Deutschrap-Journalismus. Schon über das Wort lässt sich streiten. Die einen meinen, "richtiger" Journalismus im deutschen Rap existiere doch gar nicht. Außerdem könne ja jeder selbst bessere Artikel schreiben als "diese Praktikanten". Die anderen finden, jeder, der im deutschen Rap journalistische Tätigkeiten ausführt, sei auch ein Journalist. Die nächsten führen auf: Ja, im deutschen Rap sind Redakteure unterwegs – aber keinesfalls Journalisten. Zusammenfassen lässt sich: Fast jeder hat zumindest eine Meinung dazu. Aber wie steht es um die Meinung der Journalisten selbst? Denn die hat kaum jemand mal gefragt. Und so startet unsere neue Serie – eine kleine Interviewreihe mit aktuell relevanten und aktiven Journalisten der deutschen Rapszene. Dabei möchten wir darüber reden, warum die Deutschrap-Medien von so vielen Seiten – auch von der der Künstler – immer wieder unter Beschuss stehen und wie die Journalisten diese Seitenhiebe persönlich empfinden. Wir besprechen, wie einzelne Journalisten ihren Platz in der Rapszene wahrnehmen und ob deutscher Rapjournalismus in Gossip-Zeiten noch kritisch ist. Wir möchten erfahren, ob sie die Szene noch unter dem Kultur-Begriff verstehen oder das Ganze für sie ausschließlich ein Beruf (geworden) ist. Es kommen Fragen auf, ob es vereinbar ist, in diesem Aufgabenbereich Geld zu verdienen und wie der aktuelle Deutschrap-Journalismus und seine Entwicklung gesehen wird. Und: Wie steht es überhaupt um die Entwicklung der Rapszene an sich? Das und vieles mehr werden wir in über zehn Interviews besprechen, in welchen es verständlicherweise immer nur um einen Teilbereich dieser großen Themenwelt gehen kann. Unser diesmaliger Gesprächspartner Johann Voigt arbeitet als freier Journalist in Wien und Berlin. Seine Referenzen reichen von der JUICE über Das Wetter und DIE ZEIT bis zum Musikexpress und zur Süddeutschen Zeitung. Seinen meist beachteten Artikel veröffentlichte er allerdings bei der VICE: Gemeinsam mit Paul Schwenn recherchierte er verdeckt in Kollegahs Alpha Mentoring-Programm. Im Interview sprachen wir mit Johann über den Artikel und die folgende Diskussion, das investigative Potenzial von HipHop-Medien, das Sachverständnis von Feuilleton-Redakteuren und den Umgang mit Künstlern, die problematische Inhalte vermitteln.
MZEE.com: Die SPIEGEL-Reportage über Gangsterrap in Deutschland hat für viel Aufregung in der Szene und auch unter Journalisten gesorgt. Du hast auf Twitter geschrieben, dass du nicht ganz verstehen kannst, warum. Kannst du das ausführen?
Johann Voigt: Mich hat der Text ein bisschen getriggert. Ich fand viele Stellen nicht gut und ich versteh' die Kritik daran. Es ist teilweise von oben herab formuliert. Dieses Clan-Thema wurde aufgegriffen, was ich unnötig finde, weil es wenige Belege für die konkreten Beziehungen zwischen sogenannten Clans und Rappern gibt. Aber ich denke trotzdem nicht, dass man den Artikel per se abwerten muss. Es ist ein okay recherchierter Text für eine Zielgruppe, die sich mit Rap nicht auskennt. Ich weiß nicht, ob man das unbedingt als Gangsterrap-Titelstory hätte aufmachen müssen. Aber ich finde, es wurde zumindest gut erklärt, wie viel Geld man mit Rap verdienen kann und wie die wirtschaftlichen Strukturen dahinter aussehen. RAF Camora erzählt das alles recht ausführlich und dadurch liefert er einen guten Einblick. Die ganze Aufmachung hat mich gestört. Gerade, dass Gzuz auf dem Cover ist, obwohl die genau wissen, dass er eine fragwürdige Person ist und man jemand anderen hätte nehmen können. Gzuz wurde ja auch nicht interviewt. Aber ich fand den Text nicht so schlimm und peinlich, wie es dargestellt wurde.
