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Reportage

"Spit flames like Sasuke" – über die Verbindung von HipHop und Animes

Ani­mes erobern die west­li­che Welt und fin­den dabei nicht nur den Weg auf die Bild­schir­me, son­dern auch in die HipHop-​Kultur. Die­se Ver­bin­dung beein­flusst Rapper:innen welt­weit und schafft kul­tu­rel­le Brü­cken. Über Samu­rais, Lo-​Fi-​HipHop und die Bie­ne Maja.

Die­ser Arti­kel wur­de vor dem Tod von Aki­ra Tori­ya­ma, dem Autor von Dra­gon Ball, ver­fasst. Unser herz­li­ches Bei­leid an Fami­lie und Freun­de des welt­be­rühm­ten Mangakas.

 

Ani­mes haben zwei­fel­los in den ver­gan­ge­nen Jah­ren in Deutsch­land und all­ge­mein in der west­li­chen Welt einen unglaub­li­chen Auf­stieg erlebt. Von einem Nischen­pro­dukt für ver­meint­lich nerdi­ge Teen­ager haben sie sich zu einem regel­rech­ten Ver­kaufs­schla­ger gewan­delt. Spä­tes­tens die Real­ver­fil­mung des Anime-​Klassikers "One Pie­ce", der lan­ge Wochen auf Platz 1 der Netflix-​Charts war, beweist, dass das Gen­re im Mas­sen­markt ange­kom­men ist. Par­al­lel zu die­sem welt­wei­ten Auf­schwung eta­bliert sich Ani­me auch in der deut­schen und inter­na­tio­na­len HipHop-​Szene als kul­tu­rel­le Refe­renz. Immer mehr Künstler:innen weben geschickt Anime-​Elemente in ihre Tex­te ein, wodurch nicht nur eine eige­ne Form des Aus­drucks ent­steht, son­dern auch eine kul­tu­rel­le Brü­cke geschla­gen wird. So hat Lug­at­ti etwa "rote Augen wie ein Shi­nig­ami" und Mar­vin Game bezeich­net sich selbst als "Legen­de so wie Bro­ly". Auf die­se Wei­se ent­steht eine viel­schich­ti­ge Ver­bin­dung zwi­schen den Tex­ten diver­ser Rapper:innen und Ani­mes. Aber erstreckt sich das Zusam­men­spiel die­ser auf den ers­ten Blick sehr ver­schie­de­nen Wel­ten nur auf ein­fa­che Text­re­fe­ren­zen oder sind sie doch enger mit­ein­an­der ver­wo­ben? Ein genaue­rer Blick auf die Geschich­te zeigt fas­zi­nie­ren­de Ver­bin­dun­gen und über­ra­schen­de Parallelen.

 

Was sind Ani­mes eigentlich? 

Als Ani­mes bezeich­net man Zei­chen­trick­fil­me aus Japan. Im Ursprung bezieht sich der Begriff auf alle Arten von ani­mier­ten Medi­en, jedoch hat er sich im Lau­fe der Zeit spe­zi­ell für die hei­misch pro­du­zier­ten Ani­ma­ti­ons­fil­me und -seri­en eta­bliert. Ihre Wur­zeln rei­chen bis in die 1910er Jah­re zurück. Die ers­ten rich­ti­gen Ani­mes, wel­che über kur­ze Sequen­zen hin­aus­ge­hen, ent­ste­hen aller­dings erst wäh­rend des Zwei­ten Welt­krie­ges als Pro­pa­gan­da­fil­me. Infol­ge der ame­ri­ka­ni­schen Besat­zung nach dem Krieg wer­den Ani­mes extrem stark von west­li­chen Comic-​Zeichnern wie Walt Dis­ney beein­flusst. Erst wäh­rend der 70er Jah­re eman­zi­pie­ren sich die japa­ni­schen Zeich­ner und schaf­fen Seri­en wie "Lupin III" und "Astro Boy", wel­che in ihrer Hei­mat gro­ße Erfol­ge fei­ern. Als dann eini­ge Jah­re spä­ter Seri­en wie "Dra­gon Ball" und Fil­me wie "Aki­ra" inter­na­tio­nal auf der Lein­wand erschei­nen, schaf­fen es Ani­mes, sich auf der gan­zen Welt zu verbreiten.

