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Interview

Skinny

"Ich möch­te sicher­stel­len, dass Bull­shit in Zukunft wei­ter­hin rich­tig­ge­stellt wird. Wenn es kei­ner macht, muss ich es machen." – In die­ser Interview-​Serie spre­chen wir mit Deutschrap-​Journalisten über Maga­zi­ne und die Sze­ne, Kul­tur und Gos­sip, Kri­tik und Beef. Heu­te mit Skinny.

Deutschrap-​Journalismus. Schon über das Wort lässt sich strei­ten. Die einen mei­nen, "rich­ti­ger" Jour­na­lis­mus im deut­schen Rap exis­tie­re doch gar nicht. Außer­dem kön­ne ja jeder selbst bes­se­re Arti­kel schrei­ben als "die­se Prak­ti­kan­ten". Die ande­ren fin­den, jeder, der im deut­schen Rap jour­na­lis­ti­sche Tätig­kei­ten aus­führt, sei auch ein Jour­na­list. Die nächs­ten füh­ren auf: Ja, im deut­schen Rap sind Redak­teu­re unter­wegs – aber kei­nes­falls Jour­na­lis­ten. Zusam­men­fas­sen lässt sich: Fast jeder hat zumin­dest eine Mei­nung dazu. Aber wie steht es um die Mei­nung der Jour­na­lis­ten selbst? Denn die hat kaum jemand mal gefragt. Und so star­tet unse­re neue Serie – eine klei­ne Inter­view­rei­he mit aktu­ell rele­van­ten und akti­ven Jour­na­lis­ten der deut­schen Rap­sze­ne. Dabei möch­ten wir dar­über reden, war­um die Deutschrap-​Medien von so vie­len Sei­ten – auch von der der Künst­ler – immer wie­der unter Beschuss ste­hen und wie die Jour­na­lis­ten die­se Sei­ten­hie­be per­sön­lich emp­fin­den. Wir bespre­chen, wie ein­zel­ne Jour­na­lis­ten ihren Platz in der Rap­sze­ne wahr­neh­men und ob deut­scher Rap­jour­na­lis­mus in Gossip-​Zeiten noch kri­tisch ist. Wir möch­ten erfah­ren, ob sie die Sze­ne noch unter dem Kultur-​Begriff ver­ste­hen oder das Gan­ze für sie aus­schließ­lich ein Beruf (gewor­den) ist. Es kom­men Fra­gen auf, ob es ver­ein­bar ist, in die­sem Auf­ga­ben­be­reich Geld zu ver­die­nen und wie der aktu­el­le Deutschrap-​Journalismus und sei­ne Ent­wick­lung gese­hen wird. Und: Wie steht es über­haupt um die Ent­wick­lung der Rap­sze­ne an sich? Das und vie­les mehr wer­den wir in über zehn Inter­views bespre­chen, in wel­chen es ver­ständ­li­cher­wei­se immer nur um einen Teil­be­reich die­ser gro­ßen The­men­welt gehen kann. Die­ses Mal haben wir Skin­ny zum Gespräch gebe­ten. In sei­ner Kolum­ne namens "Skin­nys Abrech­nung" wid­me­te er sich diver­sen The­ma­ti­ken, die ihn ner­ven, und erlang­te dadurch einen Ruf als kri­ti­sche Instanz in der Rap­sze­ne. Als Redak­teur, Mode­ra­ter und Video­in­ter­view­er für rap​.de mach­te er sich außer­dem durch sei­ne direk­te und scho­nungs­lo­se Art einen Namen. Spä­ter wur­de er Chef­re­dak­teur der Platt­form. Nach­dem rap​.de mitt­ler­wei­le die Pfor­ten geschlos­sen hat, zog er für uns ein kur­zes Resü­mee und gab einen Aus­blick auf sei­ne wei­te­ren jour­na­lis­ti­schen Ziele.

MZEE​.com​: Im ers­ten Bei­trag dei­ner rap.de-Kolumne "Skin­nys Abrech­nung" hast du klar­ge­stellt, dass du gern über Din­ge schreibst, die dich abfu­cken. Ist das dei­ne Haupt­mo­ti­va­ti­on gewe­sen, musik­jour­na­lis­tisch tätig zu werden?

