Doz9 und Torky Tork war Normales schon immer zu langweilig. Statt im Alltagstrott im Berliner Studio festzuhängen, suchen der schönste Mann im Raum und der Lieblingsproduzent deines Lieblingsuntergrundrappers die Inspiration für ihre Platten fast immer im Ausland. Stilistisch lassen sich Doz und Torky in Deutschland ohnehin nur schwer mit anderen Künstlern vergleichen. Die Promophase für das nächste Release "Maestro/Antipop" begann bereits vor der Veröffentlichung der Vorgängerplatte "Plastik aus Gold", indem die erste Single für das vierte Album vor dem Erscheinen des dritten Albums ausgekoppelt wurde. "Maestro/Antipop" soll den T9-Sound manifestieren und weiterentwickeln, während es gleichzeitig mit den vorherigen Werken brechen will. Im Interview sprachen wir mit den beiden über den Entstehungsprozess des neuen Releases, darüber, warum sie auf ihren eigenen Alben gerne mit anderen Produzenten zusammenarbeiten sowie über diverse Möglichkeiten, Musik zu konsumieren. Außerdem ging es um Lo-Fi-Beat-Tutorials, ein kleines Missverständnis mit Trettmann und darum, welcher Rapper von Doz' Musik Psychosen bekommt.
MZEE.com: In unserem letzten Interview haben wir darüber gesprochen, wieso ihr bisher nur relativ kurze Platten mit einer Laufzeit von um die 30 Minuten veröffentlicht habt. Auf "Maestro/Antipop" finden sich insgesamt 18 Tracks. Wie ist es zu dieser Umstellung gekommen?
Doz9: Die ersten beiden Platten und ihr Format sind daraus entstanden, dass wir immer irgendwohin gefahren sind und die Alben in Sessions aufgenommen haben. "Plastik aus Gold" haben wir im Studio aufgenommen, aber diesen Charakter beibehalten. Dieses Mal haben wir uns einfach Zeit gelassen und tatsächlich direkt, nachdem "Plastik aus Gold" fertig war, am neuen Album gearbeitet. So sind wir dann die Tracks auch auf verschiedene Weisen angegangen und haben mal über Konzepte nachgedacht.
MZEE.com: Woher kam der Sinneswandel?
Doz9: Mich persönlich nervt es ein bisschen, dass die letzten drei Alben andauernd in ein Verhältnis zueinander gestellt werden. Natürlich ist es immer die gleiche Kombi von uns beiden, die Optik der Cover mit dem Handy war gleich. Es bietet sich schon an, die Alben in einen Zusammenhang zu stellen. Aber eigentlich sollen sie gar nicht miteinander verglichen werden, weil sie alle ihre eigenständige Geschichte haben. Ich will das aber niemandem vorwerfen, weil ich wahrscheinlich genauso vorgehen würde. Davon wollten wir uns einfach lösen. Aller guten Dinge sind drei – wir wollten nicht wieder irgendwo hinfahren und ein viertes Album in dieser Reihe machen.
MZEE.com: Auf den letzten Platten gab es nur vereinzelte Tracks, die einem mehr oder weniger offensichtlichen inhaltlichen Leitfaden folgten. Gibt es auf dem neuen Album mehr davon?
Doz9: Teilweise ja, teilweise genau das Gegenteil. Mehr kann ich momentan nicht sagen. (grinst)
MZEE.com: Die ersten zwei Singles zu eurem mittlerweile vierten Album waren schon länger veröffentlichte Songs – ihr habt das schon als "nachhaltigkeitsstiftende Album-Promo" betitelt. Wie genau ist diese Idee eigentlich entstanden?
Doz9: Darum, einfach als Konter-Kultur. Normalerweise musst du nach irgendwelchen Regeln spielen, um Anschluss zu finden und bla. Aber man kann mit diesen Regeln auch spielen, sie transformieren oder auch … disruptieren. (lacht)
Torky Tork: Fremdwort! (lacht)
Doz9: Im Endeffekt haben wir's gemacht, weil wir's können. Es ist halt ein cooler Move, vor dem dritten Album die erste Single vom vierten Album herauszubringen.
MZEE.com: Wusstet ihr damals schon, wie das vierte Album klingen wird?
Doz9: Das kann man so nicht sagen, die Aktion war jetzt kein totales Kalkül. Aber es ist auch nicht so, dass der erste Track nichts mit dem Flavour des neuen Projektes zu tun hat. Das ist schon alles bündig.
