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Interview

Donna Savage – ein Gespräch über Kunst 

"Es gibt so vie­le Kunst­wer­ke, die die gan­ze Mensch­heit fas­zi­nie­ren, und das hat nichts mit irgend­ei­nem Bil­dungs­grad zu tun." – Don­na Sava­ge im Inter­view über den Zusam­men­hang von Kunst­ver­ständ­nis und Bil­dung, Graf­fi­ti und ihre eige­ne Kunst.

Kunst tritt in unter­schied­lichs­ten For­men in Erschei­nung – bei­spiels­wei­se durch Male­rei, Per­for­mance, Instal­la­tio­nen oder Druck. Eine Form, die für die Kunst­welt sehr prä­gend war, ist der Druck, denn dadurch konn­ten Wer­ke ver­viel­fäl­tigt wer­den. Einer der bekann­tes­ten Dru­cke ist der Mari­lyn Diptych-​Siebdruck von Andy War­hol. Das Bild gilt als das teu­ers­te Kunst­werk des 20. Jahr­hun­derts. Druck­gra­fik spielt somit bis heu­te eine bedeu­ten­de Rol­le in der Kunst­welt. Auch unse­re Inter­view­part­ne­rin Don­na Sava­ge kennt sich mit der The­ma­tik bes­tens aus. Denn neben ihrer Musik-​Karriere stu­diert sie "Gra­fik und Druck­gra­fik" an der Uni­ver­si­tät für ange­wand­te Kunst Wien. Dort eig­net sie sich neben dem klas­si­schen Sieb­druck auch ver­schie­de­ne ande­re Tech­ni­ken an und erfin­det sich immer wie­der neu. Ihr Kunst­ver­ständ­nis wur­de schon vor dem Stu­di­um durch ver­schie­de­ne Din­ge beein­flusst. Neben Graf­fi­ti, wozu sie durch ihr Umfeld einen Zugang fand, spiel­te auch der Kunst­ge­schmack ihrer Mut­ter eine gro­ße Rol­le. Um mehr über ihre Ver­bin­dung zu Kunst zu erfah­ren, baten wir die Rap­pe­rin zum Gespräch, um mit ihr über ihr Stu­di­um, Ver­bin­dun­gen zwi­schen Druck­gra­fik und Graf­fi­ti sowie ihre Per­spek­ti­ve auf die Kunst­sze­ne in Wien zu sprechen.

MZEE​.com: Kunst ist ein The­ma, mit dem du unter­schied­li­che Berüh­rungs­punk­te hast: Zum einen bist du Rap­pe­rin und zum ande­ren stu­dierst du an der Uni­ver­si­tät für ange­wand­te Kunst Wien "Gra­fik und Druck­gra­fik". Außer­dem sprühst du in dei­ner Frei­zeit. Erin­nerst du dich noch an dei­ne ers­te Berüh­rung mit der Kunst? 

Don­na Sava­ge: Mei­ne Urgroß­mutter war Male­rin und als Kind war ich oft bei ihr. Sie hat­te ein rie­si­ges Ate­lier mit tau­send Aquarell- und Acryl­far­ben und wie es damals so üblich war, hat sie sehr tra­di­tio­nell Por­träts und Land­schaf­ten gemalt. Als ich sechs oder sie­ben Jah­re alt war, habe ich mit ihr gezeich­net und unter einer Brust einen Schat­ten gemalt. Da hat sie gesagt: "Die wird Male­rin!" – Das war das letz­te Gespräch, das wir hatten.

MZEE​.com: Du hast auch schon dei­ne Kind­heit und Jugend in Wien ver­bracht – wie sehr hat dich das Auf­wach­sen im 17. und 18. Bezirk in dei­nem Inter­es­se an Kunst beeinflusst?

