Trotz diverser Menschenrechtsbewegungen wie dem Feminismus oder "Black Lives Matter", durch die solidarisches Handeln im politischen Kontext zunehmend Aufmerksamkeit erlangt, ist es oftmals noch etwas Besonderes, wenn Künstler sich zu politischem Geschehen solidarisch äußern. Obwohl MC Smook dies in seinen Texten immer wieder tut, ist er in der Regel nicht der erste Interpret, der einem bei dem Begriff "Solidarität" in den Sinn kommt. Möglicherweise, weil in seiner Musik immer eine große Portion Sarkasmus und Satire mitschwingt. Was bewegt MC Smook überhaupt dazu, politische Themen in satirische Texte zu verpacken? Wir baten den Rapper zum Interview und sprachen über seine Auffassung von solidarischem Verhalten, welchen Einfluss humorvolle Texte auf den Feminismus haben und ob Solidarität auch dann noch etwas Gutes ist, wenn sie aus egoistischen Motiven entsteht.
MZEE.com: Ab welchem Zeitpunkt hast du bewusst über Solidarität anderen gegenüber nachgedacht?
MC Smook: Das ist schwierig zu sagen. Schon im Kindergarten oder in der Grundschule merkt man ja, wenn man jemandem Unrecht tut. Es gibt einen Sinn für Gerechtigkeit und solidarisches Verhalten. In dem Alter reflektiert man das natürlich nicht so wie jetzt, aber ich meine doch zu behaupten, dass Kinder ein Gefühl dafür haben. Vielleicht kennen sie das Wort "Solidarität" nicht, aber sie wissen, ob das, was sie getan haben, richtig oder falsch war. Das ist natürlich auch eine Sache der Erziehung. Ich kann mich an viele Momente erinnern, in denen ich mein Verhalten bereut habe und lieber die Zeit zurückgedreht hätte. Auch, wenn man nicht unbedingt schuld war. Prinzipiell denke ich, dass dieses Empfinden bereits relativ früh da ist.
MZEE.com: Kann man überhaupt von Solidarität sprechen, wenn sie nur die eigene Bubble erreicht, in der man eh hauptsächlich Zustimmung erhält?
MC Smook: In der Bubble lebt es sich immer leichter, da beißt man nicht auf allzu viel Granit. Mich reizen meistens eher die Themen, bei denen ich weiß, dass sich auch negative Strömungen entwickeln könnten. Beim Höcke-Song beispielsweise ist es schwierig zu sagen, ob er wirklich aus der Bubble rausgekommen ist. Natürlich hören durch den Algorithmus auch ein paar Rechte den Song. An sich war der Zuspruch aber sehr hoch und die eigene Bubble hat einem applaudiert, weil sie einen gesunden Menschenverstand hat und der gleichen Meinung ist. Wenn ich zum Beispiel bei Musikvideos einen anderen Stil fahre, erfordert das für mich persönlich mehr Mut. Für "Wasser ohne Sprudel" habe ich meine alte Kamera verwendet und ein 480p-Video gemacht. Da gibt es ein größeres Risiko, ob es funktioniert. Das ist mir aber nicht wichtig, weil kein großes Kapital oder Label dahintersteckt. Wenn ich irgendetwas verkacke, bin nur ich selbst schuld. Der nächste Song wartet ja schon.
MZEE.com: Solidarisches Handeln verleiht einem in der Regel ein gutes Gefühl. Schwingt bei Solidarität deiner Meinung nach auch ein gewisser Egoismus mit, weil man sich dadurch profilieren kann?
MC Smook: Ganz bestimmt – so ist der Mensch getaktet. Am liebsten möchte man die Sympathie anderer gewinnen. Wenn wir einen Anti-AfD-Song rausbringen, wissen wir schon vorher, dass wir dafür mehr Promo machen werden. Natürlich sind wir uns auch der Wichtigkeit der Sache bewusst. Wenige können so prägnant wie wir auf den Punkt bringen, was das Gefährliche an der AfD ist. Zudem sind wir uns darüber im Klaren, dass wir in unserer Bubble dann als "Champions" angesehen werden. Das gibt uns ein gutes Gefühl, das beflügelt. Egoismus spielt also immer mit rein. Wenn du Musik rausbringst, bist du auf eine Art und Weise narzisstisch und auf jeden Fall auch egoistisch. Es ist immer noch HipHop. Jeder will der Beste sein und es ist ein dauerhafter Schwanzvergleich – egal, ob bei Mann oder Frau.
MZEE.com: Apropos Egoismus: Gerade für gute PR zeigen Firmen und Personen der Öffentlichkeit ihre Solidarität, um dadurch Anerkennung zu erhalten. Ist sie dann trotzdem noch etwas Gutes?