MZEE.com: Für die VICE hast du dich zusammen mit Paul Schwenn in Kollegahs Alpha Mentoring-Gruppe eingeschleust und die kruden Machenschaften dort mitaufgedeckt. Wie hast du die Reaktionen darauf erlebt?
Johann Voigt: Das große Medienecho hat mich überrascht. Viele Leute haben unsere Recherchen aufgegriffen und die Diskussion ging über die Rapszene hinaus. Das hat für mich bestätigt, dass das Thema relevant ist. Ziemlich lästig und nervig waren die rechtlichen Schritte, die sowohl von Kollegahs Anwälten als auch von denen der Baulig Consulting GmbH eingeleitet wurden. Die Bauligs kamen auch im Text vor, weil sie in das Alpha Mentoring-Programm involviert waren. Wir mussten uns mit sehr vielen Abmahnungen rumschlagen. Als wir dachten, die Arbeit ist getan, mussten wir also noch mal jedes Detail unserer Recherche belegen, um zu zeigen, dass rechtlich alles dicht ist. War es am Ende auch. Das Einzige, was wir ändern mussten, war eine Altersangabe, das fand ich ganz lustig.
MZEE.com: Was hat sich aus der Recherche am meisten bei dir eingebrannt?
Johann Voigt: Am eigenartigsten fand ich es, wie ernst Kollegah das alles genommen hat. Er steht tatsächlich hinter all dem Quatsch, den er da verbreitet. Mit welcher Überzeugung er Sachen erzählt hat, wie dass der Satan wirklich existiere … Es gab jemanden im Mentoring-Programm, der sehr anfällig für Verschwörungstheorien war und einen entsprechenden YouTube-Kanal aufbauen wollte. Dessen Vorhaben hat Kollegah in einem seiner "Boss-Calls" als investigativen Journalismus bezeichnet. Solche Dinge hat er mit voller Überzeugung gesagt. Ansonsten fand ich die Coaching-Mechanismen weird: diese krasse Selbstoptimierung bis zum geht nicht mehr und die Versprechungen, dass du erfolgreich wirst. Nur, weil du an diesem Programm teilnimmst, wird das aber sicher nicht passieren.
MZEE.com: Ich fand es ganz beruhigend, dass Kollegah sein unfassbar teures Live-Event absagen musste, weil das dann doch nicht genug Leute bezahlen wollten.
Johann Voigt: Interessant ist ja, dass das Mentoring parallel dazu schon geplant wurde. Kollegah hat dann großspurig gesagt, dass er seinen Fans die Abzockerei von Dirk Kreuter, mit dem er das damals gemeinsam machen wollte, nicht antun wolle. Gleichzeitig lief schon die Entwicklung seines Alpha Mentorings, was ja ein ähnliches Prinzip verfolgt – es ist ein teurer Spaß.
MZEE.com: Für wie gefährlich hältst du Kollegahs Einfluss, gerade auf junge Menschen?
Johann Voigt: Man kann das nicht auf junge Menschen per se beziehen. Es gibt sicher viele Leute, die reflektiert sind und Kollegah hören, sich aber nicht so sehr von ihm beeinflussen lassen. Aber wir haben gesehen, dass es auch sehr devote Fans gibt, die ihm alles abnehmen, blind hinterherlaufen und das, was er verkörpert, abfeiern. Und das ist ein sehr neoliberales Weltbild, in dem es um Selbstoptimierung, die angeblich echte Männlichkeit und einen gestählten Körper geht. Frauen sind da nicht viel wert. Dass diesem Boss-Ding viele folgen, finde ich bedenklich. Durch die subtile Vermittlung dieser Inhalte in Kollegahs Musik und in seinem Buch werden seltsame Rollenbilder reproduziert. Außerdem finde ich die Verschwörungsthematiken gefährlich, an die er glaubt. In Dokumentationen auf dem Felix Blume-Channel lässt er immer wieder durchblicken, dass nichts sei, wie es scheint. Seine Fans glauben dann vielleicht eher dem, was der Star Kollegah sagt. Dazu kommen Dinge wie Kollegahs Positionierung zum Israel-Palästina-Konflikt, sein Antisemitismus oder seine "Afrika-Doku". Er spricht davon, dass er da hinfahren und es selbst in die Hand nehmen müsse, in einem afrikanischen Land eine Schule aufzubauen, weil man Hilfsorganisationen nicht vertrauen könne. Das lässt er alles auf Leute los, die sich mit solchen Themen vielleicht nicht beschäftigt haben und im schlechtesten Fall nachhaltig dadurch geprägt werden. Das halte ich für gefährlich und es ist wichtig, dass jemand etwas dagegen sagt. Kollegah behauptet Sachen, die nicht stimmen.
