Das erste Konzert, das man ohne Eltern besuchen durfte. Nachts alleine auf der Autobahn und den gleichen Song immer und immer wieder hören, weil man nicht fassen kann, wie gut er ist. Der Track, den man mit den Freunden von früher laut grölend auf jeder Party mitgesungen hat. Vermutlich kennt jeder Mensch diesen Moment: Es läuft ein bestimmtes Lied oder Album, das einen direkt emotional in eine Situation zurückversetzen kann, nostalgisch werden lässt oder einfach nur aufgrund seiner Machart immer wieder zum Staunen bringt. Und genau darum geht es in unserem Format "DIGGEN mit …". Wir diggen mit verschiedenen Protagonist:innen der Szene in ihren gedanklichen Plattenkisten und sprechen über Musik, die diese Emotionen in ihnen auslöst. Dafür stellen unsere Gäste jeweils eine eigene Playlist mit Songs zusammen, die sie bewegen, begeistern und inspirieren.
Der Produzent Torky Tork brachte eine Favourites-Playlist mit Künstler:innen mit, die in seinen Augen besonders interessant und wichtig für die deutsche Rapszene sind. Mit vielen von ihnen arbeitete er bereits für seine Sampler zusammen, andere sieht er als spannende Nachwuchs-Produzent:innen. Denn obwohl er schon lange Musik macht und zu den Grundfesten der deutschen Untergrundszene gehört, beschäftigt er sich gerne mit modernen Sounds und findet viele Herangehensweisen der jüngeren Generation spannend. Als "Coach" bringt er alle zusammen – wie bei seiner Release-Party zu "AKA DER COACH II" in Berlin, auf der von Dendemann bis morten einige Rapper:innen auf der Bühne standen. Und genau dieser Logik folgt nun auch seine Playlist.
1. Neromun – Bauchredner (prod by. J. Wassenberg)
Torky Tork: Für mich war "Cuck" und damit auch "Bauchredner" echt wichtig und ich fand es wunderschön zu sehen, wie Neromun als Schmetterling aus seinem Kokon rauskam – das ist dieses Album für mich. Es war das letzte Projekt unter altem Namen, aber es deutet sich schon an, was noch kommen sollte. Das finde ich geil. Neromun war davor schon so krass in dem, was er gemacht hat, und dann hat er einfach eine neue Tür geöffnet. Seine Musik ist komplex, er ist halt ein Dichter, und einem ist oft nicht klar, wovon er redet. Aber das lässt viel offen und Raum für Interpretation. Viele Leute stört das, aber ich brauche das. Und damit gehört "Cuck" zu einem meiner liebsten Deutschrap-Alben.
2. SILK MOB aka Donvtello, Fid Mella, Jamin, Lex Lugner, Opti Mane – Heute ned (prod by. Lex Lugner & Fid Mella)
Torky Tork: "Heute ned" ist erfrischend, chillig und hat so gute Vibes. Jamin ist ein toller Sänger und mit seinem Tiroler Dialekt macht er den Zugang zur Musik kleiner, das finde ich irgendwie geil – es ist immer geiler, durch die kleinere Tür zu gehen, durch die nicht alle gehen wollen. Bei Tiroler Dialekt sind viele, glaube ich, direkt raus, aber ich mag gerade, dass ich nicht alles verstehe. Außerdem ist Fid Mella mein Lieblingsproduzent. Alle zusammen sind eine einzigartige Kombi und auch das zweite SILK MOB-Album ist superkrass.
3. Carlifornia feat. morten & Lizzow – Sküskü (prod by. Carlifornia & morten)
Torky Tork: Musik funktioniert im ersten Moment eigentlich immer über den Beat für mich. Wenn der Beat crazy ist und danach etwas Passables folgt, bin ich eigentlich sold. Wenn dann aber ein morten und ein Lizzow so rübergehen, ist alles aus. "Sküskü" ist ein richtiger Ohrwurm und als er rausgekommen ist, habe ich nichts anderes gehört. Carlifornia hat irgendein altes Sample aus den 60ern oder so genommen, aber die gehen da halt drüber, als wären sie in der Trap. Mit dieser Melange hast du mich immer.
4. ROBO – Trapphone (prod by. Carlifornia)
Torky Tork: Das ist ebenfalls ein Carli-Beat und ich finde den Song grandios. Der Beat ist der absolute Wahnsinn. ROBO kennen auch zu wenige Leute, der ist so ein Character. Das braucht mehr Aufmerksamkeit.
5. Wa22ermann – Salsa (prod by. Neal & Alex)
Torky Tork: Wa22ermann ist so geil ignorant und ich feier' den Song. Das ist ja erst ihr Anfang und ich bin echt gespannt, was sich daraus noch entwickelt. Ich kann mir auch vorstellen, dass es vielen jungen Frauen guttut, so etwas zu hören, und viel mit ihnen macht. Ihre Confidence überträgt sich sicherlich. Mag ich sehr.
