"Wo ist nur die Leichtigkeit geblieben?", fragt man sich von Zeit zu Zeit, wenn man nostalgisch an die eigene Jugend zurückdenkt. Wie unbeschwert kam einem das Leben doch vor, wie sorgenfrei erschien die Gegenwart und wie aufregend die Zukunft? "Das Ende der Leichtigkeit" – so titelte auch der SPIEGEL 2021 in einer Fotoserie über junge Menschen in Zeiten der Corona-Pandemie. Die These: Den Jugendlichen war das abhandengekommen, was das Jungsein ausmacht. Tatsächlich scheint es die Generation Z, also diejenigen, die um die Jahrtausendwende geboren wurden, nicht einfach zu haben. Erst gab es Lockdowns statt Partys, dann brach 2022 ein Krieg in Europa aus, und über allem schwebt die drohende Klimakrise. Kann diese Generation überhaupt so etwas wie jugendliche Leichtigkeit empfinden? Unser Gesprächspartner versucht, dieses Gefühl mit seinem unbeschwerten, melodischen Trapsound über Musik bei seinen Hörer:innen zu wecken. Außerdem ist er der Beweis dafür, wie schnell es im Rap manchmal geht: So kann es passieren, dass man als junger Artist 30 Minuten vor Abgabe seines ersten Releases merkt, dass man noch gar keinen Künstlernamen hat. In seinem Fall fiel die Wahl nach einer kurzen Brainstorming-Session auf den Namen kid kapri. Im Interview sprachen wir mit dem 21-Jährigen neben seinem rasanten Start als Rapper unter anderem über das Jungsein und Erwachsenwerden, das Lebensgefühl seiner Generation sowie Zukunftspläne und -ängste.
MZEE.com: Was bedeutet es für dich, jung zu sein?
kid kapri: Das bedeutet für mich vor allem, dass einem ganz viele Möglichkeiten offenstehen. Der größte Vorteil am Jungsein ist, dass du Zeit hast. Du kannst viele Sachen ausprobieren und lernen, wie das Leben funktioniert. Man hat die Chance, richtig viel über sich selbst herauszufinden. Dazu gehört auch, dass mal etwas schiefläuft. Trotzdem muss man immer alles ausprobieren, das ist meiner Meinung nach das Wichtigste. Im Endeffekt ärgert man sich sonst über Dinge, die man nicht gemacht hat, und darüber, dass man nie herausfinden konnte, was passiert wäre. Irgendwann ist das Kapitel Jugend nämlich vorbei. Dann bist du erwachsen und musst besser auf das Leben vorbereitet sein. Ich glaube, die Freiheiten, die du in der Jugend hast, werden dann immer weniger.
MZEE.com: Denkst du, die Einstellung, so vieles wie möglich auszuprobieren und alle Freiheiten zu nutzen, ist eine Besonderheit deiner Generation? Ich habe das Gefühl, ältere Menschen tun sich manchmal etwas schwer damit, wenn Jüngere nicht direkt von der Schule in eine Ausbildung oder ein Studium starten und danach sofort ins Arbeitsleben übergehen.
kid kapri: Ich glaube schon, dass die Leute früher genauso ihre Freiheiten ausgelebt haben. Als mein Vater 18 war, ist er mit dem Motorrad oder per Anhalter durch halb Europa gefahren. Das Besondere an meiner Generation ist etwas anderes. Wir werden durch das Internet und soziale Medien ständig damit konfrontiert, wie unglaublich viele Möglichkeiten in der Welt auf uns warten. Jeder teilt 24/7, was er macht, und zeigt damit anderen, was sie theoretisch erreichen können. Das war früher anders. Da wurdest du durch das Fernsehen oder irgendwelche Magazine zwar auch mit vielen Möglichkeiten konfrontiert, allerdings wurde dir nie so konkret vor Augen gehalten, wie man bestimmte Dinge wirklich schaffen kann und was alles möglich ist. Deshalb war es früher vielleicht einfacher, sich auf einen Weg festzulegen und zu sagen: "Das ist der richtige Plan für meine Zukunft."
