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Interview

Shogoon – ein Gespräch über Materialismus

"Ich bin mit 14 Jah­ren auf den Bau gegan­gen, um mir ein Paar Dunks leis­ten zu kön­nen. Dann habe ich fest­ge­stellt, dass die ande­ren mich dafür genau­so aus­ge­lacht haben, weil es gar nicht dar­um ging." ‒ Sho­goon im Inter­view über wenig Geld in der Kind­heit, Mar­ken als Iden­ti­täts­fak­tor und Nostalgie.

"Nikes an, Pel­le Pel­le für den Vibe, Mann." – Sho­goon wirft in sei­nen Songs, wie hier in "Nikes an", gern mit ein­schlä­gig bekann­ten Mar­ken um sich. Vie­les im Leben des Min­de­n­ers, der in einer Fami­lie mit begrenz­ten finan­zi­el­len Mög­lich­kei­ten auf­ge­wach­sen ist, dreht sich auf den ers­ten Blick um mate­ri­el­le Besitz­tü­mer: Er ist ein Sneaker- und Vinyl­head, inter­es­siert sich für Mode, Klei­dung und alte Video­spie­le – Din­ge, für die man enorm viel Geld aus­ge­ben kann und teil­wei­se muss, um die begehr­tes­ten Stü­cke zu erwer­ben. Wie in unse­rem Gespräch klar wur­de, geht es Sho­goon bei all­dem aber weni­ger um rei­nen Besitz als viel­mehr um Nost­al­gie und Lei­den­schaft. Wir spra­chen mit dem nicht mehr all­zu gehei­men Geheim­tipp über die Bedeu­tung, die Brands wie Nike, Jor­dan und Pel­le Pel­le für ihn haben sowie dar­über, was Kool Savas und Azad mit sei­nem Fai­ble für Kla­mot­ten zu tun haben. Außer­dem dis­ku­tier­ten wir, inwie­weit sich Rapper:innen für ver­meint­lich ober­fläch­li­che Tex­te kri­ti­sie­ren las­sen müs­sen und wie­so Shin­dy aus sei­ner Sicht mehr für deut­schen Rap getan hat als jede:r ande­re in den ver­gan­ge­nen zehn Jahren.

MZEE​.com: Mate­ria­lis­mus bezeich­net in der all­ge­mei­nen Ver­wen­dung eine "auf Besitz und Gewinn bedach­te Ein­stel­lung dem Leben gegen­über". Kannst du mit so einer Ein­stel­lung etwas anfangen?

Sho­goon: Ja, natür­lich. Ich bin ein rie­sen­gro­ßes Opfer von Kon­sum und Selbst­dar­stel­lung. Man hat sich ja nicht ohne Grund die Büh­ne ausgesucht.

MZEE​.com: Besitzt du gern um des Besit­zens wil­len oder muss für dich eine Bedeu­tung dahinterstehen?

Sho­goon: Ich glau­be, ich bin viel zu ver­kopft, um mir etwas um des Besit­zens wil­len zu kau­fen. Selbst wenn ich dar­über rap­pe, mir ein Paar Air Force 1 zu kau­fen, reflek­tie­re ich, war­um ich das mache und so laut nach außen tra­ge. Und zwar, weil ich sie mir frü­her nicht leis­ten konn­te wie vie­le ande­re auch. Das ist ver­mut­lich das, was in mei­nem Fall am nächs­ten an "besit­zen um des Besit­zens wil­len" her­an­kommt. Ansons­ten: Mein Stu­dio sieht aus wie ein Kin­der­zim­mer. Ich hab' hier noch ver­pack­te Nin­ja Turtle-​Figuren, die ich mir vor ein paar Jah­ren gekauft habe, mit denen ich aber nichts mache. Die kau­fe ich eben, weil ich sie als Kind haben woll­te. Ein Mit­schü­ler von mir hat immer damit ange­ge­ben und ich konn­te sie mir nicht leis­ten. Ich weiß, dass das eigent­lich unge­sund und ein Issue von mir ist.

MZEE​.com: Kannst du gut Din­ge aussortieren?

