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Interview

Grafi – ein Gespräch über Gesundheit

"Ich lag mor­gens auf dem Boden in mei­ner Woh­nung, hab' mein Leben im Zeit­raf­fer an mir vor­bei­zie­hen sehen und dach­te, dass es das jetzt war. Aber ohne dabei trau­rig zu sein, das war ganz selt­sam." ‒ Gra­fi im Inter­view über sei­ne wie­der­holt erlit­te­nen Schlag­an­fäl­le und die psy­chi­schen Fol­gen davon.

Grund­sätz­lich ver­traut man sei­nem Kör­per. Frü­her oder spä­ter kommt aber der Punkt, an dem man sich dann doch sei­ner eige­nen Schwä­chen und Unzu­läng­lich­kei­ten bewusst wird. Wir sind nicht unzer­stör­bar oder unsterb­lich. Der Hals kann gereizt sein, der Kopf kann schmer­zen, der gan­ze Kör­per kann schwach sein – man kann sogar ein sehr schlech­tes Jahr mit vie­len Tiefs haben und den­noch davon aus­ge­hen, dass alles wie­der weg­geht. Doch was, wenn Sym­pto­me blei­ben? Was, wenn man sich damit abfin­den muss, dass man krank ist? Wenn Ärzt:innen einen nicht ein­fach wie­der hei­len kön­nen? So erwach­sen wir oft sind, so naiv sind wir manch­mal, wenn es um unse­re Gesund­heit geht. Auch der Künst­ler Gra­fi muss­te schmerz­lich ler­nen, was es bedeu­tet, wenn der Kör­per nicht mehr so mit­macht, wie man das ger­ne hät­te. Und vor allem, wie das wie­der­um die Psy­che beein­flus­sen kann. Er teil­te sei­ne Erfah­run­gen mit uns im Inter­view und erklär­te dabei, wie sich eine Panik­at­ta­cke anfühlt und was er von Fern- und Selbst­dia­gno­sen bei psy­chi­schen Erkran­kun­gen durch das Inter­net hält. Wir spra­chen außer­dem dar­über, was es in ihm aus­lös­te, nicht zu wis­sen, wes­halb er in den ver­gan­ge­nen Jah­ren meh­re­re Schlag­an­fäl­le erlei­den musste.

Trig­ger­war­nung: In die­sem Inter­view wird der Tod aus­führ­lich the­ma­ti­siert und eine Nah­tod­erfah­rung geschil­dert. All­ge­mein wird viel über Krank­hei­ten phy­si­scher und psy­chi­scher Natur gere­det. Falls Euch das trig­gert, soll­tet Ihr hier viel­leicht nicht weiterlesen.

MZEE​.com: Eine der ers­ten Defi­ni­tio­nen, die man zu "Gesund­heit" fin­det, lau­tet: "Gesund­heit ist ein kör­per­li­cher und geis­ti­ger Zustand eines Men­schen oder einer Grup­pe." – Das mit der Grup­pe fin­de ich inter­es­sant und führt mich zu der Fra­ge, ob wir in einer gesun­den Gesell­schaft leben. Was glaubst du?

Gra­fi: Ich den­ke, ja und nein. Es gibt ande­re Län­der, in denen The­men wie Men­tal Health oder all­ge­mein die Empa­thie sei­nen Mit­men­schen gegen­über weni­ger prä­sent sind, aber da ist auf jeden Fall noch Luft nach oben. Unser Leben ist von Arbeit und Dis­zi­plin geprägt, wes­halb wir nur schwer zur Ruhe kom­men. Gera­de wäh­rend der Pan­de­mie haben vie­le Men­schen geäu­ßert, dass sie zum ers­ten Mal in ihrem Leben rich­tig Zeit hat­ten, über sich nach­zu­den­ken. Wir sind zu oft gehetzt und len­ken uns zu viel ab. Weil wir den Luxus haben, uns stän­dig berie­seln und ablen­ken las­sen zu kön­nen, jagen wir manch­mal Mate­ri­el­lem hin­ter­her und machen uns zu weni­ge Gedan­ken über uns selbst. Geld kom­pen­siert in unse­rer Gesell­schaft oft das, was eigent­lich anders gelöst wer­den sollte.

