Die Frankfurter Skyline, ein Wagen mit getönten Scheiben und maskierte Personen in schwarzen Hoodies. Wer an dieser Stelle ein paar gefährliche Typen erwartet, wird keine vorfinden. Denn in Boscas Musikvideos zu seiner neuen Platte sind überwiegend Frauen zu sehen, die die bedrohliche Szenerie unterstreichen. Müsste man diese Art von Musikvideo beschreiben, wäre die treffende Antwort wohl "anders". Im Gegensatz dazu wirkt das neue Album "Riot" so, wie man es von Bosca gewohnt ist: Es besitzt viel Energie und geht durchgängig nach vorne. Ob er mit seinem Kollegen Face "Achterbahn" fährt oder mit der Crew durch die Straßen läuft – der Rapper bleibt sich treu. Im Interview erklärte uns Bosca, warum sowohl auf dem Cover als auch in den Videos viele Frauen zu sehen sind, was einen guten Beat für ihn ausmacht und wie er grundsätzlich zum Thema Alkohol steht. Außerdem sprachen wir mit ihm über Statussymbole, wie er dahingehend erzogen wurde und was für ihn die Grundessenz für ein glückliches Leben ausmacht.
MZEE.com: Uns sind die vielen maskierten Frauen in deinen Videos und auf dem Albumcover aufgefallen. Willst du konventionelle Rollenbilder auf den Kopf stellen?
Bosca: Auf dem Cover meines zweiten Albums haben sich ein maskierter Typ und ein maskiertes Mädel geküsst. Das Cover hab' ich sehr gemocht und wollte es ein bisschen weiterführen. Ich würde sagen, dass ich eine sehr offene Weltansicht habe und es für mich nicht dieses klassische Männer- und Frauenbild gibt. Das war einfach mal eine lustige Idee. Es gibt immer diese Streetvideos, in denen jeder seine Atzen und schlecht gelaunten Jungs zeigt. Das haben wir auch schon gemacht und feiern es, aber ich wollte das einfach ein bisschen umdrehen. Ich wollte mal ein paar freshe Mädels zeigen und das Ganze aus einem anderen Blickwinkel darstellen.
MZEE.com: Würdest du sagen, dass du dabei auch einen politischen oder feministischen Hintergedanken hattest?
Bosca: Es wäre jetzt wirklich übertrieben und etwas zu weit hergeholt, wenn ich das als feministisch bezeichnen würde. Ich wollte damit meine Offenheit demonstrieren und zeigen, dass ich keinen Bock habe, mir Grenzen zu setzen oder Klischees zu bedienen. Deswegen wollte ich das ein bisschen aufbrechen. Es hat sicherlich einen kleinen politischen Hintergedanken, das stimmt. Ich würde den aber nicht zu sehr hervorheben, das wäre geheuchelt.
MZEE.com: Du bist großer Fußballfan. In dieser Szene gibt es verhältnismäßig wenige Frauen. Wie würdest du das bewerten?
Bosca: Die Mädels in den Videos stellen mehr eine Gang dar, keine Hooligans. Das ist nicht die Idee dahinter gewesen. Generell kann ich nur für mich sprechen: Ich bin dem gegenüber offen eingestellt. Mir ist es vollkommen egal, wer vor mir steht, was für ein Geschlecht oder welche Hautfarbe diese Person hat – für mich zählt einfach nur, wie sich der Mensch mir gegenüber verhält. Das ist in der Fußballszene und im HipHop so, überall. Es gibt bestimmt Leute, die das anders sehen. Ich meine, Frankfurt ist sehr offen, aber du hast in der Fußballszene alles an Leuten und sämtliche Meinungsbilder. Ich bin kein Fan davon, wenn eine Szene in eine politische Richtung geht – egal, in welche. Ich denke, dass das eine Ausgrenzung ist. Frankfurt stand schon immer dafür, unpolitisch und für alles offen zu sein. Die lassen sich nicht einengen. Ich finde es cool, wenn Mädels in der Szene am Start sind. Ich kenne da auch ein paar, mit denen ich mich sehr gut verstehe.