Sho­goon: Ja, voll. Gera­de wenn es um Kla­mot­ten geht. Ich bin ein tota­ler Fashion-​Fan. Ich gucke mir Live­streams von Fashion-​Shows in Mai­land an. Wenn ich für ein neu­es Video kei­ne Jacke habe, die ich nicht schon mal in einem Video getra­gen habe, pas­siert es, dass ich mir vom Bud­get extra eine neue kau­fe, die im bes­ten Fall kei­ner kennt. Nach dem Dreh ver­kau­fe ich die dann wie­der. Das ist für mich das Glei­che, wie Wer­bung zu schal­ten. Ich hab' mir auch vor­ge­nom­men, für jedes neue Paar Schu­he ein altes Paar zu verkaufen.

MZEE​.com: Ich woll­te mit dir über Mate­ria­lis­mus spre­chen, weil du zwar viel mit bestimm­ten Mar­ken­na­men um dich wirfst, aber auf mich nicht wie jemand wirkst, der um jeden Preis an viel Geld und Besitz kom­men möch­te. Indem du zum Bei­spiel dei­ne Musik dem­entspre­chend anpasst.

Sho­goon: Dan­ke­schön! Ich hab' grad kurz nach­ge­dacht: Wenn ich wirk­li­che Fashion-​Marken drop­pe, sind das Mar­ken, die es nicht mehr gibt. (lacht)

MZEE​.com: Pel­le Pel­le ist mal dabei.

Sho­goon: Ja, ich saß am Schreib­tisch und hab' über­legt, ob ich das mache. Ich kann doch kei­ne Mode­mar­ke drop­pen. Aber Pel­le Pel­le steht ein­fach reprä­sen­ta­tiv für eine bestimm­te HipHop-​Ära. Das ist nicht: "Guc­ci Guc­ci, ich kauf' mir das!"

MZEE​.com: Du sprichst auch viel über Nikes und Jor­dans. Was bedeu­ten die­se Brands für dich?

Sho­goon: Ich ver­bin­de damit in ers­ter Linie eine Zeit. Bei Pel­le Pel­le liegt es auf der Hand: Zwi­schen mei­nem zehn­ten und vier­zehn­ten Lebens­jahr war das en vogue. Es gab die MZEE Mail­or­der und den 77 Store-​Katalog. Da gab es die gan­zen Brands, die man sonst nicht bekom­men hat. Wenn ich an die Zeit den­ke, den­ke ich an ganz vie­le Neben­jobs, die ich gemacht habe, um mir die Kla­mot­ten kau­fen zu kön­nen, die Kool Savas und Azad getra­gen haben. Die waren damals Tes­ti­mo­ni­als für den 77 Store. Für mich sind die­se Mar­ken mein ers­ter Berüh­rungs­punkt mit Hip­Hop. Da hat sich die Büch­se der Pan­do­ra geöff­net. Ich konn­te über Fashion mei­ne eige­ne Iden­ti­tät her­aus­bil­den und mich abset­zen. In mei­ner Ska­ter­cli­que haben die Leu­te Röh­ren­jeans, Chucks und Vans getra­gen. Durch die­sen HipHop-​Code war ich sowohl in der Schu­le als auch bei den Ska­tern der Exot. Das ist jetzt voll pathe­tisch, aber über einen Pel­le Pelle-​Hoodie zu rap­pen, ist für mich fast so, wie über mei­ne Oma zu rap­pen, die mir ein But­ter­brot schmiert. Das ver­mit­telt irgend­wie die glei­che Wär­me. Bei bei­dem geht es um Nostalgie.

MZEE​.com: Du hast eben gesagt, dass frü­her nicht viel Geld für Snea­k­er und Kla­mot­ten da war. Denkst du, dass du auch des­halb ein Fai­ble dafür ent­wi­ckelt hast?

Sho­goon: Klar. In der Zeit, in der Kool Savas über Air Force 1s gerappt hat, bin ich aufs Gym­na­si­um gekom­men. Es war kein Geld da für irgend­was, weil unse­re Fami­lie in der Zeit aus­ein­an­der­ge­bro­chen ist. Auf dem mit­tel­stän­di­schen Gym­na­si­um wur­dest du für dei­ne Kla­mot­ten, die teil­wei­se von der Tafel stamm­ten, aus­ge­lacht. Das alles schürt einen gewis­sen Gel­tungs­drang. Dadurch ist das extre­mer gewor­den. Wenn du dich dann genau­er mit Snea­k­ern aus­ein­an­der­setzt und ein Fan von Ästhe­tik bist, ent­wi­ckelst du eben schnell ein Fai­ble. Das hat mich erwischt. Ich hab' mir aller­dings vor­ge­nom­men, kei­ne neu­en Mar­ken­schu­he mehr zu kau­fen. Außer Air Force 1s. (grinst) Aber ich seh's nicht mehr ein, 140 Euro für ein Paar Jor­dans aus­zu­ge­ben. Ich hab' Brands gediggt, die design­tech­nisch genau­so krass, aber nach­hal­tig und Fair Trade sind. Die kos­ten genau das glei­che und auf Insta­gram fra­gen die Leu­te immer noch, was das für hef­ti­ge Snea­k­er sind. Jor­dans sind aus Leder, dar­an klebt Blut. Die, die ich haben will, sind meis­tens älter als ich. Die kauf' ich dann eh gebraucht.

