"Was?! Du kennst das nicht? Sekunde, ich such' dir das mal raus." Und schon öffnet sich die Plattenkiste. Wer kennt diesen Moment nicht? Man redet über Musik und auf einmal fällt ein Name – egal ob von einem Song, einem:einer Künstler:in oder einem Album – mit dem man nicht so recht etwas anzufangen weiß. Und plötzlich hagelt es Lobpreisungen, Hasstiraden oder Anekdoten. Gerade dann, wenn der:die Gesprächspartner:in ins Schwärmen verfällt und offen zeigt, dass ihm:ihr das Thema wichtig ist, bittet man nicht allzu selten um eine Kostprobe. Die Musik setzt ein und es beginnt, was der Person so sehr am Herzen zu liegen scheint. In diesem Fall – was uns so sehr am Herzen liegt: Ein Auszug aus der Musik, mit der wir etwas verbinden, die wir feiern, die uns berührt. Ein Griff in unsere Plattenkiste eben.
Toskana, Sommer 2020: Das Bettlaken ist getränkt von Schweiß und Liebeskummer und im Ohr habe ich durchgehend den einen Song – "Heisser Schnee" von Lord Folter. Vom Bett aus kann ich durch ein kleines, altes Fenster in die hügeligen Weiten Italiens schauen, während die Gardinen im Takt des Windes zu Lord Folters für mich bedeutendstem und bestem Album "1992DAY" tanzen. "An diesem Himmel fliegen wir nur in die Luft."
Lord Folter beweist auf "Heisser Schnee" meiner Meinung nach sein größtes Talent par excellence: Das Spielen mit den kryptischen Zeilen, während er einen Bruchteil einer Emotion beschreibt. Eine Eigenschaft, die nicht viele Künstler:innen beherrschen und die ich einfach wahnsinnig gut leiden kann. Der verträumte Beat von Dienst&Schulter unterstützt das natürlich bestens – obwohl diese Kombi meistens sowieso ein Garant für gute Musik war. Während das Werk des Produzenten-Duos zwar gut hörbar, aber eher dezent ist, setzt Lord Folter ihm lyrisch brachiale Zeilen entgegen, in denen Köpfe verdreht werden, bis das Genick bricht, und Knochen brechen, wo die Liebe hinfällt. Er ermöglicht, dass man sich beim Hören seiner Musik dramatisch im Schmerz suhlen kann.
Auch wenn es komisch klingen mag: "Heisser Schnee" hat es in diesem Sommer vor ein paar Jahren geschafft, mir eine Emotion zu nehmen und mich gleichzeitig noch tiefer reinzustürzen. Es hat sich eben einen Urlaub lang angefühlt wie heißer Schnee – ein unverständliches Wechselbad der Gefühle: "Du fehlst mir so sehr, ich will dich nie wieder sehen. Mir geht es besser denn je, so schlimm wie noch nie."
(Yasmina Rossmeisl)