Montez
Die Veröffentlichung der "Kokon EP" markiert für Montez einen Reboot: Er trennte sich vom bisherigen Label "Über die Grenze", verlieh seinem Sound mithilfe von Produzent und Mitbewohner Aside ein neues Gewand und hauchte den Texten ein neues Lebensgefühl ein. Unser Interview mit dem Wahlberliner nahmen wir deshalb zum Anlass, um über einige Veränderungen zu sprechen und herauszufinden, was trotz seiner Neujustierung gleich geblieben ist. Im Gespräch berichtete Montez uns außerdem, wie seine Hörer auf die neuen Songs reagierten, wie er mit seiner vergangenen Schreibblockade umging und wie sich die psychische Gesundheit auf seine Lyrics auswirkt.
MZEE.com: Dein aktuelles Werk trägt den Namen "Kokon EP". Wenn ich das Wort "Kokon" höre, assoziiere ich damit eine Entwicklung beziehungsweise ein Entwicklungsstadium. Befindest du dich aktuell in einem Kokon und entwickelst dich oder hast du mit Veröffentlichung der EP deine Metamorphose abgeschlossen?
Montez: Du hast absolut recht, dafür steht "Kokon". Ich glaube, ich bin noch nicht am Abschluss einer Entwicklung, weil man sich immer weiterentwickelt und das auch muss. Aber als Titel meiner EP steht der "Kokon" für einen Abschluss von dem, was die letzten zehn Jahre war. Mein Sound hat sich einfach weiterentwickelt und auch meine Lebenseinstellung und mein Lebensgefühl. Das ist mittlerweile viel positiver, als man es aus den letzten Jahren von mir und meiner Musik kannte. Vielleicht befinde ich mich noch in dem "Kokon". Vielleicht bin ich schon ausgebrochen. Vielleicht befinde ich mich auch noch in der Metamorphose. Auf jeden Fall geht es aber um eine Entwicklung.
MZEE.com: Wie du schon sagtest, hebt sich die EP vom Klang her deutlich von deinem bisherigen Schaffen ab und knüpft gleichzeitig an aktuelle Trends an. Weshalb hast du dich dazu entschieden?
Montez: Das klingt im ersten Moment ein bisschen vorwurfsvoll. Manche Nachrichten von meinen Fans waren auch etwas negativ und sie konnten nicht verstehen, warum ich den Sound jetzt verändert habe. Die haben sich direkt angegriffen gefühlt oder waren enttäuscht und haben mir vorgeworfen, ich würde jetzt auf den neuesten Zug aufspringen und mich komplett verändern, weil ich Autotune benutze. Also, grundsätzlich muss man sich immer weiterentwickeln, wie ich eben schon gesagt habe, und immer das machen, was man gerade fühlt und für richtig hält. Ich fühle die Musik genauso, wie sie jetzt ist und das ist das Wichtigste. Ich habe mich einfach menschlich weiterentwickelt und vielleicht auch ein bisschen verändert. Das hat nichts damit zu tun, dass ich jetzt auf irgendeinen Zug aufspringe oder keine Liebe mehr für die Musik habe und denke, ich muss ganz viel Geld damit verdienen. Und dass das nur geht, wenn ich sie so verändere, wie sie aktuell ist. Ich bin immer noch der Meinung, dass ich sehr individuell bin, was meine Musik angeht und es nur eine Weiterentwicklung ist – vom Stil her. Ich traue mich viel mehr und singe viel mehr. Ja, ich setze ein bisschen Autotune ein, das stimmt. Wer aber heutzutage noch dagegen hatet, der lebt auch ein bisschen hinterm Mond, muss man ganz ehrlich sagen. Der weiß auch nicht, wie dieser Stimmeffekt funktioniert und wofür er tatsächlich benutzt wird. Das ist immer ein ganz großer Punkt. Aber die Hauptsache ist, dass ich die Musik genauso fühle, wie ich sie jetzt mache.