Aller­dings begin­nen Ani­mes schon viel frü­her, Ein­fluss auf die west­li­che Unter­hal­tungs­bran­che und Pop­kul­tur zu neh­men. So sind die Kin­der­klas­si­ker "Hei­di", "Wickie und die star­ken Män­ner" und "Die Bie­ne Maja" aus den 70ern alle­samt wasch­ech­te Ani­mes. Zu die­ser Zeit wird aber strikt dar­auf geach­tet, ledig­lich Sen­dun­gen ins Pro­gramm auf­zu­neh­men, die dem Ästhe­tik­emp­fin­den des west­li­chen Publi­kums ent­spre­chen. Zwi­schen 1990 und 2000 schaf­fen Ani­mes dann auch mit Seri­en wie "Dig­i­mon", "Poké­mon" und "Sail­or Moon" oder den Stu­dio Ghibli-​Klassikern "Das Schloss im Him­mel" und "Mein Nach­bar Toto­ro" den end­gül­ti­gen Durch­bruch in die west­li­che Welt und damit auch in Deutschland.

Maya the Bee Japa­ne­se Ope­ning with Eng­lish Subtitles

Das Beson­de­re an Ani­mes ist die Viel­falt an The­men und Sti­len. Anders als die west­li­chen Ani­ma­ti­ons­fil­me – wel­che meist für Kin­der kon­zi­piert sind – bie­ten Ani­mes von Psy­cho­thril­lern und epi­schen Aben­teu­ern bis hin zu Rom­coms eine umfas­sen­de Band­brei­te an. Die­se Diver­si­tät ermög­licht Ani­mes, Men­schen aller Alters­grup­pen und Inter­es­sen anzu­spre­chen – und somit in Japan eine deut­lich grö­ße­re kul­tu­rel­le Bedeu­tung zu errei­chen als es Zei­chen­trick­fil­me im Wes­ten tun. Umge­kehrt ist die Prä­gung durch die japa­ni­sche Kul­tur auch ein wich­ti­ges Merk­mal von Ani­mes. Vie­le Geschich­ten spie­geln tra­di­tio­nell japa­ni­sche Moral­vor­stel­lun­gen und sozia­le Struk­tu­ren wider. Die­ser kul­tu­rel­le Ein­fluss ver­leiht dem viel­leicht größ­ten Export­gut Japans eine ein­zig­ar­ti­ge Iden­ti­tät und fas­zi­niert Zuschauer:innen auf der gan­zen Welt. Somit sind Ani­mes nicht nur eine Form der Unter­hal­tung, son­dern eine kul­tu­rel­le Erscheinung.

 

Wel­chen Ein­fluss haben Ani­mes auf die HipHop-Kultur?

Abseits von lyri­schen Refe­ren­zen bin­den HipHop-​Artists Ani­mes auch ger­ne musi­ka­lisch in ihre Wer­ke ein. Die Lis­te an Anime-​Soundtrack-​Samples scheint qua­si unend­lich und reicht von J. Cole, der auf "4 Your Eyez Only" einen Song aus "Lupin III" sam­plet, bis hin zu Pop Smo­ke, der auf "Wel­co­me To The Par­ty" über einen ver­zerr­ten und rück­wärts gespiel­ten Schnip­sel aus dem Main The­me des Ani­mes "Higu­ra­shi no Naku Koro ni" rappt. Doch auch in Deutsch­land las­sen es sich die Produzent:innen nicht neh­men, sich an den japa­ni­schen Sound­tracks zu bedie­nen. So basiert bei­spiels­wei­se der Beat zum Intro von Celo & Abdis "Hin­ter­hof­jar­gon" auf einem Stück aus "Fist of the North Star".