Don­na Sava­ge: Die Bezir­ke haben mich eher weni­ger beein­flusst, denn als wir im 17. gelebt haben, war ich noch zu klein, ich bin da mit zwölf weg­ge­zo­gen. Der 18. ist der ultra Bobo-​Bezirk (Anm. d. Red.: Neo­lo­gis­mus für Eli­te oder Ober­schicht, die beruf­li­chen Erfolg und Rebel­li­on ver­bin­den möch­te) – das hat mich eher weni­ger geprägt und ich woll­te aus­bre­chen. Ich glau­be, wenn mich etwas geprägt hat, dann der Geschmack mei­ner Mum, weil sie immer schon ein gro­ßes Inter­es­se an Kunst hat­te. Unser Zuhau­se ist eine rich­ti­ge Gale­rie – mitt­ler­wei­le fast nur mit mei­nen Bil­dern, aber frü­her, als ich klei­ner war, nicht. (grinst) Inzwi­schen stu­die­re ich an der Uni, auf der unter ande­rem Klimt und Kokosch­ka waren, und wenn man da stu­diert, kriegt man auch viel durch das Besu­chen von Aus­stel­lun­gen mit. Ich fin­de, dass in Wien super­vie­le span­nen­de Sachen pas­siert sind, wie zum Bei­spiel der Wie­ner Aktio­nis­mus. (Anm. d. Red.: Der Wie­ner Aktio­nis­mus war eine Bewe­gung von Künstler:innen, die meist pro­vo­kan­te Performance-​Kunst mach­ten.) Künstler:innen wie Gün­ter Brus oder eben Kokosch­ka waren nicht ohne Grund oft in der Stadt. Seit ich auf der Ange­wand­ten bin, sind es mehr die Muse­en als die Bezir­ke, die mich inspi­rie­ren. Davor war es, auf­grund mei­nes Umfelds, wenig tra­di­tio­nel­le Kunst und eher Graffiti.

MZEE​.com: Du sagst, dass euer Zuhau­se einer Gale­rie gleicht. Hat dei­ne Mut­ter denn auch etwas mit Kunst zu tun gehabt?

Don­na Sava­ge: Gar nicht, aber sie hat einen rich­tig gei­len Geschmack. (lacht) Mei­ne Mum hat schon immer alle mög­li­chen Din­ge gesam­melt – Stei­ne, Muscheln, Höl­zer – und dar­aus bis zu drei Meter gro­ße Mobi­les gebaut. Oben war ein Stock, dar­an waren durch­sich­ti­ge Schnü­re befes­tigt und dar­an hin­gen Koral­len und ande­re Fund­stü­cke. Das hängt bis heu­te noch von der Decke run­ter! Dane­ben war ein Graffiti-​Bild von mir, irgend­ein Mick Jagger-​Warhol-​Plakat und Sachen von befreun­de­ten Künstler:innen. Mei­ne Mum hat immer fet­te Fei­ern ver­an­stal­tet, auf denen Künstler:innen aus sämt­li­chen Gen­res zusam­men­ge­kom­men sind. Da wur­de gejamt, Saxo­fon gespielt und es waren Maler:innen anwe­send. In so einem Umfeld bin ich groß geworden.

MZEE​.com: Wie war das, als du dich an der Uni­ver­si­tät für ange­wand­te Kunst Wien bewor­ben hast? 

Don­na Sava­ge: Ein fuck­ing pain in the ass. Wären mei­ne Mum und mein gan­zes Umfeld nicht von Anfang an so unter­stüt­zend gewe­sen, hät­te ich sicher auf­ge­ge­ben. Bei mir in der Abtei­lung zum Bei­spiel bewer­ben sich im Jahr 200 Leu­te, aber am Ende schaf­fen es nur zwi­schen vier und sechs. Es ist rich­tig hart, da rein­zu­kom­men. Es hängt von deren Mood und Geschmack ab, aber auch wie gut dein Cha­rak­ter in die Klas­se passt. Tat­säch­lich habe ich drei Anläu­fe gebraucht und es die ers­ten zwei Jah­re nicht in die zwei­te Run­de der Auf­nah­me­prü­fung geschafft. Ich war schon so weit, dass ich etwas ande­res machen woll­te. Mei­ne Mum hat mir erklärt, dass die Auf­nah­me ein­fach schwie­rig sei. Damit wir Fami­li­en­bei­hil­fe krie­gen, habe ich Sachen stu­diert, die mich nicht gejuckt haben. Ich hat­te immer kack Noten, aber seit­dem ich ange­nom­men wur­de, habe ich 1,0 im Durch­schnitt. (lacht) Mich bockt das und ich find' es nicht anstren­gend, dafür zu lernen.