MZEE​.com: Kann sich post­ma­te­ria­lis­ti­sches Den­ken nur leis­ten, wer Geld hat?

Sho­goon: Wer schon Geld hat, kann es sich natür­lich leis­ten, klar. Aber ich glau­be, dass die Leu­te, die so den­ken, eher die sind, die nicht schon immer Geld hat­ten – außer Prinz Mar­cus von Anhalt. Kei­ne Shou­touts an der Stel­le. Irgend­wo­her muss es ja kom­men. Klar, wenn du Old Money hast, weil dei­ne Eltern zwölf Spe­di­tio­nen gelei­tet haben, bist du in ein mate­ria­lis­ti­sches Den­ken rein­ge­wach­sen und merkst es viel­leicht nicht mal. Ich den­ke schon, dass du erst mal Geld brauchst, um so zu den­ken. Aber viel­leicht bin ich auch die Gegen­the­se. Wenn du auf mein Kon­to gucken wür­dest, wür­dest du dich fra­gen, ob ich dumm bin, mir so viel Scheiß zu kau­fen. (lacht)

MZEE​.com: Es ist auf jeden Fall ein­fa­cher, zu sagen, dass Geld einem nicht so wich­tig ist, wenn man wel­ches hat.

Sho­goon: Dar­über habe ich schon so vie­le Dis­kus­sio­nen geführt. Ich habe mich mal mit einer Per­son aus der Gene­ra­ti­on unse­rer Eltern unter­hal­ten. Es war klar, dass ich aus einer Fami­lie mit sehr wenig Geld stam­me. Ich hab' dann zum Bei­spiel erwähnt, dass mei­ne Mut­ter ver­sucht hat, ein­mal die Woche mit mir Piz­za essen zu gehen oder so. Oder dass sie alles dafür ver­sucht hat, dass ich auch einen Game Boy habe, wenn alle einen haben. Die­se Per­son hat dann kri­ti­siert, dass das weni­ge Geld, das wir hat­ten, so locker geses­sen hät­te. Das ist genau das. Ich konn­te ihr dann ver­mit­teln, dass sie das nicht ver­ste­hen kann.

MZEE​.com: Du ver­ar­bei­test als einer der weni­gen Artists in Deutsch­land recht pro­mi­nent G-​Funk-​Elemente in dei­ner Musik. Als wie mate­ria­lis­tisch hast du die­ses Sub­gen­re wahrgenommen?

Sho­goon: Also, in mei­ner Zeit waren die mate­ria­lis­tischs­ten Leu­te die East Coast- oder Dipset-​Rapper. Ich erin­ne­re mich immer noch an die­se kras­se Ter­ror Squad-​Kette von Fat Joe aus dem "Lean Back"-Video. Die­se Spal­tung zwi­schen East und West Coast gab es für mich auch nie so wirk­lich. Ich hab' letz­tens noch mit Falk Schacht dar­über dis­ku­tiert, ob "Get Rich or Die Try­in'" ein East oder West Coast-​Album ist. (grinst) Ent­ge­gen vie­ler The­sen bin ich kein kras­ser West Coast-​Experte. Aber die seh' ich zwar mit ihrem fet­ten Che­vy Impa­la am Cor­ner hän­gen, ansons­ten haben die ihre Papp­be­cher, smo­ken ihre Phil­lies und hän­gen mit ihren Freun­den ab. Dage­gen haben die New Yor­ker in den 2000ern ja rich­tig auf die Kacke gehauen.

MZEE​.com: Kon­su­mierst du selbst ger­ne Musik, in der viel über Mar­ken oder Reich­tum gerappt wird?

