"Was?! Du kennst das nicht? Sekunde, ich such' dir das mal raus." Und schon öffnet sich die Plattenkiste. Wer kennt diesen Moment nicht? Man redet über Musik und auf einmal fällt ein Name – egal ob von einem Song, einem Künstler oder einem Album – mit dem man nicht so recht etwas anzufangen weiß. Und plötzlich hagelt es Lobpreisungen, Hasstiraden oder Anekdoten. Gerade dann, wenn der Gesprächspartner ins Schwärmen verfällt und offen zeigt, dass ihm das Thema wichtig ist, bittet man nicht allzu selten um eine Kostprobe. Die Musik setzt ein und es beginnt, was der Person so sehr am Herzen zu liegen scheint. In diesem Fall – was uns so sehr am Herzen liegt: Ein Auszug aus der Musik, mit der wir etwas verbinden, die wir feiern, die uns berührt. Ein Griff in unsere Plattenkiste eben.
Anfangs habe ich mich recht schwer getan mit Lord Folters Musik. Seine erste EP, "BRACH", war düster und seine Zeilen wirr. Aber mit jedem Hören wurde mir die Musik sympathischer. Sein Debütalbum "Rouge" war dann schon eingängiger und mir wurde klar, dass hinter den wild zusammengewürfelten Zeilen eigentlich ein ziemlich verkopfter Künstler steckt. Mit seiner aktuellen EP, "haut", zog er mich dann endgültig in seinen Bann.
Das liegt nicht etwa daran, dass die EP weniger wirr ist als die vorigen Releases. Nein, der Sound ist nach wie vor etwas eigen, seine Wortwahl eher lyrisch wertvoll als inhaltlich schlüssig. Aber genau das ist es, was sein künstlerisches Schaffen so gut macht. Die Musik von Lord Folter lebt von den gesammelten, poetisch-prägnanten Zeilen, die er zu passenden Tracks zusammenfügt. So weiß ich zwar auch bei "haut" nicht immer, wovon die Texte insgesamt handeln, aber dafür bleiben einzelne Lines umso mehr hängen: "Schmeiß' den ersten Stein, bau' aus den Scherben eine Bleibe." Diese dichterischen Schmuckstücke, gepaart mit der tiefen Stimme und der etwas eigenen Art, zu rappen, gehen mir die kompletten zwölf Minuten der EP direkt unter die "Haut". Die Romantik und Selbstkritik in den einzelnen Zeilen trägt der Lord dabei so eindringlich vor, dass man gar nicht anders kann, als sich dem Vibe hinzugeben. Das geht so weit, dass ich inzwischen jeden Track beinah fehlerfrei mitrappen kann. Komplettiert wird das melancholische Soundbild durch die roughen, leicht psychedelischen Instrumentals von unter anderem AK420 und Flitz&Suppe. All das – inklusive der stärker gewordenen Rapskills des Künstlers – macht die EP zum bisher rundesten, wenngleich auch viel zu kurzen Release.
Lord Folter verschlingt mich mit "haut" jedes Mal aufs Neue, nimmt mich mit auf eine sanfte, emotionale Achterbahn und spuckt mich wieder aus. Lässt man sich erst mal auf seine künstlerische Ader ein, lässt sie einen nur schwer wieder los. Oder um es mit seinen Worten zu sagen: "Hab' mich in dir verloren am Boden. Mein Oben ist unten. All mein Gefühl in dir versunken."
(Lukas Päckert)