MZEE​.com: Wie hoch ist der Druck im Stu­di­um, wenn es schon so schwie­rig ist, dafür ange­nom­men zu werden?

Don­na Sava­ge: Für mich ist da kein Druck. Es hat bei mir direkt geflowt, weil ich so glück­lich war, dass ich da bin. Zuerst habe ich zwei Jah­re lang Fran­zö­sisch stu­diert, weil ich das flie­ßend spre­che – das hat mir rich­tig den Spaß an der Spra­che genom­men. Danach habe ich ein Jahr Kunst­ge­schich­te auf der Uni­ver­si­tät Wien stu­diert und das war wirk­lich grau­en­haft. Ich woll­te mich damit vor­be­rei­ten, falls ich es auf die Ange­wand­te schaf­fe, aber es ging nur um Zah­len und Fak­ten. Auf der Ange­wand­ten hat­ten wir noch mal Kunst­ge­schich­te und die dozie­ren­de Per­son hat das so viel bes­ser rüber­ge­bracht. Man hat rich­tig gemerkt, dass sie dafür lebt und es sau­geil fin­det. Ich muss­te nichts mit­schrei­ben und wuss­te trotz­dem alles. Auch jetzt, vier Jah­re spä­ter, kann ich noch sagen, wor­über sie gere­det hat. Ich nut­ze alle Mög­lich­kei­ten, die es auf der Ange­wand­ten gibt. Zum Bei­spiel das Arbei­ten mit Metall: Ich habe mir eine eige­ne Tasche und einen Bil­der­rah­men geschweißt. Außer­dem habe ich mit Kera­mik gear­bei­tet. Es gibt so vie­le coo­le Mög­lich­kei­ten, die nach der Uni sau­teu­er und nicht so ein­fach zu krie­gen sind.

MZEE​.com: Und war­um hat dich Druck­gra­fik so gecatcht? War­um woll­test du das unbe­dingt vertiefen?

Don­na Sava­ge: Eigent­lich sind wir die Zei­chen­klas­se. Ich war damals nicht so affin mit der Male­rei und eher am Skiz­zie­ren, viel mit Blei­stift und Koh­le. Mitt­ler­wei­le macht es mir aller­dings sehr viel Spaß und der Sieb­druck ist mein zwei­tes Zuhau­se. (lacht) Es wird einem dort wirk­lich jede Frei­heit gelas­sen und das fin­de ich mega. Wür­de ich mor­gen sagen, dass ich Kon­zept­kunst oder Per­for­mance mache, hät­ten sie kein Pro­blem damit. Die Pro­fes­sur inne­ha­ben­de Per­son schreibt uns nicht vor, wie wir uns zu ent­wi­ckeln haben.

MZEE​.com: Wie­so hast du dich für eine ana­lo­ge Kunst­form ent­schie­den und nicht für eine digitale?

Don­na Sava­ge: Das war ehr­lich gesagt Absicht. Ich bin der ärgs­te Nicht-​Computer-​Mensch, den es gibt. (lacht) Mei­ne Freund:innen ver­ar­schen mich oft, weil ich nicht Com­pu­ter, son­dern Rech­ner sage. Ich bin ganz schlecht mit so was. Und wir leben viel­leicht in einer digi­ta­li­sier­ten Zeit und kön­nen mit künst­li­cher Intel­li­genz alles Mög­li­che machen. Aber eine KI oder irgend­ein Robo­ter kann nie das, was du mit dei­nen Hän­den kannst. Natür­lich gibt es die Mög­lich­keit, mit einem Tablet gra­fisch zu arbei­ten, aber es ist etwas ande­res, wenn du einen Stift in der Hand hältst, der auch mal abbricht – man kann sich nicht so schnell kor­ri­gie­ren. Das ist dein Schweiß und Blut, das ist alles einen Tick per­sön­li­cher. Es sind Feh­ler erlaubt und dadurch ent­ste­hen oft unab­sicht­lich rich­tig gei­le Sachen. Beim digi­ta­len Zeich­nen hin­ge­gen, was ich zum Bei­spiel für mein Merch mache, kann es immer noch per­fek­ter wer­den. Aber wenn du dei­ne Feh­ler nicht rück­gän­gig machen kannst, kommst du in ganz ande­re Sphä­ren. Ich fin­de, es fühlt sich auch anders an, einen ana­lo­gen Druck oder eine ech­te Zeich­nung in der Hand zu haben als ein aus­ge­druck­tes Pla­kat. Man merkt, dass ana­lo­ge Kunst­for­men wie die ana­lo­ge Foto­gra­fie wie­der einen Auf­schwung bekom­men haben in den letz­ten Jah­ren. Die­se alten Sachen wer­den wie­der mehr geschätzt. Und das ist fast über­all so, denn in der Musik kom­men wir auch wei­ter weg von Auto­tu­ne und wie­der zurück zur unbe­ar­bei­te­ten Stim­me. Es wird redu­zier­ter, weil wir in unse­ren Köp­fen über­las­tet und reiz­über­flu­tet sind, und dadurch hit­ten die simp­len Din­ge mehr.

