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Interview

Papke – ein Gespräch über Kunst als Beruf

"Ich habe in der Musik­bran­che vie­le Leu­te ken­nen­ge­lernt, die sich auf ihrem Talent aus­ru­hen. Wenn du der talen­tier­tes­te Künst­ler der Welt bist, dich aber nicht ver­mark­ten kannst, nützt dir das Talent nichts." – Pap­ke im Inter­view über die Her­aus­for­de­rung der Selbst­ver­mark­tung in der Musikbranche.

Stra­ßen­rap ver­mit­telt durch pro­vo­kan­te Zei­len und eine melan­cho­li­sche Atmo­sphä­re, die in vie­len Groß­städ­ten prä­sent ist, ein Gefühl von Frust und Ent­schlos­sen­heit. Die Kom­bi­na­ti­on führt, sofern die­se Emo­tio­nen rich­tig gelenkt wer­den, oft­mals zum Erfolg. So auch beim Ber­li­ner Künst­ler Pap­ke. Er rappt: "Ich renn' zum Amt, mach' Faxen im Foy­er, ey. Wer von euch Wichs­ern gibt mir Pat­te für mein Tape?" Dar­in schwingt neben Wut auch der tie­fe Wunsch mit, end­lich sei­ner Lei­den­schaft, der Musik, nach­ge­hen zu kön­nen. Die Geschich­ten, die Pap­ke so leb­haft beschreibt, sind authen­tisch und stam­men direkt aus dem Leben. Durch Graf­fi­ti kam er erst­mals mit der HipHop-​Kultur in Kon­takt, erst spä­ter ent­deck­te er sei­ne Lie­be zum Rap­pen und der Musik­pro­duk­ti­on. Nach eini­ger Zeit traf er die Ent­schei­dung, sich voll und ganz der Musik­bran­che zu wid­men. Um her­aus­zu­fin­den, ob sich die­ser muti­ge Schritt für ihn aus­ge­zahlt hat, haben wir im fol­gen­den Inter­view über die Her­aus­for­de­run­gen gespro­chen, die der Beruf Musiker:in mit sich bringt. Außer­dem ging es dar­um, wie er mit dem Druck klar­kommt und ob Timing eine Rol­le für sei­nen künst­le­ri­schen Erfolg gespielt hat. 

MZEE​.com: Du hast unter ande­rem im "Talk This Way"-Podcast von Tobi­as Wilin­ski und Patrick Thie­de erwähnt, dass du alles auf die Musik setzt. Wie sieht ein nor­ma­ler Tag als Vollzeit-​Rapper aus? 

Pap­ke: Es kommt drauf an, in wel­cher Pha­se man sich gera­de befin­det. Mir gefällt die Album­pro­duk­ti­on am bes­ten, weil man da aktiv Musik macht. Da ste­he ich auf, mache Sport, gehe ins Stu­dio und neh­me Tracks auf. Ich mache vie­le mei­ner Beats sel­ber. Manch­mal fan­ge ich also an, Beats zu bau­en, oder ich schrei­be auf wel­che, die schon vor­han­den sind, und neh­me dann auf. Neben­bei pro­du­zie­re ich Lo-​Fi unter einem ande­ren Alter Ego. Dann gibt es die Pha­se, in der man das Album fer­tig machen muss. Da ich das Mixing mitt­ler­wei­le sel­ber mache, küm­me­re ich mich da auch drum. Das ist eher tech­nisch und hat nicht so viel mit Krea­ti­vi­tät zu tun, dafür fühlt es sich mehr wie ein Job an. Zwi­schen­durch dreht man Vide­os, hat Foto­ter­mi­ne oder Mee­tings. Heu­te zum Bei­spiel sieht mein Tages­ab­lauf fol­gen­der­ma­ßen aus: Ich ste­he auf, mache zu Hau­se mei­nen Scheiß, dann füh­re ich ein Inter­view mit dir, danach fah­re ich ins Stu­dio, arbei­te wei­ter an mei­nem Album und mixe das nächs­te Pro­jekt. Heu­te Abend habe ich ein Mee­ting mit mei­nem Ver­lag und danach habe ich einen Raum für eine Ses­si­on gemietet.