MC Smook: Es gibt bestimmt einige Leute, die jedes Jahr auf einen neuen Zug aufspringen, weil sie merken, dass etwas im Trend ist, von vielen gefeiert wird und man damit Menschen erreichen kann. Zu denen zähle ich mich persönlich nicht. Obwohl man sich natürlich nie ganz frei davon machen kann, so zu denken. Bei einigen Künstlern merkt man aber, dass das nicht aus einer natürlichen Intention heraus geschieht. Wenn man das wirklich nur macht, um Follower zu generieren und sich selbst dabei aufzuwerten, ist das purer Egoismus. Man sollte das große Ganze sehen und nicht nur sich selbst profilieren.
MZEE.com: Und wie stehst du dazu, wenn ein großes Unternehmen mithilfe eines solidarischen Motivs Werbung schaltet?
MC Smook: Schwierig. Das muss man von Fall zu Fall subjektiv betrachten. An sich ist es natürlich gut, wenn sich zum Beispiel mehr Menschen klar gegen Rechts positionieren. Aber ich denke schon, dass die Konsumenten sehr schnell checken, inwiefern ein Künstler oder eine Marke das ernst meint. Es wäre komplett peinlich, wenn eine große deutsche Bank eine Anti-AfD-Werbung machen würde. Aber Sixt ist ja beispielsweise sehr stark im Social Media-Game. Die bringen immer gute Sprüche, die oft geteilt werden und am Ende auf ihre Marke zurückzuführen sind. Es kann das Unternehmen also auch sympathischer machen. Kommt immer drauf an. Bei einer großen Firma oder einem großen Musiker weiß man oft, was dahintersteckt. Ob es bei den kleineren ehrlicher ist, weiß man natürlich nicht genau, aber die Wahrscheinlichkeit ist höher.
MZEE.com: Wo es Solidarisierung gibt, gibt es im Umkehrschluss auch Entsolidarisierung. Regine Hildebrandt, eine ehemalige SPD-Politikerin, hat mal gesagt: "Je besser es den Menschen geht, desto stärker erleben wir eine Entsolidarisierung unter ihnen." – Siehst du das ähnlich?
MC Smook: Ja, natürlich. Wenn man das auf der Makroebene betrachtet, ist klar: Die Welt ist grob unterteilt in arm und reich. Man kann nicht von Solidarität sprechen, wenn Bill Gates und Jeff Bezos Milliarden von Euros auf ihren Konten haben und auf der Welt immer noch Menschen verhungern müssen. Das siehst du hier in Deutschland genauso. Bei den Menschen, denen es gut geht – zu denen ich mich auch zähle – hört Solidarität da auf, wo die Komfortzone endet. Jeder gibt gerne mal einem Obdachlosen Geld oder spendet hier und da. Aber im Endeffekt möchte man von dem großen Kuchen, den man besitzt, nicht allzu viel abgeben. Wir sind mit einem unsolidarischen Verhalten groß geworden und solange es dieses kapitalistische System gibt, werden wir das nicht loswerden. Auch wenn wir in einem sozialeren Staat leben als viele andere, ist der Mensch von Grund auf durch das System darauf getrimmt worden. Ich denke nicht, dass durch andere politische Konzepte eine Entsolidarisierung aufgelöst wird. Aber ich denke schon, dass dieser krankhafte Kapitalismus und der ständige Leistungsdruck einen dazu bringen, sich nur auf sich selbst zu fokussieren und Solidarität nicht richtig ausleben zu können.
MZEE.com: Beziehen wir uns mal konkreter auf deine Musik. Durch deinen Song "Surviving Ehrenmänner" und die dazugehörige Playlist "Frauen raus aus Clubs" hast du deiner Fanbase durch einen offensichtlich sexistischen Text einen Denkanstoß zum Thema Feminismus gegeben. Glaubst du, dass man durch satirisch verpackten Sexismus etwas im Feminismus bewegen kann?
MC Smook: Ich bin schon der Überzeugung, dass Humor sehr viel bewirken kann, vor allem in der HipHop-Szene. Die toxische Männlichkeit ist natürlich immer noch vorhanden. Sie ist in der Spitze der Industrie verankert und wächst dadurch noch nach. Bei vielem wollen die gar nicht hinhören. Es gibt allerdings eine Welle neuer Journalist*innen und aufgeweckterer Menschen, die gerade einiges verändern. Ich denke, viele brauchen aber noch sehr lange Zeit, um es zu verstehen – auch Rapper. Da holt ein Song wie "Surviving Ehrenmänner", die dazugehörige Playlist oder auch mein "Tiertape 2" viele Leute mit meinem Humor ab, die vielleicht gar keine Lust haben, sich mit solchen Themen zu beschäftigen. Ich nehme auf jeden Fall wahr, dass in meiner kleinen, bescheidenen Fanbase viele Veränderungen stattfinden – natürlich nicht nur durch mich. Aber man merkt einfach, dass man eine gute Sache geschaffen und darauf aufmerksam gemacht hat. Wenn das mit Humor geschieht, ist das, glaube ich, für alle angenehmer. Der Weg zu einer vernünftigeren Gesellschaft wird so vielleicht ein bisschen erleichtert. Allerdings muss man auch bei diesen Songs in meiner Bubble sein. Das ist natürlich keine Musik, die für den breiten Markt geschaffen ist. Aber ich denke, dass ich auf diesem Weg Leute erreiche.
