Deutscher Rap ist so vielseitig wie nie zuvor. Andauernd schwappen neue Strömungen aus anderen Ländern herüber und bekommen hierzulande ein eigenes Gesicht verliehen, sodass sie sich längst nicht mehr an einer Hand abzählen lassen. Waren Ausrichtungen und Protagonist:innen zur Jahrtausendwende noch recht überschaubar, hat sich spätestens Anfang der 2010er eine Vielfalt eingestellt, die es schwierig macht, deutschsprachigen Rap noch als ein einzelnes Genre zu fassen. Entsprechend ist es nicht leicht, eine Person aus diesem Kosmos herauszugreifen, die all das zu umfassen in der Lage ist. Um zumindest ein paar Aspekte dieser Szene und deren Ursprünge einfangen zu können, haben wir D-Bo zum Gespräch gebeten, der das Musikbusiness sowohl als Künstler als auch als Manager kennt und all seine Entwicklungen miterlebt hat. Wir haben uns darüber unterhalten, was in den letzten 20 Jahren im deutschen Rap um ihn herum geschehen ist: von seinem persönlichen Werdegang als Musiker über den Wechsel vom Rapper zum Labelmanager bis hin zum Samra-Signing bei iGroove.
MZEE.com: Vor 20 Jahren – im Jahr 2001 – hast du dein erstes Album "Deutscha Playa" veröffentlicht. Wie ordnest du dein damaliges Schaffen in der Szene ein?
D-Bo: Im Februar hatte ich sogar 25-jähriges Künstlerjubiläum. Ich hatte vorher schon Songs gemacht, "Deutscha Playa" war dann mein erstes Album, auf dem wir alles auf Tape zusammengefasst haben. Kurz vor der Jahrtausendwende habe ich angefangen, mich deutschlandweit zu vernetzen. Wir haben den jetzigen Vertrieb distri gegründet – damals noch Distributionz – und waren maßgeblich dafür verantwortlich, dass sich die Underground-Artists aus verschieden Städten untereinander vernetzt haben. Daraus ist eine sehr starke Dynamik entstanden, weil gleichzeitig eine Art kulturelle Emanzipation in Deutschland stattgefunden hat. Menschen, die sonst eher marginalisiert wurden, haben Identifikationsflächen gesucht. Rap war eine, aber es gab in Deutschland nicht die Vorbilder dafür. Durch unser Engagement haben wir das befeuert. Deshalb sind Dinger wie Aggro Berlin oder Bozz Music in Frankfurt zu dieser Zeit auch groß geworden. Wir haben die nicht groß gemacht, aber durch diese Überschneidung von sich emanzipierender Subkultur und Bedarf an Leuten, die Identifikationsfiguren gesucht haben, hat das stattgefunden. Deshalb war das so maßgeblich für deutschen Rap.
MZEE.com: Um 2001 herum gab es aus Berlin eine Art Gegenbewegung zum Conscious Rap aus Städten wie Hamburg und Stuttgart. Auf "Deutscha Playa" finden sich inhaltlich allerdings beide Strömungen. Wie passt das zusammen?
D-Bo: Das Album ist nicht in einem Prozess entstanden, sondern ist ein Potpourri aus Studioterminen aus den vorangegangenen zwei Jahren. Daraus wurde im weitesten Sinne ein Spannungsbogen gestaltet. Es gab natürlich Leute wie Bushido oder auch Orgi, die ihre Musik damals schon sehr ernst genommen haben. Hengzt und ich zum Beispiel haben einfach nur Spaß gehabt und mit einer viel geringeren Ernsthaftigkeit Musik gemacht. Wir haben im Studio nur Zeit für uns beansprucht, wenn die anderen nichts zu tun hatten. Als wir ungefähr zehn Songs hatten und die Frage im Raum stand, ob nicht ein Album daraus werden soll, hat man noch zielgerichtet Songs gemacht. Da wurde dann überlegt, was noch fehlt, um das Klischee zu bedienen. Ein Posse-Track zum Beispiel. Aber über das Gesamtbild des Albums haben wir uns damals noch keine Gedanken gemacht. Das hat sich erst geändert, als ich mein zweites Album "Deo Volente" gemacht hab'. Das ist in einem Studioprozess entstanden und ist sehr in sich geschlossen. "Deutscha Playa" ist in unterschiedlichen Studios entstanden, unter anderem in Hannover, Osnabrück und Berlin. Dadurch hat sich dieser von unterschiedlichen Leuten beeinflusste Sound entwickelt. Die Gemeinsamkeit ist das Selbstverständnis als Außenseiter der etablierten Szene.
