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Kommentar

Deutscher Rap braucht eine neue Blockparty-Kultur!

Die Block­par­ty aus New York. Han­delt es sich ledig­lich um eine Legen­de aus den 90ern oder ver­birgt sich mehr hin­ter der Blockparty-​Kultur? Was kön­nen sich etwa­ige deut­sche Able­ger davon abschauen?

An die­ser Stel­le möch­ten wir Gedan­ken zu aktu­el­len Gescheh­nis­sen aus dem Deutschrap-​Kosmos zum Aus­druck brin­gen. Die jeweils dar­ge­stell­te Mei­nung ist die des:der Autor:in und ent­spricht nicht zwangs­läu­fig der der gesam­ten Redak­ti­on – den­noch möch­ten wir auch Ein­zel­stim­men Raum geben.

Im Fol­gen­den setzt sich unse­re Redak­teu­rin Sade mit der Block­par­ty der 90er aus­ein­an­der und stellt die Fra­ge nach ihrem Platz im deut­schen Rap.

 

Viel­leicht nicht die ers­te, aber wohl die wich­tigs­te Block­par­ty unse­rer Zeit fand im Jahr 1973 in New York statt. Kool DJ Herc leg­te am Geburts­tag sei­ner Schwes­ter das ers­te Mal auf. Dabei ver­wen­de­te er zwei iden­ti­sche Plat­ten­spie­ler, um aus den Samples einen Loop zu kre­ieren – und schaff­te so im wahrs­ten Sin­ne des Wor­tes Platz für die Stim­men der MCs. Die Block­par­ty bie­tet seit­dem den Raum, der die HipHop-​Kultur ein­zig­ar­tig macht. Sie ist sozu­sa­gen eine Ergän­zung zu den vier Grund­ele­men­ten des Hip­Hops: MCing, DJing, Break­dance und Graf­fi­ti. Der Raum, der gebraucht wur­de, um sich aus­zu­tau­schen, bevor es Sound­Cloud, Spo­ti­fy und Co. gab. Neben guter Stim­mung, einer Men­ge Leu­te und Rap macht die Block­par­ty vor allem auch ein üppi­ges und damit lau­tes Sound­sys­tem aus. Die gan­ze Stra­ße – bes­ser noch: der gan­ze Block – bebt die gan­ze Nacht lang.

Knapp zehn Jah­re spä­ter waren auch in Deutsch­land ers­te Par­tys zu fin­den, die sich am ame­ri­ka­ni­schen Vor­bild ori­en­tier­ten. Frank­furt und Hei­del­berg erhiel­ten ers­te Ein­bli­cke in die Sze­ne, nach­dem die GIs des ame­ri­ka­ni­schen Mili­tärs den Vibe mit­ge­bracht hat­ten. Die Hei­del­ber­ger Jams, orga­ni­siert von eben­je­nen GIs, waren neben "We wear the crown" aus Frank­furt fort­an die ers­te rea­le Mög­lich­keit, die Sze­ne haut­nah ken­nen­zu­ler­nen. ''We wear the crown'', ''Rock the most'' aus Ber­lin oder ''Swift und Storm'' aus Ham­burg waren, wie Mar­tin Stie­ber in einem Inter­view mit 0711 im März 2016 erklär­te, die ers­ten ''Keim­zel­len'' in Deutsch­land, die die damals noch sehr klei­ne Com­mu­ni­ty unter­ein­an­der ver­netz­ten. Heut­zu­ta­ge ist deut­scher Rap nicht mehr aus dem Main­stream weg­zu­den­ken – um die Block­par­ty ist es jedoch still geworden.

Break­dance, Graf­fi­ti, Rapper:innen und DJs gibt es zwei­fel­los immer noch, aller­dings nicht regel­mä­ßig an einem Fleck, in einem Block, in einem Club. Viel­leicht mag mir das auch nur so vor­kom­men, da ich im Jahr 2000 gebo­ren und zu jung bin, um den dama­li­gen Zeit­geist der HipHop-​Kultur mit­er­lebt zu haben. "You had to be the­re", wie man so schön sagt. Die Block­par­tys in New York und die Jam-​Sessions in Deutsch­land waren vor mei­ner Zeit und sind für mich eher eine Art Legen­de. Wenn ich an eine Block­par­ty den­ke, dann an den Song von Symba.

