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Interview

Torky Tork – ein Gespräch über das Leben als Vater

"Es macht vie­le Sachen sehr viel ein­fa­cher, weil man­che Pro­ble­me plötz­lich ganz unwich­tig sind und Fra­gen sich teil­wei­se gar nicht mehr stel­len." – Tor­ky Tork im Inter­view über Ver­än­de­run­gen, die ein Kind in eine Part­ner­schaft bringt, den Ein­fluss sei­ner eige­nen Eltern und die Ängs­te eines Vaters.

"Ich sorg' für uns alle mit der Mucke, Mama. Wie ver­rückt ist das? Wir kom­men von unten, Mama." – "Wärst du ein Sohn wie ich, wär Mama nicht stolz auf dich. Doch mei­ne ist stolz auf mich." – "Und ich bete, dass die Zeit nie ver­geht, Mama. Du hast mir gezeigt wie man lebt, Mama." – Wir alle haben sie gehört: Die unzäh­li­gen Tracks, die der jeweils tolls­ten Mama der Welt gewid­met sind. Ohne Fra­ge gibt es die­se völ­lig zurecht, denn Müt­ter voll­brin­gen Groß­ar­ti­ges. Songs über tol­le Väter hin­ge­gen sind ver­schwin­dend gering. Und obwohl es jede Men­ge rap­pen­de Väter gibt, sind auch ehr­li­che Tex­te über die­se Rol­le eher sel­ten zu fin­den. Dabei wäre das eine span­nen­de Per­spek­ti­ve: Väter, die auch Angst haben, müde sind, ger­ne Zeit zu Hau­se ver­brin­gen, ihre Kin­der ver­göt­tern und ihre Fami­li­en in jeder Lebens­la­ge unter­stüt­zen wollen. 

Tor­ky Tork pro­du­ziert nicht nur an allen mög­li­chen Ecken der Unter­grund­sze­ne, er ist auch Vater und lebt mit sei­ner Fami­lie nun seit zwei Jah­ren in Hol­land. Der:die ein oder ande­re durf­te sei­nem Sohn sogar schon auf dem Audio88 & Yassin-​Album "Todes­lis­te" lau­schen, auf dem die bei­den ver­tre­ten sind. Er war bereit, einen Ein­blick in sein Fami­li­en­le­ben zu gewäh­ren und sprach mit uns dar­über, in wel­chen Momen­ten sich die Rol­le des Vaters von der Rol­le der Mut­ter unter­schei­det, wie­so man als Eltern­teil nicht immer per­fekt sein muss und wel­chen Ein­fluss die Erzie­hung sei­ner Eltern heu­te noch auf ihn hat. Dabei sind wir immer von hete­ro­se­xu­el­len Eltern aus­ge­gan­gen, was ein­fach dar­auf beruht, dass es um sei­ne Per­spek­ti­ve gehen soll­te. Es gibt selbst­ver­ständ­lich auch jede Men­ge ande­re und gleich­wer­ti­ge Fami­li­en­mo­del­le, in denen Kin­der groß werden.

MZEE​.com​: Zur Vor­be­rei­tung des Inter­views habe ich mit eini­gen Män­nern dar­über gespro­chen, wel­che Fra­ge sie ihren eige­nen Vätern über Vater­schaft stel­len wür­den. Die häu­figs­te Ant­wort war: "Hät­test du ger­ne mehr Zeit zu Hau­se ver­bracht?" – Wel­che Fra­ge wür­dest du stel­len wollen?

Tor­ky Tork: (über­legt) Dar­über müss­te ich län­ger nach­den­ken. Aber viel­leicht, ob er im Nach­hin­ein irgend­et­was anders gemacht hät­te. Viel­leicht dach­te er damals, dass alles cool war, aber hat jetzt fest­ge­stellt, dass es nicht der rich­ti­ge Weg war. Kei­ne Ahnung, was das sein soll und ich will auch nicht sagen, dass mein Vater etwas falsch gemacht hät­te. Ich den­ke, dass mei­ne Eltern fast alles rich­tig gemacht haben, aber das wür­de mich am meis­ten interessieren.