MZEE.com: Wer sich mit dir beschäftigt, erhält den Eindruck, dass du sehr unbeschwert an die Dinge rangehst und dir ungern vorab zu viele Pläne oder Gedanken machst. Würdest du das so unterschreiben?
kid kapri: Eigentlich gehe ich an viele Dinge schon eher bedacht ran. Ich bin allgemein ein sehr vorsichtiger Mensch. Deshalb habe ich auch oft selbst Probleme damit, neue Dinge auszuprobieren, und frage mich: "Was ist, wenn das nicht klappt?" Aber die Aufgabe, das herauszufinden, nimmt dir niemand ab, dafür bist du ganz allein verantwortlich. Natürlich gehört oft Glück dazu, aber wenn ich eines gelernt habe, dann dass man keine Angst vor dem Leben haben darf. Ich weiß, wie es ist, wenn man gar nichts hat und jedes Mal sehen muss, wie man am Ende des Monats über die Runden kommt. Das ist kein schönes Leben, weil man sich nicht mehr frei fühlt. In dieser Zeit meines Lebens habe ich gemerkt, dass ich mich mehr trauen muss. Es ist dein eigenes Leben und du hast selbst in der Hand, wie weit du kommst. Also mach einfach und schau, was daraus wird. Genau das verstehe ich unter Leichtigkeit.
MZEE.com: Ist Geld für dich ein Schlüssel zum Glück?
kid kapri: Ohne Geld kannst du nicht frei leben, das ist einfach so. Natürlich gibt es Menschen, die mit wenig Geld gut klarkommen. In meiner Familie hat das ebenfalls funktioniert. Man lernt dann beispielsweise, die kleinen Dinge im Leben wertzuschätzen. Aber es belastet einen auch. Vor allem in jungen Jahren vergleicht man sich viel mit anderen. Ich habe gemerkt, dass es einem eine gewisse Freiheit verleiht, sich keine Gedanken oder Sorgen über finanzielle Probleme machen zu müssen. Wenn ich mal eine Familie habe, möchte ich dieses Level erreichen. Als Multimillionär würde ich wahrscheinlich am liebsten noch für meine Freunde und meine komplette Familie sorgen. Es wäre doch megaschön, wenn man Leute aus einer finanziellen Abhängigkeit herausholen kann. Aber es ist nicht mein Ziel, mit einem Privatjet herumzufliegen. Ich finde, man darf sich nur wegen Geld nicht über andere stellen und muss immer die Normalität und vor allem Menschen, die viel weniger haben, im Hinterkopf behalten. Aber Dinge wie eine Wohnung oder ein Auto, also dieser "einfache" Luxus, sind schon wichtig für mich. Wenn ich eine Familie habe, sollen meine Kinder sich über solche Sachen keine Sorgen machen müssen und nie das Gefühl haben, etwas nicht machen zu können, weil wir dafür kein Geld haben. Davon abgesehen ist Gesundheit noch sehr wichtig. All das bringt dir nur etwas, wenn du und deine Familie gesund sind.
MZEE.com: Am Anfang unseres Gesprächs sagtest du, dass das Kapitel "Jugend" und die damit einhergehenden Freiheiten irgendwann vorbei sind. Ab wann beginnt deiner Meinung nach der Ernst des Lebens?
kid kapri: Für mich persönlich war das nach meinem Abitur. Da hatte ich zum ersten Mal keinen geregelten Tagesablauf mehr. Ich bin jeden Tag um 14 Uhr aufgestanden, habe gekifft und teilweise gar nichts gemacht. Da habe ich gemerkt, dass ich mir jetzt selbst einen Plan machen muss. Die gesamte Schulzeit über ist dein Tagesablauf von anderen vorgeschrieben. Neben der Schule stecken dich deine Eltern in irgendeinen Sportverein und du hast weitere geregelte Routinen. Nach dem Abi habe ich mich zum ersten Mal gefragt: "Was mache ich jetzt eigentlich?" Du kannst natürlich ein, zwei Jahre chillen oder reisen gehen und die Welt entdecken. Es war aber unklar, ob das finanziell für mich möglich ist. Meine Eltern wollten, dass ich anfange, Bewerbungen zu schreiben. Aber ich wusste gar nicht, wofür ich mich bewerben soll. Ich habe überlegt, zu studieren, dann wollte ich ein Praktikum machen, dann habe ich im Lager gearbeitet. Da habe ich gemerkt, dass es das beste Gefühl überhaupt ist, selbst verdientes Geld auszugeben. Es war aber nicht leicht, gute Jobs zu finden, das hat mich deprimiert. Das Ende der Geschichte war ganz lustig und spontan. Ich stand in einem Moment in meinem Zimmer und dachte: "Boah, eigentlich müsste man einfach Rapper sein. Könnte ich das?"
