Auf den ersten Blick ist Bescheidenheit für viele eine positive Wesensart, die man an seinen Mitmenschen schätzt. Sie kann für einen Lebensstil stehen, in dem Materialismus und Luxus keine Rolle spielen, oder Charaktere beschreiben, die sich ungern in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit drängen. Im Kontext des Berufslebens gilt Bescheidenheit oftmals als Hindernis. Es wird beispielsweise geraten, keine "falsche Bescheidenheit" an den Tag zu legen und nicht zurückhaltend zu sein, was die eigenen Ambitionen angeht. Der:die geneigte Rap-Hörer:in wird zustimmen, dass Letzteres zumindest für einige Künstler:innen des Genres eher weniger ein Problem darzustellen scheint. So manche:r profiliert sich gern öffentlich und hält mit dem eigenen Erfolg nicht hinter dem Berg. Gerade mit der gewachsenen Bedeutung sozialer Medien ist intensive Selbstdarstellung außerdem für viele Artists ein Mittel zum Zweck geworden, um Aufmerksamkeit zu generieren und sich ins Gespräch zu bringen. Einer, der dieses Verhalten vermeiden will, ist der Rapper Luvre47. Wer die Entwicklung des Berliners verfolgt, weiß, dass er in der Öffentlichkeit sowie auf sozialen Medien meist kein Mann großer Worte ist. Er lässt lieber seine Kunst für sich sprechen und sagt über seine musikalische Laufbahn, dass ihm nachhaltiges und konstantes Wachstum wichtiger sei als der schnelle Drang in den Mainstream. In unserem Interview sprach Luvre47 darüber, warum er grundsätzlich lieber tiefstapelt, wie er selbst auf seine wachsende Bekanntheit blickt und welche Ziele er mit seiner musikalischen Karriere verfolgt.
MZEE.com: Bescheidenheit ist für viele Menschen grundsätzlich eine Tugend, je nach Situation warnen manche jedoch auch vor falscher Bescheidenheit. Was bedeutet das Wort für dich?
Luvre47: Für mich bedeutet es vor allem, dass man sich nicht größer macht, als man ist. Ich glaube, man tut gut daran, eher etwas tiefer zu stapeln, als den Mund zu weit aufzumachen und sich zu viel auf die Fahne zu schreiben. Bescheidenheit ist allerdings keine Tugend, auf die ich explizit achte, und steht auf meiner Liste an Dingen, an die ich mich halten muss, nicht ganz oben.
MZEE.com: Du erinnerst dich also nicht regelmäßig aktiv daran, bescheiden zu bleiben? Geschieht das eher automatisch?
Luvre47: Ich denke, dass ich grundsätzlich ein bescheidener Mensch bin. Mir wird vor allem im Arbeitskontext oft gesagt, dass ich mich kleiner mache, als ich bin, oder dass ich mich selbst höher heben könnte. Das ist diese falsche Bescheidenheit, von der du gesprochen hast. Auch von außen verschiebt sich die Wahrnehmung. Letztens hat mir jemand geschrieben: "Wie ist es für dich, jetzt berühmt zu sein?" Dabei sehe ich mich da noch lange nicht. Ich gehe nicht durch die Welt mit der Einstellung, mehr als andere Leute geleistet zu haben. Ich mache Musik, die gerade gut anläuft. Aber das ist noch so weit in den Kinderschuhen, dass ich mich nicht zu berühmten Personen dazuzähle. Es ist in mir drin, mich selbst eher kleiner als zu groß zu machen. Ich mag das nicht, weil es mich auch bei anderen Leuten triggert. Wenn ich in einem Gespräch merke, dass mein Gegenüber krass von sich selbst überzeugt ist, stört mich das oft. Deshalb will ich vermeiden, dass Leute von mir auch so einen Eindruck bekommen.
MZEE.com: Wo hast du Bescheidenheit gelernt?
Luvre47: Dadurch, dass das bei mir eher eine versehentliche Eigenschaft ist, kann ich das gar nicht genau sagen. Sicherlich hängt es einerseits vom Elternhaus und der Erziehung ab, andererseits aber auch vom sozialen Umfeld. Ich habe viel in Kreisen verkehrt, in denen es nicht hilfreich war, eine zu große Klappe zu haben und in denen Großkotzigkeit nach hinten losgehen konnte. Da war es wichtig, immer zu 100 Prozent hinter dem stehen zu können, was du sagst. Deshalb habe ich schon in der frühen Jugend gelernt, lieber weniger und bedacht zu sprechen als unüberlegt. Ich denke, daraus hat sich meine Bescheidenheit entwickelt.
