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Interview

Kamiqaz – ein Gespräch über Rechtspopulisten im deutschen Rap

"Heut­zu­ta­ge kannst du einen gan­zen Abend mit 'nem Fascho in der Knei­pe abhän­gen, am nächs­ten Tag wie­der­kom­men und behaup­ten: 'Ey, das war nur ein­mal und außer­dem kenn' ich den gar nicht gut.'" ‒ Kami­qaz im Inter­view über kol­lek­ti­ve Ver­ant­wor­tungs­lo­sig­keit im Umgang mit Rechten.

Rich­tig gehört: Rechts­po­pu­lis­ten im Deutschrap. Sie sind in Deutsch­land lan­ge kei­ne Rand­er­schei­nung mehr und haben auch vor der Rap­sze­ne kei­nen Halt gemacht. Dabei haben die sich der­ma­ßen in den Vor­der­grund gedrängt, dass der RBB dem The­ma kürz­lich eine Doku wid­me­te. Sze­nein­tern bleibt der kri­ti­sche Dis­kurs in gro­ßen Tei­len aus: Weder von den Beschul­dig­ten selbst noch von ihren Labels sowie Manage­ments kamen in der Fol­ge ver­nünf­ti­ge State­ments. War­um diver­se ein­fluss­rei­che HipHop-​Magazine sol­chen Künst­lern wei­ter­hin eine unkri­ti­sche Platt­form bie­ten, bleibt ein Rät­sel. Zum Glück gibt es trotz­dem noch Per­so­nen, die Hal­tung zei­gen und den all­ge­mei­nen Kampf gegen Faschis­mus zu ihrem eige­nen machen. Einer von ihnen ist der Rap­per Kami­qaz. Der Ham­bur­ger ver­mit­telt sowohl text­lich als auch auf sei­nen Social Media-​Kanälen immer wie­der anti­fa­schis­ti­sche Inhal­te und macht auf beson­de­re Not­la­gen oder unter­stüt­zens­wer­te poli­ti­sche Aktio­nen auf­merk­sam. Außer­dem sup­port­et er diver­se poli­ti­sche Ver­an­stal­tun­gen, Kol­lek­ti­ve und Demons­tra­tio­nen. Zusam­men haben wir ver­sucht, die Ent­ste­hungs­ge­schich­te von NS-​Rap auf­zu­ar­bei­ten, um uns im Anschluss näher mit bestehen­den Ver­bin­dun­gen von Rechts­extre­men und Rap­pern aus­ein­an­der­zu­set­zen. Außer­dem haben wir über sei­ne Erfah­run­gen mit faschis­ti­schen und rechts­ra­di­ka­len Tür­ste­hern und über den Begriff "Kri­tik" gesprochen.

MZEE​.com: Bereits im Jahr 2001 berich­te­te das ers­te rech­te Musik­ma­ga­zin posi­tiv über Rap – expli­zit über Batt­ler­ap und sei­ne teils ras­sis­ti­schen und anti­se­mi­ti­schen Tex­te. Trotz­dem setz­ten gro­ße Tei­le der Sze­ne wei­ter­hin auf Lines die­ser Art, statt sich ent­schie­den davon zu distan­zie­ren. Hat Rap so unbe­wusst schon früh­zei­tig eine Pro­jek­ti­ons­flä­che für ras­sis­ti­sches Gedan­ken­gut geliefert? 

Kami­qaz: Mei­ner Mei­nung nach lässt sich die All­ge­mein­heit von der Rap-​Allgemeinheit nicht so rich­tig tren­nen. Ich glau­be, in Deutsch­land gibt es ganz klar Nähr­bo­den für Ras­sis­mus und Anti­se­mi­tis­mus und das hat sich dann auch bei Leu­ten wider­ge­spie­gelt, die auf der Büh­ne stan­den und von ihren Gedan­ken gespro­chen haben. Sie haben vor allem als Deut­sche über­haupt nicht ver­stan­den, wie­so sie gera­de in Bezug auf Lines, die auf das Juden­tum anspie­len, eine beson­de­re geschicht­li­che Rol­le inne­ha­ben und des­halb vor­sich­ti­ger sein müs­sen. Sowas hört man in der Knei­pe genau­so wie auf der Rap­büh­ne. Das ist die all­ge­mei­ne Deutsch­heit an der Deutschrap-​Szene. Wenn man schaut, wer in den Anfän­gen des Deutschraps vor­ne mit dabei war, waren das nur "Deut­sche". Migran­ti­sche Jugend­li­che haben ein­fach gefehlt. Solan­ge sich eine Sze­ne, no front, nur aus Blu­men­topf und Fan­ta 4 zusam­men­setzt, kann es gar kei­ne gro­ße Diver­si­tät oder beson­ders fort­schritt­li­che Gedan­ken­gän­ge geben. Ich glau­be, das kam erst wirk­lich mit Haftbefehl.