MZEE.com: Hast du das Gefühl, dass du vor allem für den Einsatz des Autotune-Plug-ins kritisiert wirst? Oder bekommst du auch für andere Veränderungen in deinem Sound negative Rückmeldungen?
Montez: Klar, grundsätzlich hat sich natürlich viel geändert, so eben auch beim Sound. Er klingt ein bisschen frecher und frischer – genau das sollte er aber auch sein. Er klingt einfach nicht mehr so krass düster, traurig oder depressiv. Einfach, weil ich als Mensch auch nicht mehr so bin und das spiegelt sich in meiner Musik wider. Die letzten zehn Jahre wurde meine Musik von meinem traurigen Gemütszustand geprägt. Aber jetzt geht es mir endlich gut. Meine Musik ist immer ein Ebenbild von dem, wie es mir geht und deswegen ist sie im Moment zum Glück etwas fröhlicher. (überlegt) Oder was heißt fröhlicher … etwas frecher und selbstbewusster.
MZEE.com: Für den gerade angesprochenen Sound ist Aside verantwortlich, der die komplette EP produziert hat. Wie habt ihr beide zusammengefunden?
Montez: Aside hat mich tatsächlich bei Savas im Lido auf der "Royal Bunker Tour" im Backstage angequatscht und meinte: "Hey, ich mache Beats und find' dich ganz cool." Ich hab' mir auch erst gar nichts dabei gedacht, aber wir haben trotzdem Nummern ausgetauscht. Dann hat er mir irgendwann das erste Beat-Paket geschickt und ich dachte: "Krass, sehr talentierter Typ!" Er ist ja ein Newcomer, man kennt ihn noch nicht so wirklich. Dann haben wir uns ein paar Mal getroffen und sowohl menschlich als auch musikalisch hat es von Anfang an super geklappt. Zusammen haben wir uns dann weiterentwickelt und den Sound auf das nächste Level gehoben. Wir haben uns beide einfach gegenseitig einen Megapush gegeben. Das funktioniert super! Mittlerweile sind wir echt gut befreundet, wohnen sogar in Berlin zusammen, haben ein Home-Studio und machen die ganze Zeit nur noch Musik. Es war auf jeden Fall eine riesige Bereicherung, dass ich Aside kennengelernt habe.
MZEE.com: Also ist das mehr eine WG, die zusammen Musik macht, als der Rapper und der Produzent?
Montez: Ja, es ist auf jeden Fall nicht dienstleistungsmäßig. Es ist aber auch noch nie so gewesen, dass ich einen Produzenten einfach nach Beat-Paketen gefragt habe. Ich war immer schon mit im Studio. Wir haben da die Songs gemacht – egal, mit wem ich gearbeitet habe. Und mittlerweile sind wir schon so etwas wie ein Duo geworden. Er ist auch an der Visualisierung beteiligt und gibt immer Input. Wir gucken ständig, wie wir uns entwickeln und was wir Neues machen können. Wir arbeiten schon sehr, sehr eng zusammen.
MZEE.com: Kannst du dir vorstellen, noch mal zu deinem ursprünglichen Sound zurückzukehren?
Montez: Es geht darum, wie ich mich gerade fühle. Wenn ich wieder depressiv wäre, würde ich wahrscheinlich wieder depressive Musik machen. Aber grundsätzlich muss man sich immer weiterentwickeln. Man kann nicht immer auf der Stelle bleiben – auch, was den Sound angeht. Und man hat ja immer andere Einflüsse. Die Musik und damit genauso das, was dich beeinflusst, entwickelt sich auf der ganzen Welt weiter. Und am Ende dann eben auch deine Musik. Es ist wichtig, dass das passiert.
MZEE.com: Du wurdest noch vor deinem Debütalbum im Rahmen eines Contests von Kool Savas entdeckt. Später hast du mit Künstlern wie ihm, RAF Camora oder Vega Tracks recordet. Was hast du durch die Zusammenarbeit mit großen und etablierten Rappern gelernt?
