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Interview

Bosca

"Es ist scha­de, dass vie­le Leu­te so beschränkt sind und nicht akzep­tie­ren, dass man nicht trinkt." – Bos­ca im Inter­view über den Stel­len­wert von Alko­hol in der Gesell­schaft, Frau­en in der Fuß­ball­sze­ne und sei­ne Mei­nung zu Statussymbolen.

Die Frank­fur­ter Sky­line, ein Wagen mit getön­ten Schei­ben und mas­kier­te Per­so­nen in schwar­zen Hoo­dies. Wer an die­ser Stel­le ein paar gefähr­li­che Typen erwar­tet, wird kei­ne vor­fin­den. Denn in Bos­cas Musik­vi­de­os zu sei­ner neu­en Plat­te sind über­wie­gend Frau­en zu sehen, die die bedroh­li­che Sze­ne­rie unter­strei­chen. Müss­te man die­se Art von Musik­vi­deo beschrei­ben, wäre die tref­fen­de Ant­wort wohl "anders". Im Gegen­satz dazu wirkt das neue Album "Riot" so, wie man es von Bos­ca gewohnt ist: Es besitzt viel Ener­gie und geht durch­gän­gig nach vor­ne. Ob er mit sei­nem Kol­le­gen Face "Ach­ter­bahn" fährt oder mit der Crew durch die Stra­ßen läuft – der Rap­per bleibt sich treu. Im Inter­view erklär­te uns Bos­ca, war­um sowohl auf dem Cover als auch in den Vide­os vie­le Frau­en zu sehen sind, was einen guten Beat für ihn aus­macht und wie er grund­sätz­lich zum The­ma Alko­hol steht. Außer­dem spra­chen wir mit ihm über Sta­tus­sym­bo­le, wie er dahin­ge­hend erzo­gen wur­de und was für ihn die Grun­d­es­senz für ein glück­li­ches Leben ausmacht.

MZEE​.com: Uns sind die vie­len mas­kier­ten Frau­en in dei­nen Vide­os und auf dem Album­co­ver auf­ge­fal­len. Willst du kon­ven­tio­nel­le Rol­len­bil­der auf den Kopf stellen?

Bos­ca: Auf dem Cover mei­nes zwei­ten Albums haben sich ein mas­kier­ter Typ und ein mas­kier­tes Mädel geküsst. Das Cover hab' ich sehr gemocht und woll­te es ein biss­chen wei­ter­füh­ren. Ich wür­de sagen, dass ich eine sehr offe­ne Welt­an­sicht habe und es für mich nicht die­ses klas­si­sche Männer- und Frau­en­bild gibt. Das war ein­fach mal eine lus­ti­ge Idee. Es gibt immer die­se Street­vi­de­os, in denen jeder sei­ne Atzen und schlecht gelaun­ten Jungs zeigt. Das haben wir auch schon gemacht und fei­ern es, aber ich woll­te das ein­fach ein biss­chen umdre­hen. Ich woll­te mal ein paar fres­he Mädels zei­gen und das Gan­ze aus einem ande­ren Blick­win­kel darstellen.

MZEE​.com: Wür­dest du sagen, dass du dabei auch einen poli­ti­schen oder femi­nis­ti­schen Hin­ter­ge­dan­ken hattest? 

Bos­ca: Es wäre jetzt wirk­lich über­trie­ben und etwas zu weit her­ge­holt, wenn ich das als femi­nis­tisch bezeich­nen wür­de. Ich woll­te damit mei­ne Offen­heit demons­trie­ren und zei­gen, dass ich kei­nen Bock habe, mir Gren­zen zu set­zen oder Kli­schees zu bedie­nen. Des­we­gen woll­te ich das ein biss­chen auf­bre­chen. Es hat sicher­lich einen klei­nen poli­ti­schen Hin­ter­ge­dan­ken, das stimmt. Ich wür­de den aber nicht zu sehr her­vor­he­ben, das wäre geheuchelt.

MZEE​.com: Du bist gro­ßer Fuß­ball­fan. In die­ser Sze­ne gibt es ver­hält­nis­mä­ßig weni­ge Frau­en. Wie wür­dest du das bewerten?

