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Interview

Pimf

"Ich fin­de, dass einen jede Rei­se ein Stück weit nach Hau­se bringt. Man hat ja sein ech­tes Zuhau­se im Kopf, viel­leicht ein biss­chen Heim­weh und defi­niert: 'Was ist für mich Zuhau­se?'" – Pimf im Inter­view über Hei­mat und die Fer­ne, sei­ne neue Plat­te "Win­dy City" und Deutschrap-Podcasts.

Ein Video-​Interview, drei Gesprä­che auf dem Splash!, eines in der "Rei­me­bu­de" Ham­burg zum rap​pers​.in Video­b­att­le­tur­nier 2012 … Ins­ge­samt sie­ben Mal bat ich Pimf in den letz­ten sie­ben Jah­ren zum Gespräch. Und obwohl nicht jedes ein­zel­ne ver­öf­fent­licht wer­den konn­te, blieb mir doch jedes als posi­ti­ve Erin­ne­rung im Gedächt­nis. So sit­zen wir also im Früh­ling die­ses Jah­res irgend­wo in Hes­sen, kurz vor Mit­ter­nacht. "Es fühlt sich gar nicht an wie unser zwan­zigs­tes Mal", grinst Pimf. "Aber die Leu­te, die das lesen, haben das wahr­schein­lich gar nicht so auf dem Schirm." Nein, ver­mut­lich haben sie das nicht. Und den­noch dreht sich das Inter­view die­ses Mal vor allem um The­men, die wir bis­her noch nie behan­delt haben. So spre­chen wir nicht nur über die Inhal­te sowie spon­ta­ne Ent­ste­hung der neu­en Plat­te "Win­dy City" wäh­rend eines kur­zen Auf­ent­halts in Chi­ca­go, son­dern auch über sich dar­aus erge­ben­de Punk­te wie Zuhau­se, das Hei­mat­ge­fühl an sich und die Fer­ne. Es kommt zur Spra­che, wie es um Pimfs wei­te­re musi­ka­li­sche Plä­ne steht, wie es mit dem Plat­ten­la­bel Schräg­strich Freun­des­kreis "Lagu­nen­styl­es" wei­ter­geht und was die Vor- und Nach­tei­le dar­an sind, nicht bei einem exter­nen Label gesignt zu sein, son­dern alles sel­ber in die Hand zu neh­men. Und zu guter Letzt ver­rät Pimf in einem mehr als 15-​minütigen Mono­log, wie er den Gewinn des Super­bowls durch sein Lieb­lings­team, die Phil­adel­phia Eagles, erlebt hat. So, als wäre ich live dabei gewe­sen. Ohne genau zu ver­ste­hen, wor­um es eigent­lich wirk­lich geht …

MZEE​.com: Zur Fei­er des Tages darfst du das Inter­view mal sel­ber begin­nen. Gibt es etwas, das dich momen­tan inter­es­siert und über das du ger­ne spre­chen möchtest?

Pimf: Fußball.

MZEE​.com: Oh, nein. Damit ken­ne ich mich über­haupt nicht aus. (Pimf lacht) Aber ich hab' gehört, dass du ein gro­ßer Freund von Pod­casts bist.

Pimf: Ja, das stimmt. Ich mag die Idee des For­mats, weil es voll gut zum Ein­schla­fen ist. "Die wun­der­sa­me Rap­wo­che" fand ich ganz cool und die "Talk-O-Mat"-Idee auf Spo­ti­fy. Da wer­den zwei Pro­mis, die sich gar nicht ken­nen, mit ver­bun­de­nen Augen gegen­über­ge­setzt. Und den ALLGOOD-​Podcast fin­de ich auch cool. Das ist ver­mut­lich mein Lieb­lings­pod­cast, auch wenn er ein biss­chen unre­gel­mä­ßig kommt.

MZEE​.com: Hast du dir auch mal "Schacht & Wasa­bi" angehört?

Pimf: Ja. Er dreht sich sehr um Gos­sip und Trash, was über­haupt nicht mei­ne The­men sind. Und Jule fehlt manch­mal ein biss­chen Know­ledge. Die Kon­stel­la­ti­on ist schon so: Er ist der Tea­cher und sie die Gete­ach­te. Manch­mal sagt sie dann schon Sachen, bei denen man sich denkt: "Alter! War­um sitzt du da und redest über Hip­Hop?!" Aber sie ist bestimmt voll nett.

MZEE​.com: Ich hab' Anfang des Jah­res ein Inter­view mit ihr gemacht und muss sagen, dass sie wirk­lich nett ist und sich vor allem auch selbst kri­ti­siert. Sie ver­steht schon, war­um Leu­te teil­wei­se von ihr genervt sind.

