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Reportage

Eine kurze Geschichte wichtiger HipHop-​Alben: #05 "Licensed to Ill"

"Eine kur­ze Geschich­te wich­ti­ger HipHop-​Alben" beschäf­tigt sich mit der His­to­rie von ein­fluss­rei­chen Wer­ken im Rap. In der fünf­ten Aus­ga­be geht es um das ers­te Rap-​Album auf Platz eins der Charts, die Grün­dung eines legen­dä­ren Rap-​Labels und das Debüt­al­bum der Beas­tie Boys – "Licen­sed To Ill".

Da Musik bekannt­lich Geschmacks­sa­che ist, wür­de man auf die Fra­ge nach prä­gen­den HipHop-​Alben wahr­schein­lich sehr unter­schied­li­che und indi­vi­du­el­le Ant­wor­ten erhal­ten. Den­noch wür­den bestimm­te Alben wohl häu­fi­ger genannt wer­den als ande­re. Man­che Plat­ten schaf­fen es schließ­lich, bei nahe­zu jedem einen blei­ben­den Ein­druck zu hin­ter­las­sen. Sie prä­gen ihr Gen­re nach­hal­tig und wir­ken sich direkt oder indi­rekt auf die Musik ande­rer Künst­ler aus. Was aber macht die­se Alben so beson­ders? Sicher ist es vor allem wich­tig, alte Mus­ter zu durch­bre­chen und einen neu­en Weg vor­zu­ge­ben. Dabei ist es essen­zi­ell, den ganz eige­nen Sound zu fin­den. Eine stan­dar­di­sier­te Ant­wort gibt es hier­für aber wohl nicht. Ein­fluss gilt es, stets indi­vi­du­ell zu betrach­ten – und ein Blick in die Geschich­te des ein­fluss­rei­chen Raps lohnt sich. Die­ses Mal mit dem Debüt­al­bum der Beas­tie Boys: "Licen­sed to Ill".

 

1986 – Hip­Hop und Rap sind mitt­ler­wei­le zumin­dest ver­ein­zelt in den Main­stream vor­ge­drun­gen. Neben ein­zel­nen erfolg­rei­chen Songs ver­schie­de­ner Künstler:innen sind es ins­be­son­de­re Run-​DMC, die enor­me Erfol­ge fei­ern kön­nen. Trotz­dem ver­ste­hen immer noch nicht vie­le, was genau die­se "Rap-​Musik" sein soll, mal abge­se­hen von den Sze­ne­mit­glie­dern, wie den Beas­tie Boys. Die beson­de­re Band aus New York wird mit ihrem Debüt­al­bum "Licen­sed to Ill" dar­an auch nichts ändern, son­dern viel eher für noch mehr Ver­wir­rung sor­gen. Das hat sei­ne Grün­de: Die Beas­tie Boys ste­hen zwar in enger Ver­bin­dung mit den bereits erwähn­ten Run-​DMC, sind aber gänz­lich anders sozia­li­siert. Ihre Punk-​Vergangenheit und -Affi­ni­tät spie­gelt sich auch in ihrem Erst­lings­werk wider, das dem­entspre­chend beson­ders zwi­schen den ande­ren Rap-​Releases der spä­ten 80er Jah­re auffällt.

 