MZEE​.com: Wie wür­de denn dei­ner Mei­nung nach eine gesun­de Gesell­schaft aussehen? 

Gra­fi: (über­legt) Ich möch­te mir nicht das Recht raus­neh­men, das für eine gan­ze Gesell­schaft zu beur­tei­len, weil das eine sehr indi­vi­du­el­le Ein­schät­zung ist. Auch wenn es um einen Gemein­schafts­ge­dan­ken geht, habe ich ande­re Bedürf­nis­se als ande­re Men­schen. Ich glau­be, wir sind als Gesell­schaft schon auf einem ganz guten Weg, immer offe­ner zu wer­den, zuzu­hö­ren, uns auch mit unan­ge­neh­men The­men zu befas­sen und für die­se mehr Empa­thie zu ent­wi­ckeln. Man darf dabei auch nicht Geld als Grund­bau­stein ver­ges­sen. Es ist zwar eine schö­ne Vor­stel­lung, dass Geld nicht wich­tig ist, aber das ist Quatsch. Wenn man damit beschäf­tigt ist, Grund­be­dürf­nis­se zu stil­len, bleibt wenig Platz für Empa­thie und Rück­sicht ande­ren gegenüber.

MZEE​.com: Um auf das Indi­vi­du­um zu kom­men: Ich habe das Gefühl, den wenigs­ten Men­schen in einem gewis­sen Alter ist bewusst, was es eigent­lich bedeu­tet, gesund zu sein. In den meis­ten Fäl­len hat man das Ver­trau­en, sich immer wie­der zu erho­len. Gehen jun­ge Men­schen zu selbst­ver­ständ­lich damit um? 

Gra­fi: Man befasst sich natür­lich meis­tens erst damit, wie wich­tig etwas war, wenn es weg ist. Aber es ist ja auch etwas Schö­nes, unbe­küm­mert sein zu kön­nen. So lässt es sich frei­er leben. Ich hat­te da einen Umbruch: Frü­her war ich wegen mei­ner Gesund­heit total unbe­küm­mert, habe mich nicht gut ernährt, viel gekifft und war ein klei­ner Träu­mer. 2014 hat­te ich dann einen Schlag­an­fall – das hat alles auf den Kopf gestellt und mich extrem ver­än­dert. Erst mal natür­lich sehr zum Nega­ti­ven, weil das Erleb­nis so ein Schock für mich war und ich eine Nah­tod­erfah­rung hat­te. Ich lag mor­gens auf dem Boden in mei­ner Woh­nung, hab' mein Leben im Zeit­raf­fer an mir vor­bei­zie­hen sehen und dach­te, dass es das jetzt war. Aber ohne dabei trau­rig zu sein, das war ganz selt­sam. Irgend­wann bin ich wie­der zu mir gekom­men, konn­te aller­dings nicht spre­chen, um einen Ret­tungs­wa­gen zu rufen. Die­ses Erleb­nis hat mir den Boden unter den Füßen weg­ge­zo­gen und ich wur­de erst mal super­hy­po­chon­drisch. Mein Kopf war die gan­ze Zeit auf Alarm­be­reit­schaft und ich habe non­stop damit gerech­net, dass es wie­der pas­siert. Posi­tiv an dem Erleb­nis war jedoch, dass ich Zeit und Gesund­heit als wert­vol­ler erach­tet, somit weni­ger Zeit mit Tag­träu­men ver­bracht und ver­sucht habe, mei­ne Visio­nen umzu­set­zen. Ich gön­ne es aber allen Per­so­nen, die sich dar­über kei­ne Gedan­ken machen müssen.

MZEE​.com: Was hat sich inzwi­schen ver­än­dert und was machst du dei­nem Kör­per und viel­leicht auch dei­ner Psy­che zuliebe?