Pimf: Dann fin­de ich es aber schwie­rig, einen Rap-​Podcast zu machen. Ich hab' letz­tens wie­der rein­ge­hört und sie sag­ten die gan­ze Zeit: "Alman … wir Almans …" Das wird da als Lebens­ein­stel­lung dar­ge­stellt und Men­schen danach kate­go­ri­siert: "Ah, der ist voll der Alman." Das fin­de ich genau­so lustig-​ironisch wie die­se Leu­te auf einem Money Boy-​Konzert: "Haha, der nimmt voll die Drogen!"

MZEE​.com: Und hast du dir mal den Pod­cast von Nanoo angehört?

Pimf: Ja, bes­ter Mann. Auch auf Insta­gram. Wenn eine neue Instagram-​Story von Nanoo kommt, dann hol' ich mir Popcorn!

MZEE​.com: Kom­men wir zu einem ande­ren The­ma: Wir haben noch nie über das Rei­sen gespro­chen. Dei­ne neue Plat­te "Win­dy City" ist nun aber in Chi­ca­go ent­stan­den – kannst du mir die dazu­ge­hö­ri­ge Rei­se­ge­schich­te erzählen?

Pimf: Klar. Ich hab' Flü­ge für 300 Euro im Inter­net gese­hen und gesagt: "Okay, wir flie­gen nach Chi­ca­go!" Dann hab' ich sie sofort gebucht. Ich bin ja ein gro­ßer Fan von ame­ri­ka­ni­schem Sport und mich fas­zi­nie­ren auch die Städ­te dort sehr. Ich mag auch Musik aus Chi­ca­go. Und ich dach­te, da kann man schon mal hin­fah­ren, auch wenn es nicht ganz oben auf mei­ner Rei­se­lis­te stand. Ich bin dann zusam­men mit mei­ner Freun­din hin­ge­flo­gen und wir hat­ten gar kei­nen Plan. Ich war so: "Hey, lass uns mög­lichst viel Sport gucken!" Mei­ne Freun­din war so: "Hey, lass uns cool Sight­see­ing machen!" Es war voll die gei­le Zeit, auch weil gera­de Thanks­gi­ving war. Alle waren in Holiday-​Stimmung, in der Stadt stan­den 15 Meter hohe Tan­nen­bäu­me, es gab über­all Eis­lauf­bah­nen. Es sah aus wie bei "Kevin allein in New York", so rich­tig kli­schee­haft. Alles weih­nacht­lich geschmückt und alle auf "Hap­py Holi­days!" Am Frei­tag war dann Black Fri­day, die gan­zen Chi­ne­sen haben die Stadt erobert und vor den Läden gezel­tet. Rich­tig Wahn­sinn. Ansons­ten war es auch noch mit­ten in der Sai­son. Das heißt: Ich konn­te Bas­ket­ball gucken, ich konn­te Foot­ball gucken, ich konn­te Eis­ho­ckey gucken …

MZEE​.com: Da gibt es doch auch die­sen rie­si­gen See.

Pimf: Lake Michi­gan, ja. Von mei­nem Hotel­zim­mer aus habe ich rechts aus dem Fens­ter den Michi­gan Lake gese­hen. Alles sah so aus, als wür­de ich direkt am Meer woh­nen. Wenn ich nach links geguckt habe, war da Down­town. Und vor unse­rem Haus war direkt der Brun­nen aus dem Intro von "Eine schreck­lich net­te Familie".

MZEE​.com: Hat Chi­ca­go denn ein biss­chen was von New York?

Pimf: New York ist eigent­lich außer Kon­kur­renz, das kann man gar nicht ver­glei­chen. Es ist auch ein­fach anders struk­tu­riert. Der Süden von Chi­ca­go ist über­trie­ben crime – da war ich gar nicht. Ich würd' sagen, der Nor­den ist ein biss­chen Bonzen-​mäßig. Und Down­town kann man ein­fach voll geil essen und shop­pen. Aber du kriegst auch mal 'nen selbst­ge­mach­ten Bur­ger. Dann gibt es noch Vier­tel wie Wicker Park, nach dem ja auch mei­ne ers­te Sin­gle benannt war. Böse behaup­tet ist das das Hipster-​Viertel. Aber da gibt's halt kei­ne Hips­ter. Es ist ein biss­chen wei­ter außer­halb und es gibt da vie­le Second Hand-​Shops und sowas. Die Stadt war ein­fach über­trie­ben fla­shig und inspi­rie­rend. Es ist sofort mei­ne abso­lu­te Lieb­lings­stadt in den Staa­ten gewor­den … New York natür­lich außer Konkurrenz.

