum Beispiel in einem Skit, in dem eine Vorstellungsrunde einer fiktiven Spielshow zu hören ist. An anderer Stelle wird ein Freund gebeten, sich doch bitte gründlicher zu waschen, in einem weiteren Skit dürfen die Zuhörer:innen bei einer "De La Orgee" lauschen. "We sat around listening to the record and I realized that we needed something to link it together", sagt Prince Paul, Produzent von "3 Feet High And Rising", in einem Interview. Auch wenn De La Soul Skits als einzelne Stücke auf einem Album berühmt machen, gab es Ähnliches bereits zuvor, beispielsweise an Songenden. Und der allererste alleinstehende Skit stammt vermutlich vom Westküsten-Rapper King Tee. Auf dessen Album "Act A Fool" von 1988 gibt es den zweiminütigen Zwischenspieler "Baggin' On Moms" in Form von Mutterwitzen von King Tee und seiner Entourage zu hören. Warum De La Soul letztlich andere Künstler:innen inspirieren, sieht man auch an ihrem zweiten Langspieler: Auf "De La Soul Is Dead" von 1991 spinnt die Band mithilfe von Skits sogar eine zusammenhängende Geschichte. Dort ist zu hören, wie Jugendliche ein Tape der Band finden und sich im Laufe der Platte an mehreren Stellen über die Musik lustig machen.
Fade In und Fade Out
In den 90er und beginnenden 2000er Jahren sind Skits auf zahlreichen HipHop-Platten zu finden: "The Slim Shady LP" von Eminem, Kanye Wests "The College Dropout", "Speakerboxxx/The Love Below" von Outkast, Snoops "Doggystyle", "The Score" von den Fugees – all diese Langspieler wurden durch die kurzen Sketche und Gesprächsfetzen bereichert, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Rap-Alben können so auf einfachem Weg eine Rahmenhandlung erhalten oder auch eine Talkshow oder ein Film werden. Bei manchen Skit-lastigen Veröffentlichungen dieser Zeit steckt womöglich auch eine Marketing-Strategie dahinter: Vor dem Durchbruch von MP3s oder Streaming-Diensten wird Musik vor allem über CDs konsumiert. Stand mancher Rap-Fan vor der Wahl, ein Album mit 14 Songs oder eines für den gleichen Preis mit 20 Titeln zu erstehen, konnten die vollgepackten Tracklists die Kaufentscheidung in eine bestimmte Richtung lenken. Doch mit der übermäßigen Verwendung der Lückenfüller geht bald eine Übersättigung der Konsument:innen einher. Statt klugen Dialogen oder lustigen Pointen gibt es stumpfen Humor und immer wiederkehrende Szenarien. Ende der 2000er Jahre werden Skits dadurch deutlich seltener. So veröffentlicht zum Beispiel Eminem 2010 mit "Recovery" sein erstes Album ohne die kurzen Sketche. Ein Grund für das weitestgehende Verschwinden der Skits könnte auch das veränderte Hörverhalten der Konsument:innen sein. Statt Alben zu kaufen, werden MP3s gezogen, später Playlisten erstellt. Kurze Sketche finden darin meist keinen Platz. Zur heutigen Zeit, in der so manche Platte für den Streaming-Markt optimiert wird und Platzierungen in wichtigen Playlists erstrebenswert sind, schaffen es klassische Skits eher selten auf neue Veröffentlichungen.
Neue Ansätze
Doch Skits sind auch nach den 2010er Jahren weiterhin – zumindest vereinzelt – auf Rap-Alben zu finden. Damit sie funktionieren, finden einige Rapper:innen ausgefeilte Herangehensweisen an die traditionellen Sketche. Tyler, the Creator schaffte auf seiner Debüt-Veröffentlichung "Bastard" den Character Dr. T.C., einen Therapeuten, um in Gesprächen mit dieser Figur mehr von seinem Gefühlsleben preiszugeben. Auf "good kid, m.A.A.d city" zieht Kendrick Lamar seine Hörer:innen mit Voicemail-Nachrichten seiner Eltern tiefer in seine Geschichten aus Compton hinein. In beiden Fällen erfährt man so mehr darüber, wie die Rapper von Außenstehenden wahrgenommen werden. In Deutschland sind Celo & Abdi zu nennen, die ihren Humor auf ihrem ersten "Mietwagentape" nicht nur in Songs, sondern auch in kurzen Comedy-Einlagen vermitteln und den Flair der 90er-Skits damit in die damalige Zeit brachten. In jüngster Vergangenheit ist es OG Keemo, der in seinem zweiten Album "Mann Beisst Hund" die Geschichte dreier Jugendlicher aus einer Hochhaussiedlung erzählt. Die Charaktere erhalten hier in zwei Skits zusätzlichen Spielraum, den Hörer:innen ihre Lebensphilosophien zu verraten. Das Ganze wird aufwendig arrangiert, sodass die Dialoge klingen, als wären sie einem Spielfilm entnommen worden.
Eine Sache für Liebhaber:innen?
Trotz aller Detailverliebtheit mancher Skits liest man im Internet immer wieder, die Zwischenspiele würden als störend empfunden und nach dem ersten Hören übersprungen werden. Das ist auf der einen Seite verständlich, schließlich wird Musik in erster Linie für die musikalischen Anteile gehört – gesprochene Dialoge funktionieren für manche Konsument:innen eher im Film oder in Hörbüchern. Auf der anderen Seite sind Skits für die Künstler:innen eine gute Möglichkeit, ihre Welt oder ein bestimmtes Konzept genauer darzustellen. Wer sich darauf einlässt, kann die Alben der Musiker:innen noch mal auf einer anderen Ebene erleben. Doch Skits bleiben womöglich eine Sache für Liebhaber:innen – für alle, die sich besonders intensiv mit den Werken ihrer Lieblings-Musiker:innen auseinandersetzen möchten.
(Tim Herr)
(Titelbild von Daniel Fersch)