MZEE.com: Deine folgenden drei Alben sind bei ersguterjunge erschienen, das du mitgegründet hast. Im Mainstream der Szene gab es zur Zeit der Gründung neben euch nur Aggro Berlin. Wie war es für dich, in einem Umfeld stattzufinden, in dem der Fokus eher auf Gangsterrap lag?
D-Bo: Man muss sich auf einen gewissen Seelenstriptease einlassen. Wenn man wie ich damals gewisse Konflikte in sich trägt, die tiefer gehen als die eines typischen Straßenrappers, kommt da trotzdem eine Ehrlichkeit und Energie mit, die auch die Hörer von Straßenrap fühlen können. Das entsteht nicht durch konstruierte Hooklines wie "Wir sind die Coolsten, wenn wir cruisen", die zwar gut im Ohr liegen und absolut legitim sind. Aber man durchschaut schnell, dass das Floskeln sind, die nicht über ein gewisses Level an Deepness gehen. Was Bushido, Aggro Berlin und ich gemacht haben, war, mit einer ganz anderen Konsequenz über Themen wie Hass und Liebe zu rappen. Solche Songs sind ja auch auf Bushidos ganz alten Alben zu finden. Bei mir war das anders, da hat sich der Fokus hin zu solchen Sachen verschoben. Das Tiefgründige war das, was meinen damaligen Fans beziehungsweise den ersguterjunge-Fans gefehlt hat und von meinen Sachen am besten angenommen wurde.
MZEE.com: Ihr wart bei ersguterjunge zwischenzeitlich insgesamt 13 Künstler. Damals war auch Eko Fresh dabei. Er hat einmal gesagt, dass er anfangs Schwierigkeiten damit hatte, für einen Labelsampler mit Künstlern zusammenzuarbeiten, die er musikalisch nicht greifen konnte. Ging es dir ähnlich?
D-Bo: Nö. Bushido und ich haben die Leute ja unter Vertrag genommen, weil wir ihre Mucke geil fanden. Es macht sowieso total Spaß, mit Leuten zusammenzuarbeiten, wenn man sie musikalisch feiert. Eine andere Geschichte ist, wie man sich menschlich versteht. Man hat ja später gemerkt, dass ich mit Leuten wie Nyze und Chakuza persönlich viel besser klargekommen bin als mit einigen anderen. Prinzipiell waren wir aber musikalisch von allen Fans. Natürlich haben wir gemerkt, dass sich untereinander nicht immer alle zu 100 Prozent bei allem gefeiert haben. Für mich hat es auch einen Reiz, mit jemandem ins Studio zu gehen, bei dem das eine Herausforderung ist. "Zeitmaschine" mit Kay One ist so ein Beispiel. Kay fand meine Mucke immer scheiße, mich als Typ aber großartig. Irgendwann hat er gesagt: "Komm, lass mal einen Song zusammen machen." Wir waren beide gut in dem, was wir gemacht haben, und mussten nur einen Konsens finden. Den haben wir glücklicherweise gefunden und dann ist daraus ein extrem krasser Track entstanden. Ein anderes Beispiel ist Harris, der nur Partymucke macht. Wir haben einen Song über Wodka gemacht, in dem es darum geht, dass ich Wodka scheiße finde und er mich deswegen auslacht. (lacht)
MZEE.com: Im Jahr 2009 hast du über dein zuvor gegründetes Label Wolfpack Entertainment dein fünftes Album "Die Lüge der Freiheit" veröffentlicht. CD-Käufer haben einen Code für ein kostenloses Shirt bekommen, man konnte das Album aber auch kostenlos herunterladen und freiwillig einen Betrag spenden. Siehst du in diesem Modell Parallelen zum Deluxe Boxen-Trend oder sogar zum Streaming-Markt?