MZEE.com: Wart ihr während des Entstehungsprozesses wieder unterwegs?
Doz9: Mehrmals. Unter anderem waren wir in Wien, dann am Vielitzsee direkt um die Ecke vom Wohnsitz von Wladimir Kaminer. Wir waren in Indien, auch wenn wir da nicht unbedingt Musik gemacht haben, aber dort haben wir Videos gedreht. Und die Erfahrung ist, glaube ich, indirekt auch ins Projekt eingeflossen.
MZEE.com: Inwiefern spiegelt sich Wien in der Platte wider?
Doz9: Es spiegelt sich in der Brillanz der Künstler, die dort wohnen, wider.
Torky Tork: Genau. Ich hab' ja schon länger eine Beziehung zu Wien und auch eine Zeit lang dort gewohnt. Sehr liebe Freunde von dort sind Produzenten, Sänger und Rapper. Mit denen haben wir Mucke gemacht. Es geht weniger um den Ort als um die Leute, die da wohnen. Wir haben drei Dinger mit Fid Mella gemacht. Wandl hat gesungen, produziert und Sachen eingespielt, Jamin hat gesungen. Eigentlich waren wir für einen Gig da und im Endeffekt sind drei richtig coole Songs daraus entstanden. Die sind zum einen total "T9", zum anderen aber voll anders, weil sie beispielsweise in Mellas Studio entstanden sind. Die waren alle einfach am Start. Einen halben Tag vor unserem Abflug sind Wandl und Jamin beide noch vorbeigekommen und wir haben noch einen Song gemacht.
MZEE.com: Wandl hätte man auf eurer Platte nicht unbedingt erwartet – passt aber echt gut, wenn man darüber nachdenkt.
Doz9: Torky ist halt brutal offen, was Kooperationen angeht. Der kann mit jedem Beatschrauber zusammenarbeiten und es ist für eine Bandstruktur wie unsere eine interessante Sache, nicht nur Rapper zu featuren, sondern auch Produzenten. Torky kann sich dadurch voll entwickeln. Mit Wandl macht er den Sound, mit Suff Daddy einen anderen und mit mir oder Audio88 wieder etwas vollkommen anderes. Warum soll man so eine Eigenschaft nicht nutzen? Deshalb haben wir dieses Mal echt viele Produzenten-Features auf der Platte.
Torky Tork: Das war auch der Ansatz. "Maestro/Antipop" besteht übrigens insgesamt aus zwei Platten, die gemeinsam funktionieren und sich ergänzen. Das sind das vierte und das fünfte Album. Es sind auch super viele Songs. (lacht)
Doz9: Das würde heute eigentlich keiner mehr machen.
Torky Tork: Eigentlich machst du ja nur noch Singles und so. Aber wir wollten diesmal irgendwie etwas Größeres, Volles machen. Audio hat uns gesagt, dass wir uns mal Zeit lassen sollen. Wir haben drei Jahre hintereinander Alben releast …
Doz9: Er hat halt auch Recht gehabt.
Torky Tork: … du kannst dann nicht das vierte direkt hinterherballern. Die eine Platte folgt diesem bisherigen T9-Zyklus schon, die andere ist ein bisschen anders. Aber im Endeffekt sind das auch einfach nur wir. Es ist jetzt nicht so, dass wir Yin und Yang erfunden haben, aber wir haben es vielleicht etwas versucht.
MZEE.com: Habt ihr die Songs auch anders strukturiert, was beispielsweise die Länge oder Hooks angeht?
Doz9: Teilweise. Auf dem einen Album ja, auf dem anderen eher nicht. Wir haben versucht, uns bei der einen Platte relativ stark am ersten Album zu orientieren und ganz roughen, sportlichen Rap auf experimentellen Beats zu machen. Und beim zweiten …
Torky Tork: Oh Gott, wie du das gesagt hast! Wie hässlich! (lacht) Wie ein Lehrer!
Doz9: (lacht) Beim zweiten Album sind wir halt noch einen Schritt weiter als bei "Plastik aus Gold" gegangen. Da haben wir auch schon viel mit kontemporärer Musik gespielt, was die Geschwindigkeiten und so weiter betrifft. Wir wollten auf jeden Fall die Dichte an Songs mit einem Leitfaden auf einer Platte erhöhen.