Sho­goon: Ich fin­de es nicht schlimm, Mar­ken zu drop­pen, wenn der Song gut ist. Ich hab' schmerz­haft fest­stel­len müs­sen, dass ich anders Musik höre als die brei­te Mas­se, glau­be ich. Viel­leicht ist mei­ne Musik auch des­halb noch nicht die erfolg­reichs­te. Ich ach­te dar­auf, wie ein Song pro­du­ziert, getopli­net und geflowt ist. Ganz am Ende, wenn ich den Song schon sieb­zehn­mal tot­ge­pumpt habe, höre ich viel­leicht mal dar­auf, was die da über­haupt sagen. Ganz über­trie­ben gesagt. Tua, Cro oder auch Mäd­ness und Döll haben natür­lich alle rich­tig kras­se Beats, aber sagen auch gei­len Scheiß. Das ist eine Extra­schub­la­de. Ich bin auch sehr gro­ßer Shindy-​Fan, der ja vie­le Mode­mar­ken droppt. Mei­ner Mei­nung nach hat er so viel für Hip­Hop in Deutsch­land getan wie kein ande­rer in den letz­ten zehn Jah­ren. Und gefühlt merkt es keiner.

MZEE​.com: Meinst du von der Art, wie er das gesam­te Pro­dukt um sich her­um aufzieht?

Sho­goon: Er ist wirk­lich ein Rap-​Superstar. Shin­dy geht auf die Büh­ne und du denkst, du stehst 2001 bei der "Up in Smoke"-Tour. Er setzt genau­so vie­le State­ments, die die HipHop-​Fahne hoch­hal­ten, wie er Mode­mar­ken droppt. Er zitiert Savas in einem Video mit Vero­na Pooth, was allein schon eine Ver­nei­gung vor einer gewis­sen zeit­li­chen Ära ist. Und die gan­zen TikTok-​Kinder fin­den die Line krass. Eine 2002-​Kool Savas-​Line. Shin­dy kann es sich leis­ten, so "arro­gant" zu sein, weil sein gesam­tes Werk ein Knie­fall vor dem ist, was schon gewe­sen ist. Des­we­gen ist er das bes­te Bei­spiel als Ant­wort auf die Fra­ge. Natür­lich hör' ich dann ger­ne Musik, in der über Mar­ken gerappt wird. Ich den­ke mir nur, dass ich die Mar­ke nicht mehr tra­gen kann, wenn Shin­dy sie gedroppt hat, weil dann eh alles aus­ver­kauft ist. (lacht)

MZEE​.com: Du hast die­sen "Knie­fall" ange­spro­chen. Ich fin­de es all­ge­mein ange­nehm, zu sehen, dass es einen gewis­sen gegen­sei­ti­gen Respekt zwi­schen der älte­ren und jün­ge­ren Gene­ra­ti­on von Rapper:innen gibt. Bezie­hungs­wei­se, dass in aktu­el­len Songs Bezug auf alte Hits genom­men wird, sei es "Vin­ta­ge" von RIN oder "Dich­ter" von LAYLA.

Sho­goon: Voll. Ich hab' mich viel zu weit aus dem Fens­ter gelehnt, weil ich dach­te, dass die Leu­te das schnal­len. Mei­ne EPs "Akt 2" und auch "Akt 3", die bald erschei­nen wird, sind kom­plett auf einem Korg Tri­ton pro­du­ziert. Ich dach­te, dass man die Glo­cke von "Fast and the Furious" oder das Neptunes-​Klavinett erkennt. Das, was RIN macht, woll­te ich in rich­tig krass machen, aber das ist ein­fach zu ner­dy. Es ist cool, wenn dich dann Falk Schacht anruft. (lacht) Aber ein Mis­sy Elliot- oder Jay-​Z-​Sample knallt natür­lich mehr. Ich find' das super. Dra­ke hat das ja mit dem "Chi­ca­go Free­style" und dem geflipp­ten Jay-​Z-​Sample vor­ge­macht. Es ist doch super­geil, dass wir in einer Zeit leben, in der man HipHop-​Songs samplen kann. Das ursprüng­li­che Soul-​Sample ken­nen viel­leicht nicht mehr so vie­le und jetzt ist der dar­aus ent­stan­de­ne Song sogar noch grö­ßer. Das zu wür­di­gen, ist doch Wahnsinn.

