Wer über die Kombination aus Rap und Graffiti in Deutschland spricht, kommt an Slowy & 12Vince nicht vorbei. Gemeinsam mit Münsters Aushängeschild AzudemSK bilden die Hamburger die Speerspitze in der deutschen Szene, was Lyrics über Tags, Throw Ups und Pieces angeht. Neben den Texten sowie der authentischen und unaufgeregten Art des Duos zeichnen die Trademark-Instrumentals für den wachsenden Erfolg verantwortlich. Doch bei aller Liebe zu Graffiti – Slowy & 12Vince stehen für mehr. So zeigt der Rapper auf der neuen Platte "Dejavu" noch klarer Haltung als zuvor, beispielsweise gegen die AfD und Rassismus. Im Interview sprachen wir mit den beiden über antisemitische Tendenzen und den Hang zu Verschwörungstheorien in Teilen der deutschen Rapszene. Außerdem diskutierten wir den Unterschied zwischen Auftragsgraffiti und der Kunstform an sich. Und natürlich waren auch das vor kurzer Zeit erschienene neue Album "Dejavu" und die Reaktionen darauf Thema.
MZEE.com: Auf der letzten Platte hast du gerappt, dass bei euch "mal mehr Beats, mal mehr Rhymes, zurzeit ein bisschen mehr Sprays" die meiste Zeit einnehmen. Wie sieht es aktuell aus?
Slowy: Das sind immer Phasen. Ich mache im Winter eher die zeitraubenden Projekte wie Aufnehmen, Mischen und so weiter. Das mache ich nicht so gerne im Sommer, wenn die Sonne scheint, sondern lieber bei Regenwetter, im Winter oder im Frühjahr. Schreiben und Malen findet eigentlich immer statt.
12Vince: Beatsmachen ist eigentlich auch immer, die ganze Zeit. Ich sammle Material und wenn schlechtes Wetter ist, schick' ich Slowy die Sachen rüber.
MZEE.com: Ein Fan hat unter einem eurer Videos geschrieben: "Danke, dass es euch gibt, habe dank euren Platten nach 20 Jahren wieder ein neues Blackbook". Wie fühlen sich solche Kommentare an? Freut es euch, wenn ihr Leute dazu inspiriert, zu malen?
Slowy: Es wäre, glaube ich, tatsächlich schwer, mit uns eine DISSLIKE-Folge zu füllen. Man muss sich negative Kommentare und Hater natürlich auch verdienen, sagt man immer, aber dafür sind wir wahrscheinlich noch nicht bekannt genug. Wir bekommen eigentlich immer sehr positives Feedback auf unsere Musik. Wir kriegen auf Instagram auch viele Danksagungen und so weiter. Tatsächlich haben wir schon oft erlebt, dass 15-, 16-jährige Leute auf unseren Konzerten stehen und sich 'ne Platte kaufen. Die schreiben uns dann später, dass sie sich für das Album einen Plattenspieler gekauft haben oder mit anderen Dingen angefangen haben. Das ist natürlich immer ein sehr schönes Feedback.
MZEE.com: Das zeigt auch, dass eure Inhalte einen Einfluss haben. In der medial großflächig abgebildeten Rapszene spielt zum Beispiel Graffiti keine außerordentliche Rolle.
Slowy: Das stimmt. Es ist halt ein Liebhaberding. Wahrscheinlich ist es einfacher, Markenklamotten zu konsumieren und darüber zu rappen, als ein zeitaufwendiges Hobby wie Graffiti zu betreiben. Das ist ja auch sehr viel Arbeit, mit der man eigentlich nur Minus macht. Subkultur eben.
MZEE.com: Zum Thema Nachrichten bei Instagram: Du hast in Tracks schon häufiger anklingen lassen, dass du Gespräche nach Konzerten teilweise unangenehm findest, wenn es in Richtung Personenkult geht. Ist das bei Instagram angenehmer?
12Vince: Es ist ganz praktisch, dass es diese Emojis gibt. Da kann man halt einfach schnell ein "Danke" oder 'ne Flamme zurückschicken. (lacht)
MZEE.com: Da freuen sich die Leute wahrscheinlich auch.
12Vince: Klar, du hast ja dann darauf reagiert. Das kostet nicht viel Zeit. Es ist natürlich nicht so persönlich wie nach einem Konzert. Die Sachen, die du angesprochen hast, sind aber die Spitzen, die man in Songs ausarbeitet. Grundlegend haben wir ja total nette und dankbare Fans. Da macht es auch Spaß, nach der Show am Merch mit denen zu sprechen.
