Wer sich Pressebilder von deutschen Rappern ansieht, erkennt bei vielen schnell das einheitliche Muster: Ein Foto, auf dem der Künstler aggressiv in die Kamera blickt, eines in hochwertiger Schwarz-Weiß-Optik. Und natürlich der Klassiker – elegant an der Linse vorbeischauend, meist mit nachdenklichem Blick in die Ferne oder einem verschmitzten Grinsen. Bei Fuzl und Galv ist das jedoch anders. Eine GoPro und ein Tauchtrip sind offenbar alles, was die beiden für den Shoot von "Dito" gebraucht haben. Wer die Fotos genauer betrachtet, kann bereits einen ersten Eindruck davon erhalten, was die Zusammenarbeit für sie bedeutet: Spaß am gemeinsamen Musikmachen und Zeitverbringen. Ob der Entstehungsprozess wirklich so harmonisch war, haben wir in unserem Interview mit den beiden Künstlern in Erfahrung gebracht. Außerdem sprachen wir über ihre Herkunft aus halb-italienischem, halb-spanischem Elternhaus und darüber, was das Wort "Heimat" für sie bedeutet.
MZEE.com: Ihr habt kürzlich euer erstes gemeinsames Album "Dito" veröffentlicht. Gibt es etwas, das die aktuelle Platte hinsichtlich des Konzepts und der Arbeitsweise von euren vorherigen Releases unterscheidet?
Fuzl: Ich glaube, die Arbeitsweise und das Konzept waren eigentlich immer gleich. (lacht) Wir haben uns jetzt darauf konzentriert, ein bisschen ordentlicher zu arbeiten und weg von diesen Skizzen und dem Kassetten-Flavour zu kommen – hin zu richtigen Liedern. Ansonsten versuchen wir immer, die Musik wirklich zusammen zu machen. Es ist nichts entstanden, bei dem wir uns zwischen Beatbauen und Aufnehmen nicht gesehen haben.
MZEE.com: Was genau meinst du damit, ordentlicher zu arbeiten?
Fuzl: Davor haben wir "Rapito" gemacht. Ich feiere das immer noch richtig ab, es hat sehr viel Spaß gemacht. Aber es waren kaum Lieder dabei, die eine Hook hatten, geschweige denn eine zweite Strophe. Es war halt einfach ein Tape. Auf "Dito" haben die Songs eine Hook und eine komplette zweite Strophe. In meinen Augen geht das ein bisschen weg vom HipHop-Gedanken. Weg von dem Aufbau: 16er-Part, 4er-Hook, noch ein 16er-Part – und das alles über vier Loops mit wenig Variationen.
Galv: Wir hatten auf jeden Fall einen ganz anderen Anspruch. Wir haben "Power" als erste und "Klemmende Fahrstuhltür" als zweite Single veröffentlicht. Tatsächlich sind das auch die ersten Songs, die wir nach über einem Jahr Schaffenspause gemacht haben. Wir haben uns beide in dem Jahr – unabhängig voneinander – entwickelt und dann wieder getroffen. Da haben wir gleich gemerkt, dass wir auf einem anderen Level sind. Es war wichtig, dass wir daran festhalten und nicht nur irgendwelche Songs raushauen, sondern ein Album. Da wir beide viel reisen und unterwegs Musik machen, haben wir uns gesagt: Es muss sich lohnen, dafür einen Urlaubstag zu opfern.
MZEE.com: Was schätzt ihr an der Arbeit des anderen am meisten? Inwiefern inspiriert ihr euch gegenseitig?
Fuzl: Ich mache ja nicht so viel Musik mit anderen Menschen. In erster Linie sind wir richtig gute Freunde. Wir kennen uns seit einer langen Zeit. Mir geht es nicht darum, mit irgendeinem Künstler Mucke zu machen, sondern ein Projekt mit einem Kumpel umzusetzen. Das schätze ich am meisten an Gavino: dass wir zusammen Musik machen können, ein Hobby gemeinsam verfolgen. Da passen wir gut zueinander. Teilweise saßen wir gemeinsam im Haus und haben fünf Stunden lang nur Mucke gemacht, ohne miteinander zu sprechen.
Galv: Wir haben eine gemeinsame Geschichte. Fuzl und ich stimmen in unserem Musikgeschmack einfach zu hundert Prozent überein. Es gibt keinen Beat von ihm, den ich nicht mag. Egal, wie klein die Skizze auch sein mag, sie überlappt sich krass mit meinem eigenen Geschmack. Das ist auf jeden Fall eine brutale Basis und das merkt man unserer Kunst auch an.
