Kategorien
Kommentar

unreleased – willkommen bei Deiner neuen Lieblingsjam!

Frus­tra, FEDE 404 und Rei Mou­ra haben mit unre­leased eine Ver­an­stal­tung geschaf­fen, die Künstler:innen und Rapf­ans Raum für Neu­es bie­tet. Wie es die Jam inner­halb weni­ger Mona­te zu so gro­ßer Beliebt­heit gebracht hat und was unre­leased so beson­ders macht.

An die­ser Stel­le möch­ten wir Gedan­ken zu aktu­el­len Gescheh­nis­sen aus dem Deutschrap-​Kosmos zum Aus­druck brin­gen. Die jeweils dar­ge­stell­te Mei­nung ist die des:der Autor:in und ent­spricht nicht zwangs­läu­fig der der gesam­ten Redak­ti­on – den­noch möch­ten wir auch Ein­zel­stim­men Raum geben.

Im Fol­gen­den erzählt unse­re Redak­teu­rin San­dra, was es mit der Ver­an­stal­tungs­rei­he "unre­leased" auf sich hat und wes­halb die­se etwas abso­lut Beson­de­res in der Sze­ne ist.

 

Mit die­sem Kom­men­tar tue ich eini­gen Leu­ten – inklu­si­ve mir selbst – kei­nen Gefal­len, denn poten­zi­ell zie­he ich damit noch mehr Men­schen auf eine Ver­an­stal­tung, bei der es immer schwe­rer wird, Tickets zu ergat­tern. Und das zu Recht! Aber am Ende wün­sche ich jedem:jeder Deutschrap-Enthusiast:in, min­des­tens ein­mal dabei gewe­sen zu sein. Bei unre­leased in Ber­lin – wo der Name Pro­gramm ist und die Emo­tio­nen so schön sind, dass man sich hin­ter­her fragt, ob die­se Show wirk­lich gera­de statt­ge­fun­den hat.

Bevor ich in sub­jek­ti­ven Schwär­me­rei­en ver­sin­ke, fan­ge ich von vor­ne an: Was ist unre­leased über­haupt? Die Jam wird von den Rap­pern Frus­tra, FEDE 404 und Rei Mou­ra ver­an­stal­tet. Ent­stan­den ist die Idee nach einem Come­dy Open Mic, bei dem die Zuschauer:innen vor­ab nicht wuss­ten, was sie erwar­tet. Hier dach­te sich Frus­tra: Das Prin­zip müss­te doch auch im deut­schen Rap auf­ge­hen. Hin­zu kam der chro­ni­sche Man­gel an unkom­mer­zi­el­len Ver­an­stal­tun­gen und HipHop-​Events für die Sze­ne in Ber­lin. Es fehl­te schlicht­weg ein Treff­punkt, an dem sich Rapper:innen vor Publi­kum aus­pro­bie­ren und an dem ins­be­son­de­re upco­ming Artists Büh­nen­er­fah­rung sam­meln kön­nen. Die Idee wuchs also und die drei Rap­per ent­wi­ckel­ten ein Event-​Konzept, das auf einer Aus­wahl von unge­fähr zehn Secret Acts basiert, die jeweils zwei – der Ver­an­stal­tungs­na­me sagt es bereits – unver­öf­fent­lich­te Songs per­for­men. Der Plan ist so sim­pel wie geni­al. Denn was die drei ins Leben geru­fen haben, ist ein­fach anders. unre­leased ist gleich­zei­tig roh und qua­li­ta­tiv abso­lut hoch­wer­tig und die opti­ma­le Mischung aus Bekann­tem und Unbe­kann­tem. Was im Juni 2023 mit drei Mai­nacts und meh­re­ren Artists am Open Mic begann, hat sich mitt­ler­wei­le zu einer sta­bi­len Enti­tät ent­wi­ckelt, die jeden Monat aufs Neue bin­nen weni­ger Minu­ten aus­ver­kauft ist.

Die unreleased-​Premiere fand mit 160 Zuschauer:innen stan­des­ge­mäß direkt im Mon­arch, einer Bar am Kot­ti, statt. Neben Ahzum­jot, Pimf und BABYJOY als Haupt­acts tra­ten noch Artists wie Chef­ket, Yunus, MEDUSSAR und eini­ge mehr am Open Mic auf. Der Plan ging auf, das Kon­zept wur­de vom Publi­kum ange­nom­men und der Hype auf Run­de zwei war groß. Die­se folg­te auch direkt im Juli mit unter ande­rem Mar­vin Game, Han­na Noir sowie Yec­ca. Und Monat für Monat gaben sich seit­dem Sze­ne­grö­ßen und New­co­mer das Mic in die Hand und ris­sen gemein­sam den Laden ab. So sehr, dass es bei Aus­ga­be vier bereits Zeit war, die Räum­lich­kei­ten zu wech­seln. Seit Sep­tem­ber heißt es näm­lich: vom Kot­ti Rich­tung Schle­si, ein­mal rechts abbie­gen und wei­ter bis zum LIDO (Anm. d. Red.: Club in Kreuz­berg). Dort fin­det die Ver­an­stal­tung nun vor gan­zen 600 Per­so­nen statt, die bis­her gemein­sam die unver­öf­fent­lich­ten Tracks von Apsi­lon über BRKN bis zu OG LU, Trett­mann, Wa22ermann und vie­len mehr genie­ßen konnten.