Skin­ny: Anfangs war ich gro­ßer Rapfan, das war damals mei­ne Haupt­mo­ti­va­ti­on. Ich woll­te nicht, dass das, was ich so ver­eh­re, beschmutzt wird. Des­we­gen woll­te ich etwas dage­gen sagen. Irgend­wann wur­de das Prak­ti­kum bei rap​.de Rea­li­tät und dar­aus folg­te eine Anstel­lung. Es hat mich ange­trie­ben, dass ich vie­le Din­ge gese­hen habe, die ich als Miss­stän­de ein­ord­nen wür­de. Ich hat­te das Gefühl, es brauch­te ein Kor­rek­tiv, und muss­te mir Luft machen. Wenn ich über­le­ge, was ich teil­wei­se aufs Korn genom­men habe, ist auch viel Quatsch dabei gewe­sen. Gios Dis­strack gegen Liont zum Bei­spiel. Damit wür­de ich mich heu­te gar nicht mehr aufhalten.

MZEE​.com​: War es schon vor­her so, dass du das Gefühl hat­test, etwas sagen zu wol­len oder ist dir das erst wäh­rend der jour­na­lis­ti­schen Tätig­keit aufgefallen?

Skin­ny: Vor­her konn­te ich es bes­ser aus­blen­den. Ich habe mich ein­fach aus Fan-​Sicht mit dem beschäf­tigt, das mich inter­es­siert. Ich war eigent­lich nie ein gro­ßer Hater, da haben vie­le Leu­te ein fal­sches Bild. Dadurch, dass es auf einer beruf­li­chen Ebe­ne statt­fand und zu mei­nem All­tag wur­de, wur­de ich anders damit kon­fron­tiert als vor­her. Ich woll­te bestimm­te Din­ge nicht igno­rie­ren und habe mich dazu beru­fen gefühlt, ein biss­chen Wel­le zu schieben.

MZEE​.com​: Du hast gesagt, du dach­test, es brauch­te ein Kor­rek­tiv. Hat­test du das Gefühl, dass das fehlt?

Skin­ny: Das weiß ich nicht. Dafür hat­te ich zu wenig Über­blick über die Medi­en­land­schaft. In den Momen­ten, in denen es mich ange­trie­ben hat, hat­te ich auf jeden Fall das Gefühl, dass es fehlt, sonst hät­te ich es nicht auch noch gemacht. Aber ich hat­te nicht die Grund­hal­tung, dass es jeman­den braucht, der mal auf den Tisch haut. Ich bin von Situa­ti­on zu Situa­ti­on gestolpert.

MZEE​.com​: Zu wel­chen The­men woll­test du dich damals unbe­dingt äußern?

Skin­ny: Es waren vie­le The­men, die mich heu­te eher kalt las­sen. Es ging um Plastik-​Beats vom Fließ­band und see­len­lo­se Cashgrab-​Musik. Das hat mich abge­fuckt. Der Sta­tus Quo und zusätz­lich ver­ein­zel­tes Fehl­ver­hal­ten. Ich war kein Real­kee­per, aber ähn­lich frustriert.

MZEE​.com​: Was nervt dich denn aktu­ell am meis­ten in der deut­schen Raplandschaft?

Skin­ny: Aktu­ell fucken mich die poli­ti­schen Umstän­de ab. Ich glau­be, die Grä­ben, die man in der Gesell­schaft sieht, haben wir in der Rap­sze­ne min­des­tens genau­so. Das war schon vor Coro­na so. Tei­le der HipHop-​Szene haben sich sen­si­bi­li­siert. Die Leu­te, die nicht mit­zie­hen wol­len, wol­len einen Clinch dar­aus machen. Ich bin ganz froh, dass ich gera­de nicht in einer Redak­ti­on sit­ze und durch­ge­hend damit kon­fron­tiert bin. Ich blei­be aber bei aktu­el­len Dis­kus­sio­nen up to date. Einer­seits bin ich ganz froh, dass ich mich nicht sofort in der Pflicht sehe, das zu kom­men­tie­ren und ein­zu­ord­nen. Ande­rer­seits ist es auch etwas ärger­lich, dass ich kein Ven­til habe, um mich in den Dis­kurs ein­zu­klin­ken. Aber wenn ich das wirk­lich wol­len wür­de, wür­de ich schon Mit­tel und Wege finden.

