Kaum eine Szene hierzulande scheint so facettenreich zu sein wie die Deutschrapszene. Während es bereits jetzt schon fast unmöglich erscheint, jeden einzelnen, etablierten Vertreter zu kennen, steigt die Zahl neuer, noch unbekannter Künstler exponentiell weiter an. Den Überblick zu behalten, gleicht einer Herkulesaufgabe: Hat man sich ein Gesicht der HipHop-Hydra gemerkt, tauchen schon wieder mindestens zwei neue auf. Gleichzeitig ist es für unbekannte, junge Talente überaus schwer, aus der überwältigenden Masse an Musikern herauszutreten und sich einen Namen zu machen.
Beiden Seiten soll unser Mic Check eine Hilfestellung bieten. Rappern, die bisher noch in den Tiefen des Untergrunds untergegangen sind, eine Plattform geben, auf der sie sich kurz, aber prägnant präsentieren können. Und Hörern und Fans ermöglichen, sich einen schnellen Überblick über nennenswerte Künstler zu verschaffen, die sie bisher vielleicht noch gar nicht auf dem Schirm hatten.
MZEE.com: Du kommst aus Itzehoe – vielleicht nicht unbedingt die HipHop-Hochburg, aber zumindest ein Ort, an dem man offensichtlich mit dem Rappen anfangen kann. Konntest du dich dort auch schon in den anderen HipHop Disziplinen versuchen?
CHIN: HipHop-Hochburg kann man wirklich nicht sagen, das stimmt. Aber die älteren HipHop-Semester haben sicher gute Erinnerungen an unsere Heimatstadt. Samy Deluxe, Die Beginner, Fettes Brot – einige haben in Itzehoe sogar ihre ersten Jams gerockt. Obwohl es lange her ist – ich glaube 1990, 92 oder so – hallt diese Ära noch nach. Später spielten dann auch die 187 Strassenbande, Nate57, Olli Banjo oder Trailerpark in der Stadt, das hat dann eher die neue Generation adressiert. Für so eine kleine Stadt gab es aber von Anfang der 90er bis heute eine durchaus aktive HipHop-Szene. Ich selbst hab' mich, noch lange bevor ich mit dem Rappen angefangen habe, im Breakdance und auch im Sprayen versucht. Allerdings konnte ich beides nicht wirklich gut und hab' es schnell gelassen. Beim Rappen sah es dann schon etwas anders aus. (lacht)
MZEE.com: Bereits vor mehr als zehn Jahren bist du als Teil der "Hoernerhood" aktiv gewesen. An welche deiner ersten Lines kannst du dich noch erinnern?
CHIN: An der Stelle zunächst mal einen lieben Gruß an Mardy, mit dem ich damals Hoernerhood gegründet habe und auch heute noch sehr, sehr gut befreundet bin. Angefangen, Musik zu machen, habe ich tatsächlich mit blizz, das muss so um 2005 gewesen sein. Unsere musikalischen Wege haben sich aber ganz schnell wieder getrennt und erst viel später haben wir wieder zueinander finden können. In den Jahren dazwischen war ich dann mit Hoernerhood aktiv. Meine erste Line, die ich je geschrieben hab', ging in etwa so: "Hier kommen blizz & CHIN, die Spliffspinna, wir sind am Mic und bereit." Halt so ein ganz typischer, schlimmer Anfänger-Kram, den jeder in seinem ersten Text schreibt. (lacht)
MZEE.com: Wenn man so lange rappt, kann es ja durchaus vorkommen, dass man nicht mehr zu allem steht, was man mal gesagt hat. Gibt es einen Track oder eine Zeile von dir, die dir mittlerweile unangenehm ist?
CHIN: Oh ja! Tatsächlich gibt es leider musikalische Altlasten, die mir absolut unangenehm sind. Um ehrlich zu sein, ist mir so ziemlich alles, was ich damals gemacht habe, unangenehm. Aber auch in dem Zeug gab es die ein oder andere textliche Perle. Und da mir unsere Sachen heutzutage sehr gut gefallen, gleicht es den alten Krempel auch irgendwie aus. Das Wichtigste ist und war, dass es Spaß macht.
MZEE.com: Wenn du einen einzigen deiner Tracks wählen müsstest, um jemandem deine Musik zu präsentieren, welcher Track wäre das? Warum dieser?
CHIN: Das wäre vom kommenden Mixtape "Symbiose" der Titel "Wir wollten immer nur", denn er beschreibt unsere Einflüsse und unsere musikalische Identität. Was wir immer nur machen wollten: Live spielen und den Leuten eine tolle Show und schöne Zeit bescheren.
MZEE.com: Das Mixtape "Symbiose" von blizz und dir ist laut Pressetext "Eine Platte voller Emotionen, voll von Rap und Denkanstößen". Welche Denkanstöße möchtest du mit deinen Texten denn vermitteln?
CHIN: Denkanstöße können vielseitig sein. Wir sind keine politische Band und werfen auch nicht mit Weisheiten um uns. Aber ich denke, der wesentliche Denkanstoß, den wir vermitteln, ist, genau das zu tun, was man möchte und zu sein, wer man möchte. Ohne sich in Schubladen stecken zu lassen, ohne sich dem Mainstream oder irgendeiner Szene oder Gruppen anzupassen. Ich für meinen Teil bewege mich viel mehr in der Heavy Metal-Szene – man könnte sagen, was das angeht, bin ich ein echter Maniac – aber trotzdem rappe ich und orientiere mich nicht an dem, was zur Zeit in der Rapszene so passiert oder was grad im Trend liegt. Jeder sollte motiviert sein, seinen eigenen Weg zu finden und zu gehen. Individualität ist das Stichwort – nicht nur auf Musik bezogen. Wir leben das vor und hoffen, dass viele es uns gleichtun wollen. Genau das, finde ich, ist das Schöne an blizz & CHIN und unserer Crew NEUNZEHN89. Diese Jungs sind der Grund, warum ich heute noch Rapmusik mache. Weil wir unseren eigenen Weg gehen: Wir kommen ohne Image aus, ohne übertriebenes Gepose und ohne überspitzte Attitude. Wir sind weder Skandalrapper, noch sind wir brave Chorknaben. Wir sind irgendwas dazwischen und live, so sagt man sich, verdammt gut! (lacht) Wir repräsentieren Natürlichkeit und wenn das Menschen inspiriert, dann ist das ein Impuls, den ich gerne mit der Musik weitergebe.
Ein Exclusive von blizz & CHIN könnt Ihr Euch ab sofort auf dem YouTube-Channel von MZEE.com ansehen:
(Daniel Fersch & Lukas Päckert)
(Grafiken von Puffy Punchlines, Logo von KL52)
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