MZEE.com: Man sieht im Stadion mittlerweile auch mehr Frauen, in der Ultraszene selbst aber weniger.
Bosca: Zum einen gibt es wahrscheinlich nicht so viele Anziehungspunkte. Nicht jedes Mädel findet es geil, 30 Stunden in irgendeinem versifften Bus zu sitzen. Auf der anderen Seite ist es schon so, dass bestimmte Szenen ein sehr klassisches Männer- und Frauenbild haben und Frauen da nicht so gern gesehen sind.
MZEE.com: Du sprichst in deinen Tracks den Rechtsruck in Deutschland an. Nimmst du das auch in der deutschsprachigen Rapmusik wahr? Oder beziehst du das nur auf die Gesellschaft?
Bosca: Das ist schon eher auf die Gesellschaft bezogen. Ich hab' jetzt nicht das Gefühl, dass die Rapszene in irgendeiner Form einen Rechtsruck erlebt. Die grenzt sich ja eigentlich sehr stark davon ab. Insgesamt ist meine Haltung dazu, dass man mit Abgrenzung meistens nicht weiterkommt. Ich mache meine Statements, weil es meine persönliche Meinung ist, aber ich bin keiner, der Leute wegen einer politischen Haltung ausgrenzt. Ich bin eher ein Freund davon, mit Leuten zu diskutieren. Auch wenn es vielleicht nicht dazu führt, dass man am Ende einer Meinung ist. Ich denke, dass das die bessere Herangehensweise ist, wenn man mehr gesellschaftlichen Zusammenhalt haben will. Wenn sich jeder abgrenzt, sorgt das dafür, dass die Gesellschaft insgesamt intoleranter wird.
MZEE.com: Ich glaube, dass man mit einem total menschenverachtenden Mindset auch nicht weiterkommt.
Bosca: Ja, das ist schon richtig. Die große Frage ist – und die kann ich dir natürlich auch nicht beantworten – was bringt einem was? Bringt es etwas, der Person die Schnauze einzuschlagen? Das bringt sicherlich nichts. Oder bringt es was, die Person ins Gefängnis zu stecken? Das ist halt die Frage, die ich mir und andere sich stellen. Darauf hat noch keiner die richtige Antwort gefunden.
MZEE.com: Du bist nicht nur Rapper, sondern auch Produzent. Was von beidem gibt dir mehr?
Bosca: Das ist schwer zu sagen. Generell gibt es mir einfach sehr viel, einen fertigen Song zu haben. Das ist das, was mich am glücklichsten macht. Ich produziere nicht alleine, sondern mit einem Kollegen von mir zusammen. Wenn wir einen geilen Beat fertig haben, macht mich das glücklich. Aber das ist halt nur die halbe Miete. (lacht) Ohne einen Text ist das leider nicht so viel wert. Deswegen ist Rappen wohl erfüllender, weil du immer auf einem schon bestehenden Beat aufnimmst und dann einen kompletten Song hast.
MZEE.com: Hast du dadurch einen anderen Blick auf Beats und Producer im Allgemeinen?
Bosca: Natürlich, voll. Ich bin durch meine Mixing- und Studiogeschichten sehr lange und tief in den Produktionsprozess involviert und weiß viel darüber. Du weißt einfach, woraus ein guter Beat bestehen muss. Du weißt, woran es liegt, wenn ein Beat nicht geil ist. Du merkst, welche Leute wirklich Skills haben und talentiert sind und welche Leute nur nach einem Baukastenprinzip arbeiten und eigentlich gar keinen eigenen Sound haben.
MZEE.com: Was macht einen guten Beat für dich aus?
Bosca: Für mich ist das Sample beziehungsweise die Hauptmelodie ultrawichtig. Das ist in der Regel das Erste, was du hörst. Der Sound und die Tonfolge müssen so sein, dass du das stundenlang hören kannst, ohne dass es dich nervt. Das ist das Allerwichtigste. Dann, klar, Bass und Drums. Diese Elemente müssen alle prägnant sein, die Stimmung vorgeben und interessant bleiben. Dann hast du einen geilen Beat. Das klingt natürlich einfach, ist aber die hohe Kunst. (lacht)
MZEE.com: In einem anderen Interview sagtest du, dass du 70 Songs verworfen hast, die nicht auf dem Album gelandet sind. Das klingt nach einem ziemlich hohen Anspruch. Was muss ein Song für dich haben, damit er es auf die Platte schafft?