Slowy: Ja, voll. Das soll auch niemanden abschrecken. Ich hab' schon ein paar Nachrichten bekommen, in denen sich Leute auf Textzeilen bezogen haben und so meinten: "Hey, ich will dich jetzt überhaupt nicht hochheben, aber ich wollte dir mal dies und das sagen." Dann denke ich mir manchmal, dass ich vielleicht schon zu viel gesagt habe oder eben zu viel hineininterpretiert wird. Wie gesagt, größtenteils haben wir echt sehr nette Leute auf unseren Konzerten. Es fühlt sich manchmal komisch an, wenn Menschen einen auf ein Podest heben. Gerade jüngere Leute, die das alles noch so krass finden. Wir kommen halt aus verschiedenen Szenen, in denen jeder sein Ding macht und Respekt vor dem hat, was der andere macht. Aber alle kochen mit Wasser und sind normale Menschen. Wenn andere einen dann so hochheben, was man aus dem Alltag gar nicht kennt, weil man ja doch seinem normalen Job nachgeht und so weiter, ist das natürlich total nett gemeint, aber ein bisschen komisch. Aber mit den meisten Leuten ist man auf Augenhöhe. Dann gehst du in eine andere Stadt, triffst Sprüher auf den Konzerten und tauschst dich mit denen aus. Das sind ganz normale Kontakte. In den meisten Städten haben wir ja auch Freunde, mit denen wir uns nach dem Konzert treffen und noch irgendwas machen. Das ist alles ganz entspannt.
MZEE.com: Auf "Leben" thematisiert ihr unter anderem die rechtlichen Risiken, die mit illegalem Sprühen einhergehen können – im schlimmsten Falle sogar Hausdurchsuchungen. Wie oft kam es schon dazu? Und wieso macht ihr trotzdem weiter?
Slowy: Da muss man jetzt nicht zu sehr ins Detail gehen, sage ich mal. Aber natürlich hat das alles auch seine Schattenseiten. Tatsächlich gehen wir auf der Platte teilweise schon ganz gut ins Detail. Ich glaube, man macht weiter, weil der Antrieb einfach da ist. Aber wenn die negativen Seiten zunehmen oder sogar überwiegen, hat man natürlich auch Gedanken, das Ganze ein bisschen herunterzufahren.
MZEE.com: Zu Beginn von "Leben" lässt du anklingen, dass dein Umfeld unter deiner Graffiti-Tätigkeit gelitten hat. Spielt das sogar eine größere Rolle als beispielsweise Hausdurchsuchungen?
Slowy: Ja, definitiv. Das ist eigentlich das viel Wichtigere. Familie und Freundeskreis stehen vor allem anderen und das merkt man auch im Alltag. Manchmal versucht man, mehr unter einen Hut zu bringen, als man kann. Dann eckt man natürlich manchmal an. Aber in erster Linie ist es wichtig, dass im Alltag und im Umfeld alles angenehm ist. Es muss ja auch immer noch Spaß machen. Wenn etwas, mit dem man den ganzen restlichen Tag beschäftigt ist, darunter leidet, dass man eine zweistündige Auszeit nimmt, steht das nicht so im Verhältnis.
MZEE.com: Einige Städte wie Lissabon, Athen und München geben mittlerweile in großem Stil Graffiti-Aufträge heraus, um das Stadtbild zu verschönern, während gleichzeitig Sprüher massiv verfolgt werden. Was haltet ihr davon? Hat das etwas mit dem Grundgedanken von Graffiti zu tun?
12Vince: Ich finde Auftragsgraffiti grundlegend erst mal scheiße. Da benutzen dann oft Eigentümer von Gebäuden Graffiti auf legale Art und Weise, um sich die "Schmierfinke" vom Leib zu halten. Das ist die eine Sache. Die andere ist die extreme Kommerzialisierung der ganzen Geschichte. Dann werden Werbungen für große Unternehmen gesprayt und es fließt viel Geld – und dafür werden die alten Bilder darunter geopfert. Ich bin da sehr anti, um ehrlich zu sein. Es ist einfach wie Werbung und gehört eigentlich nicht ins Stadtbild.