(Ein "Hal­lo!" aus dem Off, da jemand von der Schu­le heim­kommt. Dann kurz ein klei­nes, grin­sen­des Gesicht neben dem gro­ßen, grin­sen­den Gesicht in der Kamera.)

MZEE​.com​: Gibt es trotz des­sen, dass dei­ne Eltern dei­ner Mei­nung nach alles rich­tig gemacht haben, etwas, das du ger­ne anders machen möch­test als sie?

Tor­ky Tork: Na ja, es hat Vor- und Nach­tei­le, wenn dei­ne Eltern alles rich­tig gemacht haben. Manch­mal braucht man ein schlech­tes Bei­spiel, um es bes­ser zu machen. Obwohl das auch Quatsch ist, weil man sich ja kei­ne Eltern wünscht, die stän­dig Feh­ler machen. Viel­leicht ist es schwie­ri­ger, sich zu lösen und sein eige­nes Ding zu machen. Das dau­ert län­ger, wenn man mit sei­nen Eltern wirk­lich gut ist. Ich glau­be, ich fin­de gera­de noch her­aus, was ich anders mache als sie.

MZEE​.com​: Also war das Ver­hält­nis zu dei­nen Eltern immer gut?

Tor­ky Tork: Natür­lich nicht immer. Es gab ganz schwie­ri­ge Zei­ten, in denen wir nur gestrit­ten und gro­ße Kämp­fe aus­ge­tra­gen haben. Die meis­ten Fights hat­te ich als Teen­ager mit mei­ner Mut­ter, die eine von Grund auf gute Per­son ist. Es ist noch schwie­ri­ger, gegen jeman­den zu kämp­fen, der eigent­lich etwas Gutes inten­diert. Aber mei­ne Mut­ter und ich muss­ten alles bis zum Ende aus­dis­ku­tie­ren. Ande­re Eltern hät­ten wahr­schein­lich gesagt: "Halt die Schnau­ze. Ver­schwin­de in dein Zim­mer." Bei uns gab es aber stun­den­lan­ge Dis­kus­sio­nen. Viel­leicht hät­te man da manch­mal sagen müs­sen: "Okay, wir kom­men hier nicht wei­ter. Wir dis­ku­tie­ren das an ande­rer Stelle."

MZEE​.com​: Dann hast du ja viel­leicht doch etwas mit­ge­nom­men, das du anders machen möchtest.

Tor­ky Tork: Stimmt. (grinst) Hat jetzt lan­ge gedau­ert auf den Punkt zu kom­men, aber das ist auch wirk­lich ein kom­pli­zier­tes Thema.

MZEE​.com​: Als Frau wird man schon ziem­lich früh mit dem The­ma "Mut­ter­schaft" kon­fron­tiert, weil der Wunsch danach von der Gesell­schaft vor­aus­ge­setzt wird. Außer­dem gibt es die berühmt-​berüchtigte "ticken­de Uhr". Wann hast du den Beschluss gefasst, dass du Vater wer­den möchtest?