Bos­ca: Die Mädels in den Vide­os stel­len mehr eine Gang dar, kei­ne Hoo­li­gans. Das ist nicht die Idee dahin­ter gewe­sen. Gene­rell kann ich nur für mich spre­chen: Ich bin dem gegen­über offen ein­ge­stellt. Mir ist es voll­kom­men egal, wer vor mir steht, was für ein Geschlecht oder wel­che Haut­far­be die­se Per­son hat – für mich zählt ein­fach nur, wie sich der Mensch mir gegen­über ver­hält. Das ist in der Fuß­ball­sze­ne und im Hip­Hop so, über­all. Es gibt bestimmt Leu­te, die das anders sehen. Ich mei­ne, Frank­furt ist sehr offen, aber du hast in der Fuß­ball­sze­ne alles an Leu­ten und sämt­li­che Mei­nungs­bil­der. Ich bin kein Fan davon, wenn eine Sze­ne in eine poli­ti­sche Rich­tung geht – egal, in wel­che. Ich den­ke, dass das eine Aus­gren­zung ist. Frank­furt stand schon immer dafür, unpo­li­tisch und für alles offen zu sein. Die las­sen sich nicht ein­engen. Ich fin­de es cool, wenn Mädels in der Sze­ne am Start sind. Ich ken­ne da auch ein paar, mit denen ich mich sehr gut verstehe.

MZEE​.com: Man sieht im Sta­di­on mitt­ler­wei­le auch mehr Frau­en, in der Ultra­sze­ne selbst aber weniger.

Bos­ca: Zum einen gibt es wahr­schein­lich nicht so vie­le Anzie­hungs­punk­te. Nicht jedes Mädel fin­det es geil, 30 Stun­den in irgend­ei­nem ver­siff­ten Bus zu sit­zen. Auf der ande­ren Sei­te ist es schon so, dass bestimm­te Sze­nen ein sehr klas­si­sches Männer- und Frau­en­bild haben und Frau­en da nicht so gern gese­hen sind.

MZEE​.com: Du sprichst in dei­nen Tracks den Rechts­ruck in Deutsch­land an. Nimmst du das auch in der deutsch­spra­chi­gen Rap­mu­sik wahr? Oder beziehst du das nur auf die Gesellschaft?

Bos­ca: Das ist schon eher auf die Gesell­schaft bezo­gen. Ich hab' jetzt nicht das Gefühl, dass die Rap­sze­ne in irgend­ei­ner Form einen Rechts­ruck erlebt. Die grenzt sich ja eigent­lich sehr stark davon ab. Ins­ge­samt ist mei­ne Hal­tung dazu, dass man mit Abgren­zung meis­tens nicht wei­ter­kommt. Ich mache mei­ne State­ments, weil es mei­ne per­sön­li­che Mei­nung ist, aber ich bin kei­ner, der Leu­te wegen einer poli­ti­schen Hal­tung aus­grenzt. Ich bin eher ein Freund davon, mit Leu­ten zu dis­ku­tie­ren. Auch wenn es viel­leicht nicht dazu führt, dass man am Ende einer Mei­nung ist. Ich den­ke, dass das die bes­se­re Her­an­ge­hens­wei­se ist, wenn man mehr gesell­schaft­li­chen Zusam­men­halt haben will. Wenn sich jeder abgrenzt, sorgt das dafür, dass die Gesell­schaft ins­ge­samt into­le­ran­ter wird.

MZEE​.com: Ich glau­be, dass man mit einem total men­schen­ver­ach­ten­den Mind­set auch nicht weiterkommt.

Bos­ca: Ja, das ist schon rich­tig. Die gro­ße Fra­ge ist – und die kann ich dir natür­lich auch nicht beant­wor­ten – was bringt einem was? Bringt es etwas, der Per­son die Schnau­ze ein­zu­schla­gen? Das bringt sicher­lich nichts. Oder bringt es was, die Per­son ins Gefäng­nis zu ste­cken? Das ist halt die Fra­ge, die ich mir und ande­re sich stel­len. Dar­auf hat noch kei­ner die rich­ti­ge Ant­wort gefunden.

MZEE​.com: Du bist nicht nur Rap­per, son­dern auch Pro­du­zent. Was von bei­dem gibt dir mehr?