Hip-​Hop/​Rap Songs with Ani­me Samples (1)

Der wohl offen­sicht­lichs­te Schnitt­punkt zwi­schen Ani­me und Hip­Hop, der sich nicht nur auf die Musik bezieht, ist Lo-​Fi-​HipHop. Meist dient zur opti­schen Unter­ma­lung die­ser Easy Lis­tening Boom bap-​Beats ein kur­zer Loop im Ani­me­style. Ins­ge­samt zieht sich die visu­el­le Ästhe­tik der japa­ni­schen Trick­fil­me voll­stän­dig durch das Sub­gen­re. Ein Bei­spiel dafür ist das "Lofi Girl" auf dem viel­leicht ers­ten und mitt­ler­wei­le größ­ten Lo-​Fi-​HipHop-​Kanal "Lofi Girl" – ehe­mals "Chil­led Cow" – mit mitt­ler­wei­le fast 14 Mil­lio­nen Abonnent:innen. In den ers­ten Streams und Vide­os auf dem Kanal im Jahr 2015 dien­te eine kur­ze geloop­te Sequenz aus dem Film "Stim­me des Her­zens – Whisper of the Heart" von Stu­dio Ghi­b­li als Beglei­tung. Als der Kanal dann wegen Copyright-​Verletzungen gesperrt wur­de, haben die Macher:innen das "Lofi Girl" ent­wor­fen, wel­ches nun welt­weit bekannt ist. Doch auch musi­ka­lisch hat Japan einen star­ken Ein­fluss auf das Sub­gen­re. Ent­spre­chend sind hier nicht wie sonst so oft im inter­na­tio­na­len Hip­Hop nur US-​amerikanische Namen ver­tre­ten. Auch Japaner:innen wie bei­spiels­wei­se Nuja­bes, der trotz sei­nes frü­hen Todes 2010 als Japans viel­leicht größ­ter Pro­du­cer gilt und indi­rekt Mit­be­grün­der des Gen­res ist, geben hier den Ton an. Er pro­du­zier­te sogar den Sound­track zur Anime-​Serie "Samu­rai Champloo".

Ani­mes fei­ern ihren inter­na­tio­na­len Durch­bruch, wie bereits erwähnt, in den 90ern. Somit wach­sen auch vie­le aktu­el­le Rapper:innen mit Seri­en wie "Naruto" oder "Dra­gon Ball" auf und wer­den von die­sen geprägt. Ani­mes üben teil­wei­se auch einen gro­ßen Ein­fluss auf ande­re Aspek­te ver­schie­de­ner Rap-​Werke aus. Die­se Ein­flüs­se zei­gen sich beson­ders deut­lich in der SoundCloud-​Rap-​Generation. Spe­zi­ell Lil Uzi Vert scheint ein regel­rech­ter Ota­ku – also ein sehr lei­den­schaft­li­cher Anime-​Fan – zu sein. Bereits seit Beginn sei­ner Kar­rie­re wird sei­ne Lie­be zu japa­ni­schen Zei­chen­trick­fil­men sicht­bar. So ver­wen­det er als Pro­fil­bild auf Sound­Cloud ein Bild von Tsu­na­de, einer Figur aus "Naruto". Zudem besteht das Musik­vi­deo von "He Did It" aus dem Jahr 2015 aus­schließ­lich aus Kampf­sze­nen ver­schie­de­ner Ani­mes wie "Full Metal Alche­mist", "Code Geass" oder "One Pie­ce". Auch auf eini­gen Covern prä­sen­tiert er sich selbst als Anime-​Figur und sogar der Trai­ler zu sei­nem aktu­el­len Werk "Pink Tape" ent­hält Anime-​Sequenzen. Ein wei­te­rer Ota­ku aus den Rei­hen der SoundCloud-Rapper:innen war Juice WRLD. Die­ser war zu Leb­zei­ten als regel­rech­ter Anime-​Nerd bekannt. Oben­drein soll er gemein­sam mit Kunst- und Design­le­gen­de Taka­shi Mura­ka­mi einen gemein­sa­men Ani­me geplant haben. Lei­der konn­te die­ser durch das tra­gi­sche Able­ben von Juice WRLD im 2019 nie pro­du­ziert werden.

