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DIGGEN mit ...

DIGGEN mit Ulysse

Bei "DIGGEN mit …" kra­men wir mit Szeneprotagonist:innen in ihren gedank­li­chen Plat­ten­kis­ten. Die­ses Mal stell­te uns Ulys­se eine Play­list mit US-​Klassikern aus den 90er Jah­ren zusam­men – unter ande­rem mit 50 Cent, Snoop Dogg und Mobb Deep.

Das ers­te Kon­zert, das man ohne Eltern besu­chen durf­te. Nachts allei­ne auf der Auto­bahn und den glei­chen Song immer und immer wie­der hören, weil man nicht fas­sen kann, wie gut er ist. Der Track, den man mit den Freun­den von frü­her laut grö­lend auf jeder Par­ty mit­ge­sun­gen hat. Ver­mut­lich kennt jeder Mensch die­sen Moment: Es läuft ein bestimm­tes Lied oder Album, das einen direkt emo­tio­nal in eine Situa­ti­on zurück­ver­set­zen kann, nost­al­gisch wer­den lässt oder ein­fach nur auf­grund sei­ner Mach­art immer wie­der zum Stau­nen bringt. Und genau dar­um geht es in unse­rem For­mat "DIGGEN mit …". Wir dig­gen mit ver­schie­de­nen Protagonist:innen der Sze­ne in ihren gedank­li­chen Plat­ten­kis­ten und spre­chen über Musik, die die­se Emo­tio­nen in ihnen aus­löst. Dafür stel­len unse­re Gäs­te jeweils eine eige­ne Play­list mit Songs zusam­men, die sie bewe­gen, begeis­tern und inspirieren. 

Ulys­se woll­te ein wenig in Nost­al­gie schwel­gen – und stell­te uns daher eine Play­list mit Klas­si­kern des 90er Jahre-​Raps aus den USA zusam­men, die ihn noch heu­te bewe­gen. Der Karls­ru­her Rap­per wur­de 1995 gebo­ren und konn­te Songs aus die­ser Zeit somit nicht zu ihrem Release mit­er­le­ben. In sei­ner Kind­heit haben ihm jedoch der gro­ße Bru­der und sein Vater, aber auch sei­ne Cou­sins die HipHop-​Kultur der 90er nahe­ge­bracht. Auch mit Freun­den hat er sich rück­wir­kend durch die His­to­rie vie­ler Artists die­ser Zeit gehört und sie lie­ben gelernt: Die Künst­ler spra­chen The­men an, die ihn abho­len konn­ten, weil sie so nah an der Rea­li­tät waren. Er erzähl­te uns, wie­so 2Pac für ihn der bes­te Künst­ler ist, der jemals gelebt hat, wel­cher Club-​Hit für ihn ein Jahrhundert-​Song ist und auf wel­ches Instru­men­tal von Mobb Deep er schon selbst Tex­te schrieb.

 

 

1. Smif-​N-​Wessun – Wreckoni­ze (prod. by Baby Paul)

Ulys­se: Gei­le Rap­crew, die mei­ner Mei­nung nach völ­lig under­ra­ted ist. Den Song hat mir mein bes­ter Freund vor sie­ben Jah­ren oder so gezeigt. Allein der Vibe und die Reim­tech­nik haben mich direkt gecatcht. Da ist halt voll die­ser East Coast-​Flow drin­nen. Das habe ich frü­her oft beim Rau­chen gehört oder wenn ich allei­ne unter­wegs war. Auf jeden Fall ein rich­tig fet­ter Song. Ich lie­be ein­fach Boom bap und anhand von so einem Song hat man dann auch an sei­ner Tech­nik gefeilt – man hat sich Reim­ket­ten und Meta­phern ange­schaut. Mir sind Ein­stie­ge sehr wich­tig und die bei­den stei­gen immer anders ein. Und auch, wenn das zwei ver­schie­de­ne Rap­per sind, haben die einen Vibe gecatcht.

