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Kommentar

Freund oder Feind? – Rap und die LGBTQIA+-Community

Immer wie­der stößt man im deut­schen Rap-​Kosmos auf Hass und Into­le­ranz gegen­über der LGBTQIA+-Community. Das wirft die Fra­ge auf: Kön­nen sich deut­scher Rap und Que­er­ness über­haupt vertragen?

An die­ser Stel­le möch­ten wir Gedan­ken zu aktu­el­len Gescheh­nis­sen aus dem Deutschrap-​Kosmos zum Aus­druck brin­gen. Die jeweils dar­ge­stell­te Mei­nung ist die des:der Autor:in und ent­spricht nicht zwangs­läu­fig der der gesam­ten Redak­ti­on – den­noch möch­ten wir auch Ein­zel­stim­men Raum geben.

Im Fol­gen­den setzt sich unser Redak­teur Felix mit dem Ver­hält­nis zwi­schen deut­schem Rap und der LGBTQIA+-Community auseinander.

 

Regen­bo­gen­flag­gen, bun­te Out­fits und lau­te Musik: Am ver­gan­ge­nen Sams­tag wur­de in Ber­lin der Chris­to­pher Street Day gefei­ert. Hun­dert­tau­sen­de Men­schen gin­gen auf die Stra­ße, um für Gleich­be­rech­ti­gung und Akzep­tanz der LGBTQIA+-Community zu demons­trie­ren – und das ist gut so. Denn dass die Akzep­tanz von quee­ren Per­so­nen in der Gesell­schaft noch immer nicht so groß ist, wie sie sein soll­te, bewie­sen aus­ge­rech­net die Reak­tio­nen auf einen Instagram-​Post von Fler in den letz­ten Wochen. Dabei bringt man den Rap­per, des­sen Plat­ten­fir­ma mit Mode­la­bel wort­wört­lich "Mas­ku­lin" heißt, eigent­lich nicht mit der LGBTQIA+-Community in Ver­bin­dung. Doch auf Insta­gram und Twit­ter exis­tiert ein Beweis­fo­to: Fler im "Aggro Ansa­ge Nr. 2"-Shirt, direkt neben Oli­via Jones, der berühm­ten Drag­queen aus Ham­burg. Das Foto wirkt wie die Moment­auf­nah­me des Auf­ein­an­der­tref­fens zwei­er grund­ver­schie­de­ner Wel­ten. So wur­de auch in den Kom­men­ta­ren Flers Soli­da­ri­sie­rung mit Trans*-Personen heiß dis­ku­tiert: Vie­le fühl­ten sich von ihrem har­ten Straßenrap-​Idol hin­ter­gan­gen und lie­ßen ihrer Wut und Ent­täu­schung frei­en Lauf. Die Kon­tro­ver­se um die­sen Post wirft die Fra­ge auf, wie sich deut­scher Rap und die LGBTQIA+-Community eigent­lich ver­tra­gen. Sind Rap und Que­er­ness wirk­lich zwei kom­plett getrenn­te Welten?

Dass man­che Tei­le der deut­schen Rap­welt Trans*-Personen nicht akzep­tie­ren, zei­gen allein die Reak­tio­nen auf Flers Post. Aber auch ande­re, klei­ne­re Aktio­nen bewei­sen, wo für vie­le deut­sche Rapper:innen und Hörer:innen die Gren­zen der Tole­ranz lie­gen. Ein Bei­spiel: Der damals auf Nach­wuchs war­ten­de Ber­li­ner Rap­per Ufo361 hat­te 2022 bei sei­ner Baby Shower-​Party ein extra­va­gan­tes Out­fit gewählt – samt Balen­cia­ga High Heels. Eigent­lich ist das nicht erwäh­nens­wert, bezie­hungs­wei­se nicht mehr als ein Fun Fact. Und doch füll­te Ufo mit die­ser Ent­schei­dung gan­ze News-​Artikel und zog viel, nicht immer posi­ti­ve Auf­merk­sam­keit auf sich. Unter ande­rem ern­te­te er von Rap­pern wie Gree­ny oder Sido Hohn und Spott. Es fie­len Bemer­kun­gen wie: "Lass den Mäd­chen doch wenigs­tens ihre Schu­he." Dabei ist der extra­va­gan­te Stil von Ufo361 kei­ne Neu­ig­keit und die kost­spie­li­gen High Heels sind viel­mehr als neu­er, span­nen­der Flex zu begrei­fen als ein poli­ti­sches State­ment. Wie soll man sonst noch in einer Welt auf­trump­fen, in der jeder Snea­k­er, jedes Logo schon getra­gen und jede Uhr bereits mit Dia­man­ten besetzt wur­de? Trotz­dem scheint das Tra­gen von High Heels als männ­lich gele­se­ne Per­son beim Prall auf hete­ro­nor­ma­ti­ve Welt­bil­der bereits alle Nor­men zu sprengen.