MZEE.com: Der Schriftsteller Edgar W. Howe sagte einmal: "Bescheidenheit ist eine Eigenschaft, für die der Mensch bewundert wird, falls die Leute je von ihm hören sollten." – Im Kontext des Berufslebens heißt es häufig, Bescheidenheit sei tödlich für die Karriere. Stimmst du dem zu oder findest du, man kann auch Erfolg haben, ohne die eigene Bescheidenheit abzulegen?
Luvre47: Ich glaube, das kann sowohl zutreffend als auch nicht zutreffend sein. Wenn du von außen betrachtet und analysiert wirst, kann Bescheidenheit schon sympathisch sein. Aber zu so einem Standing musst du erst einmal kommen. Wenn ich selbst auf Bekannte treffe, die ich ein paar Jahre lang nicht gesehen habe, höre ich oft Aussagen wie: "Wow, du bist immer noch bodenständig und der Gleiche geblieben." Das ist etwas Positives. Aber wenn ich an Geschäftsgespräche denke, beispielweise wenn ich für einen Vertriebsvertrag mit einem Konzern spreche, dann ist es vermutlich schon förderlich, wenn man mehr sein Maul aufmacht. Das Gleiche gilt in den sozialen Medien. Wenn ich dort aktiver wäre und öfter sagen würde, was mich stört, oder anecken würde, wäre das förderlich für die Aufmerksamkeit. Bescheidenheit zieht da nicht. Niemand sagt: "Check mal seine Story, der ist voll bescheiden." Aber mich zu profilieren und den ganzen Tag Storys zu machen, ist einfach nichts für mich. Deshalb versuche ich, mir treu zu bleiben und eine andere Schiene zu fahren. Ich glaube nicht, dass das tödlich für meine Karriere ist, aber man muss dann eben geduldiger sein. Ich muss ausschließlich über die Musik und meine Kunst kommen, weil dieses Provozieren drumherum mir nicht liegt. Ich könnte sicherlich auch hier und da anecken, aber so möchte ich nicht sein.
MZEE.com: Davon abgesehen, dass du selbst ungern viel Raum einnimmst: Findest du es denn generell verwerflich, wenn man das tut?
Luvre47: Nein, wenn man das gut verpackt, kann es ja auch unterhaltsam sein. Aber weil es auf mich in den meisten Fällen unsympathisch wirkt, bin ich da auf einem komplett anderen Dampfer.
MZEE.com: Gab es rückblickend auf deinen bisherigen Karriereverlauf Situationen, bei denen du dir im Nachhinein gewünscht hast, den Mund weiter aufgemacht und mehr für dich eingestanden zu haben?
Luvre47: Nein, ich trauere keiner konkreten Situation nach. Bestimmt hätte es schneller gehen können, wenn ich generell extrovertierter und offener nach außen wäre, was meine Gefühlswelt oder meine Meinung zu anderer Kunst angeht. Aber ich finde, dass sich viele ins Gespräch spülen, indem sie über Themen sprechen, die sie gar nicht betreffen. Da frage ich mich dann: "Wer seid ihr überhaupt, dass ihr darüber redet?" Auf mich bezogen gab es jedoch noch keinen Fall, in dem über mich geredet wurde und ich mich nicht getraut habe, etwas zu sagen. Das ist für mich schon eine Grenze. Wenn es mich betrifft, rede ich schon. Natürlich gibt es auch Momente wie Shitstorms, in denen man lieber erst einmal nichts sagt und die Leute abkühlen lässt. Aber davon bin ich bisher verschont geblieben.
MZEE.com: Du sagst, dass bei dir alles über die Kunst kommen muss. Mal konkret auf deine eigene Karriere bezogen: Wo siehst du dich in zehn Jahren?
Luvre47: Das ist eine weite Spanne, in der es viele Szenarien gibt. Ich könnte jetzt sagen "In zehn Jahren spiele ich in der Mercedes Benz Arena oder im Olympiastadion", was natürlich ein großes Ziel ist. Aber davon kann man nicht ausgehen, dafür bin ich zu realistisch. Ich bin generell Fan davon, Dinge realistisch einzuschätzen und seine Grenzen zu kennen. Mein größter Wunsch ist, dass meine Musik stetig wächst und irgendwann ein Punkt erreicht wird, an dem man auf der Karte ist und die Leute nicht mehr um einen herumkommen. Ich habe das Gefühl, dass ich mir mit dem letzten Album ein erstes Standing in der Musikwelt gesichert habe, und hoffe, dass ich in zehn Jahren noch erfolgreicher bin: größere Hörerschaft und größere Venues, aber immer noch mit Kunst, die mir selbst gefällt, und mit dem gleichem Mindset. Das wäre mir wichtig. Aber auf welchem Fleck der Erde ich in zehn Jahren bin und welchen materiellen Besitz ich dann habe, kann ich nicht sagen.