Gra­fi: Mei­ner Psy­che zulie­be ver­su­che ich, früh genug zu erken­nen, wann ich mei­nen Akku wie­der auf­la­den muss. Ich bin ein eher intro­ver­tier­ter Mensch, das heißt, dass ich auch extro­ver­tiert sein kann, wenn ich mich wohl­füh­le, es kos­tet aller­dings sehr viel Ener­gie. Ich brau­che das zwar, aber auch mein Grü­beln und mei­ne Refle­xi­ons­pha­sen kos­ten mich viel Ener­gie. Es gehört jetzt dazu, mir das ein­zu­tei­len, dar­auf zu ach­ten und auch mal lang­sam zu machen. Dabei war es wich­tig, Nein­sa­gen zu ler­nen, weil ich ein sehr har­mo­nie­be­dürf­ti­ger Mensch bin und mich dabei über­la­de, es allen recht machen zu wol­len. Das führt zu Erschöp­fung. Außer­dem ist mir Skate­board­fah­ren sehr wich­tig und hat mir wäh­rend der Pan­de­mie den Arsch geret­tet. Man ist raus­ge­kom­men und spornt sich die gan­ze Zeit selbst an. Beim Ska­ten ist man sein eige­ner Geg­ner und möch­te immer bes­ser wer­den. Das ist gut für mei­nen Kopf.

MZEE​.com: Glaubst du also, kör­per­li­che und psy­chi­sche Gesund­heit bedin­gen sich gegenseitig? 

Gra­fi: Ja, die­ser Zusam­men­hang wur­de mir aber eigent­lich erst mit den Schlag­an­fäl­len bewusst. Unser Geist steu­ert unse­ren Kör­per, des­we­gen muss bei­des in Ein­klang mit­ein­an­der gebracht wer­den, damit das funk­tio­nie­ren kann. Gera­de in der Zeit, in der ich in Dau­er­alarm­be­reit­schaft war und Angst hat­te, wie­der einen Infarkt zu bekom­men, habe ich gemerkt, was das aus­lö­sen kann. Ich hat­te viel mit Schwin­del und Panik­at­ta­cken zu kämp­fen. Panik­at­ta­cken sind das per­fek­te Bei­spiel dafür, was dein Kopf aus­sen­den kann, wel­che Aus­wir­kun­gen das auf dei­nen Kör­per hat und in wel­cher Wech­sel­wir­kung das wie­der­um Panik im Kopf erzeugt. Das ist ein extrem hef­ti­ges Gefühl, das den gan­zen Kör­per außer Gefecht setzt. Aber genau­so wich­tig ist es, auf Ernäh­rung und Bewe­gung zu ach­ten. Man darf nicht unter­schät­zen, wel­chen enor­men Ein­fluss das auf das Befin­den und den Geist hat.

MZEE​.com: Dem steht auch der Trend des bewuss­ten Lebens gegen­über. Auf Social Media fin­det man über­all Tipps, die einem dabei hel­fen sol­len, zu sich selbst zu fin­den oder eine Work-​Life-​Balance zu schaf­fen. Meinst du, wir set­zen uns manch­mal schon zu sehr unter Druck, was ein gere­gel­tes Leben angeht? 

Gra­fi: Ja, voll. Ich ken­ne zum Bei­spiel eini­ge Men­schen, die sich nicht gesund ernäh­ren und all­ge­mein nicht beson­ders streng zu sich sind – wenig Gemü­se essen, viel Rau­chen, aber trotz­dem kei­ne Beschwer­den haben und teil­wei­se schon alt sind. Ich habe das Gefühl, ein posi­ti­ves Mind­set hält einen auch am Leben. Man­che sind sorg­los, set­zen sich mit wenig aus­ein­an­der und machen sich vor allem nicht ver­rückt. Wenn man sich sehr vie­le Gedan­ken macht, kann das Druck erzeu­gen. Es tut nicht gut, wenn man sich zu vie­le Regeln selbst auf­er­legt. Man soll­te mei­ner Mei­nung nach mehr dar­auf ach­ten, was einem nicht gut­tut und das weg­las­sen, anstatt prin­zi­pi­ell auf alles Mög­li­che zu ver­zich­ten. Es soll­te auch mög­lich sein, mal zu sün­di­gen und es sich ein­fach gut gehen zu lassen.

