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Adventskalender

24 Jahre deutscher Rap in Tracks: Türchen #07 – Bushido (2003)

24 Tür­chen, 24 Jah­re deut­sche Rap-​Geschichte – in unse­rem Advents­ka­len­der las­sen wir die letz­ten Jah­re anhand aus­ge­wähl­ter Tracks Revue pas­sie­ren. Heu­te: "Bei Nacht" von Bushi­do aus dem Jahr 2003.

Es ist kalt, es ist grau, es gibt immer noch Coro­na. Die idea­le Zeit also, um Tag für Tag bei unse­rem Advents­ka­len­der mit­zu­fie­bern. Wie­der wer­fen wir einen Blick zurück auf die letz­ten 24 Jah­re: Wel­che Mei­len­stei­ne gab es? Wel­che Momen­te sorg­ten dafür, dass deut­scher Rap ein­fluss­rei­cher wur­de denn je? Weil uns Alben zu ein­fach sind (und wir sie schon hat­ten, sie­he hier), haben wir uns die­ses Jahr dran­ge­macht und den jeweils einen Track gesucht, der die Sze­ne über sein Erschei­nungs­jahr hin­aus ent­schei­dend geprägt hat. Jeden Tag stel­len wir Euch somit – ange­fan­gen 1997 – einen Song vor, der ent­we­der durch sei­nen Sound, sei­nen Inhalt oder sei­ne Form unse­rem Lieb­lings­gen­re sei­nen Stem­pel auf­ge­drückt hat.

 

2003: Bushi­do – Bei Nacht

Jeder mei­ner Tracks ist für mei­nen Stadtbezirk.
Gib mir einen Takt und ich zeig' dir, wie man zum Schat­ten wird.

In den Jah­ren vor 2003 war deutsch­spra­chi­ger Hip­Hop über­wie­gend vom Ham­bur­ger und Stutt­gar­ter Sound geprägt. Irgend­wo zwi­schen Con­scious Rap und poli­ti­schen Tex­ten, meist vol­ler Wort­witz. Der Gangs­ter­rap aus Comp­ton und der Bronx hat­te es noch nicht über den Teich geschafft – bis das Ber­li­ner Label Aggro Ber­lin als Gegen­be­we­gung zu den vor­herr­schen­den Strö­mun­gen erschien und einen eige­nen Gangster-​Vibe eta­blier­te. Ins­be­son­de­re Bushi­do stand anfangs dafür wie kein Zweiter.

Plötz­lich kommt da jemand aus der Haupt­stadt um die Ecke, der sich in sei­nen Songs nicht ele­gant aus­drückt und nicht die bis­her hoch­ge­hal­te­nen Wer­te des Hip­Hop ver­tritt, son­dern dem lyri­schen Gegen­über ver­ba­le Schel­len gibt und so ein eige­nes Ver­ständ­nis von Rap defi­niert. Mit der Lead­sin­gle "Bei Nacht" sei­nes ers­ten Solo­al­bums gibt Bushi­do HipHop-​Fans, die har­ten Rap bis­her nur in eng­li­scher Spra­che kann­ten, eine Hei­mat. Es flie­gen Schimpf­wor­te durch den Raum, der Prot­ago­nist stellt sich als mög­lichst über­le­gen dar und das har­te Instru­men­tal unter­streicht das Gan­ze. Damit öff­ne­te er eine gewal­ti­ge Tür, durch die Label­kol­le­gen wie Fler, Sido und spä­te­re Sze­ne­grö­ßen wie Haft­be­fehl bret­tern konn­ten. Wich­tig dafür ist mit­un­ter das teils vul­gä­re Voka­bu­lar, weil es die Spra­che der Stra­ße ein­fängt, auch wenn sexis­ti­sche und homo­pho­be Zei­len in jedem und damit auch die­sem Kon­text deplat­ziert sind.

"Bei Nacht" hat gewal­ti­ge Wel­len geschla­gen und Gangs­ter­rap, wie wir ihn heu­te ken­nen, erst mög­lich gemacht. Mit sei­nem Sound hat Bushi­do eine gan­ze Gene­ra­ti­on und Sze­ne geprägt. Reprä­sen­ta­tiv für das Album "Vom Bord­stein bis zur Sky­line" hat sich "Bei Nacht" damit den Platz als rele­van­tes­ter Song aus dem Jahr 2003 verdient.

(Micha­el Collins)
(Gra­fik von Dani­el Fersch)