D-Bo: Wir waren mit ersguterjunge im deutschsprachigen Bereich die ersten, die Fanboxen gemacht haben. Das gab's vorher nur im Metal-Bereich, wo Fans 200 Euro bezahlt haben und zum Beispiel irgendwelche lebensgroßen Pappfiguren der Künstler bekommen haben. Wir wollten das auf ein handliches Format für die Fans bringen und haben das mit Universal so entwickelt. Später hat es sich etabliert, kreative Ansätze zu suchen, um erstens für Aufmerksamkeit zu sorgen und zweitens den Markt zu sondieren. Um Dinge zu finden, die noch nicht gedacht wurden. Das war für mein Album eine Idee, die im Nachhinein nicht so gut funktioniert hat, aber die mir einfach wichtig war. Ich hätte das auch mit Produkten von anderen Künstlern, die ich betreut habe, probieren können, aber das macht man ja nicht. Wenn man schon ein Risiko eingeht, dann mit dem eigenen Produkt. Ich hab' zwar viel Respekt dafür bekommen, glaube allerdings, dass der Markt damals und ebenso danach noch nicht in der Lage war, so eine kreative Idee geil umzusetzen. Heutzutage gibt es die Möglichkeit, über Patreon oder getnext unkompliziert und wirtschaftlich Premium-Produkte zu verkaufen. Die Idee war cool, aber die Umsetzung hat mir als Künstler nicht viel gebracht.
MZEE.com: Nachdem du deine aktive Karriere 2013 beendet hast, hast du dich voll und ganz auf dein Label Wolfpack Entertainment konzentriert. Was hat dich zu diesem Schritt bewegt?
D-Bo: Ich hab' erst über Wolfpack noch zwei weitere Alben rausgebracht. Musik hat mir nach wie vor tierisch Spaß gemacht, aber ich hab' gemerkt, dass die Entwicklung stagniert. Zu der Zeit, als ich aufgehört habe, war der Markt auch nicht mehr so interessiert an HipHop-Produkten. Es ist unheimlich schwer, sich zu motivieren, wenn wenig Ertrag rumkommt. Für den Aufwand, den man betrieben hat, war das ermüdend. Ich habe sieben Alben rausgebracht, war auf mehreren Samplern am Start und hab' alles gesagt, was ich sagen wollte. Ich hatte nicht den Status als Legende, der mir garantiert, immer wieder Alben rauszubringen, die mich bis ans Lebensende finanzieren. Ich hab' mich dann entschieden, auf das andere Pferd zu setzen, nämlich Labelmanagement. Das kann ich bis ins hohe Alter machen. Das weiterhin parallel zur Musik zu machen, hätte dazu geführt, dass man an den eigenen Erfolgen gemessen wird. Ich wollte nicht, dass meine Künstler darunter leiden, wenn ein Album von mir auf Platz 60 chartet. Als ich selbst nicht mehr aktiv war, hat es noch maximal ein Jahr gedauert, bis solche Argumente keine Rolle mehr gespielt haben. Heute werde ich als Instanz im Labelmanagement wahrgenommen. Ich bin nicht ganz happy, dass ich keine Musik mehr mache, aber kann sehr gut damit leben.
MZEE.com: Was müsste passieren, damit du noch mal Musik machst?