MZEE​.com​: Du bist bekannt dafür, kein Blatt vor den Mund zu neh­men und dich oft kri­tisch zu äußern. Glaubst du, dass das für dei­ne Kar­rie­re för­der­lich war?

Skin­ny: Ich habe mich schon häu­fi­ger pri­vat dar­über unter­hal­ten, weil Leu­te dach­ten, ich hät­te mir mit dem Namen Skin­ny bewusst etwas auf­ge­baut. Aber ich bin da ein­fach rein­ge­stol­pert. Ich brauch­te einen Namen für den Blog, den ich eigent­lich nur für mei­ne rap.de-Bewerbung erstellt habe. Dann wur­de mir der Account mit dem Namen Skin­ny erstellt. Der Name soll­te auch in den Titel der Kolum­ne, damit klar ist, dass das mei­ne ganz per­sön­li­che Mei­nung ist. Oli (Anm. d. Red.: Oli­ver Mar­quart) hat­te kei­nen Bock mehr auf Video­in­ter­views, des­halb habe ich mich irgend­wann vor die Kame­ra gesetzt. Es hat immer eins zum ande­ren geführt. Jetzt geht es mir super und ich kann über­haupt nicht kla­gen. Aber ich hät­te sicher­lich vie­les bes­ser tak­tie­ren und weni­ger über­stür­zen kön­nen. Ich habe mich ja bei­spiels­wei­se in Video­in­ter­views weit raus­ge­wagt. Da hät­te ich viel­leicht siche­rer vor der Kame­ra und in mei­ner Rhe­to­rik sein sol­len, anstatt ver­ka­tert und ver­peilt irgend­wo auf­zu­schla­gen und ein­fach zu machen. (lacht) Also, die Ant­wort ist ja und nein. rap​.de war ein klei­ner, chao­ti­scher Laden. Das war eine har­te Schu­le. Es hat mich auf jeden Fall geformt.

MZEE​.com​: Wie war es für dich, als du bei rap​.de die Füh­rung über­nom­men hast? Hat­test du von Anfang an Lust auf die­se lei­ten­de Funk­ti­on oder war es eher so, dass es eben jemand machen musste?

Skin­ny: Nichts von bei­dem. Oli und ich haben uns immer die Bäl­le zuge­spielt. Wir waren ein super­klei­nes Team, die Hier­ar­chien waren sehr flach. Von daher war es weder eine gro­ße Umstel­lung noch eine gro­ße Fra­ge für mich. Ich wuss­te auch schon lan­ge vor­her, dass es in abseh­ba­rer Zeit pas­sie­ren wird. Es kam also nicht über­ra­schend und lief sehr naht­los. Ich habe nur etwas mehr Geld bekom­men. (lacht)

MZEE​.com​: Ihr habt bei rap​.de gewis­se Grund­sät­ze gehabt und ab einem gewis­sen Zeit­punkt stark auf Mei­nung gesetzt. Wür­dest du dir wün­schen, dass es mehr Maga­zi­ne gibt, die in eine ähn­li­che Rich­tung gehen?

Skin­ny: Das war eine orga­ni­sche Ent­wick­lung. Als ich in die Redak­ti­on gekom­men bin, hat sich der Kurs recht schnell ver­än­dert. Irgend­wann hat man natür­lich rea­li­siert, dass das eine Art Cor­po­ra­te Iden­ti­ty ist und eine Stra­te­gie sein kann. Wir stan­den im Ver­gleich zur Kon­kur­renz eher schlecht dar. Click­bait wäre kei­ne Opti­on gewe­sen. 2015 war ein Schlüs­sel­mo­ment. Da hat eine Umstel­lung vom Facebook-​Algorithmus statt­ge­fun­den. Hip​hop​.de hat die Stra­te­gie ange­zo­gen und ist uns ein biss­chen weg­ge­rannt. Damals war ich erst seit ein paar Mona­ten Prak­ti­kant bei rap​.de. Ich habe zum ers­ten Mal gemerkt, dass man die Ent­wick­lung im Auge behal­ten muss. Es war aber nicht der Antrieb, eine CI oder Agen­da für rap​.de zu fin­den. Das hat sich eher aus Idea­lis­mus her­aus entwickelt.