MZEE​.com: Das gan­ze Inter­net ist eben­so voll mit Infos zu ADHS, Depres­si­on, Nar­ziss­mus, toxi­schen Bezie­hun­gen oder Ähn­li­chem. Einer­seits ist es natür­lich schön, dass so vie­le Men­schen über ihre Erfah­run­gen spre­chen. Ande­rer­seits sieht man vie­le Per­so­nen, die sich und ande­re in allem wie­der­erken­nen. Was hältst du von die­sen Dyna­mi­ken, die schnell zu Selbst- oder Fern­dia­gno­sen füh­ren können? 

Gra­fi: Ich fin­de es auch gut, wenn Men­schen sich öff­nen, aber manch­mal hat es schon fast etwas von Horo­sko­p­le­sen. Ich will das gar nicht abwer­ten, man bekommt aller­dings schnell das Gefühl, dass man mit etwas rela­ten kann, ohne dabei zu beach­ten, dass es Abstu­fun­gen gibt. Man soll­te sich lan­ge mit der eige­nen Psy­che, all­ge­mein der Psy­che von Men­schen und pro­fes­sio­nel­len Mei­nun­gen aus­ein­an­der­set­zen, um ansatz­wei­se beur­tei­len zu kön­nen, wie krank­haft ein Ver­hal­ten ist. Jeder hat das Recht, über die eige­nen Gedan­ken und sein Emp­fin­den zu spre­chen, aber es gibt eben auch Trends, die man zum Bei­spiel auch in der Musik­sze­ne gut beob­ach­ten kann. Gera­de ist es cool und Fashion, depres­sed zu sein. Oder das Wort "Anxie­ty" wird bei­spiels­wei­se total infla­tio­när und ober­fläch­lich benutzt. Das führt ja auch dazu, dass man das nicht mehr ernst neh­men kann. Das ist schon schwie­rig und mit Vor­sicht zu genießen.

MZEE​.com: Hast du dadurch manch­mal das Gefühl – auf Panik­at­ta­cken bezo­gen –, nicht ernst genom­men zu wer­den, weil vie­le Men­schen über­haupt nicht wis­sen, was das eigent­lich bedeutet? 

Gra­fi: Zum Glück habe ich aktu­ell nicht mehr mit Panik­at­ta­cken zu kämp­fen, das war vor allem in der Zeit der Schlag­an­fäl­le. Ich muss geste­hen, dass ich davor auch nicht wuss­te, was das genau bedeu­tet. Mei­ne Ex-​Freundin ist oft nachts auf­ge­wacht und hat­te eine Panik­at­ta­cke. Das sah viel harm­lo­ser aus, als es sich anfühlt. Ich bereue es immer noch, dass ich oft zu ver­ständ­nis­los reagiert habe. Ich habe erst spä­ter die Erfah­rung selbst machen müs­sen, dass es sich in die­sem Moment wirk­lich anfühlt, als wür­de die Welt unter­ge­hen. Ich dach­te, ich ster­be. Und genau die­se Ver­ständ­nis­lo­sig­keit dem­ge­gen­über hat mich dann in mei­ner Situa­ti­on auch ver­letzt – wenn Leu­te ganz bei­läu­fig davon reden, dass sie dach­ten, eine Panik­at­ta­cke zu bekom­men. Wenn man lei­det, pro­ji­ziert man aller­dings oft sei­ne Gefüh­le auf ande­re, obwohl das Gegen­über das gar nicht so meint. Man ist viel ver­letz­li­cher. Dafür, dass eine Per­son nicht nach­emp­fin­den kann, wie sich das anfühlt, kann man sie nicht an den Pran­ger stel­len. Man soll­te dem eine Chan­ce geben und durch Erklä­ren Bewusst­sein schaffen.

MZEE​.com: Ist das auch ein Grund dafür, dass du dich jetzt dazu ent­schlos­sen hast, die­se Pha­se aus­führ­li­cher als Künst­ler zu thematisieren? 