Die­se Welt­bil­der exis­tie­ren schon eine lan­ge Zeit in der HipHop-​Szene, wie die Crew Schön­heits­feh­ler aus Öster­reich bereits in den 90ern fest­stel­len muss­te. Damals stand am Mikro­fon Ope­ra­tor Bur­st­up, ein homo­se­xu­el­ler Mann. Zwar hat­te sich der Rap­per zu die­sem Zeit­punkt nie offi­zi­ell geoutet, sei­ne Sexua­li­tät aber auch nie ver­steckt. So gab es wenigs­tens kei­ne Angrif­fe oder Belei­di­gun­gen, die Sze­ne mied ihn den­noch. Das wur­de dem Rap­per jedoch erst vie­le Jah­re spä­ter klar, wie er im Pod­cast "Quee­rer Deutschrap" von PULS erzählt. Er wur­de aus­ge­grenzt – trotz eige­ner Jams, Par­tys und Work­shops, also einer vol­len Begeis­te­rung für die dama­li­ge HipHop-​Kultur. Ande­re que­e­re Acts, mit denen man sich über die­se Aus­gren­zung hät­te aus­tau­schen kön­nen, waren eben­falls nicht bekannt. Tat­säch­lich war der ein­zi­ge ande­re que­e­re Rap-​Act, den Ope­ra­tor Bur­stop fand, die Band Rain­bow Fla­vor aus Kali­for­ni­en. Allein die Ent­fer­nung zeigt, wie wenig Reprä­sen­ta­ti­on die LGBTQIA+-Szene im frü­hen deut­schen Rap hat­te. Doch war­um waren die Start­be­din­gun­gen für eine que­e­re deut­sche HipHop-​Szene so schlecht?

Die Ant­wort ist eigent­lich sim­pel, wie Ana­ly­sen wie "So poli­tisch kor­rekt ist Deutschrap" von PULS zei­gen. Oder man pumpt ein­fach mal ein x-​beliebiges Album aus den 90ern oder 00ern. Dass sich que­e­re Per­so­nen nicht neben Zei­len wie "Ich hab' kei­ne Lie­be für dich, Schwuch­tel, ich ver­tei­le Hie­be" ein­rei­hen wol­len und kön­nen, ist ver­ständ­lich. Wäh­rend deut­scher Rap in den nach­fol­gen­den Jah­ren bei der brei­ten Mas­se immer belieb­ter wur­de, wur­de es der LGBTQIA+-Community durch latent homo­pho­be und dis­kri­mi­nie­ren­de Zei­len schwer gemacht, einen Bezugs­punkt zu fin­den. Dabei gilt es aller­dings zu beach­ten, dass Hip­Hop auch nur die gesell­schaft­li­che Hal­tung wider­spie­gelt. Dis­kri­mi­nie­ren­de Zei­len fin­den ja auch nur dann ihr Publi­kum, wenn das Publi­kum auch dis­kri­mi­nie­ren­de Zei­len hören will. So nimmt die Nut­zung von dis­kri­mi­nie­ren­der Spra­che im Deutschrap-​Mainstream heut­zu­ta­ge auch immer mehr ab. HipHop-​Journalist Falk Schacht lie­fert dazu eine mög­li­che Begrün­dung: "Rap wird immer grö­ßer wer­den in Deutsch­land und Empö­rungs­wel­len und Shit­s­torms wer­den mehr auf die Rap­per zurück­fal­len. Das wird einen Ein­fluss auf sie haben, weil sie auf­pas­sen wer­den, wie sie sich ver­hal­ten."