MZEE​.com: Wie lan­ge warst du ins­ge­samt da?

Pimf: Nur acht Tage. Aber es hat auf jeden Fall gereicht. Es war nicht so, dass wir von mor­gens acht bis abends zehn durch die Stadt gescheucht wur­den. Und das Gei­le war: Wir konn­ten alles zu Fuß ablau­fen. Weil viel im Loop, also Down­town, liegt – und man allein da schon sehr viel machen kann.

MZEE​.com: Und wie sieht es Graffiti-​mäßig aus?

Pimf: Down­town gibt es nicht viel, drau­ßen dann schon. Aber auch nicht sehr viel mehr als woan­ders. Im Wicker Park gibt es rich­tig gute Street Art. (über­legt) Um auf dei­ne Fra­ge zurück­zu­kom­men: Wir sind abends aufs Hotel­zim­mer gekom­men und ich hat­te tau­send Gedan­ken in mei­nem Kopf. Kennst du die­se klei­nen Blö­cke, die man im Hotel bekommt? Ich hab' mir die­se Blö­cke und einen klei­nen Blei­stift genom­men, mich auf der Toi­let­te ein­ge­schlos­sen, Beats gehört und Tex­te geschrie­ben. Dann hab' ich die Tex­te in mein Han­dy ein­ge­rappt und am nächs­ten Mor­gen bin ich dann auf­ge­stan­den: "Ey, wir müs­sen jetzt ein Video dre­hen!" In wei­ser Vor­aus­sicht hat­te ich fünf Tage vor­her ein Han­dy Gim­bal gekauft. Wir sind dann durch die Stra­ßen gezo­gen und haben ein biss­chen Hip­Hop gemacht. Ich hat­te schon ein, zwei Songs vor­her fer­tig und mit der Zeit hat sich alles voll gut zusam­men­ge­fügt. Den Song mit Jeph­za zum Bei­spiel gab es schon vor Chi­ca­go und er heißt "Im Loop". Und dann ste­hen wir in Chi­ca­go und Dow­town heißt da ein­fach auch auf ein­mal "Loop" …

MZEE​.com: Ich hab' ein Zitat vom Titel­track dei­ner Plat­te dabei. Es heißt: "Ich hät­te selbst nicht dran geglaubt, dass ich das sage – doch Chi­ca­go bringt mich irgend­wie nach Haus'." Hat­test du in die­ser Stadt das ers­te Mal das Gefühl, in der Frem­de rich­tig anzukommen?

Pimf: Nee, ich glaub', ich hat­te das Gefühl schon mal hier und da. Aber in Chi­ca­go hat­te ich es auf­grund der Bege­ben­hei­ten ganz arg. Ich fin­de, dass einen jede Rei­se ein Stück weit nach Hau­se bringt. Man hat ja sein ech­tes Zuhau­se im Kopf, viel­leicht ein biss­chen Heim­weh und defi­niert: "Was ist für mich Zuhau­se? Wer ist für mich Zuhau­se?" Das woll­te ich damit sagen. Es hät­te wohl auch St. Peters­burg sein kön­nen. Aber Chi­ca­go ist auf jeden Fall zu einer Her­zens­sa­che geworden.

MZEE​.com: Einer­seits hast du auf dei­ner Plat­te über Chi­ca­go gerappt. Ande­rer­seits über dein wirk­li­ches Zuhau­se, Hof­geis­mar. Hast du dich in den letz­ten Mona­ten viel damit aus­ein­an­der­ge­setzt, wo du hingehörst?

Pimf: Das ist ein stän­di­ges The­ma für mich. Weil ich bei­des möch­te: Ich fühl' mich wohl, wenn ich drau­ßen unter­wegs bin. Gleich­zei­tig hab' ich dann aber Sehn­sucht nach Zuhau­se. Ich brauch' das dann auch – mei­ne Ruhe, mei­ne Leu­te. Die­ses Länd­li­che und die­sen Rück­halt. Ich brauch' ein­fach bei­des und des­halb ist das ein stän­di­ges The­ma bei mir.

MZEE​.com: An einer Stel­le sagst du sowas wie: "Props an die, die nicht in die Groß­stadt weg­ge­zo­gen sind." Ist es für dich ein The­ma, dass Hof­geis­mar dein Zuhau­se bleibt – auch wenn alle ande­ren weg­ge­hen? So nach dem Mot­to: "Scheiß auf die, die gehen!"