MZEE​.com: Im Jahr 2005 tauch­te die ers­te Gene­ra­ti­on von NS-​Rappern auf, die in Tei­len auf den soge­nann­ten "Schulhof-​CDs" wie­der­zu­fin­den waren. Hast du damals davon mitbekommen? 

Kami­qaz: Ja, ich kann­te die "Schulhof-​CDs". An mei­ner Schu­le gab es die aber zum Glück nicht. Ich hab' das eher zufäl­lig mitbekommen.

MZEE​.com: Wann hast du denn das ers­te Mal rech­te Ten­den­zen im deut­schen Rap wahrgenommen? 

Kami­qaz: Das war 2010 oder 2011 beim Über­tritt eines gewis­sen Her­ren, den wir hier nicht nament­lich nen­nen. Damals hab' ich unter einem ande­ren Aka noch ganz kras­sen Kommunisten-​Rap gemacht. Wir waren eine kom­plett eige­ne Sze­ne. Es gab zu der Zeit die­sen einen Rap­per, bei dem alle den Feh­ler gemacht haben, ihn zu iro­nisch zu hören. Der hat zwar anfangs super­kras­sen Kommunisten-​Rap gemacht, aber die Gewalt­fan­ta­sien waren so bescheu­ert, dass man ihn auf eine ähn­li­che Art gehört hat wie zum Bei­spiel K.I.Z. Er hat mal gesagt: "Ich bin Kom­mu­nist und geb' Anar­chis­ten Kopf­schüs­se." Das hat natür­lich kei­ner von uns ernst genom­men, aber er war lei­der wirk­lich so hän­gen geblie­ben. Er hat­te natür­lich kei­nen theo­re­ti­schen Hin­ter­grund, hat nicht mal zwei Sei­ten Marx am Stück gele­sen. Und dann kam es, soweit ich das mit­be­kom­men habe, zu einem Bruch in sei­ner Fami­lie. Danach saß er ganz klas­sisch in der Knei­pe und hat irgend­wel­che Faschos ken­nen­ge­lernt, die ihn kom­plett auf ihre Sei­te gezo­gen haben. Das war für mich super­krass. Echt jeder Jugend­li­che in der lin­ken Sze­ne, der Rap gehört hat, hat den Typen zumin­dest iro­nisch gepumpt. Das hat dann schon sehr wehgetan.

MZEE​.com: Nach zahl­rei­chen Ver­öf­fent­li­chun­gen in den 10er Jah­ren war es einem mitt­ler­wei­le auf allen rele­van­ten Streaming-​Plattformen indi­zier­ten NS-​Rapper 2019 mög­lich, den sechs­ten Platz der offi­zi­el­len deut­schen Down­load­charts zu bele­gen. Was hat das in dir ausgelöst? 

Kami­qaz: Das hat auf jeden Fall Wut und Hass in mir aus­ge­löst, weil die­ser Mensch ver­ach­tend allem gegen­über ist, wofür Hip­Hop steht. Er ist ein wei­te­res Sym­ptom der Ver­bür­ger­li­chung von rech­tem Gedan­ken­gut. Er bezeich­net sich selbst als Patri­ot und tut so, als wären Rap und die­se Welt­an­schau­ung irgend­wie mit­ein­an­der ver­ein­bar. Es wür­de mir ande­rer­seits doch Sor­gen machen, wenn das wirk­lich im HipHop-​Mainstream statt­ge­fun­den hät­te. Ich hat­te schon den Ein­druck, dass der Erfolg auf klei­nen Stra­te­gien basiert hat. Man nutzt sei­ne Fan­ba­se, die wirk­lich weit im rech­ten Lager anzu­sie­deln ist, um rele­van­te Umsät­ze zu erzie­len und damit zu char­ten. Das hat aber ja nichts damit zu tun, dass ganz nor­ma­le Rap-​Hörer sei­ne Sachen gehört hät­ten. Das glau­be ich nicht. Trotz­dem ist es sowohl auf der Stra­ße als auch im Hip­Hop beängs­ti­gend zu sehen, dass die­se Leu­te immer mehr am poli­ti­schen Dis­kurs teil­neh­men, obwohl ihre Ein­stel­lun­gen so krass weit rechts und men­schen­ver­ach­tend sind.