Montez: Puh. (überlegt) Ja, wie du schon gesagt hast, bin ich einfach sehr früh in dieses riesige Haifischbecken der Musikindustrie gefallen – ich war damals 16. Und war dafür relativ reif. Ich hab' sehr viel erlebt. Sehr viele namhafte Leute kennengelernt und mit denen auch zusammengearbeitet. Das bringt dich natürlich immer weiter in deiner eigenen Musik und gibt dir auch mehr Selbstbewusstsein, wenn du Respekt von solchen Leuten bekommst und die sagen: "Ey, lass gerne einen Song machen, weil ich feier' dein Zeug." Das pusht einen natürlich immer sehr, sehr krass! Und von erfahrenen, erfolgreichen Künstlern lernt man immer dazu. Außerdem ist es eine Ehre, mit solchen Leuten zusammenzuarbeiten.
MZEE.com: Würdest du sagen, dass es auch etwas Konkretes gab, das du daraus mitgenommen hast?
Montez: Grundsätzlich bringt mich jeder Song weiter, den ich mache, weil der Schaffensprozess einfach immer eine Erfahrung ist. Von Savas habe ich aber zum Beispiel dieses Live-Game gelernt. Ich war, glaube ich, in den letzten Jahren drei- oder viermal mit ihm auf Tour und habe einfach viel an Live-Erfahrung gesammelt. Ich konnte mir einiges bei ihm abgucken, was seine Energie angeht. Er ist natürlich auch mit der beste Live-Act, den es in Deutschland gibt. Und wenn du mit so einem mehrmals durch das Land ziehst, lernst du sehr viel dabei. Das war für mich auf jeden Fall eine große Bereicherung!
MZEE.com: Du kommst ursprünglich aus dem Bielefelder Umfeld – die Stadt hat gerade Mitte der 00er Jahre mit Acts wie Casper und Pimpulsiv die Rapszene aufgemischt. Würdest du sagen, es gibt oder gab einen Bielefelder Sound und wurdest du davon beeinflusst?
Montez: Nee, tatsächlich gar nicht. Wie du schon sagst, es gab mal einen kleinen Bielefeld-Hype mit Casper, Pimpulsiv und so, aber Casper ist mittlerweile ja auch in Berlin. Und in Bielefeld gibt es auch nicht wirklich eine Musikszene, um ehrlich zu sein. Das ist alles relativ mau. Ich glaube auch nicht, dass es in Bielefeld einen etablierten, großen Sound gibt wie in Hamburg, Berlin oder Frankfurt.
MZEE.com: Ich hatte schon das Gefühl, dass es damals zumindest eine gewisse Style-Richtung gab. Aus Bielefeld kam sehr viel ehrliche und emotionale Rapmusik.
Montez: Das war damals einfach allgemein so der Trend und auch mehr, als es jetzt der Fall ist. In Frankfurt war das damals beispielsweise genauso. Aus der Bielefelder Umgebung kam schon viel an HipHop. Paderborn ist zum Beispiel auch voll die HipHop-Stadt. Aus Berlin vielleicht nicht direkt, aber aus dem Umfeld gab es davon damals – im Gegensatz zu heute – wesentlich mehr von dieser Art Rap.
MZEE.com: Wir würden gerne noch über ein ganz anderes Thema mit dir sprechen. Du hast mal erwähnt, dass du eine längere Schreibblockade hattest. Welchen Tipp würdest du jemandem geben, der gerade etwas Ähnliches durchmacht?