MZEE.com: Galv, in unserem letzten Interview hast du erzählt, dass die Videos zu den Singles meist improvisiert entstehen. War das beim jetzigen Projekt auch so? Oder habt ihr den Albumgedanken verfolgt und euch Konzepte überlegt?
Galv: Beides. Alles ist immer noch improvisiert. Genau wie bei der Mucke hat man aber schon konkrete Vorstellungen. Wir machen alles selber. Dementsprechend agieren wir im Rahmen unserer Möglichkeiten. Mit jedem Projekt lerne ich besser, wie man konkrete Vorstellungen so gut und schnell wie möglich umsetzt. Sie sind auf jeden Fall noch krass improvisiert, aber es wurden wichtige Grundentscheidungen getroffen. Wir haben auch Vorarbeit geleistet. Das ganze Projekt läuft schon ein paar Jahre.
MZEE.com: Worauf achtet ihr inzwischen mehr?
Galv: Ich habe früher keine Videos selber gemacht. Meine ersten Videos sind mit der Muther Manufaktur und dem Pierre Sonality-Kollektiv entstanden. Da hatten vor allem Pierre und die anderen eine Vision. Ich habe sowas erst lernen müssen. Bei "Klemmende Fahrstuhltür" war das Feeling klar. Dann muss man überlegen, wie man das umsetzen kann. Das ist ganz viel Übung. Wir haben das Video fünf Minuten von Fuzls Wohnung entfernt gedreht. Drehort und Track haben einfach zusammengepasst. Bei "Power" war es ähnlich. Für mich war von Anfang an klar: Der hat so viel Flavour, da ist nichts authentischer, als das Video direkt an dem Ort zu drehen, an dem wir unsere Musik machen. Bei "Hasta El Cielo" brauchte ich etwas richtig Episches. In Ecuador habe ich die Möglichkeit gehabt, an einem Ort in fast 3 000 Metern Höhe zu drehen, der hier niemandem bekannt ist. Bei jedem Video ist das Material innerhalb weniger Stunden entstanden.
MZEE.com: Auf "Power" rappst du: "Die eine Hälfte bleibt auf der Strecke, während die andere Hälfte sich in 'nem Scheißhaus versteckte. Meist aus Scham, weil sie alle gleich aussahen." – Was stört dich an deutschem Rap im Moment am meisten? Hast du ein Beispiel?
Galv: Ich hate als Person eigentlich gar nicht. Diese Meinung vertrete ich, seitdem ich in der deutschen Raplandschaft Fuß gefasst habe. Entweder bin ich inspiriert oder ich ignoriere. Nur wenn Leute mich dazu zwingen, kann es sein, dass ich mich etwas aufrege. Aber es ist nicht so, dass mich wirklich etwas nervt. Ich bekomme, um ehrlich zu sein, auch gar nicht so viel mit. In meiner Rolle als Rapper sage ich immer wieder Sachen, die mich persönlich gar nicht so nerven. Wenn ich mir etwas reinziehe, ist es halt immer dasselbe: Es ist entweder zu gleich, zu ungewagt, zu unkreativ oder zu ungekonnt. Ich glaube, das war zu jedem Zeitpunkt so. Mit Trap ist es auf jeden Fall noch einfacher geworden. Jetzt kannst du mit den richtigen Hilfsmitteln, ohne irgendetwas zu können, Gehör finden. Es ist aber nicht so, dass mich das aufregt. Das ist mir wurscht.
MZEE.com: Gibt es ein deutsches Release, das dich im vergangenen Jahr inspiriert hat?
Galv: Es gab ein paar Releases, die ich krass gefeiert habe. Am meisten das, was man aus dem eigenen Dunstkreis mitkriegt. T9 haben wieder eine Bombenplatte gemacht. Besonders hervorzuheben ist meiner Meinung nach auch das Liquid & Maniac-Album. Es ist Mundart, aber die Typen sind der Wahnsinn. Die haben krasse Patterns und das Album ist extrem gut ausproduziert. Es besitzt einen kontemporären Sound, ohne belanglos zu sein. Ich glaube, dass das ein zeitloses Trap-Album ist. Die haben das auch von einem Typen mixen und mastern lassen, der sonst Kinofilme macht. Das habe ich nur zufällig mitbekommen. Ich habe mich gefragt, wie es sein kann, dass das über Spotify so laut ballert.