Tor­ky Tork: Mir war klar, dass ich Kin­der oder ein Kind haben will, aber das war für mich immer weit ent­fernt. Das liegt ver­mut­lich auch dar­an, dass mei­ne Eltern schon ein biss­chen älter waren, als sie mich bekom­men haben und ich sel­ber so ein Kinds­kopf bin. Aus mei­ner eige­nen Erfah­rung her­aus dach­te ich, dass es völ­lig okay ist, wenn man damit erst spä­ter los­legt. Gleich­zei­tig habe ich aber, als wir in mei­ner Fami­lie alle älter gewor­den sind, gemerkt, dass es auch Vor­tei­le hat, wenn man frü­her Vater wird. Um spä­ter noch mehr Zeit zusam­men zu ver­brin­gen und Ener­gie zu haben. Aber man kann das sowie­so nicht rich­tig pla­nen. Man­che Leu­te ver­su­chen jah­re­lang, Kin­der zu bekom­men und es klappt nicht. Wie­der­um wer­den nach einem One-​Night-​Stand schwan­ger. Das ist voll die Magie und man kann das nicht bestim­men. Wir hat­ten irgend­wann die Idee und dann haben wir ein­fach gemacht. (lacht) Ich hät­te wahr­schein­lich noch ewig ver­sucht, so viel Musik wie mög­lich zu machen. Des­we­gen bin ich froh, dass es doch frü­her als erwar­tet pas­siert ist. Und ganz anders als erwar­tet, hat es dann selbst das Musik­ma­chen krass berei­chert. Weil viel mehr Moti­va­ti­on da ist, noch bes­ser zu sein, Sachen fer­tig zu machen und sie raus­zu­brin­gen. Weißt du, man fängt mit ein paar Jungs aus Jux und Tol­le­rei mit der Musik an. Mit der Zeit wird es immer pro­fes­sio­nel­ler, man gibt sich mehr Mühe und lernt dazu. Und wenn man Vater oder Mut­ter wird, wird auf ein­mal alles noch viel wich­ti­ger. Du musst damit eine Fami­lie ernähren.

MZEE​.com​: Was war das für ein Gefühl, als du rea­li­siert hast, dass du ein Kind bekommst?

Tor­ky Tork: Bei mir dau­ert es immer ein biss­chen län­ger, bis der Gro­schen fällt. (lacht) Ich bin so in mei­nem Modus und am Ackern. Das Gefühl kam eigent­lich erst, als ich den Klei­nen auf der Brust hat­te. Da ist das rich­tig kon­kret gewor­den. Und es wird mit jedem Tag kon­kre­ter. Jeden Tag pas­siert etwas Neu­es. Er kommt an und sagt plötz­lich Sachen, bei denen ich mir den­ke: "Hä, was ist denn hier los? Jetzt klaut er schon mei­ne Sprü­che." Am Anfang krab­beln sie auf dem Boden rum und sagen nur: "Dada­da." Das ist natür­lich mein Kind, aber ein klei­nes Baby. Und jetzt ist er ein rich­ti­ger klei­ner Mensch.

MZEE​.com​: Es wird ja oft erzählt, dass Frau­en im Gegen­satz zu Män­nern schon in der Schwan­ger­schaft star­ke elter­li­che Gefüh­le bekom­men. Hast du das also auch so wahrgenommen?

Tor­ky Tork: Ja, das ist auf jeden Fall noch mal etwas ganz ande­res. Das Baby wächst ja in der Frau her­an. Und das geht auch nach der Geburt wei­ter. Wenn man ein Kind fra­gen wür­de, das sich an die­se Zeit erin­nern könn­te, wür­de es dir wahr­schein­lich sagen: "Mein Vater war mir total egal. Der hat­te kei­nen Busen und konn­te nichts für mich machen. Der ist manch­mal vor mir auf­ge­taucht, hat gelacht und mich durch die Luft geschmis­sen." Es dau­ert ja ein paar Mona­te, bis dein Kind dich so rich­tig als Papa wahr­nimmt. Die ers­te Zeit wäre es dem Baby ver­mut­lich egal, ob man da ist oder nicht. Zur Mut­ter hat es ein­fach eine ganz ande­re Bindung.

MZEE​.com​ Gera­de am Anfang muss die Mut­ter auch kör­per­lich viel mehr geben. Glaubst du, dass es zwi­schen hete­ro­se­xu­el­len Eltern heut­zu­ta­ge kom­plet­te Gleich­be­rech­ti­gung geben kann – unab­hän­gig davon, ob man davor eine gleich­be­rech­tig­te Bezie­hung geführt hat?

Tor­ky Tork: Ich glau­be, wenn die Eltern­tei­le den glei­chen Anteil Zeit und Lie­be inves­tie­ren, sind sie auch gleich­be­rech­tigt. Aber am Anfang ist das natür­lich kom­plett anders. Das geht sicher­lich ein bis zwei Jah­re so. Danach hat man aber ja noch ein paar Jah­re um das auszugleichen.