MZEE.com: Wie lässt sich dann zusammenfassend der Unterschied zu den drei Vorgängeralben beschreiben? Auch, wenn wir diese ja nicht im Zusammenhang betrachten wollen …
Doz9: Die lassen sich schon alle in Verbindung bringen, weil die sich ja auch gegenseitig referenzieren. Ich transformiere ja auch gerne alte Zeilen zu neuen. Wenn die ersten drei Alben die Ausbildung waren, sind die neuen die Meisterprüfung. So kann man das sagen.
MZEE.com: Wie steht es eigentlich um euer Hörverhalten – hört ihr noch viele komplette Alben oder eher einzelne Songs und eigene Playlists?
Torky Tork: Ich versuche schon, Alben zu hören. Ich finde leider irgendwie keine richtig geilen Playlists. Nichts gegen Modus Mio, aber …
Doz9: Playlists sind auch was für Uninspirierte. Allerdings können diese Empfehlungen, die einem anhand der Musik, die man selbst hört, gemacht werden, ganz fruchtbar sein.
Torky Tork: Ich find's irgendwie noch nicht geil genug. Aber vielleicht hab' ich nur noch nicht den Dude gefunden, der denselben Geschmack hat wie ich.
MZEE.com: Wenn man ein bisschen sucht, gibt's schon auch ganz gute Listen. Vor allem ist es interessant, dass Instrumentals und Beats teilweise sehr viele Streams haben, weil sie in diesen ganzen LoFi-Study-Listen gefeaturet werden.
Torky Tork: Ich hab' manchmal das Gefühl, ich müsste meine ganzen alten Beats nochmal ausgraben. (grinst) Sorry, aber der meiste Kram ist halt echt Easy Listening. Das ist für mich nichts Besonderes.
Doz9: Ey, ich könnte meiner Mutter zeigen, wie man solche Beats macht.
Torky Tork: Okay, das ist jetzt schon hartes Gehate. (lacht) Aber zu einem gewissen Punkt ist es so. Natürlich gibt es da auch Jungs, die krass talentiert sind und geile Sachen machen. Aber für "tutorial how to make Lo-Fi beats" gibt es schon echt lustige Suchergebnisse. Es gibt so ein geiles Tutorial dazu. In diesen Beats sind ja immer so Wasser-Sounds – und in diesem Tutorial geht der Typ einfach pissen und samplet seine Pisse. (lacht) Das hat mir Bluestaeb geschickt, der ist auch so ein richtiger Lo-Fi-Hater.
MZEE.com: Das war natürlich auch die Motivation für dich, dein erstes Instrumental-Album noch mal zu releasen …
Torky Tork: Nein, nein. (grinst) HHV wollte das nochmal auf Vinyl bringen. Doz hat mich auch gefragt, ob ich mich nicht für meine alten Beats schäme. Die sind halt echt 12, 13 Jahre alt. Ich hab' die damals mit dem Cinch-Kabel aus der MPC rausgebounct, das war's halt. Kein Mix, kein Master. Das war richtig LoFi, weil's nicht besser ging.
MZEE.com: Doz, könntest du dir vorstellen, so alte Songs nochmal zu releasen?
Doz9: Es gibt ja die "Need for Weed"-Alben, die immer noch gehört werden. Ich steh' da schon zu, aber ich würde es nicht re-releasen.
MZEE.com: Kannst du dir das noch anhören?
Doz9: Ich hör' meine eigene Musik eigentlich generell fast nie außerhalb des Entstehungsprozesses.
Torky Tork: Ich auch nicht, zumindest nicht meine alte Musik. Aber als ich die Platte jetzt nochmal gehört hab', fand ich sie schon geil. Das war einfach so ein Gefrickel. Ich hab' damals krass viel Zeit damit verbracht, Samples auf der MPC zu zerschnippeln. Was für eine Arbeit das war, wie lange das gedauert haben muss! (grinst) Aber hätte ich zu der Zeit gerappt und das aufgenommen, könnte ich mir das heute wahrscheinlich auch nicht mehr anhören.
Doz9: Ja, Rap ist da noch mal was anderes.
Torky Tork: Vor allem, wenn man früh anfängt, Texte zu veröffentlichen, sind die eben oft noch jung und wild. Alle sieben Jahre verändert sich dann dein Gehirn und du wirst quasi ein anderer Mensch. Und dann bist du plötzlich ein Erwachsener und fragst dich, warum du die Mutter von XY bumsen wolltest und was mit dir los war.