MZEE.com: Das Ding flog wohl ein bisschen unter dem Radar.
Galv: Das ist eben bayerischer Mundart-Rap. (lacht) Das fällt für einen Großteil automatisch raus. Wir sind ja sprachenfreundlich und sprachinteressiert. Die Patterns, die die ballern, sind einfach dope. Auf schwäbisch wäre das auch cool, aber da habe ich tatsächlich noch nichts gefunden, das ich feiere. Ich habe heute in das OG Keemo-Album reingehört. Das ist auch krass.
Fuzl: Ja, auf jeden. Den pumpe ich auch.
Galv: Beim Intro habe ich Gänsehaut bekommen.
MZEE.com: Galv, du hast eine Weile in Ecuador gelebt. Wie hast du die Musik- beziehungsweise HipHop-Szene dort erlebt? Was sind die größten Unterschiede zu Deutschland?
Galv: Als ich dieses Mal drüben war, habe ich gar nicht so viel Mucke mitgekriegt. Das war heftiger, als ich erstmals da gewesen bin. Es sind eher kulturelle Unterschiede als spezielle in der HipHop-Kultur. In Ecuador wird man von der Allgemeinheit als Künstler eher gefördert. Die wollen deine Musik hören, feiern und dir Props geben – unabhängig davon, ob du vorher schon etwas gemacht hast. Die Grundeinstellung ist dort offener. Die wollen direkt dein Zeug hören, wenn du denen erzählst, dass du rappst. Hier brauchen die Leute erst mal jemanden, der ihnen bestätigt, dass es cool ist, damit sie das feiern können. Ein auserlesener, voll entwickelter, eigener Geschmack ist hier in der Minderheit, was man ja auch am Underground sieht. Der ist cool und hardcore und supportet auch hardcore, aber an den Zahlen abgelesen ist es absurd. Das ist der einzige Kampf, den man hier immer hat. Jeder Rapper, der es hier "nach oben" geschafft hat, aber an sich nicht kommerziell eingestellt ist, muss trotzdem darüber rappen und sagen, dass er es endlich geschafft hat. Obwohl er davor nichts anderes gemacht hat, bis irgendjemand die Musik durchgewunken hat, damit sie mehr Leute erreicht. Irgendwann ist eine kritische Masse erreicht, dann wird die Musik akzeptiert und es ist plötzlich für alle dope – obwohl es nie etwas anderes war. Ich würde sagen, in Ecuador ist es vielleicht umgekehrt.
MZEE.com: Auf der Platte rappst du auch einige Lines auf Italienisch und Spanisch. Was macht für dich den Reiz daran aus?
Galv: Abwechslung. Es ist Teil meiner Identität. Ich habe jahrelang auf anderen Sprachen gerappt und sie teilweise auch gemischt. Das kommt halt manchmal wieder raus. Ich habe ein paar geile Texte, die ich mir aber aufbewahren will. Es wäre zu schade, die auf ein deutsches Album zu packen, bei dem klar ist, dass es nie jemand mitkriegt. Wenn ich irgendwann noch mal eine gute Connection habe, mit der man Leute erreicht, baller' ich auf jeden Fall zwei richtig geile spanische 16er raus. Damit will ich dann auch spanischsprachige Leute erreichen.
MZEE.com: Wie kam es dazu, dass du auf der aktuellen deutschsprachigen Platte Lines auf anderen Sprachen platziert hast?
Fuzl: Vor der Aufnahme von "Cortez" waren wir in Italien.
Galv: Genau, davor waren wir in Spanien und Italien. Bei "Cortez" habe ich eine krasse Recording-Session eingelegt. Wir haben die Sachen im Urlaub und unterwegs geschrieben und dann in Rottweil alles auf einen Schlag aufgenommen. Dort hatte ich um vier Uhr morgens fünf oder sechs fertige Sachen recordet. Das Instrumental war eigentlich als Skizze gedacht. Dann hat Fuzl daraus aber einen richtig krassen Beat gemacht, der für eine Skizze zu schade gewesen wäre. Darauf habe ich mich dann kreativ ausgelebt. Ich hatte vorher schon fünf Stunden alleine aufgenommen und war in so einer Art Dämmerungszustand. Dann sind die Worte einfach so herausgekommen. Den anderen Track, auf dem ich Italienisch und Spanisch rappe, haben wir in meinem Heimatort auf Sardinien aufgenommen. Meine Freunde von dort haben die Instrumente live eingespielt. Das war quasi ein Shoutout an den Dude, der das gespielt hat, damit er es auch versteht.