Slowy: Ich hab' mich natürlich viel damit beschäftigt und auch damit zu tun. Freunde von mir malen auch Aufträge und man freut sich schon für die, dass die sich mit ihrer Selbstständigkeit eine Basis für ihr Leben geschaffen haben. Aus deren Sicht ist es ja schön, dass das geht. Aber Graffiti ist für mich eben das, was es ist – und illegal. An einer Hall of Fame ist es noch mal was anderes, wenn es legal ist – das sind halt Flächen für Graffiti. Das andere ist Werbung. Ob da jetzt jemand eine Grafik auf ein riesiges Stoffplakat druckt oder die gleiche Grafik mit einem Raster an die Wand sprüht … Das machen ja inzwischen in allen Großstädten Leute fotorealistisch mit wahnsinnig krasser Technik. Aber im Prinzip ist das nur ein großer Druck von einem Entwurf, den jemand am Computer gemacht hat. Insofern ist das für mich beides Werbung. Das Sprühen von illegalen Bildern hat ja auch mit dem alten Kreislauf der Gentrifizierung zu tun. Irgendwo gibt es einen Stadtteil, der arm ist. Dann kommen die Studenten und Künstler dahin und hinterlassen ihre Tags und Bilder. Der Stadtteil wird hip und bunt, es kommen die reichen Investoren und bauen da ihre ganzen Geschäfte und Riesenhäuser rein. Irgendwann stören die Bilder die Investoren, weil die das nicht kennen, obwohl sie von dieser Hipness profitieren, was sie wahrscheinlich manchmal gar nicht realisieren. Deshalb lassen sie die Bilder dann mit schickeren Sachen übermalen, weil das eher passt. Da gibt es ja schon viele Bewegungen, bei uns in der Stadt und, ich glaube, auch woanders. Die übermalen Auftragsarbeiten illegal, um sich diesen Platz in der Stadt zurückzuholen. Das finde ich persönlich völlig in Ordnung. Der Auftragsmaler ist für mich in der Hinsicht nur ein Dienstleister. Der hat sein Geld dafür bekommen. Ich glaube, die Leute, die das machen, haben es teilweise auch sehr schwer in der Stadt. Die wollen oft noch in der Graffiti-Szene stattfinden und identifizieren sich damit, bekommen dann aber eben ihre Probleme, wenn sie Leute übermalen, die organisiert sind und gleichzeitig denken, dass sie sich bei der nächsten Galerie damit brüsten können. Das ist ein schwieriges Thema, denn zwischen den Gruppen gibt's ja auch Schnittmengen. Das führt schon häufiger zu Problemen in der Stadt.
MZEE.com: In unserem letzten Interview haben wir über die vergangene Zeit zwischen "Ultima Radio" und "Undercover Blues" gesprochen. Zählt man euer Crew-Release mit, habt ihr in den letzten drei Jahren drei Platten herausgebracht. Hat sich etwas an eurer Herangehensweise geändert, sodass ihr produktiver denn je seid?
12Vince: Ich glaube, es war am Anfang grundlegend ein bisschen schwerer, eine Platte zu machen und erst mal in diesen Arbeitsprozess reinzufinden. Wenn man das ein paar Mal gemacht hat, weiß man ungefähr, wie das funktioniert. Außerdem häuft sich auch ordentlich Material an, wenn man ein paar Jahre Musik macht. Dann puzzelt sich vieles zusammen. Bei vielen Sachen weißt du direkt, wofür du sie verwenden willst. Da kann es schon mal vorkommen, dass sich die Releases ein bisschen mehr häufen und es eine höhere Frequenz gibt. Wobei ich trotzdem sagen würde, dass wir im Vergleich zu anderen Leuten immer noch nicht so sehr viel releasen.
MZEE.com: Vielleicht wird auch einfach mehr Musik eurem eigenen Anspruch gerecht.
Slowy: Wir waren eigentlich immer schon sehr selbstkritisch und haben nie Sachen releast, hinter denen wir nicht stehen konnten. Da haben wir lieber weniger und das dann ordentlich gemacht. Oder wir haben mehr Tracks auf die Platten gepackt, anstatt inflationär Releases rauszuhauen. Müssten wir im Alltag nicht arbeiten, würden wir wahrscheinlich viel schneller neue Platten machen können. Aber man muss sich in den Phasen halt echt zusammenreißen und 'ne Platte fertig machen, weil man Bock hat, damit im nächsten Jahr live zu spielen. Die Musik entsteht nebenbei skizzenhaft und liegt dann herum. Aber der Arbeitsprozess, zu recorden, die Beats noch mal anzupassen und alles zu mischen – das sind die Sachen, die nicht so viel Spaß machen, weil sie nicht kreativ sind. Darin liegt aber der größte Arbeitsaufwand. Da muss man sich ein paar Wochen oder auch Monate am Stück dransetzen, um alles fertigzukriegen.