Bos­ca: Das ist schwer zu sagen. Gene­rell gibt es mir ein­fach sehr viel, einen fer­ti­gen Song zu haben. Das ist das, was mich am glück­lichs­ten macht. Ich pro­du­zie­re nicht allei­ne, son­dern mit einem Kol­le­gen von mir zusam­men. Wenn wir einen gei­len Beat fer­tig haben, macht mich das glück­lich. Aber das ist halt nur die hal­be Mie­te. (lacht) Ohne einen Text ist das lei­der nicht so viel wert. Des­we­gen ist Rap­pen wohl erfül­len­der, weil du immer auf einem schon bestehen­den Beat auf­nimmst und dann einen kom­plet­ten Song hast.

MZEE​.com: Hast du dadurch einen ande­ren Blick auf Beats und Pro­du­cer im Allgemeinen?

Bos­ca: Natür­lich, voll. Ich bin durch mei­ne Mixing- und Stu­dio­ge­schich­ten sehr lan­ge und tief in den Pro­duk­ti­ons­pro­zess invol­viert und weiß viel dar­über. Du weißt ein­fach, wor­aus ein guter Beat bestehen muss. Du weißt, wor­an es liegt, wenn ein Beat nicht geil ist. Du merkst, wel­che Leu­te wirk­lich Skills haben und talen­tiert sind und wel­che Leu­te nur nach einem Bau­kas­ten­prin­zip arbei­ten und eigent­lich gar kei­nen eige­nen Sound haben.

MZEE​.com: Was macht einen guten Beat für dich aus?

Bos­ca: Für mich ist das Sam­ple bezie­hungs­wei­se die Haupt­me­lo­die ultra­wich­tig. Das ist in der Regel das Ers­te, was du hörst. Der Sound und die Ton­fol­ge müs­sen so sein, dass du das stun­den­lang hören kannst, ohne dass es dich nervt. Das ist das Aller­wich­tigs­te. Dann, klar, Bass und Drums. Die­se Ele­men­te müs­sen alle prä­gnant sein, die Stim­mung vor­ge­ben und inter­es­sant blei­ben. Dann hast du einen gei­len Beat. Das klingt natür­lich ein­fach, ist aber die hohe Kunst. (lacht)

MZEE​.com: In einem ande­ren Inter­view sag­test du, dass du 70 Songs ver­wor­fen hast, die nicht auf dem Album gelan­det sind. Das klingt nach einem ziem­lich hohen Anspruch. Was muss ein Song für dich haben, damit er es auf die Plat­te schafft?

Bos­ca: Das waren natür­lich eher Skiz­zen, kei­ne 70 fer­ti­gen Songs mit zwei Parts und einer Hook. Das wäre über­trie­ben. Es waren ange­fan­ge­ne Sachen, die ich ver­wor­fen habe. Ich höre mei­ne eige­ne Musik sehr oft. Am Ende des Tages ver­su­che ich, ein Album zu machen, das mich begeis­tert und mit dem ich zufrie­den bin. Das ist das Ent­schei­dungs­kri­te­ri­um. Wenn du Songs hast, bei denen dich nach 10, 15 Mal hören Sachen stö­ren, die sehr erheb­lich sind, ist das ein kla­res Anzei­chen dafür, dass sie nicht geil genug sind. Das ist viel­leicht Bonus­ma­te­ri­al. Man­che Tracks höre ich über zwei Jah­re immer wie­der und sie begeis­tern mich noch. Da weiß ich, dass sie mei­nen Geschmack und den von ein paar ande­ren tref­fen. Wir machen das ja auch schon seit ein paar Jahren.

MZEE​.com: Die­se Her­an­ge­hens­wei­se ist durch­aus kon­trär dazu, wie Musik heut­zu­ta­ge kon­su­miert wird. Die meis­ten hören Play­lists, die jede Woche geup­datet wer­den und den­ken nicht dar­über nach, ob sie einen Song auch noch in zehn Jah­ren hören werden.

Bos­ca: Klar, wir haben ja auch ganz ande­re Kon­su­men­ten. Das siehst du auch an unse­ren Streaming-​Zahlen. Wir sind kei­ne Streaming-​Götter. Unse­re Klick­zah­len stei­gen lang­sam mit der Zeit. Oft ist es so, dass es am Anfang ein paar Hun­dert­tau­send sind. Ein wirk­lich gei­ler Song ent­wi­ckelt sich dann über die Jah­re, weil die Leu­te etwas damit ver­bin­den und den Track immer wie­der hören. Das zeigt eine gewis­se Art von Zeit­lo­sig­keit. Nicht unbe­dingt Unend­lich­keit, das wäre jetzt hart über­trie­ben. Bei mir ist das nicht anders. Wenn ich ein Album geil fin­de, höre ich das immer wie­der. Das wer­de ich auch noch in drei Jah­ren hören und mich an die Pha­se erin­nern, in der ich das Album die ers­ten Male gehört habe. So kon­su­mie­re ich Musik und vie­le unse­rer Fans machen das genauso.