MZEE.com: Ich wollte dich sowieso als Nächstes fragen, wann die Musik in dein Leben getreten ist.
kid kapri: Das war vor ziemlich genau zwei Jahren. Da habe ich zum ersten Mal etwas aufgenommen. Mein Bruder und Florida Juicy kennen sich seit Ewigkeiten und haben schon früher zum Spaß Musik aufgenommen. Ich fand das richtig cool und hatte Musik allgemein immer in meinem Herzen. Es gibt Videos aus meiner Kindheit, in denen ich Sido nachrappe oder so tue, als wäre ich ein Kandidat bei DSDS. Aber ich hatte bis dahin nie daran gedacht, selbst Musik zu machen. Dann habe ich mich mit ein paar Homies zusammengesetzt und einfach mal einen Song geschrieben. Den habe ich Florida Juicy gezeigt und er meinte: "Voll nice, komm mal ins Studio und lass uns das richtig machen." Das hat mir zu Beginn sehr geholfen. Florida Juicy macht seit zehn Jahren Musik und hat mir beigebracht, wie man Texte schreibt. Ich musste das alles erst einmal lernen. Wir haben dann drei Songs aufgenommen. Einen davon, "Crémant auf Eis", haben wir rausgebracht. Es lief auf Anhieb gut und der Song ist in der Playlist "Deutschrap Brandneu" gelandet, womit ich niemals gerechnet hätte. Auch für mein Umfeld in meiner Heimatstadt Bremen war das sehr überraschend, glaube ich. Die haben sich gefragt: "Wo kommt das denn auf einmal her? Der Typ war doch gerade noch in der Schule und hat irgendwelche Sachen auf seinen Tisch gekritzelt." Aber meine Freunde fanden es cool und haben mich darin bestärkt, mehr zu machen. Also habe ich mich hingesetzt und das getan. Insgesamt ist es schon eine verrückte Story, aber ich habe das Gefühl, es sollte so sein.
MZEE.com: War das der Punkt, an dem du entschieden hast, dass Musik dein Plan für die Zukunft ist?
kid kapri: Der Punkt, an dem es sich endgültig dahin entwickelt hat, war, als ich wirklich heartbroken war. Es ging mir eine Zeit lang relativ scheiße. Um da herauszukommen, habe ich mich mit meinem Bruder hingesetzt und einen Zukunftsplan gemacht. Das würde ich jedem jungen Menschen empfehlen. Man muss sich fragen: "Wer bin ich? Was habe ich bis jetzt erreicht? Was sind meine Stärken und Schwächen? Wie kann ich mich noch entwickeln?" Wir haben alles aufgeschrieben, am Ende sind es fünf Seiten über mich geworden. Da stand beispielweise, dass ich in einem Jahr in einem Café in Berlin sein möchte und am Laptop etwas für mein Studium machen will. In zwei Jahren wollte ich in einer Altbauwohnung am Schreibtisch sitzen und 50 Cent hören. Meine Musik hat auch eine Rolle in diesem Plan gespielt. Ich habe überlegt: "Was ist, wenn Rap irgendwann zum Hauptthema wird? Vielleicht habe ich in einem Jahr sieben Songs releast und einen Sony-Deal." Ich habe mir vorgenommen, das zu verfolgen und meine Gedanken und Gefühle zu Musik zu machen. Eine Woche später habe ich "Mosaik" geschrieben. Ein Jahr später hatte ich sieben Songs releast, einen Sony-Deal und saß in einer Altbauwohnung. Man muss seine Zukunft manifestieren, dann macht man die Dinge automatisch und sie funktionieren irgendwie. Dass es so schnell ging, muss ich auch erst noch realisieren. Aber ich hatte anscheinend gutes Karma.
MZEE.com: Du bist Teil der Gen Z. Viele aus deiner Generation sehen sich schon in jungen Jahren dazu gezwungen, auf die Straße zu gehen und beispielsweise auf die Gefahren des Klimawandels aufmerksam zu machen. Kann die Gen Z ihre Jugend noch genau so unbeschwert genießen wie junge Menschen vor zehn oder zwanzig Jahren?
kid kapri: Das ist schwierig zu beantworten. Ich glaube, ein Thema, das uns stark beeinflusst, ist das Internet. Ich habe eine richtige Hassliebe dazu. Wir leben in einer Zeit, in der wir alles, was auf der Erde geschieht, sofort erfahren. Wenn in der Türkei ein schlimmes Erdbeben passiert, wissen wir das fünf Minuten später. In den 80ern war das anders, da hast du einfach weniger mitbekommen. Ich glaube nicht, dass die Welt heute besonders kaputt ist. Früher ist doch auch schon viel Scheiße passiert, nur bekommen wir heute viel mehr davon mit. Wir haben einen riesigen Input an Informationen. Viele sind mit diesem Durcheinander im Kopf überfordert, weil sie nicht gegen jedes Problem etwas tun können. Deshalb machen sich die Menschen mehr Sorgen um die Zukunft. Dann kamen solche Krisen wie die Corona-Pandemie dazu, in der man mit seinen Gedanken eingesperrt war und sich diese noch mehr in die Köpfe fraßen. Natürlich ist es wichtig, als Gesellschaft so etwas wie das Thema Klimawandel stärker zu behandeln. Bei einigen entstehen dadurch allerdings Sorgen, in Zukunft in ihrer Freiheit beraubt zu sein. Das Internet ist dabei ein verstärkender Faktor und ein wichtiger Grund dafür, warum junge Menschen nicht mehr unbeschwert durchs Leben gehen können und Zukunftsängste bekommen.