Bosca: Das waren natürlich eher Skizzen, keine 70 fertigen Songs mit zwei Parts und einer Hook. Das wäre übertrieben. Es waren angefangene Sachen, die ich verworfen habe. Ich höre meine eigene Musik sehr oft. Am Ende des Tages versuche ich, ein Album zu machen, das mich begeistert und mit dem ich zufrieden bin. Das ist das Entscheidungskriterium. Wenn du Songs hast, bei denen dich nach 10, 15 Mal hören Sachen stören, die sehr erheblich sind, ist das ein klares Anzeichen dafür, dass sie nicht geil genug sind. Das ist vielleicht Bonusmaterial. Manche Tracks höre ich über zwei Jahre immer wieder und sie begeistern mich noch. Da weiß ich, dass sie meinen Geschmack und den von ein paar anderen treffen. Wir machen das ja auch schon seit ein paar Jahren.
MZEE.com: Diese Herangehensweise ist durchaus konträr dazu, wie Musik heutzutage konsumiert wird. Die meisten hören Playlists, die jede Woche geupdatet werden und denken nicht darüber nach, ob sie einen Song auch noch in zehn Jahren hören werden.
Bosca: Klar, wir haben ja auch ganz andere Konsumenten. Das siehst du auch an unseren Streaming-Zahlen. Wir sind keine Streaming-Götter. Unsere Klickzahlen steigen langsam mit der Zeit. Oft ist es so, dass es am Anfang ein paar Hunderttausend sind. Ein wirklich geiler Song entwickelt sich dann über die Jahre, weil die Leute etwas damit verbinden und den Track immer wieder hören. Das zeigt eine gewisse Art von Zeitlosigkeit. Nicht unbedingt Unendlichkeit, das wäre jetzt hart übertrieben. Bei mir ist das nicht anders. Wenn ich ein Album geil finde, höre ich das immer wieder. Das werde ich auch noch in drei Jahren hören und mich an die Phase erinnern, in der ich das Album die ersten Male gehört habe. So konsumiere ich Musik und viele unserer Fans machen das genauso.
MZEE.com: Mit "Achterbahn" hast du einen poppigen Track als Single veröffentlicht. Das Video wirkt sehr überspitzt und humoristisch. Wie kamst du auf die Idee?
Bosca: Den Song gibt es jetzt auch schon seit einem guten Jahr. Ich hab' den immer gefeiert, aber mir war klar, dass er auf meine Fanbase sehr verstörend wirken könnte. Ich hab' halt keine Lust, mein Leben lang auf die gleichen Trauer- oder Brecher-Beats zu rappen. Die Überlegung war, wie man das als Single rüberbringt, damit die Leute merken, dass man das selbst nicht so ernst nimmt. Deshalb haben wir uns dafür entschieden, ein lustiges Video zu machen. Wir hatten sehr viel Spaß dabei und das sollte auch so rüberkommen. Es hat trotzdem einige Leute verstört. (lacht) Manche denken dann, dass du jetzt nur noch solche Songs machst. Ich kann natürlich verstehen, wenn andere das überhaupt nicht peilen oder nicht lustig finden. Mir gefällt der Track sehr gut. Das ist das, was ich vorhin schon gesagt hab': Am Ende will ich Sachen machen, mit denen ich zufrieden bin. Ich will mir die in ein paar Jahren noch angucken können und wissen, was ich mir dabei gedacht habe. Ich mache nichts, was nur auf Erfolg abzielt.
MZEE.com: Auf "Anders" lautet eine Zeile von dir: "Dass du machst, was du liebst, ist die Grundessenz." – Was ist die Grundessenz deines Lebens?