MZEE​.com: Also ist "Pap­ke" nicht dein ein­zi­ges Projekt?

Pap­ke: Ich mache seit einem Jahr neben­bei Lo-​Fi. Alles ande­re ist "Pap­ke", aber es sind immer ver­schie­de­ne Pro­jek­te. Letz­tes Jahr war das ziem­lich viel. Ich habe zwei Alben ver­öf­fent­licht und dann kam noch die EP mit MC Bom­ber Ende des Jah­res dazu, wes­halb ich fast jeden Tag im Stu­dio war und dar­an gear­bei­tet habe. Die­ses Jahr will ich mir mehr Zeit las­sen, es ist aber auf jeden Fall ein Album ange­setzt. Letz­tes Jahr habe ich auch noch Bom­ber und Haze auf Tour beglei­tet, was ziem­lich viel Zeit gefres­sen hat und kraft­rau­bend war. Und Ende des Jah­res wol­len wir dann zu mei­nem neu­en Album mei­ne ers­te eige­ne Tour spielen.

MZEE​.com: Das klingt nach einem hohen Workload. Wenn du das mit einem klas­si­schen 40-​Stunden-​Job ver­glei­chen wür­dest, kommst du da auf die­sel­be Arbeitszeit?

Pap­ke: Das ist schwer zu ver­glei­chen. Ich hat­te schon zahl­rei­che Jobs und habe auch ein Stu­di­um und eine Aus­bil­dung ange­fan­gen, aber ich habe gefühlt mehr zu tun, seit­dem ich selbst­stän­dig bin. Denn wenn ich für etwas bren­ne, ver­su­che ich, viel Zeit da rein zu inves­tie­ren. Wenn ich einen Job aller­dings nur des Gel­des wegen mache, will ich mög­lichst wenig Zeit damit ver­brin­gen und viel Frei­zeit haben. Seit ich für mich selbst arbei­te, fühlt es sich eher an, als ob ich zu wenig mache. Es ist schon mehr Arbeit, aber es macht mehr Spaß. Den­noch ist der Druck ein ganz ande­rer und es ist sehr schwer, Pau­sen ein­zu­bau­en und klarzukommen.

MZEE​.com: Du hast dei­ne Schul­lauf­bahn im Alter von 17 Jah­ren mit dem Abitur abge­schlos­sen. Das ist nicht die Aus­gangs­si­tua­ti­on, die man nor­ma­ler­wei­se von einem "Stra­ßen­rap­per" erwar­tet. Hat dein Abschluss dir gehol­fen, dei­nen Traum vom Berufs­mu­si­ker zu realisieren?

Pap­ke: Wir waren der ers­te Jahr­gang, der nach zwölf Jah­ren Abitur gemacht hat. Da ich mit sechs ein­ge­schult wur­de, hat­te ich Abi, als ich fast 18 war. Selbst­stän­dig zu wer­den, war für mich lan­ge gar kei­ne Opti­on. Frü­her wur­de mir ein­ge­trich­tert, dass man ent­we­der einen Job hat, in dem man viel Geld ver­dient, oder in Armut endet. Das woll­te ich immer ver­mei­den, wes­halb ich mal eini­ge Semes­ter Wirt­schafts­in­ge­nieur­we­sen stu­diert habe. Das war rich­tig schreck­lich. Ich dach­te immer, wenn ich das durch­zie­he, wer­de ich einen Job haben, mit dem ich viel Geld ver­die­nen kann. Es hat lan­ge gedau­ert, bis mir klar wur­de, was ich ger­ne machen möch­te. Mit Mit­te 20 habe ich mich für Musik ent­schie­den. Das hat sich erst erge­ben, nach­dem ich alles ande­re aus­pro­biert und als unpas­send befun­den habe. In der Musik­bran­che habe ich das Gefühl, dass ich wirk­lich was rei­ßen kann, weil es inner­halb mei­ner Mög­lich­kei­ten liegt. Das hat­te ich vor­her nie. In der Schu­le und bei vor­he­ri­gen Jobs habe ich es getan, weil es not­wen­dig war und ich nicht auf den Kopf gefal­len bin. Den­noch habe ich nie Freu­de dar­an gefunden.