Pink Tape Offi­ci­al Trai­ler (Direc­ted By Gib­son Hazard)

Eines der ein­fluss­reichs­ten Anime-​Werke ist "Aki­ra" von 1991. Der Film gilt als der Tür­öff­ner für das japa­ni­sche Film­gen­re, um auf dem west­li­chen Markt anzu­kom­men. Zwar spielt "Aki­ra" in den Ver­ei­nig­ten Staa­ten nur knapp eine Mil­li­on Dol­lar ein, jedoch beweist der Film, dass ani­mier­te Fil­me auch für ein erwach­se­nes Publi­kum anspre­chend sein kön­nen. Er bekam einen fes­ten Platz in der west­li­chen Pop­kul­tur – und fand auch sei­nen Weg in die HipHop-​Welt. Ganz deut­lich zeigt sich dies im Video zum Super­hit "Stron­ger" von Kanye West und Daft Punk aus dem Jahr 2010. Im Video sind gan­ze Sequen­zen aus "Aki­ra" nach­ge­spielt. So fin­det sich Kanye bei­spiels­wei­se in einer ähn­li­chen futu­ris­ti­schen, medi­zi­ni­schen Maschi­ne wie­der oder erle­digt ein gan­zes Team schwer bewaff­ne­ter Sol­da­ten mit einer Hand­ges­te. Der Regis­seur des Vide­os, Hype Wil­liams, sag­te dazu: "He was always inspi­red by 'Aki­ra'. The­re was a point whe­re we real­ly dove in and wound up film­ing parts of that movie for the video, but we deci­ded to back off of it and do some­thing a litt­le more abs­tract for the final ver­si­on." Kanye selbst bezeich­net den Film in einem Tweet von 2018 als sei­nen größ­ten künst­le­ri­schen Ein­fluss. In der Hand­lung des Films geht es um einen Jun­gen namens Tetsuo, der über­na­tür­li­che Kräf­te erhält, dann aber dem Grö­ßen­wahn ver­fällt und nur noch auf blin­de Zer­stö­rung aus ist.

Aki­ra Kanye West comparison

 

 

Und beein­flusst Hip­Hop auch die Anime-Kultur? 

Die Ver­bin­dung zwi­schen Hip­Hop und Ani­mes ist kei­nes­falls nur eine Ein­bahn­stra­ße. In eini­gen Ani­mes wer­den sogar gan­ze Cha­rak­te­re dem Gen­re gewid­met. Bei­spiels­wei­se ist die Figur "Kil­ler B" aus Naruto ein lei­den­schaft­li­cher Free­sty­ler, des­sen Kampf­stil stark an Break­dance ange­lehnt ist. Des Wei­te­ren ist sein Name bereits ein Quer­ver­weis auf den Wu-​Tang Clan. In "Afro Samu­rai" aus dem Jahr 2007 wird die Geschich­te eines Schwar­zen Samu­rais erzählt, der den Mord an sei­nem Vater rächen will. Das Inter­es­san­te ist hier­bei der Sound­track, für den nie­mand Gerin­ge­res als RZA vom Wu-​Tang Clan ver­ant­wort­lich ist. Auf der offi­zi­el­len Sampler-​CD zur Serie gibt es sogar Songs von HipHop-​Veteranen wie Talib Kwe­li, Q-​Tip und Big Dad­dy Kane.

Afro Samu­rai Ope­ning (Lyrics)