Bosca: Na ja, das ist eigentlich alles, was ich mache und wie ich letztendlich meinen Tag gestalte. Ich mache gerne Sport, bin gerne mit Freunden oder meiner Familie unterwegs und fahr' gerne zum Fußball. Ich liebe es, Mucke zu machen, aufzutreten und mit Leuten ein bisschen auf Krawall unterwegs zu sein. (lacht) Ich versuche, jeden Tag möglichst viel von dem zu machen, was mir Bock macht. Natürlich muss man gucken, dass die ganze Sache Geld einbringt. Man muss sein Hobby – so blöd es klingt – zum Beruf machen. Das ist, glaube ich, der Weg, um insgesamt zufrieden und glücklich zu sein.
MZEE.com: Könntest du dich auch auf nur eine Sache als Grundessenz beschränken?
Bosca: Nein, weil ich nicht weiß, ob diese Grundessenz nur ein Ding beschreibt. Für mich bedeutet es, dass man macht, was man liebt. Das ist der Tenor der ganzen Sache. Es gibt sehr viele Leute, die unzufrieden und unglücklich sind. Die habe ich auch in meinem Freundeskreis. Meistens werden dann Gründe genannt wie: "Der Chef auf der Arbeit nervt." Es gibt viele Gründe, aber letztendlich führt es immer zu dem Punkt, dass sie zu viele Sachen machen, die sie nicht lieben und nicht gerne machen. Den meisten Leuten sage ich, dass sie etwas ändern müssen. Das ist natürlich schwer – gerade, wenn man etwas älter und in gewissen Sachen festgefahren ist. Aber das ist, glaube ich, der Weg. Deswegen kann ich das nicht auf eine Sache runterbrechen, weil es viele Dinge gibt, die ich gerne mache. Das eine würde ohne das andere nicht funktionieren. Nur zu rappen, wäre mir irgendwann zu langweilig. Genauso, wie wenn ich nur zum Fußball fahren oder jeden Tag nur zwei Sporteinheiten machen würde und sonst nichts. Das alles zusammen ist die Essenz. (lacht) Es ist schwierig, da die richtige Begrifflichkeit zu finden.
MZEE.com: Im Video zu "Anders" posierst du an einem Spielautomaten und rappst einige Zeilen über das Zocken. Welche Rolle spielen die Automaten in deinem Leben?
Bosca: Ich habe kein Problem damit, aber es begegnet einem schon. Die Spielautomaten im Video waren eher sinnbildlich, in der Zeile rappe ich ja über Roulette. Aber ich spiel' schon ganz gerne. Ich hatte 'ne Zeit, in der ich viel Poker gespielt und sogar ein bisschen Geld damit verdient habe. Die Zeile soll diese "Scheiß drauf, alles auf eine Karte"-Mentalität darstellen. Das ist eher auf das Leben bezogen als auf das Spielen. Ich glaube, es gibt Leute, die wesentlich mehr Probleme mit dem Spielen haben als ich.
MZEE.com: Auch wenn man selbst kein Problem damit hat, kennt man häufig Menschen, bei denen das nicht so gut läuft. Findest du, dass das auch die eigene Sicht aufs Spielen verändert?
Bosca: Ich bewege mich natürlich in einem Umfeld, in dem die Leute mit sehr vielen Süchten zu tun haben und sich gerne in extreme Situationen begeben. Seien es Drogen, Alkohol oder Spielsucht – es ist von allem etwas dabei. Es klingt natürlich plump, aber die Dosis macht das Gift. Irgendwann muss man die Dosierung finden, mit der man zurechtkommt. Tatsächlich ist das Spielen bei mir nicht mehr so präsent, weil ich sinnlos und dumm im Online-Casino Geld verloren hab'. Irgendwann gab es die Seite dann nicht mehr. (lacht) Das war die Rettung. Ich weiß nicht, da bin ich einfach zu weitsichtig, um meinen kompletten Kontostand zu verzocken. Aber ich kenne Leute, die damit leider sehr in Probleme geraten sind.
MZEE.com: Du sprichst in deinen Tracks oft über Alkohol. Auf "Intro / Alle Spots auf mich" lässt du eine negative Sichtweise darauf durchscheinen. Welche Rolle spielt Alkohol in deinem Leben?