12Vince: Büroarbeit ist es dann halt auch. Wir machen ja alles selber und haben kein externes Label oder Angestellte, die Dinge für uns erledigen. So bleibt der ganze Arbeitsaufwand eines Releases bei uns hängen – vom Denkprozess, wie irgendetwas aussehen soll über Telefonate mit dem Presswerk bis hin zu Kontakt mit den Händlern und dem Abarbeiten von Vorbestellungen. In der Zeit könnte man rein theoretisch auch Musik machen, aber den Weg haben wir halt gewählt.
MZEE.com: Slowy, du lässt in vielen Zeilen, unter anderem auf "Silvester", Resignation über gesellschaftliche und weltpolitische Zustände durchscheinen. Fühlst du dich, auch angesichts des Aufstiegs von populistischen Bewegungen wie der AfD, oft rat- und hilflos? Oder ist der Track als Aufruf zu verstehen, etwas zu tun?
Slowy: Wir sind grundsätzlich nicht so die krassen Zeigefinger-Menschen. Aber ab und zu finde ich es schon wichtig, Dinge zu formulieren und auszusprechen. Diese Gedanken hat man natürlich im Alltag. Hilflosigkeit ist es jetzt nicht unbedingt. Ich denke, dass man mit der Kritik an den Zuständen die Leute, die man erreichen möchte, schon auf Dinge aufmerksam machen – und vielleicht sogar etwas ändern kann.
12Vince: Würde man keine Musik machen, hätte man natürlich Zeit, sich intensiver mit anderen Dingen zu beschäftigen und etwas mehr Aktivismus an den Tag zu legen. Ich kenne viele Leute, die politisch aktiv sind, mit denen man auch viel spricht und diskutiert. Wobei ich selbst in der Auseinandersetzung mit Themen sehr viel lerne – egal, welche es sind. Resignation schwingt schon immer mit. Aber allein die Auseinandersetzung mit den Themen zeigt ja schon, dass man nicht komplett resigniert hat. Es könnte schlimmer sein, sodass man sich überhaupt nicht mehr für irgendetwas interessiert und sein ganzes Leben vom Konsum lenken lässt und dem Geld hinterherhechelt. Ich glaube, man hört in der Musik schon, dass wir gewisse Werte vertreten und uns mit so etwas auseinandersetzen, ohne uns jetzt auf die Fahne zu schreiben, dass wir politische Musik machen.
Slowy: Diese Zeilen sind oft auch einfach Reaktionen, die während des Schreibprozesses ganz aktuell sind und dann durchkommen. Gerade in Hamburg hat man ja wenig Probleme mit rechten Tendenzen. Die Stadt ist sehr links und sehr tolerant, im Alltag kriegst du Dinge, die du über die Medien über andere Städte erfährst, hier eigentlich gar nicht mit. Man kann das natürlich alles schön filtern, sich derartige Inhalte nicht reinziehen und dann geht es einem mit seinem Umfeld in dieser Stadt ganz gut. Aber teilweise bekommst du natürlich doch Dinge mit, die sich häufen. Irgendwann muss es raus, wenn du dir mal wieder denkst, dass das alles eigentlich nicht wahr sein kann.
MZEE.com: Nicht zu resignieren, fällt auf jeden Fall schwer, wenn du mit Leuten gar nicht mehr sachlich diskutieren kannst, finde ich. Wenn zum Beispiel wissenschaftlich bestätigte Fakten einfach nicht geglaubt werden.
Slowy: Ja, manchmal ist es auch schwer, Menschen zu überzeugen, die einfach dumm sind – so blöd das klingt. Ich will mich damit gar nicht über viele Menschen stellen und sagen, ich sei superschlau, aber gefühlt sind leider sehr viele Menschen einfach dumm oder von gesellschaftlichen Umständen verdummt worden.
MZEE.com: Rechtsextreme Gewalttaten wie zuletzt in Halle an der Saale lassen sich auch mit Wordings von Parteien wie der AfD in Verbindung bringen. Der Täter hat in einem Video antisemitische Umvolkungsfantasien verbreitet, bevor er getötet hat.