 

2. Mobb Deep – Hell on Earth (Front Lines) (prod. by Havoc) 

Ulys­se: Mie­ses Brett von Mobb Deep. Das ist für mich einer der prä­gends­ten Rap­songs ever. Ich fei­er', dass der so sozi­al­kri­tisch ist. Die leben in einer Welt­me­tro­po­le und erzäh­len von den kras­sen Erleb­nis­sen in ihrem All­tag. Der Titel ver­rät schon, wie es drau­ßen auf den Stra­ßen abläuft. Den Song habe ich auf dem mp3-​Player mei­nes Bru­ders gefun­den, danach habe ich ihn gefühlt erst mal 30 Mal gehört. Mit zwölf konn­te ich natür­lich noch nicht so gut Eng­lisch und habe immer gefragt: "Was sagt er da?" (lacht) Mein Bru­der hat mir das dann alles erklärt. Mei­ne ers­ten Tex­te habe ich auf YouTube-​Beats geschrie­ben und da war das Instru­men­tal davon auch dabei. Kras­se Lyrics auf jeden Fall und "Infa­mous" ist ein bru­ta­les Album. "Hell on Earth (Front Lines)" höre ich meis­tens, wenn ich rich­tig ekli­ge Stim­mung habe und abge­fuckt bin. Man läuft in der Käl­te, Kapu­ze auf, hört den Song und denkt sich: "Ja, Mann. Genau das." Die spre­chen einen total an und haben Hip­Hop ein­fach so geprägt. An der Stel­le: Rest in Peace, Prodigy.

 

3. 50 Cent – Many Men (Wish Death) (prod. by Emi­nem, Luis Rest, Dar­rell "Dig­ga" Branch) 

Ulys­se: Der Song ist so krass! Er rappt ein­fach davon, wie er ange­schos­sen wur­de. Die wün­schen ihm den Tod. "Blood in my eye, dawg, and I can't see." Eine der prä­gnan­tes­ten Erin­ne­run­gen zu dem Song habe ich an eine Situa­ti­on nach mei­nem Box-​Training vor ein paar Jah­ren. Da muss­ten wir noch was erle­di­gen und sind im Auto durch den Regen gefah­ren – fünf Jungs hör­ten ein­fach nur "Many Men". (lacht) Jeder war ruhig und hat 50 Cent zuge­hört. Das Album ist so krass, das hat mich so geprägt. Da waren von vor­ne bis hin­ten nur Hits drauf. Er hat so ech­te Zei­len, er rappt über sein Leben.

 

4. 2Pac feat. Big Syke – All Eyez On Me (prod. by John­ny "J")

Ulys­se: 2Pac ist der bes­te Künst­ler, der jemals gelebt hat. Der hat mei­nen Kopf gewa­schen. Sei­ne Lebens­phi­lo­so­phie ist ein­fach krass, der ist ein Poet und Gangs­ter, hat rich­tig viel Schei­ße gefres­sen und war ein gebil­de­ter Jun­ge. (rappt mit) Das ist so krass. Den Track höre ich bis heu­te noch und bis ich ster­be. Ich habe zwei, die für mich die Größ­ten sind: Big­gie ist in Sachen Flow der King, aber bei Lyrics ist es 2Pac. Er hat Din­ge ange­spro­chen, die uns heu­te, über 25 Jah­re nach sei­nem Tod, noch beschäf­ti­gen. Das ist immer noch aktu­ell. Der war sei­ner Zeit schon vor­aus. Aber lei­der wur­de es ihm zum Ver­häng­nis, dass er zu aggres­siv war. Trotz­dem bin ich dank­bar für die Musik, mit der er uns berei­chert hat und dass ich das mit­er­lebt habe. Mit mei­nen bes­ten Freun­den habe ich frü­her jeden Tag 2Pac gehört. Und mei­ne Eltern haben das damals auch gehört.

 

5. Wu-​Tang Clan – C.R.E.A.M. (prod. by RZA) 

Ulys­se: Ich ken­ne nicht einen gro­ßen Rap­per, der gegen­über dem Wu-​Tang Clan Dis­re­spect zeigt. Alle vom Wu-​Tang Clan rap­pen geis­tes­krank. Method Man ist für mich der Kras­ses­te, aber ich woll­te einen Song mit allen in die Play­list packen. Das fän­de ich sonst unge­recht. Auch Ol' Dir­ty Bas­tard, boah! "Brook­lyn Zoo" ist auch so ein All­time Clas­sic. Da hat­te er so eine kras­se Tech­nik, das war ein­fach fresh. Dass die­ser ver­rück­te Kerl so sick rappt. "Cash rules ever­y­thing around me" – ja, man. Ich bin damals auf Wu-​Tang gesto­ßen, weil Big­gie ein Shirt mit einem "W" getra­gen hat und ich mich gefragt habe, was das ist. Und dann habe ich gese­hen, dass er auch ein biss­chen wie die geflowt hat. Weißt du, was ich mei­ne? (lacht) Da hat er sich ein biss­chen inspi­rie­ren las­sen, der gute Chris­to­pher Wallace.