Bosca: Generell sind wir – also mein ganzes Team, mein Label und meine Freunde – alle keine Kinder von Traurigkeit. Wir sind auf jeden Fall Menschen, die gerne im Nachtleben unterwegs sind, auf Events gehen und Alkohol trinken. Ich versuche, immer mehr wegzukommen von dieser – sagen wir mal – Maßlosigkeit. Damit meine ich allerdings nicht Kotzen am Ballermann, das war nie mein Ding. Ich bin jemand, der gerne mal die Kontrolle verliert, wenn er unterwegs ist, aber nicht ausfallend wird. Ich versuche, meine Beherrschung zu wahren, gerade fremden Leuten gegenüber. Klar, man wird auch älter und merkt, was einem nicht so guttut. Ich bin nicht mehr auf jedem Fest unterwegs wie vor ein paar Jahren. Aber immer noch oft genug. Das gehört zu meinem Leben dazu. Ich mag es, mal komplett die Nerven zu verlieren. Manchmal hat das wirklich etwas Befreiendes.
MZEE.com: Alkohol ist ein spannendes Thema. Ich frage mich manchmal, woher die Begeisterung dafür überhaupt kommt.
Bosca: Für mich ist es 'ne Bewusstseinsveränderung, die ich gerne eingehe. Ich mag es, mich in einem Zustand zu befinden, in dem man kein Zeitempfinden mehr hat und losgelöst ist. Ich kann verstehen, wenn es Leute gibt, die gar keinen Alkohol trinken. Natürlich ist das gut und wahrscheinlich hundertmal gesünder, das ist vollkommen klar. Ich glaube, wenn ich nie geil betrunken gewesen wäre, würde ich das auch nicht gut finden. Ich hab' auch schon andere Sachen probiert, die mir überhaupt keinen Spaß gemacht haben, deswegen mache ich sowas auch nicht. Kiffen beispielsweise. Da hab' ich gemerkt, dass man das schwer unter Kontrolle bekommt und schnell anfängt, sehr viel zu kiffen. Mit Alkohol machen mir bestimmte Events einfach mehr Spaß. Wenn jemand generell keinen Alkohol trinkt, dann ist das doch brutal. Wenn er oder sie dann trotzdem weggeht und Spaß hat, find' ich das perfekt. Das beneide ich auf jeden Fall. (lacht) Vielleicht hat diese Person in gewissen Lebenslagen dazu einfach "Nein" gesagt oder schlechte Erfahrungen damit gemacht. Und bei mir ist das halt anders. (lacht)
MZEE.com: Es wird schwierig, sobald der Konsum ausartet. Wenn man süchtig geworden ist und einen Entzug gemacht hat, kann man nicht mehr trinken.
Bosca: Ey, auf jeden Fall. Ich will das auch nicht runterreden oder so. Natürlich würde ein Arzt jemandem, der so gut wie jedes Wochenende Alkohol trinkt, sagen, dass er süchtig ist. Das ist wahrscheinlich auf dem Papier so. Ich kann, ohne mit der Wimper zu zucken, sagen: "Nach meiner Tour trinke ich sechs Wochen nichts." Das ist für mich gar kein Problem, das mache ich ultragerne und ich kann dann immer noch Spaß haben. Da wiege ich für mich ab, was ich an Genuss in meinem Leben haben will. Wenn das zum Problem wird, du nicht mehr mit deiner Kohle klarkommst und Scheiße baust, die du hinterher bereust oder so süchtig wirst, dass du nicht mehr leicht "Nein" sagen kannst, dann ist das natürlich oberuncool. Das will ich auf gar keinen Fall schönreden.
MZEE.com: Alkohol ist in Deutschland ja die Gesellschaftsdroge schlechthin. Man muss sich rechtfertigen, wenn man sie nicht konsumiert.