Pimf: Das "Scheiß auf euch"-Thema ist es nicht so ganz. Ich hab' sehr gute Freun­de, die woan­ders woh­nen. Das ist dann halt kei­ne Daily-​Business-​Freundschaft, man hat dann auch mal ein paar Mona­te kei­nen Kon­takt. Dann trifft man sich wie­der und alles ist wie frü­her. Aber die­se Leu­te kann ich an einer Hand abzäh­len. Timo (Kico, Anm. d. Red.) zum Bei­spiel wohnt jetzt in Ham­burg. Und er ist wahr­schein­lich einer mei­ner bes­ten Freun­de. Das Wit­zi­ge bei ihm ist: Er kommt gar nicht aus Hof­geis­mar, son­dern aus Kas­sel. Aber ich glaub', er fühlt sich in Hof­geis­mar mega zu Hau­se. Ich lie­be mei­ne Handball-​Truppe, mei­ne Fami­ly und alles, was hier so geht. Aber wir sind auch nicht alle die glei­chen Dudes. Bei den Jungs zum Bei­spiel, die ich noch aus der Schul­zeit mit­ge­nom­men hab', ist es so: Wir haben nicht dau­ernd Kon­takt, aber sind irgend­wie die glei­chen Dudes und das passt ein­fach wie Arsch auf Eimer. Und alles ist wie immer. Die Leu­te beim Hand­ball­ver­ein sind dage­gen ganz anders als ich. Die gehen alle ihren nor­ma­len Weg und machen ihr Ding. Aber genau dar­in füh­le ich mich mega­wohl. Das sind halt kei­ne coo­len "Mache irgend­was mit Medien"-Menschen oder Rap­per, die nach Ber­lin zie­hen. Das ist was kom­plett ande­res, wirk­lich zwei Wel­ten, zwi­schen denen ich immer springe …

MZEE​.com: Kannst du dir denn vor­stel­len, mal in eine Groß­stadt zu ziehen?

Pimf: Ich hab' schon mal damit gelieb­äu­gelt. Ich kann mir das abso­lut vor­stel­len und wür­de es nicht aus­schlie­ßen, aber gera­de ist alles voll nice. Es gibt kei­nen Grund, irgend­was zu verändern.

MZEE​.com: Ich hab' mir ein paar Gedan­ken zum Inhalt dei­ner Plat­te gemacht und mir sind dabei ein paar Schlag­wör­ter ein­ge­fal­len. Für mich dreht sich das Gan­ze um Zuhau­se und die Frem­de, Fern­weh und Sehn­sucht. Siehst du das genauso?

Pimf: (lacht) Über­trie­ben pathe­tisch! (über­legt) Aber ja. Ich wür­de sagen, es geht um "The boy meets world". Und sich selbst.

MZEE​.com: Was mir beson­ders gut gefällt, ist, dass die Plat­te so kurz und knapp ist.

Pimf: Das muss­te auch genau so sein. Ich hab' noch 50 Songs auf mei­ner Fest­plat­te und hät­te auch wei­ter rum­bas­teln kön­nen. Aber genau so, wie es ist, muss das sein. Es tat mir ein biss­chen weh, weil es nur sie­ben Tracks sind und alle Leu­te das jetzt "EP" nen­nen. Mich nervt das mega und ich sag' immer nur "Plat­te". Für mich ist das Gan­ze ein voll­wer­ti­ges Release. Wenn ich Medi­en anschrei­be, habe ich oft das Gefühl, dass es einen ande­ren Stel­len­wert hat, weil es nur sie­ben Songs sind.

MZEE​.com: Wit­zi­ger­wei­se geht's mir da genau anders­rum. Wenn mir jemand sie­ben Tracks zum Rein­hö­ren schickt, kann ich die mal eben hören. Wenn mir jemand 25 Tracks schickt, habe ich allein auf­grund der Men­ge schon gar kei­ne Lust mehr.

Pimf: Dann ist ja auch klar: Da wird auf jeden Fall geskippt! Selbst bei 17 oder so.

MZEE​.com: Ich hab' dir einen Satz aus dei­nem Pres­se­text mit­ge­bracht: "In dem Moment, in dem 'Win­dy City' gebo­ren wur­de, wur­den sämt­li­che musi­ka­li­schen Plä­ne über den Hau­fen gewor­fen." Wel­che Pläne?