MZEE​.com: Hat Kunst­ver­ständ­nis dei­ner Mei­nung nach auch etwas mit Erzie­hung oder Bil­dung zu tun? 

Don­na Sava­ge: Tat­säch­lich nicht, nein. Kunst ist ein Gefühl oder irgend­et­was, das dich catcht – an einem Bild, an einer Skulp­tur, an Musik, an was auch immer. Und ich glaub', dafür braucht man gar nichts. Ich wür­de sagen, dass das aus dem Bauch her­aus kommt und da nicht der Ver­stand spricht. Gut, bei man­chem viel­leicht schon, wenn es bei­spiels­wei­se um Tech­nik geht, aber in Wahr­heit ist es egal. Es gibt so vie­le Kunst­wer­ke, die die gan­ze Mensch­heit fas­zi­nie­ren, und das hat nichts mit irgend­ei­nem Bil­dungs­grad zu tun.

MZEE​.com: Obwohl es sowohl in der Musik als auch im Film oder in der Kunst Berei­che gibt, die teil­wei­se immer noch bestimm­ten Klas­sen vor­be­hal­ten sind, gibt es Sub­kul­tu­ren, in denen der Back­ground gar kei­ne Rol­le spielt. In der Graf­fi­ti­sze­ne bei­spiels­wei­se fragt nie­mand nach dei­nem Abschluss oder ob dei­ne Eltern schon gesprüht haben. 

Don­na Sava­ge: Abso­lut, das macht kei­ner. Je nach Spar­te und wie eli­tär die­se geprägt ist oder wel­che Wur­zeln sie hat, wer­den die­se Fra­gen gestellt. Aber das wird mitt­ler­wei­le weni­ger und es ist doch auch scheiß­egal, wenn das Werk gut ist.

MZEE​.com: Trotz­dem ist nicht unwe­sent­lich, wel­chen Zugang man zu Kunst, Kunst­wer­ken und Kunst­schaf­fen­den hat. Zum Bei­spiel hat nicht jede:r die Mög­lich­keit, die bekann­tes­ten Muse­en der Stadt zu besu­chen, wenn ihr:ihm gera­de danach ist.

Don­na Sava­ge: Ich muss sagen, da ist Wien echt geil auf­ge­stellt. Es gibt zum Bei­spiel ein­mal im Jahr die "Lan­ge Nacht der Muse­en", bei der in der gan­zen Stadt die Aus­stel­lun­gen von allen öffent­li­chen Muse­en – bis auf die Alber­ti­na – gra­tis sind.

MZEE​.com: Die Alber­ti­na ist ein biss­chen eigen, oder?

Don­na Sava­ge: Wirk­lich. Es gibt jetzt noch die Alber­ti­na Modern, in der ich bei der Ai Weiwei-​Ausstellung war und ich fand es rich­tig geil, aber ich kann und will mir das nicht leis­ten. Ich werd' nicht 20 Euro zah­len, vor allem nicht als stu­die­ren­de Per­son. Dann machen die einen klei­nen Rabatt von zwei Euro. Dan­ke für gar nichts! Ich bin da sonst eh sehr pri­vi­le­ged, weil wir einen Aus­weis von der Uni krie­gen, für den wir ein­mal in vier Jah­ren zehn Euro zah­len müs­sen und dann kön­nen wir in alle Muse­en umsonst rein, weil wir das für unse­re Aus­bil­dung brauchen.