MZEE​.com: Kom­men wir zurück zum The­ma Mate­ria­lis­mus. Rapper:innen müs­sen sich manch­mal die Kri­tik anhö­ren, dass Tex­te über Mar­ken­klei­dung ober­fläch­lich sei­en und Jugend­li­chen fal­sche Wer­te ver­mit­teln wür­den im Sin­ne von: "Hast du nichts, bist du nichts." – Was denkst du darüber?

Sho­goon: Ich kann die Kri­tik voll nach­voll­zie­hen, weil ich ja genau in der Posi­ti­on war. Ich war auf genau die­sem Schul­hof, auf dem die­se Ein­stel­lung gelebt wur­de. Es gab viel­leicht noch zwei ande­re auf der Schu­le, die auch nichts hat­ten. Ich bin mit 14 Jah­ren auf den Bau gegan­gen und hab' Glas­wol­le in Tro­cken­bau­wän­de gestopft, um mir ein Paar Dunks leis­ten zu kön­nen. Und dann habe ich fest­ge­stellt, dass die ande­ren mich dafür genau­so aus­ge­lacht haben, weil es gar nicht dar­um ging. Ich ken­ne Leu­te, die des­halb die Schu­le ver­las­sen und sich in psy­cho­lo­gi­sche Betreu­ung bege­ben haben. Die knab­bern dar­an teil­wei­se bis heu­te. Das muss kri­ti­siert wer­den. Natür­lich musst du rap­pen dür­fen: "Yes, we made it, ich kau­fe mir jetzt das Supreme-​Ding." Das ist eine Erfolgs­ge­schich­te und das ist auch cool. Und es ist auch okay, der Com­mu­ni­ty die­ser Hypebeast-​Kids eine Stim­me zu geben. Aber du musst es kri­ti­sie­ren und ein­ord­nen kön­nen. Es darf nicht hei­ßen, dass du ein wert­lo­ser Mensch bist, weil du dir nichts von Supre­me kau­fen kannst.

MZEE​.com: Die Dis­kus­si­on gibt es ja schon immer – sind Artists dafür ver­ant­wort­lich, was ihre Tex­te aus­lö­sen? Da kann sich sicher nie­mand von frei­ma­chen. Trotz­dem soll ja nichts zen­siert wer­den, dann wird eben kritisiert.

Sho­goon: Die Debat­ten frü­her wur­den ja auch vor Social Media geführt. Da muss­te man viel­leicht genau­er hin­gu­cken, weil sich Artists nicht so nah prä­sen­tie­ren konn­ten. Du hat­test nur die Tex­te. Heu­te kann sich ein RIN zum Bei­spiel hin­stel­len und sagen: "Übri­gens, ich rap­pe zwar dar­über, dass ich dies und das kau­fe, aber es ist nicht schlimm, wenn man das nicht kann" oder so. Es ist schon rich­tig, Leu­te dar­an zu mes­sen, was sie in Songs sagen, weil das ver­mut­lich mehr Leu­te hören als eine Insta-​Story. Aber es gibt nun­mal die Mög­lich­keit, Din­ge ein­zu­ord­nen. Und wenn du die­se Mög­lich­keit als schaf­fen­de Per­son wahr­nimmst, kannst du das selbst schon mal ent­schär­fen. Streit­ba­re Tex­te gab es schon immer.

MZEE​.com: Lass uns noch über dei­ne Sam­mel­lei­den­schaft spre­chen. Du sam­melst sowohl Schall­plat­ten als auch Snea­k­er und alte Nintendo-Spiele.

Sho­goon: Die Vinyls könn­te ich alle ver­kau­fen, das wäre nicht schlimm. Es wäre natür­lich scha­de um die Musik, aber die sind null Sta­tus­sym­bo­le für mich. Ich hab' halt Bock, Plat­ten auf­zu­le­gen und mir Alben in bes­ter Audio­qua­li­tät anzu­hö­ren. Bei Spo­ti­fy skippst du Songs. Wenn du eine Plat­te hörst, machst du das nicht.

MZEE​.com: Sel­te­ne Plat­ten, Snea­k­er und Video­spie­le haben eins gemein­sam: Sie wer­den für mit­un­ter hor­ren­de Prei­se ver­kauft. Nervt dich die teils gewinn­ori­en­tier­te Ver­kaufs­kul­tur unter Sammler:innen?