Pimf: Ich hab' den Pres­se­text sel­ber geschrie­ben, ich kann mich da jetzt nicht mal drü­ber auf­re­gen. (über­legt) Der Plan war, kein Themen-​Release zu machen. Ich hab' an einer neu­en Plat­te gear­bei­tet und das wur­de dann durch Chi­ca­go unter­bro­chen. Der Song "Im Loop" war zum Bei­spiel schon für das Release geplant und es sind noch vie­le ande­re Songs fer­tig. Aber die wur­den dann in die Ecke gewor­fen und wer­den da ver­mut­lich lie­gen blei­ben. Ich hab' dann vier, fünf neue Tracks gemacht, zwei alte hin­zu­ge­fügt und mich da voll rein­ge­stürzt. Außer­dem hab' ich noch eine Kollabo-​Platte mit einem ande­ren Rap­per gemacht. Die ist eigent­lich schon fer­tig und soll­te auch schon raus­kom­men, wur­de nun aber nach hin­ten versetzt.

MZEE​.com: Du schmeißt das meis­te alte Mate­ri­al dann ein­fach weg?

Pimf: Man­ches ja. Man­ches wird auch raus­kom­men – die Kollabo-​Platte auf jeden Fall. Man­che Sachen recy­cle ich viel­leicht in zehn Jah­ren. Ich mach' halt jede Nacht Musik und hab' unfass­bar vie­le Skiz­zen, Parts und Songs rum­lie­gen. Was davon raus­kommt und wie, muss durch eine ganz, ganz stren­ge Qualitätskontrolle.

MZEE​.com: Bei dei­nen Plat­ten "Memo" und "Jus­tus Jonas" hat es sich ja lan­ge gezo­gen von der Fer­tig­stel­lung der Plat­te bis hin zur wirk­li­chen Ver­öf­fent­li­chung. Die­ses Mal scheint es ganz anders gewe­sen zu sein: Skiz­zen gemacht, auf­ge­nom­men – und schon wur­de releast. War­um ging das die­ses Mal so schnell?

Pimf: Vor "Jus­tus Jonas" stand alles in den Ster­nen: Was machen wir jetzt? Wie brin­gen wir das Gan­ze raus? Dann haben wir das Lagunenstyles-​Ding gemacht und jetzt sind die Struk­tu­ren klar. Jeder weiß, was er zu tun hat. "Jus­tus Jonas" lag halt ein­fach ein Drei­vier­tel­jahr rum. Es stand alles im Raum: Wie machen wir das mit der GEMA? Wie geht das mit dem Press­werk? Mir war irgend­wie bewusst: Ich will das sel­ber machen. Aber das dann wirk­lich zu machen … Und jetzt ist alles total klar. Ich weiß, wie es läuft und das klappt total gut. Des­we­gen ging es jetzt viel schnel­ler. Ich hat­te total Bock und Eupho­rie. Dann kam die Tour im Janu­ar mit Weekend, da ging gar nichts. Und im Febru­ar war dann alles fer­tig. Vier Wochen vor Release lagen die CDs dann schon bei mir. Es gab kei­nen Hick­hack mit dem Press­werk, Ver­schie­bun­gen … Ich hab' dann auch kei­ne groß­ar­ti­ge Wer­bung gemacht, aber die CDs sind ausverkauft.

MZEE​.com: Kannst du mir auf­zei­gen, was sich bei Lagu­nen­styl­es im letz­ten Jahr ver­än­dert hat und wer aktu­ell dabei ist?

Pimf: Eigent­lich ist das Gan­ze kein Label, son­dern ein Freun­des­kreis. Men­schen, die Bock haben, krea­tiv zu sein. Timo und ich haben das ins Leben geru­fen und dann kamen mehr und mehr Men­schen aus unse­rem Dunst­kreis hin­zu. Jeph­za ken­ne ich zum Bei­spiel seit zehn Jah­ren und er hat­te eine Plat­te fer­tig. Er war so: "Die Plat­te liegt rum und ich weiß nicht, was damit jetzt ist." Und ich war so: "Alles klar, gib her. Ich schick' das dem Gra­fi­ker, der macht dir ein Art­work, ich orga­ni­sier' dir ne Video­fir­ma, wir machen das." Ich hab' das Label-​mäßig in die Hand genom­men und wir haben das raus­ge­bracht. Und die ande­ren Leu­te sind ein­fach Freun­de von uns. Rap­per, Foto­gra­fen, Beatmen­schen … Zum Bei­spiel Grinch, einer unse­rer bes­ten Freun­de, macht gera­de eine Kunst­au­stel­lung. Oder Chris­ti­an Wasen­mül­ler, der unse­re Art­works macht, wird bestimmt bald ein Buch mit Fotos machen. Im Prin­zip wol­len wir ein­fach nur gei­len Scheiß machen, der sonst kei­nen Platz fin­det. So hat sich das über die Zeit hin­weg ent­wi­ckelt. Ich wür­de sagen, dass ich der Kopf der gan­zen Ban­de bin, der Orga­ni­sier­tes­te. Was ja auch nicht son­der­lich schwer ist. (grinst) Dann kam eben die Jephza-​Platte. Und Mav­gic ist auch dabei: der schlech­tes­te bes­te Rap­per der Welt. Mit ganz furcht­ba­ren Beats auf sei­ner letz­ten Plat­te. Aber er rappt halt so gut wie kein ande­rer und macht zum Bei­spiel voll gei­le Sachen bei DLTLLY. Sei­ne letz­te Plat­te hat er sel­ber raus­ge­bracht und dann haben wir sie auch noch bei uns in den Shop gestellt. Ich hab' gesagt, ich möch­te den Lagunenstyles-​Stempel nicht drauf haben, weil die Beats schei­ße sind.

