"Was?! Du kennst das nicht? Sekunde, ich such' dir das mal raus." Und schon öffnet sich die Plattenkiste. Wer kennt diesen Moment nicht? Man redet über Musik und auf einmal fällt ein Name – egal ob von einem Song, einem:einer Künstler:in oder einem Album – mit dem man nicht so recht etwas anzufangen weiß. Und plötzlich hagelt es Lobpreisungen, Hasstiraden oder Anekdoten. Gerade dann, wenn der:die Gesprächspartner:in ins Schwärmen verfällt und offen zeigt, dass ihm:ihr das Thema wichtig ist, bittet man nicht allzu selten um eine Kostprobe. Die Musik setzt ein und es beginnt, was der Person so sehr am Herzen zu liegen scheint. In diesem Fall – was uns so sehr am Herzen liegt: Ein Auszug aus der Musik, mit der wir etwas verbinden, die wir feiern, die uns berührt. Ein Griff in unsere Plattenkiste eben.
Am 20. März jährte sich der Todestag von Jakob Wich alias NMZS zum zehnten Mal. So lange höre ich auch seine Musik, denn leider wurde ich erst durch die Meldung über seinen Tod auf jene aufmerksam. Doch mir wurde damals schnell klar, dass ich auf einen musikalischen Schatz gestoßen war – ein Artefakt schöner als das andere. So zog ich mir alles rein, was es zu holen gab, unter anderem NMZS' großartige dritte Solo-EP "Egotrip".
Gibt es einen besseren Einstieg in eine Rap-Platte als den titelgebenden Opener der Veröffentlichung? Für mich zumindest nicht. NMZS springt voller Energie auf das Instrumental von Majorus Düx, der die ganze EP mit hervorragenden Beats bestückte, und startet mit einer charmanten Massive Töne-Anspielung: "Eins für die Crowd, zwei für die schöne Bedienung." Dazu eine eingängige Hook und clevere Lines und fertig ist das perfekte Intro. Mit einer ähnlich gewitzten Attitüde kommen das kurze "Bananaman" und "Wunderschön" zusammen mit Düsseldorfer Freestyle-Kollege Gabo daher. Doch die EP schlägt auch andere Töne an: Die beiden emotionalen Stücke "Lange Straße" und "Das ist meins", für die sich NMZS Antilopen-Freund Danger Dan in die Hooks einlud, holen mich seither am meisten ab. Besonders letzteres begleitet mich als Ode an das eigene Scheitern und Schaffen konstant seit dem ersten Hören. Auch wenn ich manchmal wünschte, es treffe nicht zu, kann ich mich in Zeilen wie "Ich bin faul, doch für das, was ich fühle, geb' ich mir Mühe" wiederfinden.
Anlässlich NMZS' zehnten Todestags veranstaltete die Antilopen Gang in Düsseldorf zum zweiten Mal ein Tribut-Konzert für den Rapper. Dort Songs wie "Egotrip" und "Das ist meins", gerappt von den Antilopen und weiteren Freunden und Wegbegleitern Jakobs, das erste Mal live zu hören, berührte mich. Und so bin ich mir sicher, dass mich seine Releases wie die "Egotrip"-EP noch viele weitere Jahre begleiten werden.
(Tim Herr)