MZEE​.com: Wir haben ja eben schon kurz über dei­ne ande­re Lei­den­schaft, Graf­fi­ti, gespro­chen. Wel­che Ver­bin­dun­gen und Über­schnei­dun­gen gibt es für dich zwi­schen Graf­fi­ti und der Grafik?

Don­na Sava­ge: Eigent­lich total vie­le. Wie Buch­sta­ben auf­ge­baut sind, was für eine Wir­kung Schrift­ar­ten und Far­ben haben – das hat ja alles eine eige­ne Kon­no­ta­ti­on, die man ken­nen muss. Als Grafiker:in weiß man ganz genau, wel­che Far­ben wie wir­ken. Zum Bei­spiel wird Rot für Gefahr oder als Signal­far­be ein­ge­setzt. Die Farb­leh­re zu ken­nen, spielt einem schon sehr in die Kar­ten, wür­de ich sagen. Ich unter­schei­de aller­dings sehr strikt zwi­schen Street Art und Graf­fi­ti. Ich fin­de, Street Art hat schon sehr viel mit Gra­fik zu tun und der Fra­ge, was für die Leu­te gera­de plea­sing und aes­the­tic ist. Graf­fi­ti hat das viel­leicht eher weni­ger. (lacht) In Bezug auf Let­te­ring hat es auf jeden Fall mit­ein­an­der zu tun, aber ich glau­be, Street Art und Gra­fik sind wahr­schein­lich noch mehr mit­ein­an­der ver­wandt. Man fragt ja für Wer­be­flä­chen auch immer mehr Street Art-Künstler:innen an, die dann Murals an Haus­wän­de malen.

MZEE​.com: Wir haben im Vor­feld zu die­sem Inter­view natür­lich ent­spre­chend recherchiert … 

Don­na Sava­ge: (unter­bricht) Ich hab's schon gemerkt. (lacht)

MZEE​.com: Dabei sind wir auch auf dein Kunst­pro­fil bei Insta­gram gesto­ßen und haben uns durch dei­ne Wer­ke gescrollt. Ein paar dei­ner Kunst­wer­ke schie­nen uns sehr von Jean-​Michel Bas­qui­at geprägt zu sein. Haben wir mit die­ser Ver­mu­tung recht?

Don­na Sava­ge: Ey, das war Absicht! Pure fuck­ing Absicht! Ich war in einer Basquiat-​Ausstellung und ich lie­be den über alles. Am Ende woll­te ich mir ein Pla­kat kau­fen, aber es war zu teu­er, und dann dach­te ich mir, dass ich mir ein­fach mei­nen eige­nen Bas­qui­at mache. (lacht) Das Unnö­tigs­te, was man machen kann, ist, in eine Aus­stel­lung zu gehen und zu sagen, man kann das auch. Ja, aber bin ich dar­auf gekom­men? Nein. Ich habe das gemacht, weil ich mir das Pla­kat nicht leis­ten konn­te und es mich sehr inspi­riert hat, aber ich wür­de das natür­lich nicht ver­kau­fen. Eins hängt bei mei­ner Mum, eins bei mir und eins bei mei­ner bes­ten Freun­din. Die ursprüng­li­che Idee war, eine Nach­ah­mung von dem Bild mit der Kro­ne zu machen – das ist eines sei­ner bekann­tes­ten Bil­der. Nach­dem ich mir das Bild kurz ange­se­hen habe, war ich voll in mei­nem Ele­ment, habe eine Viel­zahl von Mate­ria­li­en ver­wen­det und hat­te Bock, noch mehr in die­se Rich­tung zu gehen. Mitt­ler­wei­le gibt es zehn Bil­der und es ging immer wei­ter weg von Bas­qui­at, aber ich bin auf dem Pro­fil nicht so aktiv. Ich kom­me nicht hin­ter­her. Mei­ne alten Sachen sind dem aber nicht so unähn­lich. Col­la­gen, Text­sa­chen und Schrift ein­bau­en, hier ein Tag … wirk­lich chao­tisch. Aber ja, die ers­ten zwei, drei waren auf jeden Fall in Anleh­nung an ihn.

MZEE​.com: Wür­dest du sagen, dass Bas­qui­at eine Vor­bild­rol­le für dich ein­ge­nom­men hat? Oder hast du ande­re Vor­bil­der in der Kunst?