Ent­ste­hung der Band 

Den meis­ten sind die Beas­tie Boys als klas­si­sches Trio bekannt, bestehend aus Adam Yauch ali­as MCA, Micha­el Dia­mond aka Mike D und Adam "Ad-​Rock" Horo­witz. Bereits Ende der 70er war die Band in ande­rer Beset­zung – mit John Ber­ry, Kate Schel­len­bach und ohne Ad-​Rock – und unter dem Namen "Young Abori­gi­nes" als Punk-​Band aktiv. Eine sound­tech­ni­sche Aus­rich­tung, die das Schaf­fen der Band in den nächs­ten rund 40 Jah­ren beein­fluss­te und immer wie­der her­vor­sticht. Die Bea­sties waren bereits zu Schul­zei­ten abso­lu­te Punk-​Fans und leb­ten dies aus, sowohl modisch als auch musi­ka­lisch. Mike D beschreibt für sich per­sön­lich unter ande­rem The Clash und die Bad Brains als musi­ka­lisch prä­gen­de Bands. Auf einem Kon­zert der Bad Brains lern­ten Micha­el Dia­mond und John Ber­ry Adam Yauch ken­nen. Eine Begeg­nung, die dazu führ­te, dass sich in der Fol­ge, rund um die drei Jungs, eine Cli­que aus Punk-​Fans bil­de­te, zu der auch Kate Schel­len­bach gehör­te. Wäh­rend der end­lo­sen gemein­sa­men Kon­zert­aben­de ent­wi­ckel­ten sich nicht nur Freund­schaf­ten, son­dern auch der Gedan­ke, das Gan­ze doch selbst mal aus­zu­pro­bie­ren, ab 1981 dann unter dem Namen "Beas­tie Boys". 1983 stieß dann auch Adam Horo­witz zur Grup­pe hin­zu, qua­si als Ersatz­gi­tar­rist für John Ber­ry, der zum dama­li­gen Zeit­punkt kei­ne Lust mehr auf das Musik­ma­chen hat­te. Nach den ers­ten Punk-​Releases über das Label Rat Cage erfolg­te dann der musi­ka­li­sche Wan­del in Rich­tung Hip­Hop. Ursa­che dafür war ins­be­son­de­re, dass die HipHop-​Pioniere aus der Bronx zuneh­mend auch in Down­town und Umge­bung auf­tra­ten und Par­tys ver­an­stal­te­ten. Die Bea­sties ver­lieb­ten sich recht schnell in den Sound von den Fun­ky Four, Run-​DMC und DJs wie Jaz­zy Jay. "Bei Break­beats und Hip­Hop geht es um Gren­zen­lo­sig­keit – gren­zen­lo­se Mög­lich­kei­ten, gren­zen­lo­se Fan­ta­sie", wie es Mike D for­mu­liert. Ein alter Freund von Ad-​Rock, Nick Coo­per, brach­te 1984 die Beas­tie Boys mit nie­mand Gerin­ge­rem als Rick Rubin zusam­men. Die­ses Auf­ein­an­der­tref­fen soll­te sowohl für die Beas­tie Boys als auch für Rick Rubin ein ein­schnei­den­des Karriere-​Ereignis wer­den. Rick war zunächst nur die Live­auf­trit­te der Band als DJ ein­ge­plant, wur­de jedoch kurz dar­auf zur ent­schei­den­den Schnitt­stel­le für die Ver­öf­fent­li­chung des ers­ten Beas­tie Boys-Albums.

 