MZEE​.com​: Gibt es Momen­te, in denen du dich als Vater gegen­über der Mut­ter benach­tei­ligt fühlst?

Tor­ky Tork: (über­legt) Nein. Die Mamas sind schwer benach­tei­ligt. Hier in den Nie­der­lan­den zum Bei­spiel hast du drei Mona­te Zeit mit dei­nem Baby, bevor du zurück in die Arbeit musst. In Deutsch­land kannst du dir wirk­lich lan­ge frei neh­men, bekommst Geld und hast einen Anspruch auf dei­nen Arbeits­platz. Wenn du in den Nie­der­lan­den ein Kind bekom­men willst, musst du dir über­le­gen, dass es im Alter von drei Mona­ten in eine KiTa kommt. Da lie­gen dann die gan­zen Kin­der in so Hän­ge­din­gern rum und krie­gen Ersatz­milch. Die Mut­ter muss sich ent­schei­den: Kind oder Kar­rie­re. Das ist doch völ­lig rückschrittlich.

MZEE​.com​: Wie schwie­rig wird Part­ner­schaft, wenn man ein Kind bekommt?

Tor­ky Tork: Es wird auf jeden Fall schwie­ri­ger. Man ist oft müde und es ist immer jemand zustän­dig. Und natür­lich ver­än­dert sich die Part­ner­schaft und es gibt neue Pro­ble­me. Man muss sich abspre­chen, was man gut fin­det, und Regeln abste­cken. Aber das schweißt einen auch total zusam­men. Es macht vie­le Sachen sehr viel ein­fa­cher, weil man­che Pro­ble­me plötz­lich ganz unwich­tig sind und Fra­gen sich teil­wei­se gar nicht mehr stel­len. Die­se Sache ist dann viel wich­ti­ger als Klei­nig­kei­ten, über die man sich frü­her viel­leicht Gedan­ken gemacht oder gestrit­ten hat. Das Posi­ti­ve über­wiegt – in einer guten Bezie­hung natür­lich. Die Pro­ble­me, die man vor­her schon hat­te, mit Kind zu lösen, ist aller­dings eine grö­ße­re Auf­ga­be, den­ke ich. Wenn es davor schon nicht gut war, ist ein Kind meis­tens nicht die Lösung, die alles zusammenschweißt.

MZEE​.com​: Ich habe eine Rezen­si­on zu der Serie "MAPA" gehört, in der wohl eine rea­lis­ti­sche Dar­stel­lung des Eltern­seins gezeigt wer­den soll. Die Rezen­sie­ren­den fan­den das sehr erfri­schend, da das in Film und Fern­se­hen sonst eher aus­bleibt. Hat­test du vor dei­ner Vater­schaft eine rea­lis­ti­sche Vor­stel­lung davon, was dir bevorsteht?

Tor­ky Tork: Ich den­ke, man weiß schon unge­fähr, was auf einen zukommt, aber gleich­zei­tig hat man auch kei­ne Ahnung. (schmun­zelt) Man fängt ein­fach damit an, ein Eltern­teil zu sein, und dann muss man das durch­zie­hen. Das ist ja kei­ne Turn­übung, an der man nicht mehr teil­nimmt, wenn man sich den Knö­chel ver­staucht hat. Wenn der Klei­ne schreit, musst du hin. Wenn er mor­gens in die Schu­le muss, musst du auf­ste­hen. Du kannst nicht lie­gen blei­ben. Du musst der Ver­ant­wor­tung nach­kom­men, die du gegen­über die­sem klei­nen Men­schen hast. Dar­an führt kein Weg vorbei.

MZEE​.com​: Der Sozio­lo­ge Alo­is Her­thl, der viel zum The­ma "Vater­schaft" forscht, sagt, ein guter Vater sei offen und emp­fäng­lich für emo­tio­na­le Bedürf­nis­se. Was für ein Vater möch­test du für dei­nen Sohn sein?