Kaum ein Ani­me steht aller­dings so für das Zusam­men­spiel von Hip­Hop und japa­ni­scher Comic-​Kultur wie das bereits erwähn­te "Samu­rai Cham­ploo" aus dem Jahr 2004. Zum einen spielt auch hier der Sound­track eine gro­ße Rol­le. So stammt der Titel­song "Battle­cry" aus der Feder von Rap­per Shing02 und der japa­ni­schen Producer-​Legende Nuja­bes – wel­cher, wie bereits erwähnt, einer der Urvä­ter des sehr Anime-​verbundenen Lo-​Fi-​HipHop war. Zum ande­ren sind es auch Tei­le in der Hand­lung selbst, die Refe­ren­zen an die HipHop-​Kultur ent­hal­ten. Inner­halb des Ver­laufs der Serie tau­chen HipHop-​Elemente wie Graf­fi­ti, Break­dance und sogar Rap­batt­les auf. Der Macher der Serie, Shin’ichirō Watana­be, war sei­ne gan­ze Kar­rie­re über von ame­ri­ka­ni­scher Blues- und Jazz­mu­sik begeis­tert. Das zeigt sich vor allem in der Musik­aus­wahl sei­ner vor­he­ri­gen Pro­duk­ti­on "Cow­boy Bebop". Als dann in den 90ern Hip­Hop welt­weit popu­lä­rer wird, lässt sich Watana­be auch davon beein­flus­sen. Er selbst sagt dazu: "The con­cept of hip-​hop influen­ced me rather than the music its­elf. For exam­p­le, it's sam­pling. This art form turns past music into new and edgy. […] It brought me to crea­te an oppo­si­te cha­rac­ter who boasts like a rap­per with a micro­pho­ne, and it should be like a samu­rai." Dar­über hin­aus wird er in die­ser Pro­duk­ti­on die Musik noch wei­ter in den Vor­der­grund stel­len. Er erläu­tert: "Nor­mal­ly, film music is just a sup­port­ing role, a way to help the image. […] I wan­ted the music to be more pro­mi­nent, so that the music and the visu­als would com­pe­te in a 50:50 ratio […]." So bekommt HipHop-​Musik in "Samu­rai Cham­ploo" einen grö­ße­ren Platz als in jeder ande­ren Anime-​Serie und trägt damit zu einer enge­ren Ver­bin­dung der bei­den Wel­ten bei. Bereits der Titel weist auf die­se Ver­bin­dung hin, denn das Wort "Cham­ploo" bedeu­tet in der Ryūkyū-​Sprache – einer Spra­che, die auf den Süd­in­seln Japans gespro­chen wird – etwa so viel wie "Ver­mi­schen" und lei­tet sich vom Begriff "Cham­purū bun­ka" ab. Die­ser wür­de im Deut­schen mit "Kultur-​Mix" oder "Schmelz­tie­gel" über­setzt werden.

Samu­rai Cham­ploo - Ope­ning | Battlecry

 

 

Aber woher kom­men die genann­ten Ver­bin­dung denn nun?

Auf den ers­ten Blick haben HipHop-​Kultur und Ani­mes nichts mit­ein­an­der gemein. Schaut man jedoch genau­er hin, fin­det man durch­aus eini­ge Gemein­sam­kei­ten. Bei­de waren zu Beginn – zumin­dest in Euro­pa – ledig­lich Rand­er­schei­nun­gen, schaff­ten es dann jedoch in den 90ern, die inter­na­tio­na­le Büh­ne zu betre­ten, und neh­men seit­dem lang­sam ihren eige­nen Platz in der Pop­kul­tur ein. Dadurch prä­gen sie gemein­sam gan­ze Gene­ra­tio­nen und beein­flus­sen sich gegen­sei­tig. Bei­spiels­wei­se erzählt Shin’ichirō Watana­be: "With Samu­rai Cham­ploo, it wasn’t that I had the sto­ry in mind and then added hip-​hop to it […]. When I came up with the cha­rac­ter of Mugen, I heard hip-​hop at the same time, and I thought he was going to be a rap­per samu­rai."