MZEE.com: Du hast das Thema bereits angesprochen: Heimatgefühl. Fuzl, du bist Halbspanier, Galv ist Halbitaliener und hat lange in Ecuador gelebt – da kommen einige Kulturen und Einflüsse zusammen. Wo empfindet ihr ein klassisches Gefühl von Heimat?
Fuzl: Ich habe mir darüber schon ziemlich lange Gedanken gemacht und glaube nicht, dass ich es einordnen kann. In Rottweil bin ich zur Schule gegangen. Aber ich habe kein Heimatgefühl, wenn ich zu meinen Eltern zurückgehe. Ich wohne schon länger in Österreich und sage auch, dass ich Wiener bin. Heimatgefühl ist für mich – als jemand aus einem der ersten Jahrgänge, die das Bachelorsystem und ein Europa ohne Grenzen so richtig ausnutzen können – ein überholter Begriff. Ich habe nicht wirklich eine Heimat, sondern viele verschiedene Orte, die ich Zuhause nenne.
MZEE.com: Also verbindest du das nicht mit einem konkreten Ort. Würdest du denn sagen, dass der Begriff der Heimat mittlerweile eher negativ konnotiert ist?
Fuzl: Das ist abhängig von der Person. Natürlich wird der Begriff von den Rechten sehr häufig verwendet. Für mich ist er auf jeden Fall überholt. Ich glaube nicht an die Heimat. Sie ist ja eigentlich eine Pilgerstätte. Ein Ort, an dem man aufgewachsen ist, woher die Familie kommt und an den man immer wieder zurückkehrt oder dort bleibt.
Galv: Ich glaube, ich kann das gut zusammenfassen. Heimat ist mehr ein Gefühl als ein Ort. Es war lange Zeit ein Gefühl, das man mit einem Ort verbunden hat, weil es für die Menschen nicht anders ging. Die Welt ist aber heimatloser denn je. Das bringt wiederum eine Gegenbewegung mit sich. Diese ist ohnmächtig dadurch, dass sich die Welt so schnell verändert und zusammenwächst wie nie zuvor. Menschen wechseln häufiger den Ort und damit auch die Heimat. Das führt dazu, dass sich einige umso stärker an ihren Heimatort klammern. Man hört diese Gegenstimmen nur am lautesten schreien. Es sind weniger Menschen als je zuvor, die sich nur mit einem Ort identifizieren. Die Globalisierung und Vernetzung des Globus ist unaufhaltsam. Es gibt ja jetzt schon die dritte und vierte Generation nach uns, die reisen muss, um überhaupt ein Gefühl dafür zu bekommen, wo ihr Platz auf der Welt ist.
MZEE.com: Kannst du den letzten Satz etwas näher erläutern?
Galv: Schau dir mal die Tendenzen an. Es ist nichts mehr so, wie es noch vor ein paar Jahren war, weil die Welt sich so schnell verändert – genau wie die Werte und die Gesellschaft an sich. Man hat einen Überfluss an Informationen. Für junge Leute ist es normal geworden, in die Welt rauszugehen und ihren Platz woanders zu finden, anstatt am selben Ort zu bleiben, sein Ding zu machen und sich damit zufriedenzugeben. Die Menschheit ist im Umschwung – im Guten wie im Schlechten. Hier hast du halt Touristen und Backpacker. Der Klimawandel wird die ganze Völkerwanderung noch viel krasser vorantreiben, sodass wir noch mehr Kulturaustausch haben. Das muss alles zusammenspielen. Die Gesellschaft der Zukunft muss noch viel mehr kulturellen Austausch und dadurch Heimat-Identitätskrisen verkraften können.
Fuzl: Das Internet sorgt für ein größeres Bewusstsein bei den Menschen – dafür, dass es anderswo anders läuft. Das spielt bei vielen politischen Bewegungen auf der Welt eine große Rolle. Aktuell zum Beispiel in Südamerika. In Deutschland etwa war den Leuten nicht bewusst, dass Franco in Spanien bis Ende der 70er Jahre als Diktator regiert hat. Der wurde noch nicht mal geputscht und die Deutschen sind da hingereist, um Urlaub zu machen. Durch das Internet kann für solche Umstände ein viel größeres Bewusstsein geschaffen werden. Es kann aber natürlich auch in eine andere Richtung umschlagen und Menschen blöd machen. Außerdem denken manche, sie wären politisch, obwohl sie im Endeffekt nur die Überschriften von irgendwelchen Nachrichten lesen.