MZEE.com: Braucht es vonseiten der Rap-Medien mehr investigative Inhalte wie eure Recherche?
Johann Voigt: Ich würde mir wünschen, dass es mehr solcher Geschichten gibt. Mir ist egal, ob das HipHop-Medien machen oder DER SPIEGEL. Ich finde es wichtig, dass es passiert. Ich glaube auch nicht, dass man viel Ahnung von Musik haben muss, um einen Artikel wie den über Kollegah zu schreiben. Man sollte eher wissen, wie man recherchiert und es braucht finanzielle Mittel und eine gute Rechtsabteilung. Das ist wichtiger, als zu wissen, wann Afrika Bambaataa irgendwelche Tracks veröffentlicht hat oder wann welches "Zuhältertape" von Kollegah erschienen ist. Ich glaube nicht, dass es den alteingesessenen HipHop-Medien möglich sein wird, solche Artikel umzusetzen. Sie sind zu verwurzelt in der Szene und es fehlen ihnen die finanziellen Mittel und die Manpower.
MZEE.com: Findest du es denn allgemein wichtig, dass es noch klassische HipHop-Medien gibt?
Johann Voigt: Solange jemand die Sachen liest oder anschaut, ist ja ein Interesse da und dann hat das Angebot auch eine Relevanz. Es braucht diese Medien sicher, um Dinge, die in der Szene passieren, einzuordnen und über Sachen zu schreiben, die nicht überall stattfinden. Es braucht sie, um musikalische Entwicklungen zu erklären, die spannend sind. DIE ZEIT wird mir nicht erklären, was UK Drill ist, aber ich finde es trotzdem wichtig, dass das gemacht wird. Sie sollten auch Dinge kritisieren und einordnen, die unter dem Radar fliegen, beispielsweise, wenn ein Absztrakkt völkische und rechte Texte rappt. Das findet woanders nicht statt. Ich finde aber nicht, dass nur bei HipHop-Medien Leute arbeiten, die sich mit HipHop auskennen und Expertise haben. Das Thema ist mittlerweile so groß, so viele sind davon geprägt und kennen sich damit krass aus, sodass die Szene-Medien das nicht mehr für sich gepachtet haben.
MZEE.com: Ich glaube, manchmal gibt es auch von Konsumenten-Seite noch so ein "Wir gegen die"-Mindset. Es wird davon ausgegangen, dass zum Beispiel ein ZEIT-Redakteur eh keine Ahnung von Rap hat.
Johann Voigt: Den Vorwurf finde ich affig. Bevor man sich aus Prinzip über einen Artikel aufregt, sollte man sich anschauen, wer den geschrieben hat. Dann bestätigt sich die Annahme entweder und das ist ein Typ, der seit 50 Jahren über Rock schreibt und jetzt mal das neue Haftbefehl-Album zerreißen wollte. Da ist die Kritik sicher berechtigt. Oder es ist eben jemand, der sich seit Ewigkeiten mit dieser Musik auseinandersetzt und das auch gut macht, aber nicht bei der JUICE oder hiphop.de angefangen hat. Der hat stattdessen ein Volontariat bei der Lokalzeitung gemacht und schreibt jetzt für den SPIEGEL. Mal so rumgesponnen. Dieses "Wir gegen die" finde ich nicht gut. Es funktioniert nicht mehr, sich als geschlossene und rebellische Subkultur darzustellen und abzukapseln. HipHop ist absoluter Mainstream.
MZEE.com: Was gefällt dir an deutschem Rap-Journalismus und was findest du nicht gut?