Pro­duk­ti­on des Albums

Im sel­ben Jahr grün­de­te Rick Rubin zusam­men mit Rus­sel Sim­mons das legen­dä­re HipHop-​Label Def Jam. Letz­te­rer ist der älte­re Bru­der von Run der Band Run-​DMC und deren dama­li­ger Pro­du­zent und Mana­ger. Rubin über­zeug­te Sim­mons zur glei­chen Zeit von den drei wei­ßen Rap­pern, den Beas­tie Boys. Rus­sel Sim­mons ahn­te vor­aus, dass er mit­hil­fe einer wei­ßen Band an Orte gelan­gen konn­te, von denen in den 80ern Schwar­ze Underground-​Musik über­wie­gend aus­ge­schlos­sen wur­de: MTV, das Pop-​Radio und Mainstream-​Medien im All­ge­mei­nen. Kurz dar­auf lud er die Beas­tie Boys zu ihren Ido­len Run-​DMC, die gera­de dabei waren "King of Rock" zu pro­du­zie­ren, ins Stu­dio ein. Es soll­te das ers­te von vie­len gemein­sa­men Zusam­men­tref­fen wer­den. Die bei­den Bands ver­stan­den sich per­fekt, auch weil sie aus ver­schie­de­nen Per­spek­ti­ven an die­sel­be Sache glaub­ten: Hip­Hop. Und so erschien noch 1984 die ers­te Rap-​Single "Rock Hard" der Beas­tie Boys, die zudem "Back in Black" von AC/​DC unge­fragt und uner­laubt sam­pelt. Auch wenn der Song nicht auf "Licen­sed to Ill" gelan­det ist, so ist er sound­tech­nisch der ein­deu­ti­ge Vor­fah­re des Albums. Anfang 1986 bege­ben sich die Bea­sties dann in das Secret Socie­ty Stu­dio, ursprüng­lich nur um eine neue Maxi-​Single für Def Jam zu pro­du­zie­ren, eben­falls dank der Con­nec­tion zu Rick Rubin. Die drei Rap­per sind, laut eige­ner Aus­sa­ge, zu kom­plet­ten "Rap-​Nerds" mutiert und sau­gen alles auf, was ihnen in die Hän­de kommt. Dies beein­flusst auch ihre Pro­duk­ti­on enorm. Im Stu­dio baut Ad-​Rock einen Drum­beat, inklu­si­ve Vocals­amples von unter ande­rem Kur­tis Blow und Slick Rick. Es soll­te die per­fek­te Grund­la­ge für den ers­ten Track von "Licen­sed to Ill", "Hold It Now, Hit It", wer­den. Die Rap­per pro­bie­ren sich an einer neu­en expe­ri­men­tel­len und col­la­gen­ar­ti­gen Pro­duk­ti­ons­wei­se. Mit einer ähn­li­chen Locker­heit wagen sie sich dann auch an das Schrei­ben der Lyrics her­an. Der gesam­te Song­text ist eine Mischung aus ihren per­sön­li­chen Lebens­er­fah­run­gen, eige­nen Visio­nen und Insider-​Witzen, die nur sie selbst ver­ste­hen. "Sur­ge­on gene­ral cut pro­fes­sor DJ Thiggs." – Dies etwa ist eine rei­ne Ver­mu­tung, denn die Bea­sties sind Thiggs zuvor nie begeg­net und haben ledig­lich von DJ Run von Run-​DMC auf­ge­schnappt, dass die­ser bestimmt sehr gut auf­le­gen könn­te. Dass die­ser weder DJ ist, noch gut auf­le­gen kann, erfährt die Band erst wesent­lich spä­ter. Der Song über­zeugt Rick Rubin und Rus­sel Sim­mons, die die­sen dem­entspre­chend ver­öf­fent­li­chen, und er wird nur wenig spä­ter zu einem ech­ten Rap-​Hit an der Ost­küs­te. "Wir hat­ten unse­re Stim­me gefun­den", beschreibt Micha­el Dia­mond den Song. Nur kurz dar­auf ist die­se Stim­me dann auch auf Album­län­ge zu hören.

Beas­tie Boys - Hold It Now, Hit It (Offi­ci­al Music Video)

Die bereits erwähn­ten Run-​DMC geben in einer der gemein­sa­men Stu­dio­ses­si­ons den Bea­sties auch den ent­schei­den­den Input für das legen­dä­re Intro des Songs "Paul Reve­re". Bereits bei ihrer Ankunft am Stu­dio geben sie die Zei­len für das Intro des Songs vor: "Here's a litt­le sto­ry, I got to tell." Das Beson­de­re des Tracks ist aller­dings nicht nur, dass die drei Rap­per auf ihre typisch abge­dreh­te Art eine ver­rück­te Geschich­te – über ihr Pferd Paul Reve­re, mit dem sie ein Western-​ähnliches Aben­teu­er erle­ben – erzäh­len, son­dern dass sie den Beat, pro­du­ziert mit dem klas­si­schen TR-​808, rück­wärts auf­neh­men. Was heu­te immer mal wie­der pas­siert und tech­nisch ver­hält­nis­mä­ßig ein­fach ist, war 1986 noch eine ech­te Her­aus­for­de­rung, für die es nicht nur Krea­ti­vi­tät, son­dern auch tech­ni­sches Geschick benö­tigt. Ähn­li­ches Geschick bewei­sen sie auch bei der Her­an­ge­hens­wei­se an ihre Tex­te. Anstatt, wie sonst eher üblich, allein an den ein­zel­nen eige­nen Stro­phen zu arbei­ten, setz­ten sich die drei MCs zusam­men, um die gemein­sa­men Tex­te zu schrei­ben und aus­zu­bes­sern. Erst im Nach­hin­ein wur­de dann final ent­schie­den, wer wel­che Pas­sa­gen ein­rap­pen soll­te. Wäh­rend die Tex­te übli­cher­wei­se in der Bar­row Street ent­stan­den, wur­den die Beats über­wie­gend im Chun Kings Stu­dio pro­du­ziert. Im Herbst 1986 hört sich Run von Run-​DMC das fast fer­ti­ge Album gemein­sam mit Mike D auf Tape an und pro­phe­zeit den Bea­sties, dass das Album durch die Decke gehen wird und min­des­tens mit einer gol­de­nen Schall­plat­te aus­ge­zeich­net wer­den wür­de. Und er soll­te Recht behal­ten. Am 15. Novem­ber 1986 erblickt "Licen­sed to Ill" das Licht der Welt und voll­endet, was die drei Vor­ab­sin­gles "Paul Reve­re", "The New Style" und "Hold It Now, Hit It" bereits erah­nen ließen.