MZEE.com: Machst du dir auch manchmal Sorgen um die Zukunft?
kid kapri: Ich habe superviel Angst vor der Zukunft. Ich hätte selbst nicht gedacht, wie viel auf der Welt passiert. Als Kind merkt man das nicht, weil man andere Dinge im Kopf hat. Aber ich bin jetzt 21 und ein erwachsener Mensch, dem bewusst ist, was auf der Erde abgeht. Natürlich macht das einem Angst. In den Nachrichten heißt es: "Hier war ein Erdbeben mit vielen Toten, dort fliegen fünf Spionage-Ballons über Nordamerika, von denen keiner weiß, wo sie herkommen, und in der Ukraine ist weiterhin Krieg." Die Menschen checken gar nicht mehr, was der Sinn ihres eigenen Lebens ist. Wie ich immer gut aus so was rauskomme, ist, im Hier und Jetzt zu bleiben. "Die Zukunft" gibt es an sich ja gar nicht, sie ist nur erdacht. Es ist nur eine Vorstellung, denn du kannst sie nicht vorhersagen. Deswegen musst du dich darauf fokussieren, was du in dieser Sekunde tun kannst. Es macht keinen Sinn, sich in seinem Bett zu verankern und Sorgen zu machen, dass sowieso alles den Bach runtergeht. Du musst das Beste aus deiner Situation herausholen. Das heißt aber nicht, dass man nur nach dem größten Nutzen für sich selbst sucht.
MZEE.com: Du meinst, man muss sich auf sich selbst fokussieren, aber darf gleichzeitig nicht egoistisch werden.
kid kapri: Genau. Man muss das Beste zum Wohle aller aus einer Situation herausholen. Dieses Gefühl habe ich beispielsweise mit Musik. Musik ist für mich wie Therapie, in der ich meine persönlichen Gedanken und Probleme verarbeite. Und plötzlich schreiben mir fremde Leute: "Mir geht es gerade richtig scheiße, aber mit deiner Musik fühle ich mich etwas besser." Dann denke ich mir: "Krass, ich kann nicht nur mir selbst, sondern auch anderen helfen." Das ist ein gutes Gefühl.
MZEE.com: In der Popkultur ist Retro-Ästhetik gerade beliebt. Das reicht vom 80er Jahre-Charme bei "Stranger Things" bis hin zu 2000er-Samples im deutschen Rap. Glaubst du, die Jugend romantisiert vergangene Jahrzehnte?
kid kapri: Ja, das kann man so sagen. Viele haben einen bestimmten Eindruck von der Welt früher und wünschen sich das zurück. Wenn ich beispielsweise alte Videos sehe, in denen Jugendliche durch eine amerikanische Highschool laufen, habe ich auch das Gefühl, dass es damals mehr Miteinander gab. Es wirkt so, als würde nicht jeder nur an sich denken, so als ob alle viel offener und mehr sie selbst wären. Heutzutage wird durch soziale Medien sehr viel übereinander geurteilt und alle haben eine Art perfekte Norm im Kopf, wie man zu sein hat. Das war früher, glaube ich, anders. Du hast nicht den ganzen Tag auf Instagram gechillt und geguckt, was andere machen, sondern hast einfach dein eigenes Ding gemacht. Genau danach sehnen sich viele heute. Es deprimiert nämlich, ständig nur zu sehen, was man theoretisch sein könnte und was andere haben. Am Ende versuchst du, jemand zu sein, der du gar nicht sein kannst, und das zerstört dich.
MZEE.com: Deine Songs handeln zum einen von Unbeschwertheit und sorgenfreien Partynächten, gleichzeitig schwingt jedoch auch immer eine Melancholie und Sehnsucht nach mehr mit. Würdest du sagen, dieser Gegensatz beschreibt die Gefühlslage deiner Generation?
kid kapri: Ja. Die meisten versuchen, das Beste aus ihrem Leben zu machen und es zu genießen. Gleichzeitig fragen sie sich andauernd, ob sie gerade das Richtige tun oder ob sie überhaupt so unbeschwert durchs Leben gehen dürfen. Man macht sich beispielsweise viele Gedanken um Beziehungen aller Art, sei es beim Thema Liebe oder Freundschaft. Die Melancholie kommt immer wieder, weil junge Menschen ständig hinterfragen und ihre Situation mit anderen vergleichen. Daraus muss man einen Ausweg finden, denn am glücklichsten bist du, wenn du dich selbst akzeptierst und aufhörst, dich zu vergleichen.