MZEE​.com: Und habt ihr nach dei­ner Plat­te noch ande­re auf Lagun­gen­styl­es für 2018 geplant?

Pimf: Ich pla­ne nur mei­ne Sachen, bei uns gibt es kei­nen Release­ka­len­der. Was auch immer ich für die Jungs pla­nen wür­de – das wür­den sie eh wie­der über Bord wer­fen. Ich mach’ ein­fach mei­nen Kram, die ande­ren ihren Kram. Und wenn was fer­tig ist, set­zen wir uns zusam­men hin und über­le­gen, wie wir das rausbringen.

MZEE​.com: Feh­len dir denn in eurer fami­liä­ren Struk­tur manch­mal die Annehm­lich­kei­ten eines grö­ße­ren Labels? Zum Bei­spiel, dass sich auch mal jemand um dich küm­mert, dir Pla­nun­gen abnimmt …

Pimf: Ich find' den Weg schon sehr geil und brauch' eigent­lich kei­nen, der mich an die Hand nimmt und sagt: "Das hier ist der Jonas, ihr führt jetzt ein Inter­view." Ich kann ja auch sel­ber dahin­ge­hen und Ter­mi­ne koor­di­nie­ren. Aber es ist halt super­schwer, wenn du nicht Pro­mo­ter XY bist, an irgend­was ran­zu­kom­men. Ich hab' zur Plat­te zum Bei­spiel furcht­bar vie­le E-​Mails geschrie­ben, die ein­fach nicht beant­wor­tet wur­den. Wenn ich einen hät­te, wäre das wahr­schein­lich kein gro­ßes Pro­blem gewe­sen. Das ist schon har­ter Strugg­le, was Pro­mo­ti­on angeht. Die gro­ßen HipHop-​Portale pos­ten viel­leicht mal ein Video von dir und das war's. Und was Reich­wei­te angeht, kann ich halt nicht 100 Euro in jeden Facebook-​Post ste­cken, nur um den spon­sern zu las­sen. Das sind schon Sachen, die ner­ven, aber irgend­wie haut das alles schon hin. Ob man mit den eige­nen Kon­tak­ten jetzt etwas dick an die Glo­cke hän­gen kann, wage ich mal zu bezwei­feln. Aber dann muss die Mucke halt so geil wer­den, dass irgend­wann kei­ner mehr dran vorbeikommt.

MZEE​.com: Ich hab' noch ein ande­res, letz­tes The­ma für dich. Es wur­de mir aufgetragen.

Pimf: Was, wie­so denn schon das letz­te The­ma?! Wir reden erst seit 50 Minuten.

MZEE​.com: Also, das letz­te Thema …

Pimf: … über das wir sehr lan­ge reden werden …

MZEE​.com: … ist Fuß­ball. (über­legt) Nee. Es ist nicht mal Fuß­ball. Super­bowl. Was machen die? Ach, herr­je. (Pimf lacht) Base­ball? Ach, du Schei­ße. Foot­ball? (alle lachen) Dein Lieb­lings­team, die Phil­adel­phia Ega­les, hat die­ses Jahr das ers­te Mal den Super­bowl gewon­nen. Die Redak­ti­on wür­de sehr ger­ne wis­sen, wie du die Nacht und das Spiel emp­fun­den hast.

