"Was?! Du kennst das nicht? Sekunde, ich such' dir das mal raus." Und schon öffnet sich die Plattenkiste. Wer kennt diesen Moment nicht? Man redet über Musik und auf einmal fällt ein Name – egal ob von einem Song, einem:einer Künstler:in oder einem Album – mit dem man nicht so recht etwas anzufangen weiß. Und plötzlich hagelt es Lobpreisungen, Hasstiraden oder Anekdoten. Gerade dann, wenn der:die Gesprächspartner:in ins Schwärmen verfällt und offen zeigt, dass ihm:ihr das Thema wichtig ist, bittet man nicht allzu selten um eine Kostprobe. Die Musik setzt ein und es beginnt, was der Person so sehr am Herzen zu liegen scheint. In diesem Fall – was uns so sehr am Herzen liegt: Ein Auszug aus der Musik, mit der wir etwas verbinden, die wir feiern, die uns berührt. Ein Griff in unsere Plattenkiste eben.
"Rekless tut Dinge." Das sind so viele, dass die Veröffentlichung eigener Musik in manchen Phasen seiner Karriere etwas in den Hintergrund gerät. Wenn dann aber neue Releases erscheinen, sind diese immer von seiner authentischen Art geprägt. So auch bei dem 2019 veröffentlichten Album "Über die Natur der Dinge", das für den Rapper eine Art Neuanfang im Rap-Geschäft darstellt.
Schon im Intro wird unverblümt dargestellt, welche Richtung eingeschlagen wird: "Wer bin ich und wer will ich sein?" Die Hörer:innen erhalten einen ganz persönlichen Einblick in die Welt von Roger Rekless. In jedem Song sind die Emotionen des Rappers spürbar, die oft das inhaltliche Zentrum bilden. Selten habe ich jemanden derart ehrlich, aber parallel auch poetisch über die eigenen mentalen Issues rappen hören. Gemeinsam mit Keno beschwört Rekless zum Beispiel sein "Mantra", keine Angst und Scham zu zeigen. In den beiden Parts des Songs wird deutlich, dass es gar nicht so leicht ist, dieses Mantra auch umzusetzen. Direkt im Anschluss folgt mit "Weder Straße noch Block" eine Kampfansage an alle Personen, die klassistisch agieren und bestimmten Personengruppen akademische Möglichkeiten verwehren wollen. Während meines Studiums entwickelte sich der Track zu einer Hymne, bei der ich mich mit nahezu jeder Zeile identifizieren kann. Ähnlich energetisch rappt Roger Rekless auch über die "Drums" im gleichnamigen Song. Die Liebeserklärung an das vermutlich wichtigste Instrument für Beats bringt mich noch immer bei jedem Hören zum Kopfnicken. Verantwortlich für die gesamte Produktion des Albums ist Maniac, der es versteht, die überwiegend nachdenklichen Lyrics in ein stimmig-warmes, aber trotzdem schepperndes Soundgewand zu hüllen.
"Es ist nur die Frage, ob man sinkt oder schwimmt." – Damit beendet Roger Rekless das Album. Mit seiner Stimme im Ohr werde ich definitiv nicht einfach versinken. Lange war für ihn unklar, inwieweit es mit Solo-Veröffentlichungen weitergeht. Umso schöner, dass seit 2019 bereits einiges an neuer Musik erschienen ist.
(Alec Weber)