Heu­te bie­tet uns Social Media eine weit­aus grö­ße­re Aus­wahl an ver­meint­li­chen HipHop-​Partys, als das dama­li­ge Jam-​Session-​Angebot in Deutsch­land lie­fern konn­te. Da deut­scher Rap im Main­stream ange­kom­men ist, befin­den sich in vie­len Clubs stan­dard­mä­ßig HipHop-​Floors oder es wird ein Abend am Wochen­en­de dem Gen­re gewid­met. Was man dort vor­fin­det, ist sel­ten das, was man sich unter Hip­Hop vor­stellt. Schlä­ge­rei­en, sexu­el­le Über­grif­fe und das Gefühl, als FLINTA* wie ein saf­ti­ges Stück Steak wahr­ge­nom­men zu wer­den, sind lei­der die der­zei­ti­gen Erken­nungs­merk­ma­le einer Mainstream-​HipHop-​Party. Sich zwi­schen eige­ner Sicher­heit und einem coo­len Out­fit ent­schei­den zu müs­sen, ist nor­mal. Sich wohl­zu­füh­len als que­e­re Per­son in die­sem Bereich, grenzt schon fast an eine Uto­pie. So fin­det man zwar queer-​feministische Ver­an­stal­tungs­rei­hen – wie zum Bei­spiel hoe_​_​mies und Goo­dies – aller­dings sind sol­che Par­tys der ein­zi­ge Safe Space in der HipHop-​Szene. Schaut man auf die Rave-​Kultur, so fällt auf, dass gegen­sei­ti­ger Respekt und Tole­ranz schein­bar sehr gut als Kata­ly­sa­tor für eine gemein­sa­me Kul­tur funk­tio­nie­ren. Deut­scher Rap und des­sen Party-​Kultur könn­ten sich davon ruhig eine Schei­be abschneiden.

Im April die­ses Jah­res twit­ter­te Clint Ogben­na, Desi­gner des Street­wear Labels Cor­teiz, fol­gen­de Fra­ge an sei­ne Com­mu­ni­ty: "What's the best city in Ger­ma­ny?" Noch am sel­ben Tag ergänz­te er die Fra­ge und schrieb: "they screa­ming colo­gne". Auch wenn Corteiz-​Chef Clint kei­ne Par­tys schmeißt, son­dern legen­dä­re Streetwear-​Pop-​ups ver­an­stal­tet, ver­rät der Tweet eine Men­ge über unse­re Com­mu­ni­ty in Deutsch­land. Offen­bar ist Köln der Place to be und nicht etwa Ber­lin, Stutt­gart oder Frank­furt. War­um Köln? Ange­sag­te Köl­ner Street­wear Labels wie Sys­te­mic, Ene­my Earth und Ver­band Bota­ni­scher Gär­ten sowie die akti­ve und star­ke Com­mu­ni­ty dahin­ter kre­ieren einen Vibe, den man mei­ner Mei­nung nach für eine Blockparty-​Kultur gut gebrau­chen könn­te. Was kön­nen sich also ande­re Städ­te von Köln und sei­nem Lebens­ge­fühl abschauen?

Den Fokus auf die Com­mu­ni­ty. Die­ser steht in Köln näm­lich an obers­ter Stel­le. Die Stadt ist an sich, wie wohl jede:r weiß, nicht son­der­lich schön. Es sind die Men­schen, die dort leben, die den Vibe die­ser Stadt aus­ma­chen. Deut­scher Rap braucht eine neue Blockparty-​Kultur. Eine Kul­tur, die für Par­tys sorgt, bei denen man sich wohl­füh­len kann – egal, wer oder wie man ist. Eine Kul­tur, die dafür sorgt, dass der Raum zum Bestehen die­ser Kunst­form gesi­chert ist.

Laut Kool DJ Herc macht Hip­Hop genau das aus: das rich­ti­ge Gespür dafür zu haben, wann und wo bezie­hungs­wei­se für wen man die bes­te Par­ty schmei­ßen kann und an wel­chem Block die pas­sen­de Crowd zu fin­den ist. Das zeigt: Damals wie heu­te sind die Grund­pfei­ler für eine gute Par­ty gleich geblie­ben. Ein gutes Sound­sys­tem, eine Com­mu­ni­ty, die ein­an­der respek­tiert, gute Stim­mung und ein:e DJ bezie­hungs­wei­se MC. Die Block­par­ty als offe­ner und siche­rer Ort für alle teil­neh­men­den Per­so­nen gab es damals so natür­lich auch nicht. Pro­ble­me wie Sexis­mus und Co. sind jeden­falls kei­ne Erfin­dung der Neu­zeit, son­dern seit jeher Teil der HipHop-​Kultur in Über­see wie auch hier in Deutsch­land. Ich wün­sche mir daher eine neue Blockparty-​Kultur, die sich in die­sem Punkt weiterentwickelt.

Um eine sol­che Uto­pie in Deutsch­land wahr wer­den zu las­sen, braucht es eigent­lich nicht so viel. Deut­scher Rap muss sich ein­fach nur wie­der­fin­den – in einer Kul­tur vol­ler Blockpartys.

(Sade Kain­gu)
(Gra­fik von Dani­el Fersch)