MZEE.com: Du bist mittlerweile von deiner Heimatstadt Bremen nach Berlin gezogen. Dort trifft man auf eine ganze Reihe junger Rapper:innen, die zwar teils sehr unterschiedliche Musik machen, von außen betrachtet jedoch gut vernetzt zu sein scheinen. Was bringt es dir persönlich, ein Teil dieser "Berlin New Wave" zu sein?
kid kapri: Ich bin hier auch schon ein bisschen vernetzt und habe einige krasse Leute kennengelernt. Mit XAVER habe ich beispielsweise neulich zwei Songs gemacht, wovon einer bestimmt bald rauskommt. Apsilon ist auch supercool. Ich mag, dass die Leute hier sehr sie selbst sind und ihren Charakter selbstbewusst nach außen tragen. Die wissen einfach genau, was sie wollen. Ich glaube, das hat viel mit der Stadt zu tun. Meine Freundin kommt aus Berlin und bei ihr merke ich das auch immer wieder. Wer hier aufwächst, sieht viel mehr als anderswo, weil es hier so eine große Menge verschiedener Menschen gibt. Du wirst in Berlin selbstbewusster, weil du lernst, dass es kein Schwein juckt, wer du bist oder wie du aussiehst, wenn du durch die Straßen läufst. Das gewöhnst du dir mit der Zeit an und hörst selbst auf, dich zu sehr auf andere Menschen zu fokussieren. Berliner sind außerdem ziemlich abgehärtet, das merke ich auch bei meiner Freundin. Ich denke mir teilweise: "Du kannst doch jetzt nicht nachts um drei Uhr mit der U-Bahn fahren." Aber für sie ist das normal. Das ist für mich der Vibe dieser Stadt. Viele sind davon am Anfang eingeschüchtert und versuchen, sich irgendwo dranzuhängen und vieles auszuprobieren, bevor sie ihre eigene Persönlichkeit finden. Deshalb kann es sich hier auch sehr oberflächlich anfühlen. Für mich war Berlin zu Beginn sehr ungewohnt. Wenn du in Bremen das Haus verlässt, triffst du ständig Menschen, die du kennst. Du machst dir die ganze Zeit Gedanken darüber, wie du aussiehst und wie andere dich sehen. In Berlin bin ich anfangs durch die Straßen gelaufen und habe jeden Menschen angeguckt. Aber irgendwann habe ich gemerkt, dass gar keiner zurückguckt. Wenn da ein Typ auf Stelzen rumläuft, macht der auch nur sein Ding. Leben und leben lassen. Was diese Themen angeht, ist es ein unbeschwertes Leben in Berlin. Das mag ich.
MZEE.com: Auf dem Song "357" rappst du: "Hab' auch vieles verbockt, glaub mir, jeder macht mal Fehler." – Was war das Dümmste, das du je aus jugendlichem Leichtsinn heraus angestellt hast?
kid kapri: Das war allgemein, viel für andere zu machen und dabei nicht auf mich selbst zu achten. Das hat teilweise schwierig geendet für mich. Ich habe gemerkt, dass ich erst mal mit mir selbst im Reinen sein muss. Erst dann kann ich beispielsweise anderen Leuten meine Liebe schenken. Das hätte ich in der Vergangenheit besser machen können, aber damit wären wir wieder bei unserem Anfangsthema. Das sind Fehler, die man machen muss, um daraus zu lernen. Wichtig ist nur, dass man auch einsieht, was man falsch gemacht hat. Manche wollen das nicht und machen die gleichen Fehler immer wieder. Ich bin auch kein perfekter Mensch und werde vermutlich weiterhin manche Sachen falsch machen oder mit Leuten anders umgehen, als ich eigentlich will. Man lernt sein ganzes Leben lang dazu. Aber man sollte die Chance nutzten, sich schon in jungen Jahren damit auseinanderzusetzen und an sich zu arbeiten. Dann ist das Leben unbeschwerter, als wenn man einen Stapel Probleme vor sich herschiebt, der einen irgendwann einholt.
(Enrico Gerharth)
(Fotos von Christian Wasenmüller und Jonas Scharf)