MZEE.com: Wenn wir über Veränderung und Konstanz sprechen: Es ist ja auch beides möglich. Man kann sich beispielsweise musikalisch und auch einstellungstechnisch verändern, aber dennoch eine gewisse Grundeinstellung der Musikindustrie oder der Herangehensweise an Musik gegenüber behalten. Da fallen mir beispielsweise Yassin und seine neue Platte ein.
Doz9: Also, wir haben kein Autotune verwendet. (lacht) Wir haben noch gar nicht über Autotune geredet!
Torky Tork: Es gibt da auf jeden Fall wieder einen Unterschied zwischen den Textern und den Menschen, die Musik machen. Als Texter sagst du ja wirklich etwas. Doz schreibt im Grunde genommen ein ganzes Buch, wenn er ein Album macht. Diese Veränderung kannst du natürlich über die Jahre mitlesen.
Doz9: Du positionierst dich viel mehr. Aber wir sind schon … erwachsener geworden. (lacht) Nein, tatsächlich würde ich nicht sagen, dass wir jetzt beispielsweise krass erwachsen geworden sind, wenn wir über diesen "Mindshift" reden. Irgendwer hat unsere Musik auch mal als "grown men rap" bezeichnet.
MZEE.com: Es ist sowieso verwunderlich, in welche Schubladen Acts so gesteckt werden. "Studentenrap" hab' ich über euch auch schon gehört, weil es so verkopft wäre.
Doz9: Wir wurden auch schon mit Sookee zusammen gebucht. (grinst) Dilemma hat immer gesagt, er kriege von meiner Musik Psychosen oder so.
Torky Tork: Das ist die Headline. (lacht)
Doz9: Das, was für manche die große Barriere ist, um Zugang zu finden, ist für andere das Interessante an der Musik. Die mögen es dann, dass man immer etwas Neues entdecken kann. Dafür wurde Dendemann früher gefeiert. Das war das Coole an ihm, du konntest die Mucke hören und dir denken: "Ah, krass, jetzt hab' ich das und das verstanden" und so weiter. Solche nachhaltigen Texte sind heute die Barriere dazu, Erfolg zu haben. Also, was heißt nachhaltig? Ich erkläre niemandem die Welt, aber die Texte sind eben sehr referenziell und verschlüsselt und es kann auch Spaß machen, die zu entschlüsseln.
MZEE.com: Am erfolgversprechendsten ist es ja aktuell, deinem Track den Namen eines Fußballers zu geben und diesen möglichst oft zu wiederholen.
Doz9: Es ist momentan eigentlich ein echt guter Zeitpunkt, um eine künstliche Intelligenz für generische Raptexte zu programmieren. Du brauchst ein gewisses Setup an Referenzen wie Fußballspielern, Modelabels und vielleicht noch Models und Rolexmodellen. Dazu packst du dann noch ein paar Lifestyle-Schemes oder so.
MZEE.com: Dann programmiert man noch ein paar Flows ein …
Doz9: Genau, die sind halt "Lelele". Es ist einfach alles so mega generisch. Also, teilweise kommt dabei ja auch wirklich coole Mucke heraus.
MZEE.com: Wobei das ja auch 'ne Analogie zu 90-bpm-Boom bap ist. Da klingt auch vieles gleich.
Doz9: Hm … ja, klar. Aber wenn du die 90er Jahre heranziehst, war das schon krass variantenreich. Du kannst jetzt nicht Outkast mit Onyx vergleichen oder Wu-Tang mit Biggie.
Torky Tork: Aber es ist aktuell in dem Sinne auch variantenreich, weil es eben alle Varianten gibt. Es gibt ja selbst den 90er-Jahre Boom bap noch.
Doz9: Und zwar viel besser als vorher.
Torky Tork: Der läuft voll durch. Selbst die Beats von vor zehn Jahren funktionieren noch. Jeder hat seine eigene Schiene.
MZEE.com: Diese Parallel-Entwicklung gibt's auf jeden Fall. Aktuell bekommen ja Leute wie Ulysse, Haze oder Kwam.E durchaus viel Aufmerksamkeit, indem sie eine Oldschool-Schiene fahren.
Doz9: Kwam.E ist ultracool. Der hat einfach die Energie. (lacht) Der hat auf jeden Fall verstanden, wie das funktioniert, das muss man dem echt lassen. Bei Ulysse ist es genau das Gleiche. Und bei Haze ist es wiederum nochmal was anderes, aber der hat auch verstanden, wie man's macht. Du merkst einfach: Das sind Straßenjungs, die aber auch Fans sind und sich mit HipHop befasst haben. Die machen das nicht nur, weil es gerade cool ist, sondern sind durch eine Schule gegangen. Ich glaube nicht, dass Haze' Label einfach so Alte Schule Records heißt, da steckt schon etwas dahinter.
