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MUSA – Splitter

Egal, ob Album, Gratis-​Mixtape oder Lieb­lings­song – in unse­rer "Plat­ten­kis­te" stel­len wir Euch regel­mä­ßig die Per­len unse­rer redak­ti­ons­in­ter­nen Samm­lun­gen vor. Die­ses Mal: MUSA mit "Split­ter".

Was?! Du kennst das nicht? Sekun­de, ich such' dir das mal raus." Und schon öff­net sich die Plat­ten­kis­te. Wer kennt die­sen Moment nicht? Man redet über Musik und auf ein­mal fällt ein Name – egal ob von einem Song, einem:einer Künstler:in oder einem Album – mit dem man nicht so recht etwas anzu­fan­gen weiß. Und plötz­lich hagelt es Lob­prei­sun­gen, Hass­ti­ra­den oder Anek­do­ten. Gera­de dann, wenn der:die Gesprächspartner:in ins Schwär­men ver­fällt und offen zeigt, dass ihm:ihr das The­ma wich­tig ist, bit­tet man nicht all­zu sel­ten um eine Kost­pro­be. Die Musik setzt ein und es beginnt, was der Per­son so sehr am Her­zen zu lie­gen scheint. In die­sem Fall – was uns so sehr am Her­zen liegt: Ein Aus­zug aus der Musik, mit der wir etwas ver­bin­den, die wir fei­ern, die uns berührt. Ein Griff in unse­re Plat­ten­kis­te eben.

 

2018 erleb­te ich MUSA das ers­te Mal auf einer Büh­ne – gemein­sam mit BSMG, bestehend aus ihm, Gha­nai­an Stal­li­on und Mega­loh. MUSA über­zeug­te mich mit sei­nem Auf­tritt kom­plett, bei der anschlie­ßen­den Suche nach Solo-​Veröffentlichungen von ihm fand ich jedoch lei­der nahe­zu nichts. Glück­li­cher­wei­se kün­dig­te er kurz dar­auf sein Debüt­al­bum "Ber­li­ner Negri­tu­de" an. "Split­ter", eine der zuge­hö­ri­gen Sin­gles, blieb mir dabei beson­ders im Ohr.

BSMG-​Kollege Gha­nai­an Stal­li­on pro­du­zier­te dafür einen har­mo­ni­schen Beat. Nach rund zehn Sekun­den, wenn die Per­cus­sions ein­set­zen, gibt der Loop den Rhyth­mus für den per­fek­ten Som­mer­abend vor. Zeit­gleich steigt auch MUSA mit dem ers­ten Part ein und zwingt mich damit zum Zuhö­ren und Mit­den­ken. Schon die ers­ten Zei­len ver­set­zen mich in eine nach­denk­li­che Stim­mung: "Nein, nein, weil wir fal­len in Liby­en. Nein, zeit­gleich fal­len sie ein in Syri­en." Der Ber­li­ner zieht mich mit sei­nen Lyrics in einen Bann, der die Grund­stim­mung des Afrobeat-​Instrumentals kom­plett kon­ter­ka­riert. Denn der Rap­per spricht zahl­rei­che gesell­schaft­li­che Miss­stän­de und Ver­bre­chen an und webt die­se knall­hart in die zwei fes­seln­den Parts über Flucht­ge­schich­ten ein. "Nein, sie ver­ste­hen nicht, wie wir leben hier. Nein, nein, weil sie leben mit Pri­vi­le­gi­en." Das Beson­de­re dabei ist, dass MUSA sei­ne Kri­tik, ins­be­son­de­re an den west­li­chen Pri­vi­le­gi­en und Kolonial-​Verbrechen gegen­über dem afri­ka­ni­schen Kon­ti­nent, enorm emo­tio­nal und melo­disch vor­trägt. Der schein­ba­re Clash zwi­schen Beat und Lyrics fin­det sein Fina­le in der herz­zer­rei­ßen­den Hook. Man spürt förm­lich die unbän­di­ge Ener­gie und den Schmerz von MUSA: "Die­se Split­ter haben ihren Hass täto­wiert hier. All dein Leid ist mein Leid."

Mitt­ler­wei­le releast der Rap­per zum Glück wie am Fließ­band, doch es zieht mich immer wie­der zu "Split­ter" zurück. Der Song erin­nert mich stets dar­an, dass Unge­rech­tig­kei­ten nicht gedul­det wer­den dür­fen. Sei­ne Kri­tik und sein Schmerz sind so viel mehr als berech­tigt und wich­tig, dass es mir schwer fällt, dafür abschlie­ßen­de Wor­te zu fin­den. Daher las­se ich MUSA lie­ber selbst spre­chen: "Krieg den Paläs­ten! Nein, wir haben nie ver­ges­sen."

(Alec Weber)