MZEE​.com: Wür­dest du sagen, dass das, was man in der Schu­le im Musik­un­ter­richt gelernt hat, etwas mit Pro­du­zie­ren zu tun hat oder in ande­rer Form für Hip­Hop rele­vant ist?

Pap­ke: Für ande­re Musik­rich­tun­gen, wie Jazz oder ein Stu­di­um der Musik­wis­sen­schaf­ten, hilft einem das viel­leicht wei­ter. Aller­dings lebt Hip­Hop davon, dass man sich aus dem, was die Kul­tur bie­tet, etwas auf­baut. Natür­lich gibt es auch ande­re Wege, man kann sich bele­sen und lernt dadurch, kras­se Beats zu pro­du­zie­ren. Als ich ange­fan­gen habe, Musik zu machen, habe ich das nach mei­nem Bauch­ge­fühl gemacht, und das mache ich heu­te noch so. Man ver­sucht sich etwas anzu­eig­nen, damit es noch kras­ser klingt. Ob die Musik sich am Ende gut anhört, hat wenig damit zu tun, was der Theo­rie nach ein guter Beat wäre. Du kannst einen kom­plett aus­pro­du­zier­ten Beat haben, der theo­re­tisch per­fekt ist, aber ein­fach lang­wei­lig klingt. Oder du hast nur eine mie­se 808, ein paar Sna­res und eine Hi-​Hat und am Ende ist das ein kras­se­rer Beat, als wenn du dir drei Jah­re lang Musik­theo­rie gege­ben hättest.

MZEE​.com: Was wür­dest du beruf­lich machen, wenn du nicht mit Musik dein Geld ver­die­nen könntest?

Pap­ke: (denkt nach) Schwie­ri­ge Fra­ge – ich weiß es nicht. Am ehes­ten könn­te ich mir etwas im Medi­en­be­reich vor­stel­len oder eben etwas, bei dem man sich sprach­lich aus­le­ben kann. Ich habe schon oft gedacht, dass es gut gewe­sen wäre, wenn man ein Hand­werk gelernt hät­te. Das kam frü­her nicht infra­ge, denn man hat gedacht, dass man mehr Geld hat, wenn man stu­diert. Mitt­ler­wei­le sehe ich das anders und hät­te gern eine Tisch­ler­aus­bil­dung gemacht.

MZEE​.com: Es besteht die­ser gesell­schaft­li­che Druck, dass man aus finan­zi­el­ler Sicht stu­die­ren muss, um sich anstel­len zu las­sen, ohne sei­ne Träu­me oder Talen­te zu ver­fol­gen. Kann es lang­fris­tig unglück­lich machen, nur das zu tun, was ver­meint­lich von einem erwar­tet wird? 

Pap­ke: Es hat viel damit zu tun, ob du zur rich­ti­gen Zeit am rich­ti­gen Ort bist. Ich hat­te das Glück, eine Gymnasial-​Empfehlung zu bekom­men und Abitur zu machen. Es hat nicht viel damit zu tun, wie schlau du bist. Ich ken­ne eini­ge Leu­te, die es schaf­fen, zu stu­die­ren, obwohl das Holz­köp­fe sind. Auf der ande­ren Sei­te ken­ne ich vie­le klu­ge Men­schen aus der Graffiti-​Szene, die locker in lei­ten­den Posi­tio­nen in gro­ßen Unter­neh­men säßen, wenn sie mehr Glück gehabt hät­ten. Denn die Intel­li­genz und das Talent sind dafür vor­han­den. Im Prin­zip geht es um Glück und dar­um, sich nicht so sehr vom Geld lei­ten zu las­sen. Jeder will sich ein schö­nes Leben auf­bau­en, ohne den Hust­le oder auf der Stra­ße am Start zu sein. Das macht man nicht, weil das ein gei­les Leben ist, son­dern weil man ein schö­ne­res Leben anstrebt. Das darf man nicht vergessen.