Bosca: Das ist hart, das tut mir dann auch voll leid. Ich kenn' einige Leute, die gar keinen Alkohol trinken. Ich würde niemals auf die Idee kommen, jemanden abzufucken, weil er nichts trinkt. Ich hab' ja selbst meine freien Phasen im Jahr und merke, wie die Leute einen dann überreden wollen: "Ach komm, scheiß drauf!" Ich antworte dann: "Fuck mich nicht ab, du kannst mir jetzt sagen, was du willst, es juckt mich nicht." Es ist schade, dass viele Leute so beschränkt sind und nicht akzeptieren, dass man nicht trinkt. Das ist auf jeden Fall ein Abturn.
MZEE.com: Du sagst außerdem, dass dir Statussymbole nichts bedeuten. War das schon immer der Fall?
Bosca: Ja. Ich bin recht bescheiden aufgezogen worden von meinen Eltern. (lacht) Sie haben mir schon immer beigebracht, dass materielle Dinge nicht so wichtig sind. Ich hab' früher nie viel Taschengeld bekommen. Meine Eltern verdienen ganz normal, ich bin nicht ärmlich aufgewachsen – sie haben das bewusst gering gehalten. Das führt im Umkehrschluss dazu, dass du die Sachen anders bewertest. Wenn ich mir diesen Raphype mit Klamotten angucke, frage ich mich, wann ein Pulli 600 Euro wert ist. Für mich nie. (lacht) Das steht in keinem Verhältnis – so wurde ich erzogen. Das ist mit anderen Sachen natürlich auch so. Ich bin oft unterwegs und wenn ich irgendwann die Kohle haben sollte, mir ein richtig geiles Auto zu kaufen, dann würde ich das auf jeden Fall machen. Ich würde es nicht machen, um damit anzugeben oder das als Statussymbol zu benutzen, sondern weil es angenehmer ist, damit zu fahren. Ich will ja auch Klamotten haben, die mir gut gefallen, weißt du? Ich bin kein Öko-Typ, der sich die ganze Zeit Hanfkleider kauft, weil er sagt, dass er überhaupt keinen Wert drauf legt. Das ist auch Quatsch. Für mich muss das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmen und das ist bei vielen von diesen Statussymbolen nicht vorhanden. Das ist Prahlerei und nicht mein Stil.
MZEE.com: Trotzdem sieht man dich in deinen Videos oft in schicken Autos. Steht das nicht im Gegensatz zu dieser Haltung?
Bosca: Auf eine gewisse Art und Weise, ja. Obwohl man zu der Hummer-Limousine bei "Anders" sagen muss, dass wir ein anderes und geileres Auto haben wollten. Das hat aber leider Gottes nicht geklappt. Wir mussten irgendwas nehmen, was diese schwarzen, getönten Fenster hat und kein Neuner-Van ist, weil der einfach nicht geil aussieht. In den Videos sind die Autos Requisiten für mich. Die sollen nicht dafür stehen, dass ich sowas besitze. Es geht einfach darum, ein geiles Bild zu haben. Und ein geiles Auto ergibt halt ein geiles Bild. Wir haben auch keine S-Klassen in unseren Videos, oft sind es Oldtimer. Bei dem Video zu "Achterbahn" war das ein Ford Mustang. Das war das Auto von einem Kumpel und hat eine gute Kulisse ergeben. Das ist der eigentliche Grund, warum die Autos in den Videos sind: gute und schöne Bilder.
MZEE.com: Kommen wir zur letzten Frage. Du blickst mittlerweile auf mehr als elf aktive Jahre in der Rapszene zurück. In welchem Bereich hast du dich deiner Ansicht nach musikalisch am meisten weiterentwickelt?
Bosca: Hm … Ich glaube, dass ich auf jeden Fall meinen Stimmeinsatz massiv verbessert habe. Früher war ich immer gefühlt eine halbe Oktave zu hoch unterwegs. Wenn ich mir meine aktuellen Sachen anhöre, hab' ich das Gefühl, dass meine Stimme auf dem Beat viel passender und harmonischer ist. Ich habe mich auch bei den Hooks weiterentwickelt. Früher habe ich einfach irgendetwas gerappt, um die Hook zu füllen. Mittlerweile versuche ich, etwas zu machen, das eingängig ist und hängen bleibt. Das sind die beiden Hauptelemente, die ich nennen würde.
(Alexander Hollenhorst und Sicko)
(Fotos von Lukas HTZ)