Gra­fi: Ja, ich habe das aber vor­her auch schon gemacht, aller­dings eher in ein­zel­nen Zei­len. Ab davon habe ich vor knapp vier Jah­ren einen Song raus­ge­bracht, der "Kei­ne Kraft" heißt. Da geht es um die Zeit, in der ich von Arzt zu Arzt gegan­gen bin und nie­mand wuss­te, wie­so das pas­siert ist. Da ent­steht eine Dun­kel­heit, in die man hin­ein­ge­zo­gen wird, wenn einem kei­ner hel­fen kann. Ich habe mir in man­chen Momen­ten die Fra­ge gestellt, ob es bes­ser wäre, tot zu sein, als jeden Tag mit der Angst auf­zu­ste­hen, dass es noch mal pas­sie­ren könn­te oder die Opti­on besteht, dass es dann noch fata­ler wäre und man im schlimms­ten Fall sogar zu einem Pfle­ge­fall wird. Die­se Pha­se war ein Tief­punkt in mei­nem Leben.

MZEE​.com: Ver­ständ­lich. Mit die­ser Unge­wiss­heit und Unbe­re­chen­bar­keit zu leben, stel­le ich mir wahn­sin­nig schwie­rig vor. 

Gra­fi: Damit kamen halt auch Din­ge hin­zu, die zusätz­lich schlech­ten Ein­fluss auf die Psy­che hat­ten. Nie­mand konn­te mir sagen, wor­an es lag. Nie­mand konn­te mir sagen, wann es wie­der­kommt. Und dann ist man auch noch mit ande­ren Men­schen im Kran­ken­haus, die eben­falls einen Schlag­an­fall erlit­ten haben, die teil­wei­se nicht mehr lau­fen kön­nen oder die gan­ze Zeit dar­über reden, dass sie nicht mehr leben wol­len. Du war­test ein­fach nur, dass es wie­der pas­siert, und siehst auch noch dein Schick­sal jeden Tag vor dir. Das zieht einen wahn­sin­nig run­ter. Für mei­ne Hei­lung wäre es wahr­schein­lich am bes­ten gewe­sen, nicht so viel Zeit im Kran­ken­haus zu ver­brin­gen und unun­ter­bro­chen damit kon­fron­tiert zu wer­den, son­dern weit weg an irgend­ei­nen Strand zu fah­ren und mich abzu­len­ken. Bis heu­te ist die ein­zi­ge Erklä­rung für mei­ne Schlag­an­fäl­le psy­chi­scher Stress und ich habe die­sen Stress immer wei­ter gefüttert.

MZEE​.com: Ein Kran­ken­haus ist eigent­lich ein Ort, an dem ein Umfeld geschaf­fen wer­den soll­te, in dem Kran­ke gut gene­sen. Hast du das Gefühl, dass abseits des medi­zi­ni­schen Parts zu wenig dafür getan wird, dass man sich dort wohlfühlt? 

Gra­fi: Defi­ni­tiv gibt es ein Leck, was das angeht. Das Per­so­nal kann man dafür selbst­ver­ständ­lich nicht ver­ant­wort­lich machen, denn unter deren Arbeits­be­din­gun­gen kann man nicht mehr leis­ten. Aber auch ich habe die Erfah­rung gemacht, dass die Zim­mer­be­le­gung ein gro­ßes Pro­blem ist. Und als ich bei­spiels­wei­se zum MRT muss­te, wur­de sehr unsen­si­bel mit mir umge­gan­gen bezüg­lich mei­ner Panik­at­ta­cken. Da erwar­tet man schon ein biss­chen mehr Empa­thie. Aber ich ver­ste­he, dass unter den Bedin­gun­gen und bei dem Durch­lauf Men­schen schnell abge­fer­tigt wer­den. Dar­an etwas zu ändern, wür­de vie­les ver­bes­sern. Ich bin auf jeden Fall nur im Kran­ken­haus geblie­ben, wenn es wirk­lich nicht anders ging.

MZEE​.com: In wei­ten Tei­len der Gesell­schaft herrscht all­ge­mein eine gewis­se Skep­sis der Medi­zin gegen­über, was beson­ders durch das The­ma Imp­fun­gen in den letz­ten Jah­ren deut­lich wur­de. Kannst du dir das irgend­wie erklären? 