MZEE​.com: Neo­na­zis und Rechts­extre­me konn­ten in sei­nem Schat­ten in den letz­ten Jah­ren ein eige­nes Netz­werk inner­halb der Rap­sze­ne auf­bau­en. Sie haben heu­te Zugang zu Ton­stu­di­os und pfle­gen Kon­tak­te zu Pro­du­zen­ten und Video­gra­fen. NS-​Rap und die rest­li­che Rap-​Landschaft unter­schei­den sich dem­nach vor allem inhalt­lich, das Äuße­re hin­ge­gen nähert sich immer mehr an. Wie bewer­test du dies im Hin­blick auf die extrem jun­ge Hörer­schaft von Rap? 

Kami­qaz: Das fin­de ich sehr gefähr­lich. Vor allem, weil vie­le Leu­te wenig Plan davon haben, was rech­te Ver­schwö­rungs­my­then über­haupt sind. Man hat ja wäh­rend Coro­na mit­be­kom­men, auf wie viel frucht­ba­ren Boden die­ses komi­sche Ver­schwö­rungs­den­ken stößt. Die Leu­te den­ken, sie sei­en revo­lu­tio­när, ohne revo­lu­tio­när zu sein. Die, die sagen, dass sie sich eige­ne Gedan­ken machen, sind die­je­ni­gen, die sich über­haupt kei­ne Gedan­ken machen. Sowas in Song-​Form, klar, das feu­ert extrem. Vor allem, weil C. A. nicht so doof ist wie der Typ, von dem ich eben erzählt habe, und offen über sei­ne Gewalt­fan­ta­sien rappt. Er spricht von sei­nem wun­der­schö­nen Vater­land, das für alle blüht und so ein Bla­bla. Das ist super­ge­fähr­lich. Gene­rell haben sich die Faschos das gan­ze Corona-​Thema total unter den Nagel geris­sen, wäh­rend es die Lin­ke nicht geschafft hat, gute und ver­nünf­ti­ge Kri­tik an eini­gen Ent­schei­dun­gen zu äußern, die abso­lut berech­tigt gewe­sen wäre. Statt­des­sen ist man, ähn­lich wie damals, als die AfD so stark wur­de, dazu über­ge­gan­gen, die kom­plet­te Gegen­sei­te als Nazis zu bezeich­nen. Und das ist falsch. Natür­lich muss man sehen, dass die­se Demos von Faschos orga­ni­siert und da Leu­te instru­men­ta­li­siert wer­den. Aber wenn du dich vor jeden Gün­ther, der sich das ers­te Mal in sei­nem Leben poli­tisch enga­giert, stellst und sagst "Du bist ein Fascho, dir hau' ich auf die Fres­se", dann wird das kaum Aus­wir­kun­gen haben. Außer viel­leicht, dass der Gün­ther sich noch mehr dar­in bestärkt fühlt, auf Querdenker-​Demos zu gehen.

MZEE​.com: Der Ein­fluss von Rechts­extre­men geht noch deut­lich wei­ter, wie Jan A. Karon kürz­lich auf­deck­te. Er konn­te eine Viel­zahl an Ver­bin­dun­gen zwi­schen Rechts­extre­men und Rap­pern nach­wei­sen, dar­un­ter die 187ers und Lucia­no. Wie erklärst du dir, dass die­se Rap­per, obwohl sie öffent­lich mit Nazis koope­rie­ren, zu den kom­mer­zi­ell erfolg­reichs­ten gehören? 

Kami­qaz: Puh … Na ja, ich glau­be, das hat damit zu tun, dass sich in den letz­ten Jah­ren in Bezug auf Kri­tik all­ge­mein eini­ges geän­dert hat. Wenn man bei­spiels­wei­se kri­ti­siert, dass Leu­te mit Faschos abhän­gen oder rech­te The­sen raus­hau­en, dann hal­ten dich die Leu­te für einen Hater. Das Demo­kra­tie­ver­ständ­nis hat sich inso­fern ver­dreht, als dass die Leu­te Mei­nungs­frei­heit mit Kri­tik­frei­heit gleich­set­zen. Die­sen Kon­sens lese ich immer wie­der. Wenn Leu­te zum Bei­spiel unter 'nem Lovelock-​Interview schrei­ben "Dig­ga, was laberst du?", kommt oft "Ey, ihr gönnt alle nur nicht". Die­ses scheiß Gön­nen immer … Es hat nichts mit Nicht-​Gönnen zu tun, etwas Dum­mes als dumm zu bezeich­nen. Fer­tig. Wenn du auf einem Fes­ti­val bist und den 187-​Fans was von den Ver­bin­dun­gen erzählst, über die wir hier reden, wür­den sie dir zu 100 Pro­zent sagen, dass du ein klei­ner Hater bist. Die set­zen sich damit gar nicht aus­ein­an­der. Genau­so ist es auch bei 'nem Ertunc T. und Lucia­no. Da wür­den sie kom­men und sagen: "Eh, Dig­ga, er kennt doch Kur­den." Das hat lei­der nichts mit­ein­an­der zu tun. (lacht) Und bei den 187ers wür­de gesagt wer­den: "Ja, ey, die hän­gen doch nicht nur mit Deut­schen, also kön­nen die gar nicht rechts sein." Kri­tik wird nicht mehr ger­ne gese­hen bezie­hungs­wei­se hat sie ein­fach kei­ne Wir­kung mehr. Das ist das Problem.