Tor­ky Tork: Ich muss die gan­ze Zeit über dei­ne ers­te Fra­ge nach­den­ken. Um da noch mal den Bogen zu span­nen: Ich glau­be, es ist wich­tig, ein­fach da zu sein. Es gibt so Super­vä­ter, die ihre gan­ze Frei­zeit mit coo­len Unter­neh­mun­gen voll­pla­nen und deren Hob­by es ist, mit ihren Kin­dern gei­le Sachen zu unter­neh­men. Da gucken die nor­mal­sterb­li­chen Väter manch­mal rüber und den­ken sich: "War­um bin ich nicht so?" Aber ich glau­be, es braucht gar nicht unbe­dingt die­se Beschäf­ti­gungs­the­ra­pie. Am wich­tigs­ten ist, dass dein Kind sich sicher, geliebt und gehört fühlt. Man soll­te da und auf­merk­sam sein. Das heißt nicht, dass man die gan­ze Zeit dane­ben sit­zen muss. Es kommt natür­lich ganz dar­auf an, wel­che Per­sön­lich­keit du da vor dir hast. Mein Kind ist genau­so, wie ich frü­her war. Ich woll­te ein­fach nur mein Ding machen, malen, mit Lego spie­len und Kas­set­ten hören. Ich war in mei­ner eige­nen Welt und woll­te da auch sein. Das Alter, in dem mein Sohn gera­de ist, ist die bes­te Zeit des Lebens. Du ent­deckst die Welt für dich und hast noch dei­ne gan­ze Fan­ta­sie. Du bist noch nicht von die­sen komi­schen Zwän­gen berührt. Aber es gibt auch genü­gend Kin­der, die viel Action brau­chen. Mein Kind traut sich nicht mal, die dop­pel­te Stu­fe zu neh­men. (lacht) Ande­re sprin­gen schon von Bäu­men run­ter und sind total kör­per­lich. Kin­der ent­wi­ckeln sich so unterschiedlich.

MZEE​.com​: Spielt Musik eine gro­ße Rol­le bei euch zu Hause?

Tor­ky Tork: Ja, schon. Es läuft zu Hau­se nicht ganz so viel Musik, weil ich eh schon den gan­zen Tag wel­che auf den Ohren habe. Aber mein Sohn hat so einen klei­nen Play­er, über den er Sachen hören kann und auch einen Plat­ten­spie­ler. Das fei­ert er schon krass ab. Er fei­ert auch bestimm­te Lie­der total, die wir irgend­wann im Auto gehört haben. Die müs­sen dann immer wie­der ange­hört wer­den. Zum Bei­spiel "99 Luft­bal­lons" von Nena. Das kam neu­lich in Hol­land im Radio und seit­dem sagt er immer wie­der: "Papa, ich will '93 Luft­bal­lons' hören." Es gibt so Pha­sen. Bob Mar­ley war auch eine Zeit lang sehr beliebt: "I wan­na pyja­ma with with you", singt er dann. (lacht) Also, es fängt schon an, aber es ist nicht so, dass ich zusam­men mit ihm Beats mache und ihm die Ton­lei­ter erklä­re. Aller­dings hat er ja schon einen eige­nen GEMA-Eintrag.

MZEE​.com​: Wie viel, glaubst du, bringt dein Kind an Cha­rak­ter schon selbst mit und wie viel davon formt ihr?

Tor­ky Tork: (seufzt) Ich wür­de fast sagen: 50/​50. Klar, das Kind ist eine ganz eige­ne Per­son, aber es nimmt super­vie­le Ver­hal­tens­mus­ter sofort an. Auch vom Cha­rak­ter neh­men die Kin­der viel mit. Durch das Vater­sein kann ich mei­ne eige­nen Eltern plötz­lich viel bes­ser ver­ste­hen und wert­schät­zen. Ich über­neh­me so vie­le Sachen von denen, wenn ich nicht weiß, wie ich mit einer Situa­ti­on umge­hen soll. Dann mache ich es so, wie es mei­ne Eltern gemacht hät­ten. Wenn ich das wei­ter­ge­be, ist es logisch, dass mein Sohn das auch mit­neh­men wird. Das ist einem jetzt viel­leicht noch nicht so bewusst, aber man formt sein Kind unglaublich.