MZEE​.com: Mit "Ach­ter­bahn" hast du einen pop­pi­gen Track als Sin­gle ver­öf­fent­licht. Das Video wirkt sehr über­spitzt und humo­ris­tisch. Wie kamst du auf die Idee?

Bos­ca: Den Song gibt es jetzt auch schon seit einem guten Jahr. Ich hab' den immer gefei­ert, aber mir war klar, dass er auf mei­ne Fan­ba­se sehr ver­stö­rend wir­ken könn­te. Ich hab' halt kei­ne Lust, mein Leben lang auf die glei­chen Trauer- oder Brecher-​Beats zu rap­pen. Die Über­le­gung war, wie man das als Sin­gle rüber­bringt, damit die Leu­te mer­ken, dass man das selbst nicht so ernst nimmt. Des­halb haben wir uns dafür ent­schie­den, ein lus­ti­ges Video zu machen. Wir hat­ten sehr viel Spaß dabei und das soll­te auch so rüber­kom­men. Es hat trotz­dem eini­ge Leu­te ver­stört. (lacht) Man­che den­ken dann, dass du jetzt nur noch sol­che Songs machst. Ich kann natür­lich ver­ste­hen, wenn ande­re das über­haupt nicht pei­len oder nicht lus­tig fin­den. Mir gefällt der Track sehr gut. Das ist das, was ich vor­hin schon gesagt hab': Am Ende will ich Sachen machen, mit denen ich zufrie­den bin. Ich will mir die in ein paar Jah­ren noch angu­cken kön­nen und wis­sen, was ich mir dabei gedacht habe. Ich mache nichts, was nur auf Erfolg abzielt.

MZEE​.com: Auf "Anders" lau­tet eine Zei­le von dir: "Dass du machst, was du liebst, ist die Grun­d­es­senz." – Was ist die Grun­d­es­senz dei­nes Lebens?

Bos­ca: Na ja, das ist eigent­lich alles, was ich mache und wie ich letzt­end­lich mei­nen Tag gestal­te. Ich mache ger­ne Sport, bin ger­ne mit Freun­den oder mei­ner Fami­lie unter­wegs und fahr' ger­ne zum Fuß­ball. Ich lie­be es, Mucke zu machen, auf­zu­tre­ten und mit Leu­ten ein biss­chen auf Kra­wall unter­wegs zu sein. (lacht) Ich ver­su­che, jeden Tag mög­lichst viel von dem zu machen, was mir Bock macht. Natür­lich muss man gucken, dass die gan­ze Sache Geld ein­bringt. Man muss sein Hob­by – so blöd es klingt – zum Beruf machen. Das ist, glau­be ich, der Weg, um ins­ge­samt zufrie­den und glück­lich zu sein.

MZEE​.com: Könn­test du dich auch auf nur eine Sache als Grun­d­es­senz beschränken?

Bos­ca: Nein, weil ich nicht weiß, ob die­se Grun­d­es­senz nur ein Ding beschreibt. Für mich bedeu­tet es, dass man macht, was man liebt. Das ist der Tenor der gan­zen Sache. Es gibt sehr vie­le Leu­te, die unzu­frie­den und unglück­lich sind. Die habe ich auch in mei­nem Freun­des­kreis. Meis­tens wer­den dann Grün­de genannt wie: "Der Chef auf der Arbeit nervt." Es gibt vie­le Grün­de, aber letzt­end­lich führt es immer zu dem Punkt, dass sie zu vie­le Sachen machen, die sie nicht lie­ben und nicht ger­ne machen. Den meis­ten Leu­ten sage ich, dass sie etwas ändern müs­sen. Das ist natür­lich schwer – gera­de, wenn man etwas älter und in gewis­sen Sachen fest­ge­fah­ren ist. Aber das ist, glau­be ich, der Weg. Des­we­gen kann ich das nicht auf eine Sache run­ter­bre­chen, weil es vie­le Din­ge gibt, die ich ger­ne mache. Das eine wür­de ohne das ande­re nicht funk­tio­nie­ren. Nur zu rap­pen, wäre mir irgend­wann zu lang­wei­lig. Genau­so, wie wenn ich nur zum Fuß­ball fah­ren oder jeden Tag nur zwei Sport­ein­hei­ten machen wür­de und sonst nichts. Das alles zusam­men ist die Essenz. (lacht) Es ist schwie­rig, da die rich­ti­ge Begriff­lich­keit zu finden.