MZEE​.com​: Glaubst du, dass die­se Grund­sät­ze mit kom­mer­zi­el­lem Erfolg ver­ein­bar sind? Oder ist man zu sehr auf die Gunst der Künst­ler und die Klicks angewiesen?

Skin­ny: Auf die Klicks ist man safe ange­wie­sen. In der Mode­bran­che gibt es Maga­zi­ne, die eine sehr klei­ne Auf­la­ge haben. Die las­sen wahn­sin­nig hoch bezahlt ihre Wer­bung schal­ten und sind somit mehr auf Exklu­si­vi­tät aus. Das war aber lei­der nicht die Rich­tung, in die rap​.de sich ent­wi­ckelt hat. Wir waren alles ande­re als Hoch­glanz, son­dern sahen eher aus wie ein bes­se­rer Blog. Wenn du auf Klicks ange­wie­sen bist, musst du auf irgend­ei­ne Wei­se auf Mas­se gehen. rap​.de war nicht so krass von Rap­pern abhän­gig, weil wir sehr viel Direct Traf­fic und Zugrif­fe über Goog­le hat­ten. Das wur­de von außen sehr oft falsch ver­stan­den. Leu­te dach­ten, dass der YouTube-​Kanal und Facebook-​Kanal nicht lie­fen, wäre aus­sa­ge­kräf­tig. Aber das juckt am Ende des Tages nicht. Man hät­te den Laden mit einer schö­nen Stra­te­gie und der Eigen­schaft, sich immer klar zu posi­tio­nie­ren, am Lau­fen hal­ten kön­nen. Wir haben im Zwei­fels­fall lie­ber aufs Dach bekom­men, als den Schwanz ein­zu­zie­hen. Dar­auf war ich immer stolz. Hät­te man dar­um etwas Schö­nes gebaut, hät­te es funk­tio­nie­ren kön­nen. Lei­der hielt sich die Inves­ti­ti­ons­be­reit­schaft des Ver­lags hin­ter rap​.de stark in Grenzen.

MZEE​.com​: rap​.de war nur kurz unter dei­ner Füh­rung und muss­te lei­der sei­ne Pfor­ten schlie­ßen. Wel­che Gefüh­le hat das in dir ausgelöst?

Skin­ny: Für mich fühlt es sich wie ein lachen­des und ein wei­nen­des Auge an. Es eröff­net mir neue Mög­lich­kei­ten, ich bin an super vie­len Sachen dran und genie­ße mei­nen All­tag. Ich bin sehr froh, die­sen Klotz nicht mehr am Bein zu haben. Als ich mit der Schu­le fer­tig war, habe ich das Prak­ti­kum gemacht und bin seit­dem bei rap​.de gewe­sen. Mein Herz hing dar­an, sonst hät­te ich es für die Bezah­lung schon längst an den Nagel gehan­gen. Ich moch­te es sehr ger­ne und war frei in dem, was ich da gemacht habe. Das war schon so, als Oli noch Chef war, aber natür­lich auch, als ich selbst Chef­re­dak­teur war. Ich ver­mis­se es auch, für die­se Platt­form zu ste­hen. Ich glau­be, nach außen hat die Schlie­ßung ein fal­sches Signal gesen­det. Die Dar­stel­lung nach dem Mot­to "Es war ja klar, dass sich das mit die­sem Kurs nicht lan­ge hält" nervt mich. Es nervt mich auch, dass irgend­wel­che Trot­tel in Pod­casts dar­über reden und ihre Ver­si­on erzäh­len und so tun, als hät­ten ich oder die Redak­ti­on das Ding an die Wand gefah­ren. Da den­ke ich mir, dass man das mal the­ma­ti­sie­ren müss­te. Aber da habe ich gar kei­nen Bock drauf.

MZEE​.com​: Kannst du dich an eine Situa­ti­on mit einem Künst­ler erin­nern, die dich außer­halb der Arbeits­zeit beschäf­tigt hat?