Don­na Sava­ge: Gar nicht. Es gibt ein paar Leu­te, die find' ich für immer geil. Da weiß ich, dass es nicht mein Stil ist und ich mir nichts davon holen kann. Ich den­ke mir aber immer wie­der, dass ich ein Ele­ment voll füh­le und pro­bie­re dann aus, es bei mir ein­zu­bau­en. Wenn ich das auf eine eige­ne Art mache, ist es ja eh wie­der meins. Ich fin­de, wenn man nicht direkt kopiert, ist es voll­kom­men legi­tim, weil man sich ja immer gegen­sei­tig ansteckt. Mei­ne Pas­si­on zu Künstler:innen, die ich fei­er', ändert sich aber echt alle zwei bis drei Wochen. Das ist der ein­zi­ge Grund, war­um ich kei­ne Tat­toos habe.

MZEE​.com: Beschäf­tigst du dich aktiv damit, dei­ne eige­ne Hand­schrift zu finden?

Don­na Sava­ge: Ich weiß, dass mei­ne Zeit auf der Ange­wand­ten begrenzt ist, und des­halb möch­te ich erst alle Mög­lich­kei­ten nut­zen. Gera­de weil es so vie­le ver­schie­de­ne Tech­ni­ken gibt, erfin­de ich mich sehr oft neu. Ich habe nicht genug Zeit, um schon fest­zu­le­gen, womit ich mich am wohls­ten füh­le, was mir am bes­ten steht und was ich am meis­ten bin. Des­we­gen pro­bie­re ich gefühlt alles aus. Es gibt ein paar Key-​Elemente, die immer dabei sind, die mit Don­na ver­ein­bar sind, aber auch für Ali­ce Sinn erge­ben. Ich arbei­te bei­spiels­wei­se viel mit Lay­ern und es gibt kein unper­sön­li­ches Bild von mir. (grinst) Bei einem mei­ner auf­wen­digs­ten Dru­cke, der gar nicht auf­wen­dig aus­sieht, sind 22 Far­ben ein­zeln gesieb­druckt und kei­ne ein­zi­ge über­deckt sich. Das ist vor zwei Jah­ren ent­stan­den. Im Hin­ter­grund ist ein Pos­ter von "Emil und die Detek­ti­ve" und eins von Lil' Kim. Auf dem Basquiat-​Fake steht das Zitat "Bevor wir fal­len, fal­len wir lie­ber auf" von Fan­ta 4. Ich baue Refe­ren­zen von Din­gen ein, die mich beein­flusst haben. Momen­tan ist das mein Ding, das sich durch­zieht, aber ich bin auf jeden Fall noch am Fin­den, weil ich das Gefühl habe, ich kann alles, ich muss es nur machen. Aber ich soll­te auch schau­en, womit ich mich wohl­füh­le, und dann dabei blei­ben. Mir wird aller­dings schnell lang­wei­lig, wenn ich eine Sache durch­zie­he. In der Uni wur­de mir schon oft gesagt, dass das zwar alles geil ist, aber ich mich mal mit mir selbst eini­gen soll.

MZEE​.com: Aber das möch­test du nicht.

Don­na Sava­ge: Ich möch­te nicht, genau. Ich den­ke mir halt, dass ich nach der Uni noch so viel Zeit habe, das zu machen. Wenn ich jetzt fünf Jah­re lang immer nur das­sel­be gemacht habe, habe ich danach kei­ne Ahnung, was noch mög­lich ist. Zumin­dest habe ich mich mal mit mir selbst dar­auf geei­nigt, dass Litho­gra­phie und Radie­run­gen nichts für mich sind. Das ist mir zu anstren­gend dafür, dass mir das Ergeb­nis nicht so krass gut gefällt. Mein Ding ist eher der Sieb­druck und da pro­bie­re ich gera­de aus, was geht.

MZEE​.com: Ganz sim­pel gefragt: Muss Kunst in dei­nen Augen stets eine Mes­sa­ge haben? 

Don­na Sava­ge: Abso­lut nicht. Ein ganz kla­res Nein.