MZEE​.com: Im Video zu "Anders" posierst du an einem Spiel­au­to­ma­ten und rappst eini­ge Zei­len über das Zocken. Wel­che Rol­le spie­len die Auto­ma­ten in dei­nem Leben?

Bos­ca: Ich habe kein Pro­blem damit, aber es begeg­net einem schon. Die Spiel­au­to­ma­ten im Video waren eher sinn­bild­lich, in der Zei­le rap­pe ich ja über Rou­lette. Aber ich spiel' schon ganz ger­ne. Ich hat­te 'ne Zeit, in der ich viel Poker gespielt und sogar ein biss­chen Geld damit ver­dient habe. Die Zei­le soll die­se "Scheiß drauf, alles auf eine Karte"-Mentalität dar­stel­len. Das ist eher auf das Leben bezo­gen als auf das Spie­len. Ich glau­be, es gibt Leu­te, die wesent­lich mehr Pro­ble­me mit dem Spie­len haben als ich.

MZEE​.com: Auch wenn man selbst kein Pro­blem damit hat, kennt man häu­fig Men­schen, bei denen das nicht so gut läuft. Fin­dest du, dass das auch die eige­ne Sicht aufs Spie­len verändert?

Bos­ca: Ich bewe­ge mich natür­lich in einem Umfeld, in dem die Leu­te mit sehr vie­len Süch­ten zu tun haben und sich ger­ne in extre­me Situa­tio­nen bege­ben. Sei­en es Dro­gen, Alko­hol oder Spiel­sucht – es ist von allem etwas dabei. Es klingt natür­lich plump, aber die Dosis macht das Gift. Irgend­wann muss man die Dosie­rung fin­den, mit der man zurecht­kommt. Tat­säch­lich ist das Spie­len bei mir nicht mehr so prä­sent, weil ich sinn­los und dumm im Online-​Casino Geld ver­lo­ren hab'. Irgend­wann gab es die Sei­te dann nicht mehr. (lacht) Das war die Ret­tung. Ich weiß nicht, da bin ich ein­fach zu weit­sich­tig, um mei­nen kom­plet­ten Kon­to­stand zu ver­zo­cken. Aber ich ken­ne Leu­te, die damit lei­der sehr in Pro­ble­me gera­ten sind.

MZEE​.com: Du sprichst in dei­nen Tracks oft über Alko­hol. Auf "Intro /​ Alle Spots auf mich" lässt du eine nega­ti­ve Sicht­wei­se dar­auf durch­schei­nen. Wel­che Rol­le spielt Alko­hol in dei­nem Leben?

Bos­ca: Gene­rell sind wir – also mein gan­zes Team, mein Label und mei­ne Freun­de – alle kei­ne Kin­der von Trau­rig­keit. Wir sind auf jeden Fall Men­schen, die ger­ne im Nacht­le­ben unter­wegs sind, auf Events gehen und Alko­hol trin­ken. Ich ver­su­che, immer mehr weg­zu­kom­men von die­ser – sagen wir mal – Maß­lo­sig­keit. Damit mei­ne ich aller­dings nicht Kot­zen am Bal­ler­mann, das war nie mein Ding. Ich bin jemand, der ger­ne mal die Kon­trol­le ver­liert, wenn er unter­wegs ist, aber nicht aus­fal­lend wird. Ich ver­su­che, mei­ne Beherr­schung zu wah­ren, gera­de frem­den Leu­ten gegen­über. Klar, man wird auch älter und merkt, was einem nicht so gut­tut. Ich bin nicht mehr auf jedem Fest unter­wegs wie vor ein paar Jah­ren. Aber immer noch oft genug. Das gehört zu mei­nem Leben dazu. Ich mag es, mal kom­plett die Ner­ven zu ver­lie­ren. Manch­mal hat das wirk­lich etwas Befreiendes.