Slowy: Du hörst ja selbst im Rapbereich Leute antisemitische Thesen oder sonstige Verschwörungstheorien aufstellen. Leute, die Millionen von Followern haben und so viele Menschen beeinflussen. Das meine ich mit verdummen. Wenn du mit deiner Macht andere Menschen so "erziehst". Ich hab' mich damit auch nur teilweise beschäftigt. Da kam es dann doch nach geraumer Zeit zu einer gewissen Resignation. Aber damit kann man sich natürlich stundenlang beschäftigen. Das sind Leute, deren Musik ich jetzt nicht höre, aber über Social Media bekommt man dann doch mal was mit. Das ist alles schon ziemlich krass bei Künstlern, die zur HipHop-Szene gezählt werden, die ja eigentlich weltoffen und multikulturell ist. Von explizit rechtem Rap und so weiter ganz zu schweigen. Das gibt es ja auch noch.
MZEE.com: Findet ihr, dass die Szene diesbezüglich extremer geworden ist?
Slowy: Ja, das ist definitiv mehr geworden. Es sei denn, diese Leute haben die Musik alle im stillen Kämmerlein gemacht und wurden nicht wahrgenommen. Wir sind ja auch nicht mehr die Allerjüngsten und nehmen die Deutschrap-Szene schon seit ihrem Bestehen wahr.
12Vince: Ich denke, es ist allein dadurch viel mehr geworden, wie einfach man sich solche Informationen beschaffen kann. Früher musste man wahrscheinlich irgendwelche krassen Netzwerke haben, um an Literatur in der Richtung heranzukommen. Heutzutage kannst du ja alles googlen und zu allen Verschwörungstheorien etwas finden – dementsprechend ist der Zugang viel einfacher geworden. Noch dazu sind viele Leute bereit, auf solche Köder anzuspringen und Ideologien zu verfolgen.
Slowy: Vielleicht gab es aber früher auch einfach mehr Menschen, die diese Meinungen am Stammtisch vertreten haben, anstatt das in der Musik zu tun. Es machen ja einfach viel mehr Leute Musik und Rap. Als wir angefangen haben, Deutschrap zu hören, gab es hier vielleicht 100 Künstler. Jetzt ist es wahrscheinlich eine sechsstellige Zahl. Aktuell werden die Leute mit Instagram-Videos bekannt. Die haben dann auf einmal 100 000 Follower und Menschen, zu denen sie sprechen und die sie in ihrer Meinung prägen können. Und das sind zum Großteil jüngere Kids, die denen natürlich die komischsten Sachen glauben. Die halten den Künstler für ihren Messias. Es ist sicher auch gut, dass jeder im Internet eine Stimme hat, aber in diesen Kontexten birgt es 'ne Gefahr.
MZEE.com: Was die Größe der Szene angeht, gibt es ja zum Glück sehr viel mehr guten Stuff.
12Vince: Ja, total. Das kannst du ja direkt gegenüberstellen. Die Infrastruktur, die wir heute für unsere Zwecke nutzen können, um Leute zu erreichen, ist natürlich viel besser als zum Beispiel in den 90ern. Gleichzeitig gibt es irgendwelche Neonazi-Bands, die diese Strukturen nutzen können, um mehr Leute zu erreichen. Aber das gilt eben auch für Leute, die vernünftige Sichtweisen vertreten. Oder für Aussteiger aus rechtsextremen Szenen, die Leute aufklären und positiv beeinflussen wollen, anstatt Hass zu verbreiten.
MZEE.com: Zum Abschluss: Auf dem Album scheinen neben Graffiti vor allem Freundschaft und eure Jungs als große Themata auf. Ist Freundschaft für euch das Wichtigste im Leben?
Slowy: Familie steht auf jeden Fall ganz vorne. Und meine besten Freunde zähle ich auch quasi zu meiner Familie oder zu dem, was wir so nennen. Das enge Umfeld, Leute, denen man über lange Zeit vertrauen kann. Bei denen man weiß, dass man da auf jeden Fall einen Rückhalt hat, wenn alles andere kaputtgeht. Das ist das Wichtigste, die Basis.
12Vince: Das seh' ich genauso. Ich hatte vorgestern erst ein langes Gespräch mit meiner Freundin darüber. Da ging's um Arbeit, wie man seine Zeit einteilt und was einem tatsächlich wichtig ist. Im Endeffekt sind Job, Geld und so weiter immer nur zweitrangig. Freunde und gute Beziehungen sind viel wichtiger. Freundekaufen bringt einen auch nicht weiter. Da sind ehrliche Freundschaften und Leute, auf die man sich verlassen kann, schon das Wichtigste.
(Yasmina Rossmeisl & Alexander Hollenhorst)
(Fotos von MADEINCHINA)