MZEE.com: Hast du Angst, dass der ernste Kern deiner Texte manchmal wegen der lustigen Verpackung nicht wahrgenommen wird?
MC Smook: Natürlich weiß ich, dass durch den Spotify- oder YouTube-Algorithmus nicht nur meine Bubble meine Songs hört. Aber es hat auch nur ein Teil von mir diesen fünfmal um die Ecke gedachten und sarkastischen Humor. Viele andere Tracks sind deutlich leichter zugänglich und ich spreche viel ernster. Aber ich denke, die humorvollen finden eher ihren Weg – vielleicht auch, weil sie "besonderer" sind und diese Art von Humor sich von anderen unterscheidet. Im Endeffekt ist mir das aber auch egal. Wenn man das nicht versteht, tut es mir leid. Man muss sich bei meiner Musik halt Gedanken machen. Ich habe keine Lust, Hörer*innen zu erreichen, die einfach nur stumpf eine Playlist abonniert haben. Obwohl ich natürlich gerne auch in den Playlists stattfinden würde, damit die Zahlen besser werden. Das ist ja klar. (lacht) Da wären wir dann wieder beim Egoismus.
MZEE.com: Trotz aller Satire finden sich immer wieder klare politische Aussagen in deinen Songs. Es ist schon häufiger passiert, dass sich Rechte auf Konzerten von Musikern "einschleichen", die sich links-politisch äußern. Wie würdest du mit einer solchen Situation umgehen?
MC Smook: Bisher hatte ich, was das angeht, nur mit Online-Drohungen zu tun, die nie in die Realität umgesetzt wurden. Ich habe nicht die Größe, dass es für Rechte etwas bringen würde, mir zu schaden. Es ist die Konsequenz, die man tragen muss. Aber ich stecke lieber ein, als dass ich gar nichts tue und wegsehe. Das ist ja auch eine Art von Solidarität.
MZEE.com: Hast du in Bezug auf diese Online-Drohungen mal überlegt, wie du konkret reagieren würdest, wenn du auf einem deiner Konzerte in eine solche Situation kämst?
MC Smook: Schwer zu sagen, was wäre wenn. Es kommt immer darauf an, wie bedrohlich die Situation ist. Eigentlich gehe ich fest davon aus, dass genügend Leute auf meinen Konzerten wären, die diese vereinzelten Personen, die Stress machen wollen, rauskicken. Aber klar, wenn man solche Musik macht, muss man auch minimal damit rechnen, dass jederzeit etwas passieren kann. Ich habe aber wirklich keine große Sorge, dass etwas Größeres passieren könnte.
MZEE.com: Es gibt momentan einige Musiker, die sich sehr bedenklich äußern. Das Boykottieren von Künstlern thematisiert du mit Pimf auf "Platten brennen". Bis zu welchem Punkt ergibt es noch Sinn, diese Menschen in einem Gespräch zu konfrontieren?
MC Smook: Dafür habe ich noch keine genaue Antwort gefunden. Einerseits ist es wichtig, dass man diese Leute in einem öffentlichen Gespräch argumentativ verstummen lässt. Am besten in einem Interview oder einem anderen großen Format. Sodass zumindest die Argumente der vernünftigen Seite überwiegen und für jeden, der sich das ansieht, ersichtlich sind. Andererseits weiß man natürlich, dass Neu-Rechte heutzutage sehr gut geschult sind. Da gab es schon sehr unglückliche Momente, wie zum Beispiel bei HYPERBOLE mit Niko BACKSPIN, Beatrix von Storch und Bushido. Wenn Bushido am Ende "Ich geh nicht wählen" sagt, waren die 30 Minuten davor für die Katz. Das ist dann schon ziemlich traurig, solche Leute vorzuschicken, die das vielleicht nur als Bühne nutzen und sich denken: "Jetzt kann ich mit ein bisschen Anti-AfD gut punkten." Ich möchte das Bushido nicht unterstellen, aber es wirkte zumindest so. Es kommt natürlich auf das Format an. Aber ein Interview ist ja eigentlich nur Promo. Da ist es, denke ich, schwierig für Rap-Medien, irgendjemanden einzuladen und sich damit auseinanderzusetzen. Im Endeffekt bietest du den Leuten eine Plattform. Prinzipiell würde ich mich aber nicht davor scheuen, mich mit Rechten hinzusetzen und zu versuchen, die vor einer Kamera vom Gegenteil ihrer Meinung zu überzeugen. Aber es ist schon schwierig und könnte auch ziemlich anstrengend sein. Alleine durch deren Bubble. Das muss auf Augenhöhe passieren wie ein fairer Boxkampf. Solche Gespräche muss man gut vorbereiten.