MZEE​.com: Alko­hol ist ein span­nen­des The­ma. Ich fra­ge mich manch­mal, woher die Begeis­te­rung dafür über­haupt kommt.

Bos­ca: Für mich ist es 'ne Bewusst­seins­ver­än­de­rung, die ich ger­ne ein­ge­he. Ich mag es, mich in einem Zustand zu befin­den, in dem man kein Zeit­emp­fin­den mehr hat und los­ge­löst ist. Ich kann ver­ste­hen, wenn es Leu­te gibt, die gar kei­nen Alko­hol trin­ken. Natür­lich ist das gut und wahr­schein­lich hun­dert­mal gesün­der, das ist voll­kom­men klar. Ich glau­be, wenn ich nie geil betrun­ken gewe­sen wäre, wür­de ich das auch nicht gut fin­den. Ich hab' auch schon ande­re Sachen pro­biert, die mir über­haupt kei­nen Spaß gemacht haben, des­we­gen mache ich sowas auch nicht. Kif­fen bei­spiels­wei­se. Da hab' ich gemerkt, dass man das schwer unter Kon­trol­le bekommt und schnell anfängt, sehr viel zu kif­fen. Mit Alko­hol machen mir bestimm­te Events ein­fach mehr Spaß. Wenn jemand gene­rell kei­nen Alko­hol trinkt, dann ist das doch bru­tal. Wenn er oder sie dann trotz­dem weg­geht und Spaß hat, find' ich das per­fekt. Das benei­de ich auf jeden Fall. (lacht) Viel­leicht hat die­se Per­son in gewis­sen Lebens­la­gen dazu ein­fach "Nein" gesagt oder schlech­te Erfah­run­gen damit gemacht. Und bei mir ist das halt anders. (lacht)

MZEE​.com: Es wird schwie­rig, sobald der Kon­sum aus­ar­tet. Wenn man süch­tig gewor­den ist und einen Ent­zug gemacht hat, kann man nicht mehr trinken. 

Bos­ca: Ey, auf jeden Fall. Ich will das auch nicht run­ter­re­den oder so. Natür­lich wür­de ein Arzt jeman­dem, der so gut wie jedes Wochen­en­de Alko­hol trinkt, sagen, dass er süch­tig ist. Das ist wahr­schein­lich auf dem Papier so. Ich kann, ohne mit der Wim­per zu zucken, sagen: "Nach mei­ner Tour trin­ke ich sechs Wochen nichts." Das ist für mich gar kein Pro­blem, das mache ich ultra­ger­ne und ich kann dann immer noch Spaß haben. Da wie­ge ich für mich ab, was ich an Genuss in mei­nem Leben haben will. Wenn das zum Pro­blem wird, du nicht mehr mit dei­ner Koh­le klar­kommst und Schei­ße baust, die du hin­ter­her bereust oder so süch­tig wirst, dass du nicht mehr leicht "Nein" sagen kannst, dann ist das natür­lich obe­run­cool. Das will ich auf gar kei­nen Fall schönreden.

MZEE​.com: Alko­hol ist in Deutsch­land ja die Gesell­schafts­dro­ge schlecht­hin. Man muss sich recht­fer­ti­gen, wenn man sie nicht konsumiert. 

Bos­ca: Das ist hart, das tut mir dann auch voll leid. Ich kenn' eini­ge Leu­te, die gar kei­nen Alko­hol trin­ken. Ich wür­de nie­mals auf die Idee kom­men, jeman­den abzu­fu­cken, weil er nichts trinkt. Ich hab' ja selbst mei­ne frei­en Pha­sen im Jahr und mer­ke, wie die Leu­te einen dann über­re­den wol­len: "Ach komm, scheiß drauf!" Ich ant­wor­te dann: "Fuck mich nicht ab, du kannst mir jetzt sagen, was du willst, es juckt mich nicht." Es ist scha­de, dass vie­le Leu­te so beschränkt sind und nicht akzep­tie­ren, dass man nicht trinkt. Das ist auf jeden Fall ein Abturn.

MZEE​.com: Du sagst außer­dem, dass dir Sta­tus­sym­bo­le nichts bedeu­ten. War das schon immer der Fall?