Wer sich die bereits genann­ten Künstler:innen ansieht, wird mer­ken, dass auf eines beson­ders gro­ßen Wert gelegt wird: Viel­falt. Egal, ob gestan­de­ne Artists oder New­co­mer mit wenig bis gar kei­ner Büh­nen­er­fah­rung. Egal, ob New Wave oder Soul, ob Trap oder Boom bap. Von Frank­furt über den Ruhr­pott nach Chem­nitz und von Ham­burg nach Ber­lin – es ist von allem etwas dabei. Das macht auch den beson­de­ren Charme der Ver­an­stal­tung aus. Wer sich Tickets für unre­leased kauft, ist offen für Neu­es und will Musik und Artists ent­de­cken. Kei­ner kommt mit der Erwar­tungs­hal­tung an, die top gestream­ten Songs sei­nes Lieb­lings­acts zu hören. Durch die Geheim­hal­tung der Namen der Rapper:innen ent­steht außer­dem eine Dyna­mik, die ver­hin­dert, dass man sich nur die bekann­ten Künstler:innen ansieht und dann in der Rau­cher­ecke ver­schwin­det. Um zu wis­sen, wie es wei­ter­geht, muss man eben vor Ort blei­ben. Dass sich das lohnt, merkt man dem Publi­kum auch an, denn der Saal ist durch­ge­hend voll­ge­packt und die Stim­mung am Kochen.

Was man dem Publi­kum außer­dem anmerkt, ist der posi­ti­ve Vibe. Wer nach einem Safe Space sucht, wird ihn hier fin­den. Es gilt: kei­ne Tole­ranz für Ras­sis­mus, Anti­se­mi­tis­mus, Sexis­mus und Que­er­feind­lich­keit. Wie die Ver­an­stal­ter selbst sagen: "unre­leased soll ein Ort sein, an dem sich alle sicher und wohl füh­len kön­nen." Das gilt sowohl für die Men­schen auf der Büh­ne als auch für jene, die davor ste­hen. Außer­dem knüpft unre­leased an die "Kei­ne Fotos oder Videos"-Policy vie­ler Clubs an – Han­dy­ka­me­ras wer­den abge­klebt. Dadurch ent­steht eine Atmo­sphä­re des Hier und Jetzt. Künstler:innen kön­nen ihre neue Musik "frei" vor Publi­kum aus­tes­ten, ohne Gefahr zu lau­fen, spä­ter uner­wünsch­te Vide­os im Inter­net zu sehen, obwohl der Song even­tu­ell gar nicht für die Mas­sen bestimmt ist.*

Erstaun­li­cher­wei­se hören die Besucher:innen nicht nur auf, jeden Moment für Social Media fest­zu­hal­ten, sie schei­nen gene­rell kaum noch Inter­es­se an ihrem Han­dy zu haben. Der Fokus liegt auf der Musik und alle schei­nen zu wis­sen, dass es sich um ein­zig­ar­ti­ge Momen­te han­delt. Dass man even­tu­ell gleich einen Song hört, der nur die­ses eine Mal öffent­lich per­formt, anschlie­ßend aber nie releast wird. Und die­se Momen­te wer­den abso­lut wert­ge­schätzt. New­co­mer wer­den eben­so respekt­voll behan­delt wie alt­ein­ge­ses­se­ne Sze­ne­grö­ßen. Wer auf der Stage steht, wird von unglaub­lich viel Wär­me, Lie­be und Geju­bel emp­fan­gen. Dadurch ent­steht im gan­zen Raum ein Gemein­schafts­ge­fühl, etwas Ein­zig­ar­ti­ges zusam­men zu erleben.

Eben jenes Gefühl macht unre­leased so beson­ders und hebt das For­mat – neben der Lie­be für das Ent­de­cken neu­er Musik – von ande­ren Ver­an­stal­tun­gen ab. Klar, gute Stim­mung gibt es über­all, aber im LIDO bekommt Ihr ein­mal im Monat mehr als nur das. Es gilt das Cre­do: nicht nur hef­ti­ge Namen, son­dern hef­ti­ge Artists. unre­leased holt Euch für drei Stun­den aus Eurem All­tag her­aus und schenkt Euch ein biss­chen Urlaub für die See­le. Dan­ke also ins­be­son­de­re an Frus­tra, FEDE 404 und Rei Mou­ra für die Eta­blie­rung einer lie­be­vol­len Ver­an­stal­tung für die Sze­ne, aber auch dan­ke an alle Betei­lig­ten im Hin­ter­grund, die unre­leased zu so einem beson­de­ren Erleb­nis machen. Die Jam ist genau das, was dem Ver­an­stal­tungs­kos­mos im deut­schen Rap gefehlt hat und ihr gebührt jeg­li­che Auf­merk­sam­keit. Alles, was mir am Ende noch zu sagen bleibt: Bit­te lasst mir ein Ticket übrig!

*Anmer­kung der Redak­ti­on: Sneak Peaks gibt es nur auf dem @unreleased.berlin Instagram-Kanal.

(San­dra Heuler)
(Gra­fik von Dani­el Fersch)