"Was?! Du kennst das nicht? Sekunde, ich such' dir das mal raus." Und schon öffnet sich die Plattenkiste. Wer kennt diesen Moment nicht? Man redet über Musik und auf einmal fällt ein Name – egal ob von einem Song, einem:einer Künstler:in oder einem Album – mit dem man nicht so recht etwas anzufangen weiß. Und plötzlich hagelt es Lobpreisungen, Hasstiraden oder Anekdoten. Gerade dann, wenn der:die Gesprächspartner:in ins Schwärmen verfällt und offen zeigt, dass ihm:ihr das Thema wichtig ist, bittet man nicht allzu selten um eine Kostprobe. Die Musik setzt ein und es beginnt, was der Person so sehr am Herzen zu liegen scheint. In diesem Fall – was uns so sehr am Herzen liegt: Ein Auszug aus der Musik, mit der wir etwas verbinden, die wir feiern, die uns berührt. Ein Griff in unsere Plattenkiste eben.
Anfang 2021 gab es tatsächlich nur ein Release, auf das ich mich wirklich gefreut habe: "Irgendwas Stimmt" von MC Rene. Und irgendwie ist das schon etwas seltsam, schließlich war ich in Renes erster Schaffensphase zu jung, um mich aktiv mit Rap zu beschäftigen. Seit seinem Comeback verfolge ich Rene allerdings durchgehend und stelle immer wieder fest, dass er sich in seiner ganz eigenen Rap-Ästhetik stetig weiterentwickelt.
Man tritt Reen und Figub Brazlevič – dem Executive Producer des Albums – wohl nicht zu nahe, wenn man das Album als einstündige Boom bap-Reise beschreibt. Auf dieser begibt man sich in die persönliche Welt des Rappers. Dabei verzichtet er auf klassische Storyteller, die man vielleicht erwarten würde. Stattdessen streut er immer wieder vereinzelte Anekdoten ein und ummantelt diese mit verschiedensten Verweisen. Seinen Höhepunkt findet dieses Spiel mit Referenzen im Track "Anomalie", in welchem deutlich wird, dass unter anderem De La Soul und Al Pacino Teil seiner HipHop-Sozialisation sind. Auch alte Weggefährten werden gewürdigt: So zitiert Rene etwa auf "Nicht Fleisch, nicht Fisch" eine Hook von Tobi und Bo. Auch jüngere Bekanntschaften sind Teil der Expedition und werden zu Feature-Gästen. "X-Kalibur" mit Die P und Terra Pete sticht zum Beispiel genau in mein Herz, denn Rene offenbart trotz der unbesiegbaren Waffe Schwächen und Fehltritte. Auch wenn seine "Renevolution" nicht immer ruhmreich verlief, stellt er fest: "Lieber frei und unerkannt als zu bekannt und unentspannt." Damit bestätigt er seinen Werdegang. Auch wenn er nie zu den finanziell erfolgreichsten Rapper:innen gehörte – er ist immer noch da.
Dementsprechend trifft es der Albumtitel auf den Punkt: "Irgendwas Stimmt". Auch wenn ich nicht zur ersten Hörergeneration von MC Rene gehöre, schafft er es, mich mit seiner Musik abzuholen. "Den dopen Shit zu bergen, bleibt weiter ein Hauptziel" – und auf der gemeinsamen Reise durch dieses Album lässt sich eben immer wieder Neues entdecken.
(Alec Weber)