Bos­ca: Ja. Ich bin recht beschei­den auf­ge­zo­gen wor­den von mei­nen Eltern. (lacht) Sie haben mir schon immer bei­gebracht, dass mate­ri­el­le Din­ge nicht so wich­tig sind. Ich hab' frü­her nie viel Taschen­geld bekom­men. Mei­ne Eltern ver­die­nen ganz nor­mal, ich bin nicht ärm­lich auf­ge­wach­sen – sie haben das bewusst gering gehal­ten. Das führt im Umkehr­schluss dazu, dass du die Sachen anders bewer­test. Wenn ich mir die­sen Rap­hype mit Kla­mot­ten angu­cke, fra­ge ich mich, wann ein Pul­li 600 Euro wert ist. Für mich nie. (lacht) Das steht in kei­nem Ver­hält­nis – so wur­de ich erzo­gen. Das ist mit ande­ren Sachen natür­lich auch so. Ich bin oft unter­wegs und wenn ich irgend­wann die Koh­le haben soll­te, mir ein rich­tig gei­les Auto zu kau­fen, dann wür­de ich das auf jeden Fall machen. Ich wür­de es nicht machen, um damit anzu­ge­ben oder das als Sta­tus­sym­bol zu benut­zen, son­dern weil es ange­neh­mer ist, damit zu fah­ren. Ich will ja auch Kla­mot­ten haben, die mir gut gefal­len, weißt du? Ich bin kein Öko-​Typ, der sich die gan­ze Zeit Hanf­klei­der kauft, weil er sagt, dass er über­haupt kei­nen Wert drauf legt. Das ist auch Quatsch. Für mich muss das Preis-​Leistungs-​Verhältnis stim­men und das ist bei vie­len von die­sen Sta­tus­sym­bo­len nicht vor­han­den. Das ist Prah­le­rei und nicht mein Stil.

MZEE​.com: Trotz­dem sieht man dich in dei­nen Vide­os oft in schi­cken Autos. Steht das nicht im Gegen­satz zu die­ser Haltung?

Bos­ca: Auf eine gewis­se Art und Wei­se, ja. Obwohl man zu der Hummer-​Limousine bei "Anders" sagen muss, dass wir ein ande­res und gei­le­res Auto haben woll­ten. Das hat aber lei­der Got­tes nicht geklappt. Wir muss­ten irgend­was neh­men, was die­se schwar­zen, getön­ten Fens­ter hat und kein Neuner-​Van ist, weil der ein­fach nicht geil aus­sieht. In den Vide­os sind die Autos Requi­si­ten für mich. Die sol­len nicht dafür ste­hen, dass ich sowas besit­ze. Es geht ein­fach dar­um, ein gei­les Bild zu haben. Und ein gei­les Auto ergibt halt ein gei­les Bild. Wir haben auch kei­ne S-​Klassen in unse­ren Vide­os, oft sind es Old­ti­mer. Bei dem Video zu "Ach­ter­bahn" war das ein Ford Mus­tang. Das war das Auto von einem Kum­pel und hat eine gute Kulis­se erge­ben. Das ist der eigent­li­che Grund, war­um die Autos in den Vide­os sind: gute und schö­ne Bilder.

MZEE​.com: Kom­men wir zur letz­ten Fra­ge. Du blickst mitt­ler­wei­le auf mehr als elf akti­ve Jah­re in der Rap­sze­ne zurück. In wel­chem Bereich hast du dich dei­ner Ansicht nach musi­ka­lisch am meis­ten weiterentwickelt?

Bos­ca: Hm … Ich glau­be, dass ich auf jeden Fall mei­nen Stimm­ein­satz mas­siv ver­bes­sert habe. Frü­her war ich immer gefühlt eine hal­be Okta­ve zu hoch unter­wegs. Wenn ich mir mei­ne aktu­el­len Sachen anhö­re, hab' ich das Gefühl, dass mei­ne Stim­me auf dem Beat viel pas­sen­der und har­mo­ni­scher ist. Ich habe mich auch bei den Hooks wei­ter­ent­wi­ckelt. Frü­her habe ich ein­fach irgend­et­was gerappt, um die Hook zu fül­len. Mitt­ler­wei­le ver­su­che ich, etwas zu machen, das ein­gän­gig ist und hän­gen bleibt. Das sind die bei­den Haupt­ele­men­te, die ich nen­nen würde.

(Alex­an­der Hol­len­horst und Sicko)
(Fotos von Lukas HTZ)