Johann Voigt: Die Entwicklung von hiphop.de finde ich sehr positiv. Die machen richtig gute Arbeit. In den Interviews ist mir manchmal ein bisschen zu viel "Bro"-Atmosphäre, aber sie holen die relevanten Leute ran. Sie interviewen Capital, Ufo, Miami Yacine und so weiter und das nicht stundenlang und besserwisserisch, sondern einfach straight up in 30 Minuten. In ihren anderen Videoformaten ordnen sie viel ein und diskutieren. Auf der Website schreiben sie über relevante Themen, sowohl aus Deutschland als auch aus den USA. Sie bilden mit Abstrichen das, was musikalisch passiert, ziemlich gut ab und geben einen Überblick darüber, was man als HipHop zusammenfassen kann. Ich find's komisch, dass Leute hiphop.de noch so abwerten. Die boulevardeske Schiene fahren sie seit einer Weile nicht mehr. Andere Medien machen das in ihrer Nische auch gut: Jan Wehn mit dem ALL GOOD-Podcast, Kevin von der BACKSPIN mit seinem Podcast, die JUICE und so weiter und so fort. Jedes Medium hat gute Formate und bedient seine Nische. Mich stört aber, dass es nur wenige gute Texte über Rap in den HipHop-Medien gibt. Ich hab' das Gefühl, dass zu wenig an Texten gearbeitet und auf Qualität geachtet wird. Am meisten stört mich aber die Verknüpfung von Journalist*innen mit der Musikindustrie. Die ist unumgänglich für HipHop-Medien. Viele Medien sind auf Kontakte, Geld oder Gefallen angewiesen, um zu überleben. Diese Abhängigkeitsverhältnisse finde ich bedenklich. Dadurch ist eine wirklich unabhängige Berichterstattung nie zu hundert Prozent möglich. Ich finde, es wäre dann aber das Mindeste, bestimmte Verknüpfungen zwischen Medien und Musikindustrie transparenter offenzulegen. Dann können alle entscheiden, was sie davon halten.
MZEE.com: Du hast dich bei Twitter darüber aufgeregt, dass 070 Shake in der SZ und im SPIEGEL als "Emo-Rap" betitelt wurde. Wie nimmst du allgemein das Sachverständnis für Rap im Feuilleton wahr?
Johann Voigt: Die Leute, die darüber schreiben, haben meistens Ahnung. Es gibt mittlerweile viel Akzeptanz für Rap in den Redaktionen. Trotzdem haben manche keine Lust darauf, sich damit zu beschäftigen, müssen es aber, weil es ein relevantes Thema ist. Die Artikel sehen dann dementsprechend aus. Dann passieren komische Sachen wie die 070 Shake-Geschichte. Das hat mich getriggert, obwohl es natürlich wenig bringt, sich so darüber aufzuregen. Es hätte aber nur drei Klicks gebraucht, um zu verstehen, warum Shake eben keinen Emo-Rap macht. Ich hatte das Gefühl, die Autoren haben das einfach vom Rolling Stone in den USA abgeschrieben. Manchmal beobachte ich auch eigenartige Gewichtungen in Musikmedien. Es wird gefühlt jede Band, die bei Staatsakt (Anm. d. Red.: Label mit Sitz in Prenzlauer Berg) releast, abgebildet, aber Mero oder Loredana nicht, obwohl die eine krassere popkulturelle Relevanz haben. Ich finde nicht, dass man sie ignorieren kann, auch wenn es den Leuten nicht gefällt oder sie es nicht ernst nehmen. Es fehlt einigen etwas der Blick dafür, was man abbilden sollte.
MZEE.com: Du bist ein politisch interessierter und aufgeschlossener Mensch. Wie schwierig macht es das für dich teilweise, Rap-Musik zu konsumieren? Wie stehst du zum Konzept der Trennung von Künstler und Privatperson?
Johann Voigt: Diese Trennung finde ich gerade bei Rappern, die immer auf ihrer Realness beharren, komisch. Die posen ja damit rum, dass alles echt sei, was sie erzählen. Dann kommen die – beziehungsweise die Fans – an und schieben alles auf die Kunstfigur. Das ergibt für mich keinen Sinn. Das bedeutet wiederum, dass sich jeder genau überlegen muss, was er sich anhört und unterstützt. Ich persönlich handhabe es so, dass ich schon sehr vieles allein aus Interesse anhöre. Natürlich keinen Nazi-Rap. Aber andere Sachen kann ich nur kritisieren und bewerten, wenn ich sie auch kenne. Was sie im Privaten hören, sollten alle mit sich ausmachen. Ein anderer Punkt ist, ob man diese Inhalte an die Öffentlichkeit bringt. Also ob man darüber schreibt, die Musik auflegt oder problematischen Künstler*innen eine Bühne gibt, ohne ihre Positionen zu hinterfragen. Das würde ich nicht machen.