MZEE​.com: Wür­dest du es als Pri­vi­leg bezeich­nen, dass du mit Musik dein Geld ver­die­nen kannst, oder über­wiegt der Hustle? 

Pap­ke: Es ist ein gro­ßes Pri­vi­leg, wenn man mit Mucke sein Geld ver­die­nen kann. Vor allem, wenn man bedenkt, wie schwer es vie­le Leu­te haben. Dass ich um zehn Uhr auf­ste­hen, ins Stu­dio gehen und mir davon mein Leben finan­zie­ren kann, ist unfass­bar schön. Das heißt nicht, dass man nicht viel dafür arbei­ten muss, aber dass es über­haupt mög­lich ist, weiß ich sehr zu schätzen.

MZEE​.com: Auf dei­nem Song "Ich geh' nicht ackern" the­ma­ti­sierst du Sozi­al­leis­tun­gen und sagst: "Sechs Jah­re Hartz und der Shit ist nicht vor­bei. Schickt mir kei­ne Ange­bo­te, schont lie­ber den Wald." – Wie sind dei­ne per­sön­li­chen Erfah­run­gen mit dem Bür­ger­geld, ehe­mals Hartz IV, wirk­lich gewesen?

Pap­ke: Die Zei­le spricht aus dem Leben, das habe ich mir nicht aus­ge­dacht. Ich war nicht beson­ders gut dar­in, mei­ne Jobs zu hal­ten. Glück­li­cher­wei­se konn­te man in Deutsch­land Hartz IV bean­tra­gen. Dadurch muss­te ich mir kei­ne Gedan­ken machen, wie ich mei­ne Mie­te bezah­le. Den­noch war es nicht ein­fach. Als ich der Sach­be­ar­bei­te­rin im Job­cen­ter das ers­te Mal gesagt habe, dass ich über­le­ge, Musik zu machen, hat sie mir gesagt, ich sol­le was "Rich­ti­ges" machen, wie Maler und Lackie­rer. Du kämpfst die gan­ze Zeit gegen Wind­müh­len an. Es gibt Tricks, damit du in Maß­nah­men kommst und bestimm­te Jobs nicht anneh­men musst. Das habe ich ziem­lich lan­ge gemacht, weil mir alles egal war und ich nicht wuss­te, wohin mit mir. Wobei ich mir aber auch zu scha­de zum Arbei­ten war und ich lie­ber mei­ne Inter­es­sen auf der Stra­ße ver­folgt habe. Als ich mich wirk­lich dazu ent­schied, Musik zu machen, habe ich das durch­ge­zo­gen und das Job­cen­ter hat mich dann unter­stützt. Man bekommt ein Ein­stiegs­geld, wenn man sich selbst­stän­dig macht, was ich in der Anfangs­zeit von Coro­na getan habe. Ursprüng­lich woll­te ich einen Kre­dit auf­neh­men und ein Album machen. Zum Glück ist es noch anders gekom­men, denn das wäre viel­leicht nicht gut aus­ge­gan­gen. Ich habe Patrick Thie­de (Anm. d. Red.: CEO bei Walk This Way Records) getrof­fen und er hat mir davon abge­ra­ten und mich unter Ver­trag genom­men. Zwei Tage bevor ich den Kre­dit unter­schrei­ben woll­te, habe ich das Go von Patrick bekom­men. Wäre das ein paar Tage spä­ter pas­siert, hät­te alles anders lau­fen können.

MZEE​.com: Wie­so fin­den sol­che Inhal­te wie Sozi­al­leis­tun­gen in dei­ner Musik statt? 