Montez: Ich hatte wirklich jahrelang eine Schreibblockade, das hat mich echt aufgefressen. Ich habe dann auch mit erfahrenen Leuten darüber gesprochen und die haben mir immer gesagt: "Ey, einfach weitermachen, weitermachen, weitermachen. Einfach immer machen, machen, machen!" Und ich dachte mir immer: "Oh man, was labert ihr da? Als ob ich da nicht schon selber dran gedacht habe." Ich hab' mich dadurch immer mehr reingesteigert. Aber tatsächlich würde ich das den Leuten auch so sagen: Man muss halt einfach immer weitermachen – machen, machen, machen und schreiben, auch wenn es scheiße ist. Neue Einflüsse sammeln, mal neue Sachen erleben. Man sagt, dass ein Künstler, der schon alles gemalt hat, etwas Neues erschaffen muss und dafür muss er neue Eindrücke haben, neue Einflüsse, neue Inspiration. Und das muss man auch regelmäßig machen. Man muss sich regelmäßig Zeit für Pausen nehmen – inspirierende Pausen oder Phasen. Und man darf nie den Glauben an sich selbst verlieren und nicht aufgeben!
MZEE.com: Kannst du besser schreiben, wenn du gerade down bist?
Montez: Tatsächlich konnte ich immer besser schreiben, wenn ich down war. Beziehungsweise fiel es mir immer leichter, deepe, emotionale und traurige Texte zu schreiben, weil ich mich damit einfach besser identifizieren konnte. Ich habe auch eine Zeit lang gedacht, ich werde niemals einen positiven Song schreiben, weil ich gar nicht weiß, wie das geht oder wie man das machen soll. Mittlerweile fällt mir das viel leichter und macht mir Spaß, weil mein Lebensgefühl einfach anders ist. Mir fällt es immer leichter, das zu schreiben, was ich gerade fühle.
MZEE.com: Du hast schon angesprochen, dass es dir zum ersten Mal seit zehn Jahren richtig gut geht und du so andere Musik mit neuen Inhalten machen kannst. Gab es etwas in deinem Leben, das sich für dich verändert hat?
Montez: Es hat sich sehr viel verändert. Ich komme aus einer langen Beziehung, die sehr schön, aber auch wirklich anstrengend, kompliziert und emotional war. Die ist letztes Jahr zu Ende gegangen. Aus diesem Loch, in dem ich war, habe ich versucht, etwas Neues zu machen, auch mit dem Umzug nach Berlin. Es hat sich ein Kapitel – mein altes Leben – geschlossen und ein anderes ist glücklicherweise aufgegangen. In dem bin ich aber auch selber aufgegangen. Und nach diesem Loch und dieser schlimmen, depressiven Phase habe ich es geschafft, mich rauszukämpfen. Ich habe jetzt ein viel besseres Lebensgefühl, als ich es vorher hatte.
MZEE.com: Würdest du sagen, dass du trotzdem noch einen Hang zum Nachdenklichen in dir hast?
Montez: Auf jeden Fall, klar. Das wird wahrscheinlich auch niemals weggehen. Ich bin ein sehr nachdenklicher und selbstreflektierter Mensch. Ich denke manchmal vielleicht auch zu viel nach. Das musste ich auch erst lernen, aber damit komme ich mittlerweile schon besser klar als früher. Man darf einfach nicht gleich im Selbstmitleid versinken. Das frisst einen am krassesten auf. Man darf auch seine Eier nicht vergessen und verlieren. Und man kann auch mal den Kopf senken und so durchs Leben gehen – man kann es ruhig mal regnen lassen. Aber man muss den Kopf dann auch wieder hochnehmen und oben lassen. Und das habe ich gemacht.
MZEE.com: Zufälligerweise habe ich dir ein Zitat zum Thema Nachdenklichkeit mitgebracht. Der Dichter Ernst Ferstl schrieb: "Nachdenkliche Menschen haben zweifelsohne auch Talent zum Vordenken." – Würde das auch bei dir zutreffen?
Montez: Nachdenkliche Menschen sind wahrscheinlich viel reflektierter. Machen sich logischerweise einfach mehr Gedanken um Dinge und finden dann auch mehr in ihren Gedanken – vielleicht viel Negatives, vielleicht aber auch viel Positives. Und jemand, der viel nachdenkt, sieht natürlich mehr, entwickelt mehr Ideen. Kann schon sein, dass das stimmt, was er da sagt.
(Jens Paepke)
(Fotos von Yung Maze)