D-Bo: Wir hatten zum 25-jährigen Jubiläum die Idee, dass ich ein paar mal ins Studio gehe und Songs fertig mache. Mit Corona ist das allerdings ein blödes Timing gewesen. Ich wollte während der Pandemie niemanden aus meinem Team schmeißen, deswegen haben wir sehr hart arbeiten müssen, damit die Gehälter reinkommen. Das war mir wichtiger, als Mucke zu machen. Dadurch ist zumindest ein kleiner Funke übergesprungen und ich gucke schon die ganze Zeit, ob ich doch noch ein bis zwei Studiotermine wahrnehme. Ich würde mich nicht mehr als vollständigen Künstler inszenieren und vermarkten, aber sollten die Songs fertig werden, werde ich die auch veröffentlichen für die Leute, die sich dafür interessieren. Bock ist da, aber es ist kein primärer Wunsch, der unbedingt umgesetzt werden muss.
MZEE.com: Was hat sich verändert, seitdem du die deutsche Rapszene aus der Rolle des Managers betrachtest?
D-Bo: Im deutschen Rap hat sich der Einfluss von Social Media verändert. Schnelllebigkeit hat sich durchgesetzt, auch wenn ich das Wort schwierig finde, weil es den Kern nicht trifft. Es ist durch die Digitalisierung unheimlich schnell möglich geworden, die Konsumenten abzulenken und ihre Aufmerksamkeit auf etwas Neues zu lenken. Das hat dazu geführt, dass sich "laute" Sachen durchgesetzt haben. Laut heißt, einen schnellen Rhythmus bei der Veröffentlichung zu haben, eine Schlagzeile zu produzieren … Singles sind wichtiger geworden als Alben, Outfits sind wichtiger geworden als 'ne Message. Oberflächlichkeiten sind wichtiger für die Aufmerksamkeit. Wenn die Leute aber deine Fans sind, sind immer noch die essenziellen Sachen wichtig. Wie sehr kann ich mich mit jemandem identifizieren? Nur darüber kaufen die Leute Fanboxen und kommen auf Konzerte. Zum einen hat sich also eine ganze Menge an der Herangehensweise verändert, zum anderen hat sich recht wenig daran verändert, wie man aus einem Konsumenten einen Fan macht. Dann gibt es im Markt die ganz große Veränderung, wer die Macht darüber hat, wo die Musik platziert wird. Jetzt geht es darum, Reichweite zu erzeugen. Wie man Algorithmen triggert zum Beispiel. Für mich ganz persönlich bedeutet das, dass die Dinge, in denen ich extrem gut bin, unwichtig geworden sind, und die Dinge, die ich eigentlich als Künstler immer vermieden habe, jetzt unheimliche Relevanz haben. (lacht) Dadurch werde ich auch ein bisschen als Exot wahrgenommen, weil ich mich nicht in diesen Bling Bling-Kosmos einreihe, sondern mit einer gewissen Beharrlichkeit weiter auf bestimmte Dinge poche. Zum Beispiel, dass Künstler, mit denen ich arbeite, eine Meinung haben. Oder dass sie live gut funktionieren. Die müssen keine Agenda vertreten, aber wenn Fans nachfragen, müssen bestimmte Werte vorhanden sein.
MZEE.com: Was bräuchte es deiner Meinung nach, um die Entwicklung in Richtung Schnelllebigkeit zu ändern?
D-Bo: Mein Empfinden ist, dass Dinge in Wellen passieren. Die Tendenz wird noch weiter in diese Richtung gehen. In dieser Verschärfung gibt es auch Spitzen und Täler, wo es in die Richtung ausschlagen wird, die ich gut finde. Ich glaube, dass wir gerade durch Corona eine Art Rückbesinnung auf Inhalte haben. Dass wieder Ruhe eingekehrt ist. Ich denke trotzdem, dass das aktuelle Niveau an Oberflächlichkeit noch eine Weile bleiben wird, bis eine Übersättigung eintritt. Man sieht ja in Amerika, wie Rapper sich einen Diamanten in die Stirn einsetzen lassen. Ich denke, solch absurde Sachen stehen uns in Europa noch bevor. Erst, wenn das durch ist, gibt es vielleicht eine Parallelstruktur, die stark genug wird, dass man sich wieder auf andere Werte besinnt.