Pap­ke: Das ist ein­fach mein Leben. Es gibt ver­schie­de­ne Her­an­ge­hens­wei­sen, um Musik zu machen. Am Anfang habe ich Ami-​Mucke gehört, die ich nicht ver­stan­den habe, die aber trotz­dem ein gewis­ses Gefühl in mir aus­ge­löst hat. Ich habe die Musik nicht wegen der Tex­te gehört und mache auch so selbst Musik. Ich höre einen Beat, habe dazu einen Flow und eine Melo­die im Kopf, die ich gern ver­fol­gen wür­de, und erzäh­le dann aus dem Bauch her­aus. So kom­men die The­men zustan­de, die du gera­de ange­spro­chen hast, und nicht, weil ich die aktiv the­ma­ti­sie­ren will. Im Prin­zip ist das Free­sty­len auf einem Beat.

MZEE​.com: In eini­gen Songs wird pro­pa­giert, dass jede:r es schaf­fen kann, wenn man sich nur genug anstrengt. Sido rappt auf "Beweg dein Arsch" zum Bei­spiel: "Ich kann nur hof­fen, du bist hart im Neh­men. Denn es ist ein har­ter, stei­ni­ger Weg bis zum Gar­ten Eden. Von nichts kommt nichts, ohne Fleiß kein Preis. Was soll schon pas­sie­ren, wenn du den gan­zen Tag daheim­bleibst?" – Kannst du dich mit sol­chen Zei­len identifizieren? 

Pap­ke: Einer­seits kann einem das Angst machen, ande­rer­seits gibt es mir ein Gefühl von Sicher­heit. Du musst hart arbei­ten, um Erfolg zu haben, und wenn du das tust, kannst du auch was errei­chen. Es ist auch wich­tig, sich auf eine Sache zu fokus­sie­ren und dabei­zu­blei­ben. Wir haben eben davon gere­det, dass es viel mit Glück und der Aus­gangs­si­tua­ti­on zu tun hat. Wie lan­ge es dau­ert, etwas Bestimm­tes zu errei­chen, steht auf einem ande­ren Blatt. Im Prin­zip trägst du selbst die Ver­ant­wor­tung dafür, ob du etwas schaffst oder nicht. Ich habe in der Musik­bran­che vie­le Leu­te ken­nen­ge­lernt, die sich auf ihrem Talent aus­ru­hen. Wenn du der talen­tier­tes­te Künst­ler der Welt bist, dich aber nicht ver­mark­ten kannst, nützt dir das Talent nichts. Wenn du dafür ackerst, ein Pro­dukt zu haben und es zu ver­mark­ten, wirst du es auch raus­brin­gen. Des­we­gen gehe ich da zu 100 Pro­zent mit.

MZEE​.com: Die HipHop-​Kultur ist in den 1970ern in New York ent­stan­den. Dort haben Miss­stän­de geherrscht, die die Künstler:innen ange­pran­gert haben. Aus ihrer Sicht wäre es nicht mög­lich gewe­sen, da allein durch die eige­ne Anstren­gung raus­zu­kom­men. Die­sen Aspekt darf man nicht vergessen.

Pap­ke: Nein, du hast in dem Punkt recht, dass man das nicht zu 100 Pro­zent sagen kann. Es kann immer etwas pas­sie­ren, wes­halb es nicht klappt, auch wenn du alles gibst. Ich glau­be den­noch, dass es sehr viel mit Selbst­dis­zi­plin und Wil­len zu tun hat. Natür­lich gibt es über­all auf der Welt Leu­te, die sehr hart für etwas ackern, und am Ende klappt es nicht. Die Grün­de dafür sind oft­mals, so trau­rig das ist, auch dem geschul­det, dass du dich in dir sel­ber ver­lie­ren kannst. Auch in einem Umfeld, in dem Armut herrscht und man leich­ter in die Kri­mi­na­li­tät gezo­gen wird, kann man etwas errei­chen, wenn man sich dafür ein­setzt. Selbst nach Rück­schlä­gen, wie Gefäng­nis­stra­fen oder Dro­gen­sucht, besteht die Mög­lich­keit, einen Neu­an­fang zu machen. Ich den­ke nicht, dass Leu­te, die ihr Leben lang ackern und die gan­ze Zeit am Ball blei­ben, gar nichts damit erreichen.

MZEE​.com: Dar­an anknüp­fend wür­de ich gern mit dir über Kunst und Kapi­ta­lis­mus spre­chen. Muss man, wenn man kom­mer­zi­ell erfolg­reich sein will, Abstri­che bei der Kunst machen?