MZEE​.com​: Ist die Tat­sa­che, dass man ein Men­schen­le­ben und einen Cha­rak­ter so enorm formt und beein­flusst, manch­mal beängstigend?

Tor­ky Tork: Ja, natür­lich. Plötz­lich wird man Vater oder Mut­ter und wird in die­sen rie­si­gen Ver­ant­wor­tungs­pool rein­ge­schubst. Und dann musst du schwim­men. Das ist viel­leicht nicht immer der schö­ne Schmetterling-​Stil, son­dern eher so ein Hun­de­pad­deln, aber es geht allen so. Du kannst natür­lich Rat­ge­ber lesen oder Eltern und Freun­de um Rat fra­gen, aber im End­ef­fekt musst du oft spon­tan Ent­schei­dun­gen tref­fen. Da kann man nicht mal eben in einem Buch nach­schla­gen. Natür­lich kann es pas­sie­ren, dass man hin­ter­her denkt, dass es nicht so schlau war, was man gera­de gesagt hat. In Deutsch­land wird aber auch extrem beur­teilt. "Hast du gese­hen, was die mit ihrem Kind gemacht haben?" Ich habe das Gefühl, dass die deut­sche Gesell­schaft ein ein­zi­ges Ord­nungs­amt ist. Wie die Leu­te sich gegen­sei­tig stän­dig kor­ri­gie­ren, was sie wie zu machen haben. Im Stra­ßen­ver­kehr, im Super­markt, auf dem Spiel­platz … Das machen die Nie­der­län­der gar nicht. Das macht die Leu­te doch auch ver­rückt. Heut­zu­ta­ge sind alle in allem Exper­te und es wird fast schon erwar­tet, dass man immer Pro­fi ist und zu allem eine Mei­nung hat. Frü­her hast du mal von dei­nen Eltern oder dei­ner Umge­bung Erzie­hungs­tipps bekom­men. Das hat­te auch Vor- und Nach­tei­le. Ich sage nicht, dass es immer schlau war, das so zu machen. Aber so fin­de ich es auch furcht­bar gezwungen.

MZEE​.com​: Kannst du dir also eine Zukunft mit dei­ner Fami­lie in den Nie­der­lan­den vorstellen?

Tor­ky Tork: Wir kom­men bestimmt irgend­wann zurück, aber jetzt sind wir seit zwei Jah­ren haupt­säch­lich hier in den Nie­der­lan­den. Ich bin auch regel­mä­ßig in Ber­lin, aber die rest­li­che Zeit bin ich ger­ne in Hol­land. Das ist gut, weil ich in Ber­lin inten­siv arbei­ten und mich im Stu­dio ein­schlie­ßen kann. Wenn ich wie­der zurück­kom­me, kann ich mich hier voll mei­ner Fami­lie wid­men und ein biss­chen Drumherum-​Kram machen. Wie die­ses Inter­view zum Beispiel.

(Es wird nach sei­ner Auf­merk­sam­keit ver­langt. Das klei­ne, grin­sen­de Gesicht strahlt wie­der in die Kame­ra, hat es aber eilig, in den Gar­ten zu kommen.)

MZEE​.com​: Gibt es noch etwas, das du wer­den­den Eltern mit auf den Weg geben möchtest?

Tor­ky Tork: Seid ein­fach da für euer Kind. Stellt euch selbst nicht zu vie­le Regeln auf und denkt nicht so viel dar­über nach, was ande­re über euch den­ken. Wenn man krass ange­spannt und ver­krampft ver­sucht, alles rich­tig zu machen, spürt das auch das Kind. Man soll­te sich nicht so vie­le Gedan­ken dar­über machen, ob man genug ist. Das ist alles kom­plet­ter Quatsch. Den Job haben schon ganz ande­re geschafft. Ver­sucht ein­fach nicht, so kras­se Pro­fis zu sein.

(Yas­mi­na Rossmeisl)
(Fotos von Robert Winter)