Skin­ny: Natür­lich. Ich bin mal mit einem Künst­ler zu einer Schlä­ge­rei ver­ab­re­det gewe­sen und er ist nicht gekom­men. (lacht) Das hat sich auf jeden Fall in mein Pri­vat­le­ben rein­ge­zo­gen. Als ich kurz­zei­tig beim NICETRY Maga­zi­ne gear­bei­tet habe, das auch ande­re Gen­res abge­bil­det hat, haben wir uns in der Redak­ti­on Anek­do­ten erzählt. Es war so lus­tig, wie Alex Bar­bi­an und ich immer ange­guckt wur­den, wenn wir erzählt haben, wie es im Rap zugeht. Abge­se­hen von dem Tem­pe­ra­ment, das vie­le der Künst­ler haben, ist man im Journalismus-​Alltag in ande­ren Gen­res nicht so nah an den Künst­lern. Da gibt es viel­leicht im Inter­view mal eine direk­te Kom­mu­ni­ka­ti­on und that's it. Du hast nicht die Han­dy­num­mer von irgend­wel­chen Bands oder so.

MZEE​.com​: Wie gehst du all­ge­mein mit nega­ti­ver Kri­tik an dei­nen Arti­keln und Shit­s­torms um?

Skin­ny: Ich habe kei­nen Umgang damit. Es pas­siert, manch­mal fuckt es mich ab und manch­mal ist es mir egal und manch­mal wächst man dar­an. Es muss mich trig­gern, um mich abzu­fu­cken. Wenn wir irgend­wel­che Nazi­rap­per in die Man­gel neh­men und durch sie einen Shit­s­torm bekom­men, ist mir das rich­tig krass egal. Es ist nur ner­vig, weil du dann so vie­le Kom­men­ta­re mode­rie­ren musst. Wenn aber so unwah­rer oder ver­dreh­ter Bull­shit im Raum steht und kei­ner etwas dage­gen sagt, trig­gert mich das ein­fach. Damit kom­me ich nicht gut zurecht. Der gan­ze ande­re Kram ist mir egal. Das sind eben Internet-Kommentare.

MZEE​.com​: Konn­test du das von Anfang an gut weg­ste­cken oder hat sich das mit der Zeit so entwickelt?

Skin­ny: Ich dach­te damals, dass ich alles weg­ste­cken könn­te und ein dickes Fell hät­te. Rück­bli­ckend habe ich gemerkt, dass ich es doch nicht so geil fand, wenn die Leu­te auf You­Tube die gan­ze Zeit auf mein Aus­se­hen oder mei­nen Kör­per­bau gegan­gen sind. Aber das war auch nichts, das tie­fe Nar­ben hin­ter­las­sen hat und kein Ver­gleich zu dem, was weib­li­che Kol­le­gin­nen über sich erge­hen las­sen müssen.

MZEE​.com​: Wie sieht es bei inhalt­li­cher Kri­tik aus?

Skin­ny: Ich bin offen für inhalt­li­che Kri­tik und ein gro­ßer Ver­fech­ter von direk­ten Dis­kur­sen, in denen kei­ner durch die Blu­me reden muss. Ich habe nicht immer Bock, mich damit aus­ein­an­der­zu­set­zen, gera­de bei Ver­schwö­rungs­theo­rien. Da ist es ein gro­ßes Merk­mal, dass du mit vie­len grenz­wer­ti­gen Quel­len bom­bar­diert wirst. Wenn mir jemand in die DMs slidet und mir Sachen zeigt, mit denen ich mich aus­ein­an­der­set­zen soll, bevor ich etwas über Künst­ler XY schrei­be, dann den­ke ich mir: "Du hast mir gera­de vier Stun­den Video­ma­te­ri­al und zwei Bücher geschickt. Damit set­ze ich mich jetzt nicht aus­ein­an­der, vor allem nicht, wenn ich eh schon rie­che, was dar­in steht." Solan­ge ich kei­ne all­zu gro­ßen Opfer brin­gen muss, um mich mit der inhalt­li­chen Kri­tik aus­ein­an­der­zu­set­zen, neh­me ich sie ger­ne an. (lacht)

MZEE​.com​: Wie wird sich Deutschrap-​Journalismus dei­ner Mei­nung nach in den nächs­ten zehn Jah­ren entwickeln?