Gra­fi: Ich den­ke, dass das Inter­net einen gro­ßen Anteil dar­an hat, weil jeder Inhal­te tei­len kann, ohne sie bele­gen zu müs­sen. Dadurch kann man Men­schen mani­pu­lie­ren und Skep­sis her­vor­ru­fen. Die Rea­li­tät ver­schwimmt. Und durch Coro­na war die Gesell­schaft auch noch zusätz­lich von Grund auf unzu­frie­den. Da wird natür­lich ein Sün­den­bock gesucht, an dem man sich fest­klam­mern kann. Ich fin­de es wich­tig, wei­ter im Aus­tausch zu blei­ben. Auch wenn es eine hit­zi­ge Dis­kus­si­on ist, aber das ist wich­tig, um etwas zu bewirken.

MZEE​.com: Durch die The­men, die du in dei­ner Musik auf­greifst, musst du sicher­lich auch dies­be­züg­lich oft in den Aus­tausch gehen. Zum Bei­spiel, wenn dir Fans von ihrem eige­nen Schick­sal erzäh­len. Ist das manch­mal schwie­rig für dich? 

Gra­fi: Es ehrt mich natür­lich, wenn ich ande­ren Men­schen durch die Musik hel­fen kann, und ich neh­me mir auch Zeit für sol­che Nach­rich­ten. Ich ver­su­che da grund­sätz­lich, eine gewis­se Distanz zu wah­ren und Gren­zen zu set­zen, indem ich ver­ständ­nis­voll reagie­re, ohne zu sehr dar­auf ein­zu­ge­hen. Und das ist für die Leu­te meis­tens auch cool. Man kann nie­man­den ret­ten, schon gar nicht, wenn man jeman­den auf per­sön­li­cher Ebe­ne nicht kennt. Da muss man auch auf sich selbst aufpassen.

MZEE​.com: In dei­nen Lyrics spielt oft der Tod und alles drum­her­um eine Rol­le. Es geht sogar so weit, dass du von dir selbst so sprichst, als wärst du schon tot. Wie­so taucht das in dei­ner Kunst immer wie­der auf? 

Gra­fi: Zum einen liegt das in mei­ner Musik­so­zia­li­sa­ti­on begrün­det, ich moch­te schon immer düs­te­re Sachen, die unter die Haut gehen. Die­se Atmo­sphä­re ist sehr deut­lich und kann gut Emo­tio­nen trans­por­tie­ren. Die Mes­sa­ge kommt klar an, auch wenn das für vie­le abschre­ckend ist. Zum ande­ren hängt das natür­lich auch mit eige­nen Erleb­nis­sen zusam­men. Ich wur­de von mei­nen Pfle­ge­el­tern in Bay­ern streng christ­lich erzo­gen, wes­halb ich oft in die Kir­che muss­te und auch immer wie­der mal als Mess­die­ner bei Beer­di­gun­gen war. Auch dass mei­ne Mut­ter gestor­ben ist und mei­ne eige­ne Krank­heits­ge­schich­te spie­len da viel mit rein. Die Kon­fron­ta­ti­on mit dem Tod macht viel mit einem. Mir ist selbst schon auf­ge­fal­len, dass das Bild von mir nach dem Tod inzwi­schen ziem­lich oft drin­nen ist, ich will das eigent­lich auch wie­der redu­zie­ren. Wenn ich schrei­be, ist das intui­tiv und ich hole da sehr tief sit­zen­de Gefüh­le hoch. Das kann ich nicht gut steu­ern. Durch das aktu­el­le Album "Blü­ten und Frost", auf dem ich das noch mal viel the­ma­ti­siert habe, ist es irgend­wie auch abge­schlos­sen. Ich habe das Gefühl, ich habe alles zer­dacht, alles gesagt und end­lich mei­nen Frie­den damit gefunden.

(Yas­mi­na Rossmeisl)
(Fotos von Sebas­ti­an Grimberg)