Pimf: Sehr ger­ne. Ich wer­de mir jetzt die Zeit neh­men und die gan­ze Geschich­te erzäh­len. Von vor­ne: Ich bin Fan von den New York Knicks. Die sind sehr, sehr schlecht in letz­ter Zeit. Ich bin Fan vom FC St. Pau­li. Die sind auch nicht das Gel­be vom Ei. Und ich bin Fan von den Phil­adel­phia Eagles, seit ich den­ken kann. Und ich gucke wirk­lich jeden Sonn­tag mit mei­nen Freun­den Foot­ball. Mei­ne Freun­de sind Erfolgs­fans. Seat­tle Sea­hawks. New Eng­land Patri­ots. Also von den tol­len Teams. Und ich bin halt Phil­adel­phia Eagles-​Fan – und die Eagles sind schon lan­ge nicht mehr gut. Die Lie­be ist da ein­fach hin­ge­fal­len. Bei St. Pau­li war es damals die­se kras­se Pokalwunder-​Saison, in der die ein­fach Erstliga-​Clubs raus­ge­wor­fen haben. "David gegen Goliath"-mäßig. Damit hat mich St. Pau­li damals gekriegt. Die New York Knicks – wahr­schein­lich über irgend­ein Jer­sey. Und Phil­ly, ich glau­be, es war eines der ers­ten Foot­ball­spie­le, die ich je gese­hen habe. Die Fans von Phil­ly sind halt auch ein­fach mega-​asozial. Das ist eine ganz eige­ne, wüs­te Com­mu­ni­ty … Ich gucke also mit mei­nen Freun­den seit fünf, sechs Jah­ren jeden Sonn­tag Foot­ball. Und ich krie­ge nur auf den Deckel. Weil deren Teams immer gewin­nen – über mich wird sich immer nur lus­tig gemacht. Und die­ses Jahr: Kei­ner hat damit gerech­net. Völ­lig sen­sa­tio­nell! Die Eagles haben vor zwei Jah­ren 'nen guten Quar­ter­back gedraf­tet und fan­gen plötz­lich an, zu gewin­nen. Auf ein­mal steht es sie­ben Sie­ge, eine Nie­der­la­ge. Und alle so: "Oh, die Eagles! Nicht schlecht." Und ich immer so: "Ruhig, Leu­te, ruhig." Und die Eagles gewin­nen noch eins, noch eins. Und um mich her­um alle so: "Ach, du Schei­ße, Leu­te!" Und ich so: "Ruhig, ruhig, Leu­te. Nichts ist pas­siert." Und dann schaf­fen wir es in die Play­offs. Und alle so: "Die Eagles in den Play­offs!" Und ich so: "Jaaaaaa! Aber wie­der ruhig, ruhig …" (alle lachen) Ah, da war noch was: 15. Woche. Kurz vor den Play­offs. Carson Wentz. Der gedraf­te­te jun­ge Quar­ter­back, der uns alle getra­gen hat, reißt sich das Kreuz­band. Ich lag in Embryo-​Stellung auf dem Boden in der Ecke. Und alle, die davor immer so waren: "Boah, die Eagles …", waren so: "Die Eagles, haha­ha! Jetzt ist ja lei­der der Quar­ter­back ver­letzt!" Denn wenn der Quar­ter­back ver­letzt ist, pas­siert im Nor­mal­fall nichts mehr – weil er der wich­tigs­te Mann ist. Dann kommt aber Nick Foles, unser Ersatz-Quarterback …

Aus dem Hin­ter­grund: (alle lachen) Das ist doch nicht dein Ernst!

Pimf: … es kommt also Nick Foles, Cinderella-​Story über­haupt. Die­ser Ersatz-​Quarterback gewinnt die ers­te Playoffs-​Runde. Und ich: "Ruhig, ruhig!" Gewinnt die zwei­te Playoffs-​Runde. Und ich: "Ruhig, ruhig!" Bis zuletzt konn­te ich es nicht fas­sen. Als wir auf der Weekend-​Tour waren, haben wir das Halb­fi­na­le im Tour­bus geguckt. Der Sound­mann von Weekend ist auch Eagles-​Fan. Shou­tout Frie­der! Man trifft nor­ma­ler­wei­se nie Eagles-​Fans! Es gibt nur ganz weni­ge, weil die echt schlecht sind. Wir haben uns dann ein iPad an den Sitz geklebt, fah­ren nachts von Mün­chen nach Stutt­gart und alle ste­hen im Bus und schrei­en: "Die Eagles! Die Eagles kom­men in den Super­bowl!" Die waren alle völ­lig ange­steckt von mei­ner Eupho­rie. Der gan­ze Bus wackel­te nur so über die Auto­bahn, weil die Eagles Rich­tung Super­bowl gingen.

Aus dem Hin­ter­grund: Jetzt hat der echt die Stun­de voll­ge­macht. (alle lachen)

Pimf: (grinst) Das macht mich gera­de so glück­lich! Wir kom­men also in Stutt­gart an, gera­de zur Halb­zeit. Müs­sen alles aus­la­den, die Taschen weg­brin­gen. Zack, ab nach Hau­se, alle ren­nen so mit ihren Taschen, Ticker auf dem Han­dy. Set­zen sich hin – und dann sind die Eagles echt in den Super­bowl gekom­men mit ihrem scheiß Ersatz-​Quarterback. Damals, als ich 2010 in Phil­adel­phia war, habe ich mir übri­gens ein Tri­kot von dem Bru­der gekauft! Und dann kom­me ich von der Tour nach Hause …

Aus dem Hin­ter­grund: Katastrophe!