MZEE​.com: In die­sem Kon­text scheint es besorg­nis­er­re­gend, dass rechts­extre­me gewalt­be­rei­te Kampf­sport­ler, die zum Teil den Hells Angels oder mili­tan­ten Gangs ange­hö­ren, Zugang zu diver­sen sicher­heits­re­le­van­ten Berei­chen von Fes­ti­vals sowie Kon­zer­ten haben. Wo siehst du hier Probleme? 

Kami­qaz: Ich fin­de es schwie­rig, dass aus­ge­rech­net die­se Leu­te die Ent­schei­dungs­ge­walt an der Tür oder in ähn­li­chen Situa­tio­nen haben. Ande­rer­seits wür­dest du auch hier die­sel­ben oben beschrie­be­nen Ant­wor­ten auf Kri­tik bekom­men. Wenn die Nazi-​Securities über­haupt ein State­ment abge­ben wür­den. Die tun dann so, als wäre alles cool und sie stün­den nur da, um auf ihre Grup­pe auf­zu­pas­sen. Dass dazu eben­falls gehört, Kritiker:innen schei­ße zu behan­deln, ist uns bei­den zwar klar, aber das wür­de so nie­mals kom­mu­ni­ziert wer­den. Das ist echt schlimm. Ich hab' mal ein klei­nes Kon­zert in einem Mini-​Kaff gespielt, wo eine rech­te Rocker-​Security-​Bande die Hoheit über alle Ver­an­stal­tun­gen in dem Dorf hat­te. Du konn­test dort kei­ne Kon­zer­te spie­len, wenn du nicht genau die an der Tür hat­test. Ich bin echt zu 'nem Antifa-​Festival mit Faschos an der Tür gekom­men. Das war total geis­tes­krank. Im nächs­ten Moment war ich dank­bar, dass ich wie­der nach Ham­burg abhau­en konn­te. Aber für die Leu­te, die da leben, ist das echt schlimm. Sie muss­ten den Faschos an die­sem Tag einen kom­plet­ten Ein­blick in ihre Struk­tu­ren geben – wer mit wem abhängt und sowas. Du gehst da ja natür­lich mit dei­nen Freund:innen hin. Das ist wirk­lich kacke.

MZEE​.com: Kam es dort zu Auseinandersetzungen? 

Kami­qaz: Lei­der muss man sagen, dass die Jungs, die da an der Tür stan­den, 120 Kilo-​MMA-​Fighter waren. Die Ver­an­stal­tung war logi­scher­wei­se von ganz nor­ma­len gemisch­ten Leu­ten besucht, dar­un­ter vie­le dün­ne Student:innen. An der Tür stan­den echt hef­ti­ge Kampf­sport­ler. Da haben vier oder fünf gereicht, damit alle gesagt haben: "Gar kein Bock, da an der Tür zu stres­sen." Des­we­gen haben sie die­se Macht­po­si­ti­on über­neh­men kön­nen. Die hät­ten ja nie­mals die Macht zu sagen "Hier pas­siert kei­ne Ver­an­stal­tung ohne uns an der Tür", wenn man denen, sag' ich mal, den Gar­aus machen könn­te. Aufm Kaff gibt es auch noch ande­re Pro­ble­me. Selbst wenn du die Faschos angrei­fen wol­len wür­dest, wür­den sie dich anhand der Art, wie du dich bewegst, erken­nen. Da kann man sich nicht mal ver­mum­men. Die wis­sen ja eh, in wel­cher Stra­ße du wohnst. Das ist nicht machbar.