Sho­goon: Bei Video­spie­len hab' ich bis­her nur ein-, zwei­mal grö­ße­re Beträ­ge gezahlt, weil ich sie unbe­dingt haben woll­te. Ich hab' irgend­was um die 200 Euro für "Bad Fur Day" in Ori­gi­nal­ver­pa­ckung gezahlt. Wenn Samm­ler das lesen, kot­zen die, das kos­tet sonst das Fünf­fa­che. (grinst) Es gibt ja sogar Leu­te, die fake Ori­gi­nal­ver­pa­ckun­gen her­stel­len, um Spie­le dar­in zu ver­kau­fen. Aber ich kau­fe das, um es zu spie­len. Ich gebe eigent­lich einen Scheiß drauf, ob die Ver­pa­ckung echt ist.

MZEE​.com: Genau das mei­ne ich. Das ist ja bei Vinyl ähn­lich: Leu­te las­sen ihre Plat­ten ewig sea­led, um sie teu­er wei­ter­zu­ver­kau­fen. Das bemer­ken auch Künstler:innen wie Döll, deren Alben für viel Geld auf Dis­co­gs ver­kauft wer­den. Wenn ich eine Plat­te kau­fe, will ich sie aus der Hül­le neh­men und auflegen.

Sho­goon: Wit­zi­ge Sto­ry dazu: Ich hab' die limi­tier­te "Nie oder jetzt"-LP von Döll damals pri­vat bestellt. Als die ande­re, "nor­ma­le" Ver­si­on raus­kam, hab' ich bei HHV gear­bei­tet. Die hab' ich dann über einen inter­nen Gut­schein bekom­men. Des­halb steht die limi­tier­te bei mir sea­led im Schrank. (grinst) Wenn ich eine Plat­te eh zwei­mal habe und weiß, dass die eine sehr viel wert ist, muss ich sie ja nicht öff­nen. Aber ich mer­ke das, wenn mir irgend­wel­che Kids auf Ins­ta erzäh­len, wie viel bestimm­te Snea­k­er wert sind. Ich freu' mich halt, dass ein Schuh schön ist und ich ihn kau­fen konn­te, als er raus­kam. Wenn ich damit in Schei­ße tre­te, ist er nicht mehr so viel wert. (lacht) Trotz­dem geh' ich damit raus. Es ist schon schwie­rig. Es gibt auch Schall­plat­ten, von denen gefühlt nur fünf pro­du­ziert wur­den, weil sich nie jemand dafür inter­es­siert hat. Die kos­ten immer noch zwei Cent. Es hat nichts mit der Sel­ten­heit zu tun, son­dern mit dem Hype. Das ist voll der Quatsch. Frü­her beim Ska­ten haben wir immer Nike Dunks getra­gen. Wir hat­ten irgend­wann einen Deal mit einem loka­len Skate­shop, der uns die für 20 Euro hin­ter­her­ge­schmis­sen hat. Die sind jetzt teil­wei­se 700 Euro wert. Und mei­ne sind kaputt und ich skate damit. Ich hal­te nicht viel von Resel­ling, das ist nicht mei­ne Welt. Es ist Kapi­ta­lis­mus at its best. Einen Schuh hab' ich ver­kauft, weil der Wert exor­bi­tant wur­de und er mir nicht rich­tig gepasst hat. Außer­dem brauch­te ich das Geld. Aber im End­ef­fekt ist es nur ein Schuh.

MZEE​.com: Denkst du, dass du ohne gro­ße bezie­hungs­wei­se vie­le mate­ri­el­le Besitz­tü­mer glück­lich sein könntest?

Sho­goon: Ja, immer mehr sogar. Wenn du das ers­te Mal ein kras­ses Mic hast, merkst du, dass das Sinn ergibt. Dann hast du das ers­te Mal ein coo­les Paar Schu­he und schon beim zwei­ten Mal merkst du, dass dich das nicht mehr so sehr juckt. Ich will damit nicht sagen, dass ich krass viel hät­te und mir des­halb alles egal wäre. Mir geht es finan­zi­ell nicht gut, des­halb ist es nicht dar­auf zurück­zu­füh­ren. Aber die­se Din­ge zäh­len nicht so sehr. Natür­lich wäre es aus nost­al­gi­schen Grün­den scha­de, wenn ich mei­nen gan­zen Kind­heits­stuff ver­kau­fen müss­te. Aber ich könn­te auf jeden Fall ohne all das glück­lich sein.

(Alex­an­der Hollenhorst)
(Fotos von Ben­nett Stadler)