 

Das Album – etli­che Songs vol­ler Eigenarten

Einer der Hits des Albums: "No Sleep Till Brook­lyn" hat eine, wie für die Beas­tie Boys üblich, kru­de Grund­la­ge. Der Song­ti­tel ist ange­lehnt an das Motörhead-​Livealbum "No Sleep 'til Ham­mer­s­mith". Pas­send zu Motör­head han­delt der Beas­tie Boys-​Song von dem damals noch fik­ti­ven Rockstar-​Tourleben der Band. Zu die­ser Zeit hat­ten sie gera­de mal eine Hand­voll Kon­zer­te außer­halb von New York gespielt und ein Auf­tritt in Brook­lyn war in den 80ern nicht das größ­te Ziel der Band.

Beas­tie Boys - No Sleep Till Brook­lyn (Offi­ci­al Music Video)

Ähn­li­che semi-​fiktive Text­pas­sa­gen durch­zie­hen auch eini­ge ande­re Tracks, wie zum Bei­spiel "The New Style". Wäh­rend eine Zei­le wie "Coo­lin' on the cor­ner on a hot summer's day" tat­säch­lich aus dem Leben der Band gegrif­fen ist, trifft das auf eine Line wie "Saw the kid that dissed my home­boy, shot him in the back" defi­ni­tiv nicht zu. Micha­el Dia­mond beschreibt ihre Her­an­ge­hens­wei­se an ihr Debüt­al­bum dem­entspre­chend als "idea­li­sier­te Ver­si­on eines Aufschneider-​Fantasielebens, das wir ger­ne geführt hät­ten, dar­ge­bo­ten mit inein­an­der ver­floch­te­nen, akzen­tu­ier­ten und an den ent­schei­den­den Stel­len dop­pelt oder sogar drei­fach gerapp­ten Vocals." Der viel­leicht größ­te Hit des Albums ist "Fight For Your Right". Der Song gilt aller­dings nicht nur für die Beas­tie Boys oder die Rap-​Szene als Klas­si­ker, son­dern spreng­te etli­che Genre- und Län­der­gren­zen. So ist es zum Bei­spiel auch Teil der "Rock and Roll Hall of Fame" und wird dem­entspre­chend auch dem Rock-​Genre zuge­ord­net. Dabei war der Song ursprüng­lich für das Side­pro­jekt "Brook­lyn" von MCA geplant. Das dazu­ge­hö­ri­ge Musik­vi­deo ist erst das zwei­te Video einer Rap-​Band, das jemals bei MTV gespielt wur­de. Auch den Beas­tie Boys ist bewusst, dass sie hier den strukturell-​rassistischen Vor­teil genie­ßen, eine wei­ße Band zu sein. Der Track, mit der ein­gän­gi­gen Hook, ist eine der Sin­gles von "Licen­sed to Ill", die erst nach Erschei­nen des Albums aus­ge­kop­pelt wur­den und so auch noch 1987 in den inter­na­tio­na­len Chart-​Listen auf­taucht. Der Song "Slow And Low" ist eine Art Cover eines Run-​DMC-​Tracks, der nie erschie­nen ist. Dass die­ser ursprüng­lich für das "King of Rock"-Album von Run-​DMC geplant war, lässt sich beim Hören des Instru­men­tals auch unschwer erken­nen. Die Bea­sties änder­ten ledig­lich eini­ge Text­pas­sa­gen und nah­men gemein­sam mit Rick Rubin eine neue Ver­si­on des Songs auf. War­um das Album auch heu­te noch so gut funk­tio­niert, lässt sich exem­pla­risch anhand von Songs wie "Slow Ride" und "Girls" erklä­ren. Es sind zwei rela­tiv kur­ze Songs, die mit ein­gän­gi­gen Tex­ten, Hooks zum Mit­brül­len und tanz­ba­ren Beats daher­kom­men – kein Wun­der: Spe­zi­ell das Instru­men­tal von "Slow Ride" besteht aus einer Rei­he von Disco- und Funk-Samples.