MZEE​.com: Siehst du auch die Labels, vor allem Uni­ver­sal, War­ner und Sony, in der Pflicht, sich in sol­chen Fäl­len zu äußern, wenn ihre Künstler:innen dem­entspre­chend auffallen? 

Kami­qaz: Ich wür­de auf jeden Fall ger­ne sehen, dass State­ments abge­ge­ben wer­den und eine ande­re Hal­tung gezeigt wird. Ich weiß aber, dass sie, solan­ge da Geld abfällt, einen Teu­fel tun wer­den, sich zu posi­tio­nie­ren. Das ist denen ja voll­kom­men egal. Wenn nicht gera­de so ein Echo-​Skandal wie bei Kol­le­gah und Farid pas­siert, bei dem sie mer­ken, dass sie sel­ber wirt­schaft­li­che Pro­ble­me bekom­men könn­ten, gehe ich nicht davon aus. Das sind immer noch Groß­kon­zer­ne. Da steht Geld über allem. Ein wei­te­rer Grund ist die kol­lek­ti­ve Ver­ant­wor­tungs­lo­sig­keit. Ich weiß nicht, ob es viel­leicht mal ein Frü­her gab, wo das bes­ser war. Aber heut­zu­ta­ge kannst du einen gan­zen Abend mit 'nem Fascho in der Knei­pe abhän­gen, am nächs­ten Tag wie­der­kom­men, dich irgend­wie raus­re­den und behaup­ten: "Ey, das war nur ein­mal und außer­dem kenn' ich den gar nicht gut." Damit ist die Dis­kus­si­on dann oft been­det. Da ist man selbst ja fast der Weir­do, wenn man an sei­ner Kri­tik fest­hält und sagt: "Dig­ga, das geht nicht klar, mit wem du da rum­hängst." Die­se Hal­tung ist lei­der ver­lo­ren gegangen.

MZEE​.com: Gibt es Per­so­nen in der Sze­ne, die du für ihren Kampf gegen Rechts­extre­me im Rap posi­tiv her­vor­he­ben willst, damit sich ande­re Leu­te ein Bei­spiel dar­an neh­men können? 

Kami­qaz: Ja, abso­lut. K.I.Z sind natür­lich groß­ar­tig, Dis­ar­star eben­so. So rich­tig vie­le fal­len mir gera­de nicht ein, weil ich nicht weiß, wo ich anfan­gen und auf­hö­ren soll. Es gibt auch Artists, die zwar nicht direkt Inhal­te in Songs haben, aber dafür Ver­an­stal­tun­gen unter­stüt­zen und da kos­ten­los auf­tre­ten oder so. Bei Cas­per hab' ich das ein-, zwei­mal mit­be­kom­men. Er sup­port­et vie­le gute Sachen, ohne anti­fa­schis­ti­sche Inhal­te in sei­nen Tex­ten zu haben. Nach dem Inter­view wer­den mir fünf Leu­te ein­fal­len, denen gegen­über ich mich rich­tig schei­ße füh­len wer­de, weil ich sie nicht genannt hab'. (lacht) Pimf ist auch ganz wich­tig. Sehr sta­bi­ler Kol­le­ge mit sehr guten Inhal­ten. Der hat musi­ka­lisch gera­de total sei­nen Zug gefun­den und wird, glau­be ich, in den nächs­ten ein oder zwei Jah­ren voll wachsen.

MZEE​.com: Zum Abschluss habe ich noch ein Zitat von Kool Savas aus einem Inter­view mit dem splash! Mag mit­ge­bracht. Dort hat er gesagt: "Für mich ist jeder Rap­per, der nicht von sich sagt, dass er ein Anti­fa­schist ist, kein Rap­per." – Stimmst du dem zu? 

Kami­qaz: Lei­der ist das Niveau inhalt­lich so der­ma­ßen abge­sun­ken, dass du mit die­sem Stan­dard heu­te in Deutsch­land kaum noch Rapper:innen hät­test. Die Leu­te sind ja alle so bür­ger­lich ein­ge­stellt und den­ken beim Wort Anti­fa­schist an Gewalt und so einen Scheiß. Aber wenn du es back to the cul­tu­re siehst, ist es klar, dass wer kein:e Antifaschist:in ist, nichts mit Hip­Hop zu tun hat. Auf jeden Fall. Ich wür­de mir wün­schen, dass die­ses Bewusst­sein zurück­kommt und die Leu­te ver­ste­hen, was sie als Rapper:innen für eine Auf­ga­be haben.

(Jonas Jansen)
(Fotos von Chris­to­pher Koch)