MZEE.com: Ich habe euch noch ein Zitat mitgebracht, das mich an eure Musik erinnert. Der deutsche Schriftsteller Sigmund Graff sagte mal: "Jedes Kunstwerk ist eigentlich eine Skizze, die erst durch unsere Fantasie vollendet wird." – Würdet ihr sagen, dass das eure Herangehensweise an Musik gut beschreibt?
Doz9: Ja. "Ich mal' 'ne Skizze und du darfst sie ausmalen" ist ja auch eine Line von mir. Es liegt alles im Auge des Betrachters. Wenn du in meinen Texten Sachen finden möchtest, steht dir alles offen – auch Kritikpunkte. Das kann Fluch und Segen sein.
Torky Tork: Es steht oft kein Konzept dahinter. Es ist einfach der Vibe – wenn es sich richtig anfühlt und alles gesagt ist, ist alles gesagt. Wir sind auf jeden Fall nicht die Typen, die am Ende des Songs noch dreimal die Hook wiederholen. Das ist im Rap noch total krass verbreitet. Ich hab' gerade 'ne Platte mit C.S. Armstrong aus den USA gemacht. Die Songs gehen auch immer ganz kurz los, bauen sich wild auf, dann gibt's einen Breakdown, es geht nochmal los und dann klingt der Track aus. So sind wir beziehungsweise bin ich sowieso immer. Die Rapper haben mir früher gesagt, dass ich nicht ständig so lange Intros produzieren soll, wenn das Intro länger als der ganze Song war. Aber für mich gehört das total dazu. Ich fand es früher schade, dass es das im HipHop nicht so gab. Das war natürlich auch ein technisches Problem, weil du mit den Samplern nicht so krasse Arrangements machen konntest. Du hattest halt nur zwei Sekunden Sample-Zeit und hast deshalb diese super simplen Beats gemacht, in denen nichts passiert ist. Heutzutage gibt es ja krasse Möglichkeiten und dadurch werden die Beats, was die Arrangements, Melodien und so weiter angeht, immer komplexer.
MZEE.com: Ein langes Intro kann einem Song auch viel geben.
Doz9: Es ist nur live anstrengend. (grinst) Aber eigentlich ist es geil. Es ebnet quasi das Bühnenbild für dich.
MZEE.com: Das kann ja auch die Erwartungshaltung des Hörers steigern. Du wartest gespannt darauf, was gleich im Song beziehungsweise Part passiert.
Doz9: Ich glaube, bei der ersten T9-Platte war das Intro der längste Track. (lacht)
MZEE.com: Wir kommen langsam zum Ende des Interviews und ich würde gerne noch Folgendes von euch wissen: Was wünscht ihr euch für deutschen Rap 2019?
Torky Tork: Boah, fuck. Für so eine Frage brauche ich immer einen halben Nachmittag.
Doz9: Ich wünsche mir, dass ich in Zukunft mit einem Hubschrauber zum Auftritt fliege. Das wünsche ich mir für Deutschrap. (lacht) Nee, ich finde, Deutschrap geht in eine verdammt gute Richtung. Klar, es gibt den ganzen Schmutz, aber der Untergrund ist so stark. Guck dir die Tapefabrik an. Das ist total wichtig. Leute wie wir, für die sich normalerweise kein Schwein interessiert, sind da Headliner. Und die Leute feiern das, die kommen an und wollen Fotos machen und so. Ich kann mit sowas gar nicht umgehen, weil ich das nicht kenne. Das ist auch der Beweis dafür, wie existent der Untergrund ist. Es gibt einen Haufen Künstler, die da sind, auch wenn sie nicht gebucht werden. Da gibt es so viele krasse Leute, egal, welchen Sound du pumpen willst. Es ist total vielseitig und entwickelt und vernetzt sich echt cool.
Torky Tork: Ich glaube, es gibt ein paar richtig interessante Künstler, die man noch nicht wirklich sieht. Auf allen möglichen Wellen wird so viel gesendet, dass man Schwierigkeiten hat, durch das Dickicht zu gucken. Man will die Sachen ja auch zwei-, drei- oder zwanzigmal hören. Ich wünsche mir, dass man die Leute, die richtig geil sind, mehr sieht. Dafür fehlt mir noch ein bisschen das Medium. Früher hattest du halt den Plattenladen, irgendwelche Blogs oder deinen Facebook-Feed. Und da hast du es auf jeden Fall mitbekommen, wenn der Künstler, dem du folgst, etwas postet. Jetzt ist halt alles gesteuert. (grinst) Dadurch verliert man die Übersicht.