Aller­dings besteht zwi­schen der HipHop-​Kultur und Ani­mes nicht nur eine zufäl­li­ge zeit­li­che Kor­re­la­ti­on, son­dern auch eine gewis­se Anzie­hungs­kraft. Die­se fußt auf ver­schie­de­nen Din­gen. Bei­spiels­wei­se glei­chen sich die erzähl­ten Geschich­ten in Rap­songs und soge­nann­ten Shonen-​Animes – dem erfolg­reichs­ten Sub­gen­re in der Anime-​Welt. Meist han­deln die­se von Protagonist:innen, wel­che zu Beginn der Sto­ry – oft ohne ihr Zutun – von ihren Mit­men­schen als Stö­ren­frie­de oder gar Aus­ge­sto­ße­ne wahr­ge­nom­men wer­den. Im Ver­lauf der Hand­lung stel­len sie sich dann aber dem Kampf gegen eine:n Antagonistin:Antagonisten und ent­de­cken dabei unge­ahn­te, bereits in ihnen schlum­mern­de Kräf­te, wel­che sie am Ende zu Held:innen machen. Hier lässt sich eine kla­re Par­al­le­le zu den im Hip­Hop oft erzähl­ten Underdog-​Storys erken­nen. Die­se Par­al­le­le sieht auch Wil­liam H. Bridges, IV, Pro­fes­sor für Japa­nisch an der Uni­ver­si­ty of Roches­ter. Er erklärt: "Keep in mind that the gene­ra­ti­on of rap­pers who came of age with Ani­me were also coming of age in an era when austeri­ty poli­tics, the fray­ing of social safe­ty nets, and dis­in­vest­ment in the public good col­l­i­ded with the lega­ci­es and ongo­ing rea­li­ties of racial inju­s­ti­ce." Wei­ter führt er aus: "For the­se rap­pers, Ani­me like 'Aki­ra', 'Dra­gon Ball Z', 'Naruto', and 'Sail­or Moon' not only ask W.E.B. DuBois's ques­ti­on — how does it feel to be a pro­blem? — they also ans­wer this ques­ti­on with extra­or­di­na­ry dis­plays of power, bra­va­do, cou­ra­ge, and ten­aci­ty in the face of see­mingly insur­moun­ta­ble social ant­ago­nism." Zusätz­lich fin­den vie­le der Shonen-​Animes in Kampftunier-​Settings statt, in denen die ein­zel­nen Protagonist:innen mit ihren jewei­li­gen spe­zi­el­len Fähig­kei­ten und Super­kräf­ten ihre Gegner:innen besie­gen müs­sen. Ins­ge­samt wird in die­sen Ani­mes ein star­ker Kon­kur­renz­kampf repro­du­ziert, wie er auch im Hip­Hop statt­fin­det – bei­spiels­wei­se im Batt­ler­ap. In Bezug auf Ani­mes erzählt RZA vom Wu-​Tang Clan: "I feel my saga is simi­lar to his: For an artist in the hip-​hop world, the idea of being the No. 1 pro­du­cer, the No. 1 rap­per, the No. 1 kid in the neigh­bor­hood is very important." Er geht sogar noch wei­ter und schreibt in sei­nem Buch "The Tao Of Wu": "To me, 'Dra­gon Ball Z' also repres­ents the jour­ney of the Black man in Ame­ri­ca […] Son Goku has super­powers but doesn’t rea­li­ze it."

Eine der Spit­zen des Zusam­men­spiels von HipHop-​Kultur und Ani­mes ist die US-​amerikanische Seri­en­ad­ap­ti­on des Comics "The Boon­docks" von Aaron McGru­der aus dem Jahr 2005. Die­ser behan­delt in Form von extrem spit­zer Sati­re die Pro­ble­me, wel­che die Schwar­ze Com­mu­ni­ty in Ame­ri­ka durch­le­ben muss. Den Sound­track dazu lie­fer­ten Rap-​Größen wie Ice Cube und Snoop Dogg. Die Serie ist im Grun­de kein Ani­me, über­nimmt aber extrem vie­le sti­lis­ti­sche Ele­men­te aus den japa­ni­schen Ani­ma­ti­ons­fil­men und ist dar­über hin­aus eine der ers­ten Ani­ma­ti­ons­se­ri­en, die in japa­ni­scher Spra­che syn­chro­ni­siert wur­den. Seit 2016 exis­tiert sogar das D'ART Sht­a­jio, das ers­te ame­ri­ka­ni­sche Anime-​Studio in Japan und gleich­zei­tig das ers­te dor­ti­ge "Black-​owned Ani­me stu­dio". Die Ver­schmel­zung von Hip­Hop und Ani­mes zeigt nicht nur die Viel­sei­tig­keit der Pop­kul­tur, son­dern auch ihre Fähig­keit, unter­schied­li­che Aus­drucks­for­men zu ver­ei­nen und eine krea­ti­ve Fusi­on zu schaffen.

(Nico Maturo)
(Gra­fik von Dani­el Fersch)