MZEE.com: In deinen Texten betonst du, dass dir klischeebehaftete Dinge wie Ketten und Autos nicht wichtig sind. Was möchtest du stattdessen mit deiner Musik erreichen?
Luvre47: Dazu muss ich sagen, dass sich der Wunschhorizont mit den eigenen Mitteln verschiebt. Ich will keinen 300.000 Euro teuren Lamborghini. Aber ein schönes Auto, in das man gerne einsteigt, will man natürlich. Viel wichtiger ist mir allerdings, langfristig sorgenfrei leben zu können. Ich kann nicht davon ausgehen, dass ich bis ins Alter von 75 Jahren durch meine Musik Stadtgespräch bleibe. Irgendwann muss ein Standing erreicht werden, von dem man noch jahrelang leben kann. Deshalb ist mein Ziel, dass der Katalog so wächst und genug Geld einspielt, dass ich mir langfristig keine Sorgen machen muss, wie ich meine Miete und mein Essen bezahle. Die Hauptsache ist, dass es meiner Familie finanziell gut geht und man nie vor existenziellen Problemen steht. Erst wenn das abgedeckt ist, kann man sich überlegen, ob man sich ein Goldkettchen um den Hals hängen will. Bei mir ist das nicht die Nummer eins auf der Liste, aber ich bekomme das bei Jungs um mich herum mit. Die müssen von Monat zu Monat hustlen und sehen, wo sie ihre Taler herbekommen, aber die Goldkette sitzt. Das ist für mich unverständlich, aber da muss jeder seine eigene Einstellung haben können.
MZEE.com: Der Ortsteil Berlin-Gropiusstadt ist omnipräsent in deinen Tracks. Hast du auch vor, deinem Viertel mit deiner Kunst etwas zurückzugeben?
Luvre47: Darüber habe ich lustigerweise erst gestern ein Gespräch geführt und gemerkt, dass ich aufpassen muss, nicht in jedem Song so plakativ und Bürgermeister-mäßig über Gropiusstadt zu sprechen, denn so will ich gar nicht sein. Natürlich will ich dort langfristig Perspektiven schaffen und vor allem die Themen Kunst und Kreativität für Jugendliche mehr fördern. In unserer Gegend gibt es nur wenige Angebote für die vielen Jugendlichen auf einem Fleck, deshalb bleibt manchen nicht viel übrig, außer Mist zu bauen. An diesem Punkt würde ich gerne ansetzen, aber jetzt ist das noch nicht möglich. Ich kann noch keine große Stange Geld in die Hand nehmen und etwas wie einen Jugendclub gründen. Zudem ist Berlin so im Wandel, ich wüsste gar nicht, wo ich anfangen sollte, wenn ich die Mittel dazu schon hätte. Aber das sehen wir dann, wenn es soweit ist.
MZEE.com: Dein Einfluss kann sich ja auch anders zeigen. Mit Musik kannst du das Leben von Einzelpersonen stark beeinflussen, ohne es je zu erfahren.
Luvre47: Genau. Das ist dann auch nicht auf Gropiusstadt beschränkt. Mich hören auch Leute von anderen Orten, genauso wie mich nicht jeder aus meinem Viertel hört. Nichtsdestotrotz glaube ich, dass ich auf vieles aufmerksam gemacht habe, da unsere Ecke von Berlin noch nicht so großartig in aller Munde war, bevor ich Musik gemacht habe oder Felix Lobrecht berühmt wurde. Deswegen habe ich bestimmt schon einen Teil beigetragen. Aber zu sagen "Ich unterstütze nur Gropiusstadt, denn nur wir haben Probleme", wäre auch falsch. Unsere Probleme kannst du auf viele andere Städte übertragen. Deswegen habe ich ein viel größeres Verlangen, Sachen in meiner unmittelbaren Community, die sich um die Musik herum gebildet hat, zu fördern.
MZEE.com: Widmen wir uns deinem bisherigen Karriereverlauf: Kann man nach den ersten Erfolgen immer noch so unbeschwert Musik machen wie als unbekannter Newcomer oder verfällt man automatisch in wirtschaftliches Denken?