MZEE.com: Bei Wolfpack Entertainment sind zunächst Platten aus deinem erweiterten Umfeld erschienen, zum Beispiel von RAF Camora oder den Künstlern von Freunde von Niemand. Später kamen Newcomer:innen wie Antifuchs dazu. Wie hat sich deine Herangehensweise an deine Labelarbeit im Laufe der Jahre entwickelt?
D-Bo: Dadurch, dass ich das zunächst bei ersguterjunge gemacht habe, hatte ich ein super Standing als Labelmanager. Dann kamen, wie du gesagt hast, Leute aus dem Umfeld dazu, die Platten veröffentlichen wollten, aber bei ersguterjunge keine Möglichkeit dazu hatten. Das war erst RAF und dann haben das andere mitbekommen, denen RAF gesagt hat, sie könnten zu mir kommen. Dann kamen KC Rebell und PA Sports und später Chakuza, der gerade von ersguterjunge weg und in Gesprächen mit Four Music war, aber noch ein Album zwischendurch rausbringen wollte. Ich hatte vor allem ein gutes Timing und ein bisschen Glück. Plötzlich hatte ich ein paar coole Alben, die für viel Aufmerksamkeit gesorgt haben. Dadurch kamen immer mehr Leute auf mich zu. Ich hab' es als Learning betrachtet, wenn jemand mit mir arbeiten wollte. So ist es zu der Freunde von Niemand-Zusammenarbeit gekommen, auch wenn ich an das Projekt anfangs gar nicht wirklich geglaubt habe. Hadi El-Dor hatte mir das damals empfohlen und war entscheidend für die ersten Erfolge dieses Camps verantwortlich. Wenn man gar nicht groß nachdenkt, sondern einfach macht, enstehen manchmal großartige Dinge, die sonst vielleicht untergegangen wären.
MZEE.com: Du hast vorhin davon gesprochen, dass Künstler:innen, mit denen du arbeitest, eine gewisse Wertvorstellung haben müssen. Du bist als A&R bei iGroove tätig. Nachdem Universal die Arbeit mit Samra aufgrund der öffentlichen Diskussion um seine Person hat ruhen lassen, ist von ihm eine Single über iGroove erschienen. Was ist deine konkrete Rolle in diesem Fall und was ist deine Sichtweise auf die Situation?
D-Bo: Diese Aussage bezieht sich auf Signings bei Wolfpack, bei iGroove gibt es mehrere autonom agierende A&Rs und natürlich auch die Inhaber der Firma, die Deals machen. Ich hab' diese Samra-Single jedenfalls nicht gesignt. Ich bin bedingt durch die öffentliche Debatte ganz froh, dass ich nicht in der Situation war, das entscheiden zu müssen. Ich halte mich deshalb lieber mit einem konkreten Urteil über diesen ungeklärten Sachverhalt zurück. Was ich brutal wichtig finde und sehr eindeutig unterstütze, ist, dass generell eine Struktur geschaffen wird, bei der Personen empowert werden, die wesentlich sensiblere Antennen und offenere Ohren haben als die aktuellen Platzhirsche im Business. So werden die Aussagen, Sorgen und Bedürfnisse der Opfer unmittelbarer ernst oder vielleicht durch Empathie auch ohne direkte Anklage irgendwie von jemandem wahrgenommen. Und dass danach zielgerichtet agiert wird, um für eine Aufklärung zu sorgen und sich alle Marktteilnehmer bemühen, Fehler aus der Vergangenheit nicht zu wiederholen. Das gilt ebenso für andere Themen wie Fremdenfeindlichkeit und jegliches andere toxische Verhalten. Und, das möchte ich noch mal ganz deutlich betonen, das gilt vor allem auch außerhalb der Stellvertreterdebatte in der Musikbranche. Denn leider fehlt den Opfern von sexualisierter Gewalt, Mobbing, Rassismus, Ignoranz gegenüber Depressionen und und und eigentlich überall die nötige Lobby, um signifikant etwas bewegen zu können.