Fakt ist aller­dings, dass deut­scher Rap que­er­feind­li­che Spra­che zumin­dest nicht unter­bun­den, wenn nicht sogar nor­ma­li­siert hat – damit ein­her gehen eben auch que­er­feind­li­che Welt­an­schau­un­gen. Das ist beson­ders scha­de, denn Que­er­ness und Rap soll­ten sich eigent­lich wun­der­bar ver­tra­gen: Es ent­steht Musik von Min­der­hei­ten, die authen­tisch aus ihrer Welt und vom täg­li­chen Kampf gegen Unter­drü­ckung und Unrecht berich­ten. Eine Sym­bio­se wie aus dem Bil­der­buch. Des­halb ergibt es nur Sinn, dass sich que­e­re Per­so­nen end­lich ihren wohl­ver­dien­ten Platz im deut­schen Rap sichern. Glück­li­cher­wei­se pas­siert das bereits. Rap­pe­rin Soo­kee lebt zum Bei­spiel seit den 2000ern ihre Que­er­ness offen in Tex­ten aus. Sie ist außer­dem Mit­her­aus­ge­be­rin des Buches "Awe­so­me Hip­Hop Humans", das sich mit der quee­ren Rap­sze­ne in Deutsch­land beschäf­tigt, die sich in den letz­ten 20 Jah­ren bil­den konn­te. Die­se Ent­wick­lung ist beson­ders bemer­kens­wert, wenn man bedenkt, wie reak­tio­när die Hal­tung vie­ler Hörer:innen und Rapper:innen ist, oder ein­fach noch mal die Kom­men­ta­re unter Flers Soli­da­ri­sie­rungs­post liest.

Trotz die­ses nicht gera­de frucht­ba­ren Kli­mas hat quee­rer Rap in Deutsch­land also mehr als nur einen Fuß in der Tür. Damit das auch so wei­ter­geht, gilt es, wie beim Chris­to­pher Street Day für Reprä­sen­ta­ti­on zu sor­gen. Ob in Play­lis­ten, Inter­views oder auf Fes­ti­vals: Die Sym­bio­se zwi­schen deut­schem Rap und der LGBTQIA+-Community muss geför­dert wer­den. Allein des­halb, weil die­ser Com­mu­ni­ty jahr­zehn­te­lang der Ein­tritt ver­wehrt oder min­des­tens erschwert wur­de. Vom Mit­wir­ken der quee­ren Com­mu­ni­ty pro­fi­tie­ren oben­drein nicht nur que­e­re Hörer:innen und Künstler:innen, son­dern auch die Mehr­heits­ge­sell­schaft. Denn Que­er­ness in der Öffent­lich­keit bricht mit den in der HipHop-​Szene ver­brei­te­ten hete­ro­nor­ma­ti­ven Welt­bil­dern. Ein Rap­per wie Ufo361 könn­te dann High Heels tra­gen, ohne hämi­sche Kom­men­ta­re zu ern­ten. Zusätz­lich wird mit Ste­reo­ty­pen und Vor­ur­tei­len gegen­über Min­der­hei­ten auf­ge­räumt, die im Rap zu oft und zu lan­ge repro­du­ziert und geför­dert wor­den sind. Ins­ge­samt kann man sagen: Rapper:innen wie Ebow, Kerosin95, Ali­ce Dee oder Mari­y­bu brin­gen auf musi­ka­li­scher sowie poli­ti­scher Ebe­ne fri­schen Wind in die deut­sche Rap­sze­ne. Wor­auf war­ten wir also noch? Deut­scher Rap und LGBTQIA+ kön­nen sich wun­der­bar ver­tra­gen – und das gilt es zu zeigen.

(Fejo­so)
(Gra­fik von Dani­el Fersch)