Pimf: (grinst) Ich kom­me also von der Tour nach Hau­se. Das war dann das ers­te Spiel nach der Tour, das ich wie­der zusam­men mit den Kum­pels gucken konn­te. Es gibt Chi­cken Wings und fett Buf­fet – wie man das so macht. Es war ein ganz nor­ma­ler Super­bowl, wie immer. Nor­ma­ler­wei­se hab' ich damit nur nichts zu tun: Da spie­len zwei Teams Foot­ball und ich esse ein biss­chen Bur­ger. Aber das war der auf­re­gends­te Tag mei­nes Lebens. Wirk­lich. Es war noch kras­ser als Deutsch­land gegen Ita­li­en im Elf­me­ter­schie­ßen damals. Und da war ich schon über­trie­ben aufgeregt …

MZEE​.com: Es ist dir bewusst, dass das immer noch eine ein­zi­ge Ant­wort ist?

Pimf: Schreib doch ein­fach ein paar Fra­gen dazwi­schen? (alle lachen) Und dann sit­zen wir da. Mei­ne Eagles im Super­bowl, die sonst immer nur zwei Wochen im Ren­nen sind. Ich konn­te nicht reden. Die meis­ten waren auf mei­ner Sei­te, weil wir gegen die Patri­ots gespielt haben. Die sind das Bay­ern Mün­chen des Foot­balls, die gewin­nen jedes Jahr. Des­we­gen waren dann vie­le für den Under­dog. Ich konn­te nicht reden und nicht atmen. Ich stand teil­wei­se drau­ßen vor der Fens­ter­schei­be, weil ich fri­sche Luft brauch­te. Und dann gehen die Eagles hoch in Füh­rung. Und alle: "Ey, die machen das!" Und ich: "Ruhig, ruhig!" In der Halb­zeit ste­he ich drau­ßen mit mei­nem Kum­pel und sag': "Pass auf. Jetzt kom­men die Patri­ots!" Nach der Halb­zeit, was pas­siert? Die Patri­ots kom­men. Aber die Eagles schla­gen zurück! Es ist über­trie­ben span­nend bis zur letz­ten Minu­te – und dann haben die Eagles den Super­bowl gewon­nen. Ich bin über­haupt nicht drauf klar­ge­kom­men. Ich komm’ immer noch nicht dar­auf klar.

MZEE​.com: In dem Moment warst du der glück­lichs­te Mensch …

Pimf: … der gan­zen Welt! Die Leu­te haben in Phil­adel­phia die gan­ze Stadt abge­baut. Autos sind durch die Stadt geflo­gen, Stra­ßen­la­ter­nen wur­den umge­schmis­sen. Die Leu­te sind wirk­lich cra­zy. Und dann war der Super­bowl vor­bei, gegen fünf Uhr. Ich kam mit mei­nen Emo­tio­nen gar nicht klar. Alle sind nach Hau­se gegan­gen. Und ich war so: "Nein! Wir müs­sen jetzt 'ne Par­ty fei­ern!" Aber nie­mand woll­te mit mir fei­ern. Also bin ich nach Hau­se, hab' mir sechs Bier geholt und mei­ne Rausschmeißer-​Playlist ange­macht. Nur Schlep­per von Bryan Adams und Rob­bie Wil­liams. Ich hab' Bier getrun­ken, bin durch mein Zim­mer gesprun­gen und hab' geschrien. Ich hab' alle Leu­te Mon­tag­mor­gen um sechs ange­ru­fen: "Hey, lasst fei­ern, kommt vor­bei!" Ich bin echt kein Story-​Mensch und hab' auf Snap­chat Vide­os hoch­ge­la­den, in denen ich sin­ge. Kei­ne Ahnung, was mich da gerit­ten hat. Und danach hab' ich noch eine Woche mein Tri­kot getra­gen … Ende der Geschichte.

MZEE​.com: (Applaus aus dem Hin­ter­grund) Mei­ne noch offe­nen Fra­gen wur­den damit alle sehr aus­führ­lich beantwortet.

Pimf: Sol­len wir noch was zu den Bege­ben­hei­ten des Inter­views sagen?

MZEE​.com: Auf gar kei­nen Fall.

Pimf: (grinst) Okay. Dann danke.

(Flo­rence Bader)
(Fotos von Sina Tarves)