Pap­ke: Kunst hat in der Theo­rie nichts mit Kapi­ta­lis­mus zu tun. Denn der Kunst­be­griff an sich ist etwas Krea­ti­ves. Wenn du davon leben willst, ist es zwangs­läu­fig mit dem Kapi­ta­lis­mus ver­bun­den. Des­we­gen ist es schlecht, wenn Spo­ti­fy die Künst­ler nicht gut bezahlt und nur gro­ßen Labels die Mög­lich­keit gibt, in die rich­ti­gen Play­lists zu kom­men. Es des­halb über­haupt nicht zu ver­su­chen, ist aber auch nicht der rich­ti­ge Weg. Dann soll­te man die Kunst nur für sich machen. Man kann Spo­ti­fy zwar kri­ti­sie­ren, aber dem Unter­neh­men die Schuld dar­an zu geben, dass man nicht von sei­ner Kunst leben kann, läuft nicht. Man ver­dient in vie­len Beru­fen weni­ger Geld, als man ver­dient hät­te. Und es gibt Jobs, die wer­den so gut bezahlt für so wenig Arbeit – das ist nicht nur in der Kunst der Fall. Das ist ein­fach Kapitalismus.

MZEE​.com: Es gibt sehr erfolg­rei­che Künstler:innen, die sich für eben genau die­sen Erfolg total ver­bie­gen. Ande­re wie­der­um machen die Musik aus purer Über­zeu­gung. Was denkst du darüber? 

Pap­ke: Es wird viel davon gespro­chen, dass sich Leu­te ver­kau­fen. Ich habe mit Oldschool-​Rap ange­fan­gen und als ich mei­nen ers­ten 808-​Track gemacht habe, hat die Hälf­te der Hörer gesagt, ich hät­te mich ver­kauft. Wenn ich jetzt anfan­ge, Techno-​Tracks zu machen, sagen wie­der ande­re, ich hät­te mich ver­kauft. Der Witz ist, dass das immer über die Künst­ler behaup­tet wird. Kein Künst­ler wür­de das von sich sel­ber sagen. Ich glau­be, die machen alle, was sie ger­ne machen wollen.

MZEE​.com: Wie läuft das in dei­nem Umfeld? Gibt es Leu­te, die krea­tiv viel mit­re­den wol­len, oder las­sen sie dich dein Ding machen? 

Pap­ke: Ich habe mein ers­tes Album über Chap­ter ONE gemacht. Da hat mir nie­mand groß­ar­tig rein­ge­re­det. Mitt­ler­wei­le habe ich nur noch einen Ver­trieb und kein Label. Ich mache das, was ich für rich­tig hal­te, und bin trotz­dem froh, wenn mir jemand vom Fach Feed­back gibt, was ich ver­bes­sern kann. Die Vor­stel­lung, dass ein Label den Künst­ler kom­plett auf­baut, ohne dass die­ser selbst mit­be­stim­men kann, ist ver­al­tet. Es ist eher so, dass man sich zusam­men­tut, um ein Pro­dukt zu ent­wi­ckeln, bei dem alle Mit­spra­che­recht haben. Um zu einem gro­ßen Label zu kom­men, muss man sehr viel vor­ar­bei­ten und eine eige­ne Rich­tung haben. Erst, wenn du eine gewis­se Streaming-​Anzahl hast, wirst du für gro­ße Labels attrak­tiv. Sie kom­men dann auf dich zu und wol­len mit dir arbei­ten. Seit es Strea­ming und sozia­le Medi­en gibt und du dir alles selbst erar­bei­ten kannst, sind die Musi­ker nicht mehr so sehr auf Labels ange­wie­sen wie frü­her. Wenn du heu­te ent­schei­dest, zu einem Label zu gehen, ist das eine Ent­schei­dung, die du sel­ber triffst, und es hat nichts damit zu tun, dass dich jemand for­men will. Das Label hilft dir ledig­lich dabei, dich finan­zi­ell bes­ser und grö­ßer aufzustellen.