MZEE.com: Im Internet kursiert gerade das Phänomen der "Cancel Culture" (Anm. d. Red.: die systematische Boykottierung einer Person oder Firma, die durch zweifelhafte Aussagen oder diskriminierende Handlungen auf sich aufmerksam gemacht hat), vor allem in Bezug auf Menschen des öffentlichen Lebens. Ist das der richtige Weg?
MC Smook: Da ist natürlich die Frage: Was ist rechtsextremistisch und was ist diese neu-rechte, gutbürgerliche Bubble, die sich in der Mitte sieht? Es braucht Fingerspitzengefühl, um herauszufinden, mit wem und unter welchen Umständen man wirklich reden möchte. Da kommt noch einiges auf uns alle zu – vor allem nach Corona. Diese ganzen Verschwörungstheorien, die gerade kursieren, enden alle im Antisemitismus und anderen rassistischen Theorien, sodass die Gesellschaft noch gespaltener sein wird. Wenn man gar nicht mit denen redet, führt es, glaube ich, auch zu nichts. Man muss sie allerdings mit vernünftigeren Argumenten und neuen Methoden überzeugen. Da schließt sich vielleicht der Kreis zu satirischen Songs wie meinen – man muss neue Wege finden, damit die Gesellschaft wieder gesünder im Kopf wird.
MZEE.com: Inwieweit hat Solidarität damit zu tun, seine eigene Meinung mitzuteilen? Bedeutet wirkliche Solidarität nicht eher, den Menschen, mit denen wir uns solidarisieren wollen, eine Plattform zu geben und ihnen Gehör zu schenken?
MC Smook: Diesbezüglich ist es wichtig, dass Menschen eine Plattform gegeben wird, die sie sonst nie bekommen würden. Solidarität ist natürlich größer als meine eigene Meinung und das, was ich mit meinen Mitteln erreichen kann. Aber ich kann durch meine Worte die Tür zur Solidarität für andere Menschen öffnen, sodass diese Gehör finden. Es gibt strukturellen Rassismus. Da muss sich noch vieles ändern, damit nicht immer nur die Gewinner das Mikro bekommen, sondern auch die, die manchmal – leider Gottes – im Leben verlieren. Das ist natürlich eine schwierige Sache. Ich wurde zum Beispiel 2017 von jemandem angefragt, der in Uganda ein soziales Projekt hatte, ob ich nicht einen Song für sie machen könnte. Das Musikvideo wurde auch dort gedreht und so entstand "Tanz mit mir". Das Lied hatte nicht viel mit dem Thema zu tun, aber es ging darum, dass alle Einnahmen diesem Projekt zugute kamen. Das Ziel haben wir auch erreicht und es wurde viel gespendet. Da wurde mir die Solidarität in meiner eigenen Bubble bewusst. So viele Amazon-Verkäufe hatte ich noch nie zuvor und werde ich jetzt in Zeiten des Streamings auch nie mehr haben. Das war sogar ein Wochenende lang Platz eins der Amazon HipHop-Charts. Aber das Feedback in der Szene – beispielsweise bei Magazinen, denen ich den Song vorher gepitcht hatte – war sehr mau. Ich habe gemerkt, dass die das gar nicht juckt. Da habe ich das erste Mal Unsolidarität in der Rapszene gespürt. Allerdings muss ich dazu sagen, dass das meistens über Promoter lief und ich denen mit meiner MC Smook-Website geschrieben hatte. Das war vielleicht nicht so professionell aufbereitet, wie es sein sollte, aber dennoch merkt man, dass Solidarität ihre Grenzen hat. (überlegt) Würde ich das jetzt machen, bin ich mir ziemlich sicher, dass es auf mehr Solidarität stoßen würde. Im Endeffekt wollen doch alle auf einen Zug aufspringen, auf dem es auch etwas abzugreifen gibt. Es kommt immer darauf an, ob der Künstler gerade angesagt ist.
(Gwendolyn Sperling & Yasmina Rossmeisl)
(Fotos von Veganius)