MZEE.com: Hältst du es für sinnvoll, mit Künstlern über problematische Inhalte zu sprechen? Oder sollte dem keine Plattform gegeben werden?
Johann Voigt: Es kommt darauf an, worum es geht. Bei Rassismus oder Nazi-Rap gibt es keine Diskussionsgrundlage. Diese Leute sollten nicht stattfinden. Ansonsten ist es fallabhängig. Haftbefehl zum Beispiel hat ja Lines gebracht, die antisemitische Ressentiments und Verschwörungstheorien bedienen. Er wurde darauf unter anderem von Oliver Polak angesprochen und hat sich dazu zumindest geäußert, sich erklärt und davon distanziert. Das fand ich gut. Jetzt bringt er solche Lines hoffentlich nicht mehr. Er hat sich der Diskussion gestellt und so reagiert, wie man meiner Meinung nach auf Kritik reagieren sollte. Und es gibt natürlich auch Rapper, die mit 17 oder 18 Jahren bekannt werden, eine lange Karriere haben und sich der Kritik stellen müssen, die ihren alten sexistischen oder homophoben Texten entgegengebracht wird. Ich finde es aber wichtig, das Frühwerk von dem zu trennen, was sie später machen. Man sollte sie nicht daran messen, was sie als aggressive Teenager gesagt haben und ihnen deswegen eine Plattform verweigern. Manche Leute hauen aber konsequent irgendeine Scheiße raus und stellen sich keinerlei Kritik, wie es bei 187 der Fall ist. Die haben nie die Notwendigkeit gesehen, sich zu entschuldigen oder irgendwas zu tun. Es scheint wirklich deren Mindset zu sein. Offenbar stehen sie hinter allem, was sie sagen. Da weiß ich nicht, ob das stattfinden muss, wenn die sich nicht mal entsprechenden Fragen stellen wollen.
MZEE.com: Wie stehst du dem Konzept der Plattenkritik gegenüber? Brauchen wir und die Leser sie heute noch?
Johann Voigt: Im klassischen Sinne der Kaufempfehlung sind sie natürlich unnötig. Das ist auch kein guter Grund, um eine Kritik zu schreiben. Ich finde es zumindest bei einigen Alben trotzdem relevant, sie in einen Kontext zu setzen und einzuordnen. Wenn Kanye eine neue Platte veröffentlicht, finde ich es wichtig, dass viele Leute das besprechen, genauso bei anderen relevanten Künstler*innen. Ich weiß aber nicht, ob man jedes Untergrund-Deutschrap-Release besprechen muss. Für mich wird es immer dann wichtig, eine Kritik zu schreiben, wenn die Platte für die Pop-Musik, kulturell, politisch oder auf eine andere Art relevant ist. Dann gibt es eine Ebene, auf der man das einordnen kann. Dabei sollte es aber nicht so viel um rollende Hi-Hats gehen, sondern darum, was gesagt wird.
MZEE.com: Was motiviert dich weiterhin dazu, über Rap zu schreiben?
Johann Voigt: Auf jeden Fall nicht das Geld. (lacht) Ich bin Fan dieser Musik. Ich hab' Lust, mich damit zu beschäftigen. Musikalisch entwickelt sich so viel. Rap zehrt von allen anderen Genres und ist permanent im Wandel. Es passiert immer etwas. Das ist ja auch zeitgemäß, alles verändert sich extrem schnell. Das spiegelt der Sound wider und das finde ich wiederum gut. Außerdem triggern mich einfach viele Sachen innerhalb der sogenannten Rapszene im negativen Sinne. Ich habe dann das Bedürfnis, das anzusprechen und einzuordnen. Aber hauptsächlich bin ich ein Musik-Fan. Und deshalb interessiert es mich mehr, über Musik zu schreiben als über Landwirtschaft. Kann ich irgendwelche Sachen droppen, die ich gerade gut finde? Shoutout an das neue Album von DigDat, das ist so ein UK Drill-Typ, den ich sehr gut finde. 645AR ist auch sehr spannend.
(Alexander Hollenhorst)
(Foto 2 von Wild.lights_)