MZEE​.com: Beein­flusst es dei­nen krea­ti­ven Schaf­fens­pro­zess, dass Musik dei­ne Haupt­ein­nah­me­quel­le ist?

Pap­ke: Dadurch, dass das Streaming-​Zeitalter sehr schnell­le­big und ein Album finan­zi­ell kaum ren­ta­bel ist, zumin­dest auf mei­nem Level, ent­steht auto­ma­tisch Druck. Die­ser hilft einem aber auch dabei, das Bes­te aus sich her­aus­zu­ho­len und somit ein gutes Pro­dukt abzu­lie­fern. Die Kunst liegt dar­in, den Druck für sich so zu regu­lie­ren, dass man ihn nicht in der Musik hört.

MZEE​.com: Du hast dich schon vor eini­gen Jah­ren dazu ent­schie­den, Kunst als Beruf zu ver­fol­gen, und hast mit der Zeit bestimmt eini­ge Her­aus­for­de­run­gen erlebt und über­wun­den. Was hast du per­sön­lich dar­aus gelernt?

Pap­ke: Es ist eine gro­ße Her­aus­for­de­rung, sich den Medi­en anzu­pas­sen, die gera­de rele­vant sind. Die Auf­ga­be besteht dar­in, einen Weg zu fin­den, sich bei­spiels­wei­se auf Insta­gram so zu prä­sen­tie­ren, dass es ver­stan­den wird und du mit dem Zeit­al­ter mit­hal­ten kannst. Wenn du ein gutes Instagram-​Game hast, kommt die nächs­te Platt­form, zum Bei­spiel Tik­Tok, und will wie­der etwas ande­res von dir. Vor eini­gen Jah­ren war You­Tube das Ding und es war wich­tig, kras­se Vide­os zu pro­du­zie­ren, um Klicks zu gene­rie­ren. Heut­zu­ta­ge ist You­Tube nicht mehr so wich­tig und du musst dich stän­dig neu­en Trends stel­len. Was Musik­pro­duk­ti­on angeht, ist es genau­so. Reicht das Bud­get, wel­ches du für Beats zur Ver­fü­gung hast, nicht aus, kannst du ent­we­der das Geld besor­gen oder eige­ne Beats bau­en. Du wirst immer neue Hür­den über­win­den müs­sen, damit dei­ne Musik rele­vant bleibt. Statt dich dar­über abzu­fu­cken, dass You­Tube kei­ne Klicks mehr bringt, soll­test du mit der Zeit gehen und dei­ne Songs statt­des­sen auf Tik­Tok oder Insta­gram präsentieren.

MZEE​.com: Wie kommt es, dass du da so posi­tiv drü­ber sprichst und krea­ti­ve Lösun­gen suchst, anstatt die Platt­for­men zu kritisieren? 

Pap­ke: Ich kann das nicht ab, sich hin­zu­stel­len und sich zu beschwe­ren, dass etwas nicht klappt. Am Ende des Tages bist du dann nur jemand, der rum­heult und den ande­ren die Schuld gibt. Das macht einen auch nicht zufrie­den. Man möch­te ein­fach glück­lich sein und etwas machen, was einem Spaß bereitet.

MZEE​.com: Was wünschst du dir für die Zukunft? Machst du dir als Künst­ler Gedan­ken über ein Leben nach dem Rap?

Pap­ke: (über­legt) Man neigt dazu, anzu­neh­men, dass man mit 60 nicht mehr rap­pen kann, obwohl das durch­aus mög­lich wäre. Ich pro­du­zie­re sehr viel Musik und mache viel im musik­tech­ni­schen Bereich. Auch wenn ich irgend­wann nicht mehr selbst rap­pen könn­te, wür­de ich wei­ter Musik pro­du­zie­ren, wes­halb ich mir über ein Leben nach dem Rap kei­ne Gedan­ken mache. Was auch immer ich mache, wird auf jeden Fall mit Hip­Hop zu tun haben.

(Malin Tee­gen)
(Foto 2 von diesermatthes)