Flexis feat. Naomi Knopf – Freudentränen
"Was?! Du kennst das nicht? Sekunde, ich such' dir das mal raus." Und schon öffnet sich die Plattenkiste. Wer kennt diesen Moment nicht? Man redet über Musik und auf einmal fällt ein Name – egal ob von einem Song, einem:einer Künstler:in oder einem Album – mit dem man nicht so recht etwas anzufangen weiß. Und plötzlich hagelt es Lobpreisungen, Hasstiraden oder Anekdoten. Gerade dann, wenn der:die Gesprächspartner:in ins Schwärmen verfällt und offen zeigt, dass ihm:ihr das Thema wichtig ist, bittet man nicht allzu selten um eine Kostprobe. Die Musik setzt ein und es beginnt, was der Person so sehr am Herzen zu liegen scheint. In diesem Fall – was uns so sehr am Herzen liegt: Ein Auszug aus der Musik, mit der wir etwas verbinden, die wir feiern, die uns berührt. Ein Griff in unsere Plattenkiste eben.
Royal Bunker oder auch Mach One sind wahrscheinlich fast allen HipHop-Fans ein Begriff. Jede:r kennt K.I.Z, fast jede:r hat schon mal von "Meisterstück Vol. 2" gehört. Dass allerdings in genau diesen Kreisen auch Flexis sein Unwesen treibt, ist vermutlich nicht so bekannt. Selbst auf meiner Bildfläche erschien der Berliner erst 2018 mit seinem Mixtape "Kaufhaus Jandorf". Dabei ist er genauso eloquent und weiß mit Wortwitz und Sarkasmus der Welt ihre Abgründe aufzuzeigen wie die genannten Kollegen. Mir zeigt das besonders der Track "Freudentränen" von besagtem letzten Tape.
Der Track beginnt mit einer tiefen und bedrohlichen, wabernden Bassline, die die Grundlage von Bobby Soulos Beat bildet. Kurz darauf setzen die ebenso dumpfen Drums ein – gleichzeitig mit Flexis erstem Part. Ab diesem Zeitpunkt nimmt der Track massiv an Fahrt auf, schnell und klar verständlich rappt der Berliner in den Parts von Exzessen und den Gründen dafür. Es ist für mich als Hörer einerseits bedrückend surreal, andererseits aber auch sehr gut nachvollziehbar, wie Flexis hier die Flucht vor sich selbst schildert. Ob nun "Dann scheiß ich drauf und feier', mich interessieren meine Sorgen nicht" oder "Finde keine innere Ruhe, jede Woche wird sich abgeschossen" – jede einzelne Zeile sagt: "Ich feiere das Leben" und gleichzeitig "Mir geht es unfassbar dreckig". Dieses sich steigernde Gefühl des Selbsthasses, das das lyrische Ich durch das Feiern überspielt, gipfelt dann in den "Erholungsphasen" des Tracks: In der Hook wird der Beat ein wenig zurückhaltender von den einsetzenden Streichinstrumenten geleitet und Naomi Knopf bringt mit ihrem engelsgleichen Gesang die Intention des Tracks mit Zeilen wie "Ich renne lächelnd in die Klinge" auf den Höhepunkt.
"Freudentränen" ist rundum gelungen und zeigt alle Stärken des Berliner Geheimtipps auf einmal: ein prägnanter Flow, durchdachte Parts, die beim Hören klare Bilder im Kopf zeichnen, und ein Gespür für das richtige Maß an dreckigen Inhalten. Flexis mag nicht so bekannt sein wie die eingangs genannten Kollegen, aber er kann in meinen Augen musikalisch wie textlich mühelos mit ihnen mithalten und verdient daher mehr Gehör.
(Lukas Päckert)