 

Das Nach­wir­ken von "Licen­sed to Ill" 

Bereits im Febru­ar 1987 wird das Album mit Pla­tin aus­ge­zeich­net und erhält von nahe­zu allen pres­ti­ge­träch­ti­gen Musik­ma­ga­zi­nen Best­no­ten. Die Beas­tie Boys wer­den qua­si über Nacht von einer Underground-​Gruppe zu einer inter­na­tio­na­len Pop-​Größe. Ihr Album ist die aller­ers­te Rap-​Platte, die es in die Billboard-​Charts schafft und dabei außer­dem auf Platz eins lan­det. Inter­na­tio­nal erreicht das Album zudem in über zehn wei­te­ren Län­dern die Charts. Mit "Licen­sed to Ill" gehen sie fast zwei Jah­re lang auf Tour und begin­nen, sich selbst zu kari­kie­ren, inklu­si­ve eines über­di­men­sio­na­len hydrau­li­schen Penis auf der Büh­ne, für den bis heu­te Lage­rungs­kos­ten anfal­len. Da ihnen der eige­ne Erfolg zum Teil selbst suspekt wird, ent­schließt sich die Band unter ande­rem dazu, den Song "Fight For Your Right" aus allen kom­men­den Set­lis­ten ab 1988 zu strei­chen. Grund dafür: Der iro­nisch gemein­te Track wird von ihren Fans kom­plett uniro­nisch abge­fei­ert. Der Track ist die Par­ty­hym­ne einer gan­zen Gene­ra­ti­on, wur­de von den Beas­tie Boys aber nicht als sol­cher geplant. Auch wenn das ambi­va­len­te Ver­hält­nis der MCs zum Song ver­ständ­lich ist, ändert dies nichts an der Lang­le­big­keit und dem Kult­sta­tus, den die Sin­gle heu­te besitzt. Die Umkehr zu ihrem eins­ti­gen Punk- und Underdog-​Standing ist bereits mit ihrem Debüt­al­bum zu einer Unmög­lich­keit gewor­den. An ihrer Authen­ti­zi­tät haben sie jedoch kein Stück ver­lo­ren. So sind sich die drei MCs nur wenig spä­ter einig, dass sie hin­ter vie­len Text­pas­sa­gen ihres Debüt­al­bums nicht mehr ste­hen kön­nen. Ins­be­son­de­re ihren teil­wei­se homo­pho­ben und sexis­ti­schen Lines – auch wenn die­se häu­fig iro­nisch und humo­ris­tisch gemeint waren, wie zum Bei­spiel auf "Girls" – ste­hen sie extrem kri­tisch gegen­über. Seit Mit­te der 90er schrei­ben sie ver­mehrt femi­nis­ti­sche Tex­te und set­zen sich für femi­nis­ti­sche Aktivist:innen und The­men ein. Nach dem tra­gi­schen Krebs-​Tod von Adam Yauch im Jahr 2012 wird das Album zwi­schen­zeit­lich erneut zum meist­ver­kauf­ten Album in den USA, schließ­lich ist es auch über zwan­zig Jah­re nach dem Release das größ­te Album der Band, das Fans mit den Beas­tie Boys und MCA ver­bin­den. Es wird noch ein­mal deut­lich, dass sie mit ihrem Debüt schein­ba­re Sound­gren­zen durch­bro­chen haben und so sind ins­be­son­de­re die häu­fig eher ein­ge­brüll­ten Lyrics, wel­che von den drei MCs ger­ne schnell abwech­selnd per­formt wer­den, ein Erken­nungs­merk­mal der Band.