Luvre47: In wirtschaftliches Denken verfällt man definitiv. Das hat sich mal so und mal so auf meine Kunst ausgewirkt. Der Song "Nix ist gut" ist zum Beispiel in einer Phase entstanden, in der ich wenig Hoffnung gesehen habe. Ich erinnere mich, dass ich mir dabei dachte: "Ok, du hast einen Fuß in der Tür, aber irgendwie auch nicht." Wenn man allerdings merkt, dass man wirklich etwas erreichen und sogar den Leuten um sich herum eine Perspektive bieten kann, motiviert das. Gerade im letzten halben Jahr war ich extrem produktiv und habe so viel Musik gemacht wie noch nie. Deshalb würde ich gar nicht sagen, dass man besser Kunst machen kann, wenn niemand einen auf dem Schirm hat.
MZEE.com: Mit musikalischen Erfolgen geht auch einher, dass du als Person einer wachsenden Bekanntheit gegenüberstehst. Stört dich das?
Luvre47: Darauf habe ich zwei Antworten. Einerseits stört es mich nicht, wenn Leute Fotos machen möchten oder sagen, dass sie Fan von mir sind. Ich respektiere das und freue mich darüber. Andererseits habe ich mir in meiner musikalischen Anfangszeit die Frage gestellt: "Willst du das maskiert machen oder nicht?" Mir ging die Maskierung an sich auf den Keks, weil es für mich etwas von "Ich stehe nicht hinter dem, was ich sage, sonst würde ich mich nicht verstecken" hatte. Deshalb habe ich ohne Maske angefangen. Zwei Jahre später kam die Drill-Welle aus UK, jeder Rapper war maskiert und keinem wurde es übelgenommen. Da dachte ich mir: "Scheiße, hättest du dich einfach maskiert." Es wäre entspannt gewesen, sich ein paar Gedanken nicht machen zu müssen. Psychische Laster wie Paranoia haben dazu beigetragen, dass mich wachsende Bekanntheit gestört hat. Es ist aber ja nicht so, dass ich nicht mehr durch meine Gegend laufen kann, ohne dass von überall Kinder angerannt kommen. Alles ist noch so in den Kinderschuhen, dass es hinnehmbar ist. Aber ich bin froh, dass es sich stetig entwickelt und ich keinen Kickstart hatte. Dadurch lernt man, damit umzugehen. Und um sich jetzt eine Maske aufzusetzen, ist es ohnehin zu spät. Das Kind ist in den Brunnen gefallen, also muss man jetzt damit arbeiten.
MZEE.com: Würdest du also, wenn du die Zeit zurückdrehen könntest, wieder auf eine Maske verzichten?
Luvre47: Ich bin zufrieden damit, wie ich es gemacht habe. Wie gesagt: Ich kann hinter allem stehen, was ich sage, und mache meinen Mund nicht zu weit auf. Deshalb muss ich mich nicht verstecken.
MZEE.com: Bei manchen sind kriminelle Aktivitäten der Grund, warum sie nicht erkannt werden wollen und sich maskieren. Was denkst du darüber?
Luvre47: Diese Entscheidung überlasse ich jedem selbst. Ich würde vorsichtig behaupten, dass das bei manchen eher ein Stilmittel als wirklich notwendig ist. "Ich muss mich verstecken, weil der Staat mich beobachtet." Das klingt einfach cool. Bei einigen Leuten, die diese Schiene fahren, frage ich mich: "Wenn du so ein großer Typ bist, warum musst du dann überhaupt Musik machen?" Wenn du auf legale Art Geld machst, musst du deinen Namen angeben, damit das auf deinem Konto ankommt. Spätestens dann bist du also ohnehin angreifbar, wenn der Staat dich tatsächlich an den Haken kriegen will. Viel ehrlicher finde ich es bei Leuten, die einfach keine Lust haben, angesprochen zu werden.
MZEE.com: Glaubst du, das Alter, in dem man bekannt wird, spielt eine Rolle in Bezug darauf, ob man es schafft, bescheiden zu bleiben?