MZEE.com: Was müsste passieren, damit du die Zusammenarbeit mit Künstler:innen beendest?
D-Bo: Wenn ich weiß: Jemand hat einen Fehler gemacht und lernt nicht daraus. Wenn ich das so verwerflich finde, sei es moralisch oder juristisch, dann würde ich die Zusammenarbeit aufkündigen. Wer es glaubwürdig bereut und zukünftig besser machen möchte, für die oder den würde ich die Herausforderung annehmen, zu helfen. Das haben die Menschen dann auch verdient. Man verdient mit den Leuten Geld, aber wenn sie das Eigeninteresse belasten, werden sie fallengelassen. Das ist nicht mein Anspruch, das geht besser.
MZEE.com: Zurück zu 20 Jahren deutschem Rap. 2001 war es "D-Bo, Deutscha Playa", 2021 ist es "D-Bo, Wolfpack Entertainment". Wer hat neben dir diese 20 Jahre "überlebt"?
D-Bo: Alle der wesentlichen Protagonisten von "Deutscha Playa" haben sich etabliert und sind zu Legenden geworden. Bushido, Orgi, Hengzt … Fler war auf dem Album nicht drauf, aber war zu der Zeit auch in dem Umfeld. Die sind alle noch da und werden noch 20 weitere Jahre in diesem Business bleiben. Alle, die in diesem Kosmos irgendwie mitgedacht wurden, sind zu Säulen geworden, die für Berliner Rap stehen. Alles, was wir gemacht haben, hat für eine einzigartige Stabilität in der Wahrnehmung gesorgt. Der Einzige, der da noch mithalten kann, der zu der Zeit schon aktiv war, ist Azad. Eigentlich noch Savas, aber den sehe ich eher im Battlerap als im Streetrap.
MZEE.com: Abschließend stellt sich die Frage, wie die nächsten 20 Jahre deutscher Rap aussehen. Sind die Artists, die du suchst und findest, diejenigen, die deutschen Rap in den nächsten Jahren entscheidend mitgestalten werden?
D-Bo: Nimm zum Beispiel Antifuchs. In einer Szene, die funktioniert wie zu der Zeit, als ich angefangen habe, wäre sie wahrscheinlich jetzt eine Legende. Wir machen relativ viel im Feuilleton. Sie hat vier Seiten im SPIEGEL bekommen, der zum 100-jährigen Jubiläum des Frauenwahlrechts rauskam. Sie hat den Soundtrack zu einem Netflix-Film gemacht. Jetzt ist sie engagiert im Volkstheater München, wo gerade eine Trap-Oper entsteht, die im November Premiere feiert. So einzigartige Dinge haben wir mitgestaltet. Wir machen keinen Eistee und verkaufen kein Parfüm, aber der kulturelle Beitrag, den wir leisten, ist gigantisch. Auf dem Niveau, auf dem wir Erfolg messen, haben wir mit Antifuchs etwas Vergleichbares geschafft wie ersguterjunge-Künstler, die nicht in der allerersten Liga spielen. Genauso wollen wir das auch für Juno030 und McLuvin machen. Da haben wir unsere ganz speziellen Pläne und sehen die in einer gewissen Einzigartigkeit im deutschen Rap. Wir sind der Meinung, dass wir auf die richtigen Künstler:innen setzen in Hinblick auf die Wertigkeit, die sie in fünf Jahren auch inhaltlich haben können. Das sagt natürlich jedes Management, aber gerade das Beispiel Antifuchs macht das für uns deutlich.
(Malin Teegen & Michael Collins)