 

6. Jay-​Z – Dead Pre­si­dents II (prod. by Ski Beatz) 

Ulys­se: Das ist für mich einer der kran­kes­ten Songs. Rich­tig sozi­al­kri­tisch, vor allem in Ver­bin­dung mit dem Film. Da geht es um einen jun­gen Kerl, der nach der High­school nicht weiß, was er machen soll. An einem Abend sitzt er mit sei­nen Eltern und sei­nem Bru­der, der aufs Col­lege geht, an einem gut gedeck­ten Tisch und er erzählt, dass er zur Army geht. Das spielt, glau­be ich, wäh­rend des Viet­nam­krie­ges. Und dann wird das sehr sozi­al­kri­tisch. Das hört man auch an den Lyrics von Jay-​Z. Das Geld ist nichts wert, vie­le gehen in den Krieg und kom­men mit Trau­ma­ta zurück. Es wur­den Din­ge vom Staat ver­spro­chen, die nicht ein­ge­hal­ten wur­den. Es wur­de den Leu­ten gesagt, dass sie einen Job bekom­men, wenn sie zurück­keh­ren und gut ver­si­chert sein wer­den. Aber das war nicht der Fall. Man kam als gebro­che­ner Mann zurück und bekam nicht mal Hil­fe vom Staat. Ich fin­de, Jay-​Z hat das rich­tig krass beschrie­ben in sei­nem Song. Das hat mich wirk­lich nach­den­ken las­sen, was wich­tig ist.

 

7. The Noto­rious B.I.G. – Rea­dy To Die (prod. by Easy Mo Bee)

Ulys­se: Ich bin ehr­lich, das Album "Rea­dy To Die" hat mich rich­tig geprägt. Wie das schon anfängt. (lacht) "As I grab the glock …" Davor war er noch voll der gute Jun­ge, aber auf­grund sei­ner Geld­pro­ble­me muss­te er sich auf den Stra­ßen durch­set­zen und Geld nach Hau­se brin­gen. Was der auch für eine Para­noia hat, weil er so viel Schei­ße gebaut hat. Der ver­traut kei­nem mehr. Der Vibe, wie er rappt und was er sagt, ist ein­fach krass. Das Album soll­te jeder ken­nen, mit dem wur­de er zum GOAT. Wenn man das hört, fühlt man ein­fach, was er damals gerappt hat. Das ist echt.

 

8. Snoop Dogg feat. Daz Dil­lin­ger – Gin N Juice (prod. by Dr. Dre, Ema­nu­el Dean)

Ulys­se: Snoop Dogg ist auch ein GOAT. Das hört sich so kli­schee­haft an, aber es wäre eine Ehre, mal einen mit ihm zu rau­chen. "Gin N Juice" lief oft bei den Älte­ren und dann hat man "Dog­gy­style" mal durch­ge­hört. Was Dr. Dre da pro­du­ziert hat, ist aso­zi­al. Da kam ein Crib rein, aber Dre war das egal, weil der ein­fach rap­pen konn­te. Snoop war da 21. Und jeder kennt die­sen Beat. Echt trau­rig, dass ich kei­ne Vinyl von dem Album habe.

 

9. Dr. Dre feat. Snoop Dogg – Still D.R.E. (prod. by Dr. Dre) 

Ulys­se: Jahrhundert-​Song, Alter. Den haben mei­ne Eltern auch gepumpt. (lacht) Der wur­de auf jeder Par­ty gespielt und trotz­dem kann ich den immer noch hören. Weißt du, war­um? Klar, Lyrics sind geil, aber der Beat! Dre, was hast du an Pot geraucht, dass du so einen Beat baust? Was hast du da gemacht? Alles, was der Kerl ange­fasst hat, wur­de zum Klas­si­ker. Schon zu Zei­ten von N.W.A.

 

10. Nas – The World Is Yours (prod. by Pete Rock) 

Ulys­se: "Ill­ma­tic", boah! Der Song moti­viert mich so. Wenn ich unmo­ti­viert bin, höre ich mir den immer an. "The world is yours." – Das pusht einen so. Die­ser Flow ist ein­fach nur krass. Mein Bru­der hat mir Nas gezeigt, der war gro­ßer Fan. So habe ich auch den Song für mich ent­deckt. Nas kommt auch aus Brook­lyn wie Rox­an­ne Shan­té. Das war die ers­te kras­se Rap­pe­rin und die hat damals schon gesagt: "Der Klei­ne ist krass." Für mich hat er eins der bes­ten Alben gemacht.

 

All die­se Tracks fin­det ihr hier in unse­rer "DIGGEN mit Ulysse"-Playlist auf Spotify. 

(Yas­mi­na Rossmeisl)
(Foto von Ben Baumgarten)