Skin­ny: Er wird sich weg vom klas­si­schen Deutschrap-​Journalismus ent­wi­ckeln. Ich glau­be, da wird auch nie­mand wider­spre­chen. Ich den­ke, es wird spie­le­ri­scher. YouTube-​Videos, die zehn bis fünf­zehn Minu­ten lang sind, in denen etwas gespielt wird. Tik­Tok und YouTube-​Content spie­len eine Rol­le für Rap-​Medien, dem­entspre­chend müs­sen sie sich den Mecha­nis­men der Platt­for­men anpas­sen. Es wird Zeit, dass man das begreift und umsetzt. Das wird sich auch bald zei­gen. Die klas­si­schen Platt­for­men wie Hip​hop​.de und 16BARS wer­den sich vom Con­tent mehr annä­hern. Ansons­ten öff­nen sich auch neue Pfor­ten für gro­ße Pro­duk­tio­nen, Spo­ti­fys Doku­men­ta­ti­on über Lore­da­na zum Bei­spiel oder Ama­zon mit Bushi­do. Das ist neu. Was sich schrift­lich noch abspie­len wird, ist eine gute Fra­ge. Im Print­be­reich wage ich es nicht, eine Pro­gno­se abzu­ge­ben. Wenn das kein Come­back wie Vinyl erlebt, ist es auf jeden Fall vom Tisch. Online scheint die Nach­fra­ge für Text­bei­trä­ge nicht so groß zu sein. Ich wür­de mir gern über­le­gen, wie man Tex­te inter­es­san­ter für die Leu­te auf­be­rei­ten kann, sodass sie nicht am Ende nur die Quint­essenz raus­zie­hen, die sie wol­len. (lacht) Ich hof­fe, dass es noch lan­ge wei­ter­ge­hen und viel­leicht auch wie­der rele­van­ter wird. Aber ich befürch­te, dass alles Rich­tung Video­con­tent geht. Das Interview-​Game wird nicht ster­ben, das ist Hip­Hop. Viel­leicht wird es sich mehr auf Pod­casts verlagern.

MZEE​.com​: Bleibt die inhalt­li­che Tie­fe nicht auf der Stre­cke, wenn sich alle nur noch Songs um die Ohren swi­pen und auf Tik­Tok ein­mi­nü­ti­ge Vide­os hochladen?

Skin­ny: Das fra­ge ich mich auch. Aber wie wir vor­hin schon fest­ge­stellt haben: Kann eine Platt­form wie rap​.de über­haupt bestehen, wenn sie Rap­per mit einer poli­ti­schen Agen­da ver­prellt? Die Fra­ge kannst du dir bei allen Rap­me­di­en stel­len, wenn du die Varia­blen aus­tauschst. Ich weiß nicht, wo da der Tief­gang bleibt. Das Kon­sum­ver­hal­ten ent­wi­ckelt sich in den letz­ten Jah­ren davon weg.

MZEE​.com​: Es ist wie mit der Musik, an der Ober­flä­che geht es weg von inhalt­li­cher Tie­fe. Aber For­ma­te wie den ALL GOOD-​Podcast wird es wei­ter­hin geben.

Skin­ny: Alles, was wir haben und mögen, wird wei­ter­hin ein Nischen­da­sein haben. Wenn wir uns das The­ma Text noch mal anse­hen, fällt es auf, dass sich Hip​hop​.de in den letz­ten Mona­ten viel stär­ker posi­tio­niert hat. Das, was rap​.de ein biss­chen aus­ge­macht hat, füllt in Zukunft Hip​hop​.de hof­fent­lich aus und das machen sie auch gut. Dadurch wird die Lücke gar nicht so schmerzen.

MZEE​.com​: Wel­chen Bei­trag willst du in den nächs­ten Jah­ren in der Sze­ne leisten?

Skin­ny: Ich möch­te sicher­stel­len, dass Bull­shit in Zukunft wei­ter­hin rich­tig­ge­stellt wird. Wenn es kei­ner macht, muss ich es machen. Aller­dings wür­de ich mich eigent­lich gern ein biss­chen aus dem Jour­na­lis­mus raus­zie­hen, weil ich das Gefühl habe, dass ich damit fer­tig bin. Ich wüss­te gar nicht, was ich inhalt­lich noch groß bei­zu­tra­gen hät­te. Außer, auf Bull­shit auf­merk­sam zu machen. Aber das soll bit­te jemand ande­res machen. Ich habe kei­ne Lust mehr, mich dem zu widmen.

(Alex­an­der Hol­len­horst & Malin Teegen)