Schon seit die HipHop-Kultur noch in den Kinderschuhen steckte, sind Samples ein essenzieller Teil von ihr. Von alten Klassikern bis hin zu aktuellen Charthits lassen sich in unzähligen Songs Elemente aus bereits existierenden Werken finden. Wem erging es noch nicht so, dass er beim Musikhören über einen bekannten Sound gestolpert ist und sich daraufhin den Kopf über dessen Herkunft zerbrochen hat? Oft beginnt damit eine spannende Suche nach der Originalaufnahme quer durch die Musikhistorie. Aus diesem Grund stellen wir uns in unserem diesjährigen Adventskalender die Frage "Who sampled who?" und öffnen täglich ein neues Türchen: Wir präsentieren Euch 24 verschiedene deutsche Rapsongs und betrachten die Samples, welche sich darin verbergen.
Um direkt mit dem Türchen ins Haus zu fallen: Haftbefehls "Chabos wissen wer der Babo ist" ist ein Klassiker. Und immer wieder finden sich neue Gründe dafür, die von Untergrundforen bis in die Feuilletons dieses Landes schon zahlreich besprochen wurden. Was jedoch auf den ersten und vielleicht auch auf den zweiten Blick nicht auffällt, sind die Details, die im Zusammenspiel zwischen den Lyrics und dem Instrumental liegen.
Farhot wurde schon an vielen Stellen vollkommen zurecht für den Banger gelobt, den er Hafti für die Single kredenzt hat, welche dessen endgültigen Durchbruch entscheidend vorbereitet hat. Denn noch heute erkennt jede:r die scheppernden Bässe sofort, auf die die legendäre Hook und Strophe folgen. Doch das entscheidende Detail liegt im Vocal-Sample, das nach etwa 14 Sekunden das erste Mal zu hören ist. Dabei handelt es sich um einen Ausschnitt aus "Pilentze Pee" – einem bulgarischen Volkslied, das vom Frauenchor des dortigen Staatsfernsehens vorgetragen wird. Der Titel des zugrundeliegenden Stücks lässt sich etwa als "Ein kleiner Vogel singt" übersetzen – ein "Chabo", wenn man so möchte. Das Spannende dabei ist, dass die wohlbekannte und inzwischen weitreichend analysierte Wortwahl Haftbefehls – "Chabo" und "Babo" – aus dem Romani beziehungsweise seinen Dialekten stammt. Und diese Sprachfamilie kommt eben unter anderem auch in Bulgarien vor. Was also gerade vielen Außenstehenden vor acht Jahren zunächst wie Kauderwelsch auf dem nächstbesten scheppernden Instrumental vorkam, ist in Wahrheit ein tief durchdachtes Stück Musik, das seinem legendären Status in jeder Hinsicht gerecht wird.
"Chabos wissen wer der Babo ist" taucht bei uns gerade nicht zum ersten Mal auf. Und wird es wohl auch nicht zum letzten Mal. Der Song hat so viele Facetten, die wahrscheinlich noch längst nicht alle beleuchtet worden sind. Und das ist es, was einen wahren Klassiker ausmacht.
(Michael Collins)
(Grafik von Daniel Fersch)