MZEE​.com: Die Dis­kus­si­on, Kunst und Künstler:in zu tren­nen, ist in den letz­ten Jah­ren in sämtlichen Berei­chen der Kunst- und Kul­tur­bran­che immer wie­der auf­ge­kom­men: egal, ob durch öffentliche Aus­sa­gen, Insze­nie­run­gen, pro­ble­ma­ti­sche Text­zei­len oder Ver­hal­ten von Protagonist:innen. Wie siehst du das als Künstlerin? Muss man Werk und Artist tren­nen? Kann man das überhaupt?

Don­na Sava­ge: Fast alle Künstler:innen, die ich ken­ne, sind schon sie selbst, nur in einer über­trie­be­ne­ren Ver­si­on oder ein Teil ist stär­ker aus­ge­prägt. Aber das bist ja trotz­dem du. Es ist dei­ne Fres­se, die da steht und etwas sagt. Dem­entspre­chend fin­de ich, dass man das nur schwie­rig tren­nen kann. Natür­lich gibt es auch Leu­te dar­un­ter, die ihre Rol­le ein biss­chen mehr über­trei­ben, wie zum Bei­spiel ein Money Boy. Bei ihm hat man das krass gese­hen: Der war mein Nach­bar, wir haben frü­her gemein­sam Bas­ket­ball gespielt und da hat er mir noch von sei­nem Pro­jekt "Money Boy" für die Uni erzählt. Auf ein­mal kam "Dreh den Swag auf" von dem Typ aus dem Park, wir haben noch gelacht und es ist durch die Decke gegan­gen. Und irgend­wann ist er zu die­ser Per­son gewor­den. Wenn wir davon aus­ge­hen, dass die eige­nen Gedan­ken Macht haben, kannst du nicht jeden Tag Din­ge sagen und tun, aber am Ende trotz­dem wei­ter­hin das Gegen­teil leben. Irgend­wie musst du ja drinstecken.

MZEE​.com: Und siehst du das als Fan genauso?

Don­na Sava­ge: Um ehr­lich zu sein, habe auch ich ein paar Heart­breaks hin­ter mir. "Run It" von Chris Brown ist bis heu­te ein Ban­ger. Manch­mal höre ich den mit mei­ner bes­ten Freun­din, wir sagen, dass wir wei­ter­schal­ten soll­ten, und füh­len uns guil­ty. Gene­rell fin­de ich, es kommt immer auf die Tat an. Aber es gibt bestimm­te Leu­te, die höre ich grund­sätz­lich nicht mehr, weil ich ihnen nicht mal einen hal­ben Cent schen­ken will. Egal, wie sehr ich die vor­her gefühlt habe. Da muss man sich fra­gen, ob es mit den eige­nen Wer­ten ver­ein­bar ist, ob man das anhö­ren und sich gut füh­len kann, wenn man weiß, dass etwas pas­siert ist. Wenn ja: Do it. Wenn nein: Don't. Ganz ein­fach. Du kannst das nicht tren­nen, es ist die glei­che Per­son, die die­sen super Song gemacht hat. Wir kön­nen immer nur nach dem urtei­len, was wir wis­sen, und wenn wir etwas von bestimm­ten Leu­ten wis­sen, dann hört man die halt nicht mehr. Ich habe frü­her krass viel 187 gehört – das mach' ich aus Prin­zip nicht mehr. Ich kann eine Stim­me nicht genie­ßen, wenn ich weiß: Sie gehört zu einem Men­schen, der ande­ren Per­so­nen Schlim­mes gesagt oder getan hat.

MZEE​.com: Zum Abschluss unse­res Inter­views würden wir ger­ne von dir wis­sen, wel­ches Kunst­werk dich nach­hal­tig beein­druckt hat und warum.

Don­na Sava­ge: (über­legt) "Demon Days" von den Goril­laz. Das ist von A bis Z der Wahn­sinn und war mei­ne aller­ers­te CD mit sechs Jah­ren. Ich wer­de jetzt 27 und bin genau­so beein­druckt wie damals. Jedes Instru­ment, jede Stim­me von Damon Albarn, alle Leu­te, die er ein­ge­la­den hat, Teil davon zu sein, machen es ein­fach zu einem fuck­ing Masterpiece.

(Lai­la Dre­wes & Malin Teegen)
(Fotos von Paul Ditt­mann & Don­na Savage)