Auch das Art­work des Albums hin­ter­lässt sei­ne Spu­ren in der Musik­ge­schich­te. Es wur­de ursprüng­lich auf Grund­la­ge einer Idee Rick Rubins von Ste­phen Byram und World B. Omes kre­iert. 2018 adap­tiert Emi­nem das "Licen­sed to Ill"-Cover für sein Album "Kami­ka­ze", anstel­le des legen­dä­ren Beas­tie Boys-​Logo befin­det sich auf dem Heck­flü­gel des Flug­zeugs sein Album­ti­tel. Was bei den Bea­sties eine nor­ma­le Lini­en­ma­schi­ne ist, wird bei dem Detroi­ter Rap­per zu einem Kampf­jet. Das Beas­tie Boys-​Logo scheint ihm auch zu gefal­len und so trägt er es zu die­ser Zeit bei eini­gen Live­auf­trit­ten pro­mi­nent auf Shirts. Selbst die soge­nann­te "Gen Z" ist zum Teil stark von den Beas­tie Boys beein­flusst. Die Rap­per Joey Valence & Brae kom­men erst weit über ein Jahr­zehnt nach dem Release von "Licen­sed to Ill" zur Welt. Seit 2021 ver­öf­fent­li­chen sie gemein­sam Musik. Was zu Beginn zunächst wie ein TikTok- und Instagram-​Joke wirkt, fin­det mitt­ler­wei­le welt­weit auf Büh­nen statt und hat Mil­lio­nen monat­li­che Hörer:innen bei den bekann­ten Streaming-​Diensten. Das nahe­zu gesam­te Schaf­fen des jun­gen Duos wirkt wie eine ein­zi­ge Hom­mage an die Beas­tie Boys und ihr Debüt­al­bum. Flow, Stimm­ein­satz, Text­in­hal­te, Beats, Musik­vi­de­os und Art­works – ein­fach alles erin­nert an die New Yor­ker Legen­den. Wüss­te man es nicht bes­ser, wäre es durch­aus vor­stell­bar, dass hier zwei Söh­ne die Lega­cy ihrer Rap-​Väter in die Gegen­wart transportieren.

Joey Valence & Brae - PUNK TACTICS (Offi­ci­al Video)

Auch in der jüngs­ten Zeit wer­den Tei­le des Albums immer wie­der zitiert und geco­vert. Ins­ge­samt wur­den die Songs des Albums weit über 1.000 mal gesam­pelt, kaum eine Stel­le wur­de noch nicht wie­der­ver­wen­det. Ein wei­te­res Bei­spiel für die Lang­le­big­keit von "Licen­sed to Ill" und den Beas­tie Boys. Denn die­sen hul­di­gen auch die ganz gro­ßen Namen der Rap- und inter­na­tio­na­len Musik-​Szene mit ent­spre­chen­den Samples, dar­un­ter unter ande­rem Emi­nem, Lil Way­ne, Mac Mil­ler, N.W.A und Tra­vis Scott.

Es gibt kaum ein Rap-​Album der 80er Jah­re, bei dem über die Hälf­te der Songs als Sin­gles aus­ge­kop­pelt wur­den und des­sen Songs auch heu­te noch funk­tio­nie­ren. Ins­be­son­de­re die ein­gän­gi­gen Hooks in Kom­bi­na­ti­on mit den stets nach vor­ne gehen­den Beats sor­gen dafür, dass das Album auch weit über drei­ßig Jah­re nach sei­nem Release funk­tio­niert und sowohl alte Hörer:innen begeis­tert als auch neue Fans gewinnt. Auch abseits der ver­schie­de­nen Aus­zeich­nun­gen, hohen Ver­kaufs­zah­len und posi­ti­ven Reviews hat es sich so einen fes­ten Platz nicht nur in der Rap-, son­dern auch der all­ge­mei­nen Musik­ge­schich­te gesichert.

(Alec Weber)
(Titel­bild von Dani­el Fersch)