MZEE.com: Das ist ja auf der ganzen Welt mittlerweile mehr oder weniger so. Diese natürliche Limitation gibt es in der Art nicht mehr, was eben positive und negative Aspekte mit sich bringt.
Torky Tork: Genau. Ich finde aber auch, dass es sehr geile Entwicklungen gibt. Sowohl in dieser super modernen, trappigen als auch in dieser total undergroundigen Richtung. Ich freue mich darauf, wenn bestimmte Hypes demnächst mal vorbei sind und was dann kommt – auf die nächste Welle. (grinst) Vielleicht ist die dann auch wieder eine Melange aus irgendwas. Das ist ja eigentlich immer so. Gerade kamen viele Dancehall-Vibes durch RAF, 187, Tretti und so weiter …
Doz9: KMN darfst du da auf keinen Fall vergessen. Das ist echt dope, Alter. Für das, was die machen, ist das richtig gut. Ich zieh' mir fast alles von denen rein. Es ist faszinierend, dass die einfach aus Dresden kommen und in Dresden kein Schwanz über die redet, obwohl die so krass groß sind. (lacht) Ich finde, dass die diesen Sound echt mitgeprägt haben. Die sind schon so lange dabei und haben einfach verstanden, wie man das macht.
MZEE.com: Lasst uns zum Abschluss noch ein bisschen über Gossip quatschen. 2015 hast du auf einem Track diese Spitze gegen Trettmann gesetzt: "Ein Herz für sächsische Frauen – keins für Trettmann." Hat sich daran eigentlich etwas geändert?
Doz9: Mich haben echt viele Leute auf die Zeile angesprochen, auch aus Musikerkreisen. (lacht) Da hab' ich gemerkt, dass Tretti das irgendwie mitbekommen und mir echt übel genommen hat. Kann ich aber voll verstehen, wenn mich jemand in so einem Kontext erwähnen würde, würde ich mich vielleicht auch aufregen. Wir kennen uns gar nicht.
Torky Tork: Ich hab' ihn mal kennengelernt.
Doz9: Die haben auch schon mal darüber gesprochen. Im Endeffekt kann ich jetzt alles erklären, wie ich will, aber tatsächlich hab' ich das ganz anders gemeint, als es rüberkam. Der Grundgedanke war einfach nur, Props an sächsische Frauen zu geben, ich hab' ja auch 'ne sächsische Freundin. Trettmann hat ja früher als Ronny Trettmann sächsischen Reggae gemacht. Meine Relation dazu war, dass ich es mir jeden Tag geben kann, wenn meine Freundin Sächsisch redet, aber Ronny Trettmann auf Sächsisch war jetzt nicht so sehr meins. Wobei ich das alles kenne, von Anfang an. "Ich will dich grätschene" und so. Ich hab' das auch gefeiert.
Torky Tork: (singt) "Mädschene, ich will dich grätschene!" (grinst) Wir haben das rauf und runter gehört, als Trettmann noch niemand kannte. In der Albumproduktion zu "R.I.F.F.A." auf Teneriffa zum Beispiel, morgens zum Frühstück. (singt erneut) "Mädschene, ich will dich grätschene!" Wir sind eigentlich super Fans. Die Line war nur auf diesen Dialekt bezogen. Aber dadurch, dass der Typ halt in seinem eigenen Labyrinth lebt, wo du ihn mal erwischst und mal nicht, ist das total falsch verstanden worden. Wir haben das alles aber schon geklärt. Ich hab' neulich zusammen mit Tretti gespielt und er kam zu mir. Wir hatten mitbekommen, dass er das echt kacke fand. Ich hab's ihm erklärt. (grinst)
Doz9: Das war ja lange vor seinem Hype. Und ich muss sagen, dass sein Album echt 'ne Inspiration ist. Der ist so lange dabei und hat so viele Höhen und Tiefen erlebt. In dem Alter dann sein großes Album zu machen und voll den Zahn der Zeit zu treffen, ohne sich zu verstellen – das ist 'ne verdammt starke Leistung.
(Alexander Hollenhorst)
(Foto von Jerome Reichmann)