6. Holy Modee – Promotion (prod by. Quantich & Lorentz)
Torky Tork: Pass auf, diesen Song habe ich schon tausend Mal hintereinander gehört, das Problem ist nämlich, dass er zu kurz ist. Er ist aber so geschnitten, dass man ihn die ganze Zeit im Loop hören kann. (lacht) Holy Modee ist so ein krasser Künstler und eigentlich ein Star für mich. Aber es ist ähnlich wie bei Neromun, die Musik ist nicht so gut verständlich, auch einfach weil die nuscheln. Aber die Deutschen sind dafür nicht bereit, weil es sie verrückt macht, wenn sie nicht alles verstehen. In den USA wären die Stars. Ich schwöre es dir.
7. Eurothug – Maske von Owens (prod by. PressPlay)
Torky Tork: Ich bin durch PressPlay zu dem Song gekommen, da der sich auch in diesem Immer Ready-Umfeld bewegt. Irgendjemand von denen hat das gepostet und ich fand das direkt geil. Ich liebe die Kombi von Gangsterrap auf solchen Beats. Und PressPlay gehört für mich zu den spannendsten jungen Produzenten aktuell.
8. Haftbefehl – Immer noch (prod. by Bazzazian)
Torky Tork: Für mich ist das der beste Song auf dem neuen Album. Bazzazian ist so krass, oh mein Gott. "Immer noch" hat so einen geilen Bounce, da sehe ich die Leute durch die Gegend fliegen, obwohl das eher langsam ist. Er ist schon ewig dabei, hat inzwischen seinen ganz eigenen Style, aber ist trotzdem genau am Zahn der Zeit. Das macht Haftbefehl sehr gut.
9. LIZ – Mona Liza (prod by. FNSHRS)
Torky Tork: Wir bleiben in Frankfurt: LIZ ist so ein Monster am Mic. Der Song ist gut geschrieben und hat den typischen Frankfurt-Style. Die Art erinnert mich oft an SSIO. Ich kann da auch gar nicht so viel zu sagen, ich finde halt krass, was sie macht. Keine Ahnung, wer FNSHRS ist, aber auch an die ein Shoutout. Ein richtiges Brett, gute Autofahr-Mucke.
10. O.G. Pezo feat. LockeNumma19 & Mista Meta – Hemşos (prod by. Al Majeed & Andrewxtendo)
Torky Tork: Jetzt fahren wir aber wieder zurück nach Berlin. Erst mal: O.G. Pezo, rest in peace. Al Majeed und Locke sind meine Studio-Nachbarn in Neukölln und das sind richtig gute Typen. Mista Meta habe ich leider noch nicht kennengelernt, aber ich feier' diese Stimme so krass, der kann einen Beat total einnehmen. Ich liebe Gangsterrap, aber der Beat muss halt stimmen und in dem Fall ist er böse. Wenn dann nur die Packs verkauft werden, passt das voll für mich. (lacht)
11. Jakepot feat. elo – Karten (prod by. Jakepot)
Torky Tork: Ich habe schon einige Beats mit Jakepot zusammen gemacht und das macht immer große Freude, weil er ein krasser Produzent ist. Es hat mich so gefreut, dass elo und er sich gefunden haben, denn der Song ist der Wahnsinn. elo ist eh wahnsinnig gut und die beiden zusammen können nur funktionieren. So brutal, ey. Genau das braucht elo, weil ihm diese Beats so viel Platz geben, sein ganzes Können zu zeigen. Jahrelang hat er über einen ähnlichen Beat-Typ gerappt und irgendwann ist das aufgebrochen und er ist wie Neromun zu einem Schmetterling geworden. (lacht) Hat aber nicht nur einen neuen Style, sondern macht einfach ganz viele neue Styles. Da haben sich so viele Türen geöffnet, das feier' ich sehr.
12. Lugatti & 9ine – Obscurité (prod. by Traya)
Torky Tork: Das ist mein favourite Track von denen. Er ist ein bisschen anders als die anderen Songs und sehr melancholisch, nicht so typisch feel good und abgehen. Das hat mich richtig gecatcht. Und der Beat von Traya ist einfach crazy.
13. Sonne Ra – TV Strassenbau (prod by. doZ9)
Torky Tork: Wir kommen zu unserem letzten Song. Das ist auf jeden Fall Straßenrap im wahrsten Sinne – Sonne Ra, der über seine Arbeit beim Straßenbau spricht. Wie er irgendwo in Erfurt Bordsteine auf seinen Schultern trägt. Die Drums fehlen, er geht aber so hart drüber und erzählt seine Story. In der Liste war viel leichte Kost und das ist wahrscheinlich der deepste Song, den ich ausgewählt habe. Sonne und doZ9 haben sich da auch gefunden, da er viele Sample-Loops und wenig Drums benutzt, dadurch hat Sonne Ra so viel Platz da drüberzugehen und alles zu zeigen, was er auf dem Herzen hat. Da kriege ich Gänsehaut.
All diese Tracks findet ihr hier in unserer "DIGGEN mit Torky Tork"-Playlist auf Spotify.
(Yasmina Rossmeisl)
(Foto von Robert Winter)