Luvre47: Ja, definitiv. Ich glaube, dass das sehr entscheidend ist. Ich nenne kein Beispiel, aber es gab in den letzten fünf Jahren einige, die sehr jung sehr viel Erfolg und Aufmerksamkeit bekommen haben und dann unvernünftige Entscheidungen getroffen haben. Manchmal beobachtet man, wie Probleme auf sie zukommen und denkt sich: "Ich hätte dir schon vor vier Jahren sagen können, dass das so enden wird." Eine gewisse Reife im Umgang mit Geld und Bekanntheit tut jedem gut. Viele, die früh Aufmerksamkeit haben, bekommen zwischenmenschliche Probleme, weil die Gesellschaft einen anders behandelt. Es tut einigen in ihrer Entwicklung nicht gut, zu sehr im Mittelpunkt zu stehen. Manche überraschen mich wiederum, da ich das Gegenteil erwartet habe, sie jedoch eine gute Entwicklung durchmachen und immer sympathischer werden. Aber es ist sicherlich ein Punkt, dass du finanziell und zwischenmenschlich viel Scheiße bauen kannst, wenn du früh berühmt wirst.
MZEE.com: In einem Interview hast du mal gesagt, dass du es nicht magst, wenn Leute dir mehr Fame wünschen und auch, dass du nicht gern mit anderen Künstler:innen verglichen wirst. Warum kannst du solchen Komplimenten nichts abgewinnen?
Luvre47: So drastisch würde ich es nicht sagen, man freut sich ja trotzdem darüber. Dennoch habe ich das Gefühl, das solche Kommentare den Punkt infrage stellen, an dem man sich gerade befindet. Außerdem hilft es mir nicht. Wenn du so etwas kommentierst, hilft mir dein Beitrag lediglich im Algorithmus. Dann kannst du aber auch drei andere nette Wörter oder einen Smiley schreiben. Ich habe nichts davon, wenn du mir schreibst, dass ich mehr Aufmerksamkeit verdient hätte. Was mir helfen würde, wäre, wenn du es einmal all deinen Freunden auf WhatsApp schickst. Aber so weit geht auch wieder keiner. Vor allem in Bezug auf das stetige Wachstum, von dem ich gesprochen habe, ist das manchmal schwierig. Es gibt Phasen, in denen du denkst: "Cool, wir sind wieder eine Stufe nach oben gekommen." Und dann liest du: "Du hast viel mehr Aufmerksamkeit verdient." Davon kann ich mir nichts kaufen. Nichtsdestotrotz ist es schön zu sehen, wenn einen der Kommentierende größer einordnet, als man ist.
MZEE.com: Tyler, the Creator hat letztes Jahr bei einem Konzert die Crowd gebeten, ihn auszubuhen mit der Begründung, dass er das brauche, um bescheiden zu bleiben. Was denkst du darüber?
Luvre47: Tyler, the Creator ist einfach wahnsinnig kreativ und weiß, sich in Szene zu setzen. Das war einfach nur ein sympathischer Move, der der Unterhaltung diente. Wer seine Shows kennt, weiß, dass er viele Sachen einbaut und mit seinem Publikum spielt. Ich glaube nicht, dass er Probleme mit seiner Selbstwahrnehmung hat. Er ist schlau genug, um zu wissen, wo er steht. Vielleicht war es eher ein Wink nach außen. Nach dem Motto: "Lasst uns alle nicht zu hoch fliegen, wir machen auch nur Musik."
MZEE.com: Mal von Musik abgesehen: Wir müssen leider erleben, wie in Teilen der Erde Menschen unter Krieg, Hunger oder Klimawandel leiden, wohingegen viele hierzulande ein privilegiertes Leben führen können. Sind Dankbarkeit und das Wertschätzen eigener Privilegien für dich auch eine Ausprägung von Bescheidenheit?
Luvre47: Definitiv. Trotzdem vergisst man das leider manchmal. Wenn man mit der eigenen Ist-Situation unzufrieden ist oder etwas schiefläuft, ist schnell mal die Welt am Untergehen. Dann muss man sich bremsen und erstens fragen: "Wie schlimm ist das jetzt wirklich? Wo war ich vor drei Jahren und kann ich heute zufrieden sein?" Das ist meistens der Fall. Zweitens muss man sich vor Augen führen, dass es anderen Menschen schlechter geht und sie schlechtere Aussichten für ihren Tag oder ihr Leben haben.
MZEE.com: Wer ist der bescheidenste Mensch, den du kennst?
Luvre47: Ich glaube, meine Mutter. Ich habe jetzt nach einer pfiffigen Antwort gesucht, aber die ist einfach kein protzender Mensch und hat auch immer tiefgestapelt. Es ist auf jeden Fall meine Mutter.
(Malin Teegen & Enrico Gerharth)
(Fotos von fr1tz und malo_kicks)