MZEE.com: In welchen Bereichen würdet ihr ein anderes Leben führen, wenn ihr an einem anderen Ort aufgewachsen wärt?
Galv: Kommt darauf an, an welchem Ort man aufgewachsen wäre. Man muss sich gesellschaftlichen Strukturen gegenüber auf irgendeine Art und Weise immer dynamisch verhalten.
MZEE.com: Was meint ihr, in welchen Bereichen euch eine andere Kultur in Hinblick auf eure Musik geprägt hätte?
Galv: Ich war echt viel im Ausland und habe davon nur profitiert. Ich muss immer daran denken, wie krass China ist. Da leben so viele Menschen. Einige Fragen, die wir uns hier stellen, stellen die sich dort gar nicht, weil es nicht funktionieren würde. Trotzdem funktioniert es irgendwie. Die Leute dort sind krass on point.
Fuzl: Ich glaube, wenn ich irgendwo in der Karibik oder in Südamerika aufgewachsen wäre, würde ich vielleicht Dancehall oder Reggae produzieren. (lacht)
Galv: G, du würdest Roots machen. (lacht)
MZEE.com: Spätestens dann wäre "Palmen aus Plastik" auch nach Deutschland gekommen.
Galv: Die Musik hier profitiert immer von anderen Kulturen und Einflüssen.
MZEE.com: DLTLLY möchte ein On Beat Battle-Event in Berlin veranstalten. Galv, nachdem du auf der Tapefabrik gegen Schote angetreten bist: Könntest du dir vorstellen, erneut in den Ring zu steigen?
Galv: Stimmt, die machen jetzt das erste On Beat-Event. Die Jungs haben mich auch gefragt und ich hatte es kurz in Erwägung gezogen, werde aber nicht teilnehmen. Damals sind ein paar Sachen zusammengekommen, die zu der Entscheidung geführt haben, das einmalig zu machen. Ich wollte noch mal zur Tapefabrik, weil ich am nächsten Tag für ein Dreivierteljahr nach Ecuador gegangen bin. Ich wollte noch mal Promo für das Album machen, das zwei Monate später rauskam, und keinen Slot bekommen hatte. Das Battle kam hauptsächlich deswegen zustande, weil die Gründer von DLTLLY gute Freunde von mir sind. Ich habe die Jungs abseits der Battle-Plattform kennengelernt, als ich beim internationalen End Of The Weak-Finale in Uganda angetreten bin. Die Jungs haben das damals dokumentiert und waren auch als Privatpersonen dabei. Die beiden waren der Hauptgrund, dass ich beim On Beat Battle der Tapefabrik mitgemacht hab'.
MZEE.com: Reizen dich Live Battles gar nicht mehr?
Galv: Wenn End Of The Weak in dem Rahmen stattfinden würde oder etwas mit ähnlichen Ausmaßen, würde ich auf jeden Fall häufiger hingehen. Das ist eine ganz andere Art von Competition. Plain Battles sind nicht so meine Welt. Ich kann das auf jeden Fall relativ gut, glaube ich, aber man muss bedenken, dass das sehr viel Aufwand ist. Ohne jemandem zu nahetreten zu wollen: Der Hauptteil der Leute, die da mitmachen, haben den Clinch, dass sie abseits der Plattform nicht wirklich stattfinden. Das ist bei mir gar nicht der Fall – im Gegenteil. Ich habe mir über Jahre mein Ding aufgebaut und bringe dementsprechend auch Sachen mit in den Ring.
MZEE.com: Du möchtest dich auch nicht darauf reduzieren lassen, oder?
Galv: Ja, ich habe das einfach nicht nötig. Ich muss mich nicht darauf reduzieren lassen. Du kriegst dafür auf jeden Fall gut Aufmerksamkeit. Leute sprechen dich darauf an – so wie du jetzt. Auf das, was ich mache, hat es im Endeffekt aber keinen großen Einfluss. Es ist noch keiner deswegen zu meinem Konzert gekommen. Es würde vielleicht Sinn machen, wenn es näher am Release wäre, aber jetzt ist es ja schon in vollem Gange. Und wen sollte ich jetzt battlen? Es müsste ja jemand sein, der auf derselben Ebene arbeitet wie ich. Ganz abgesehen davon ist es ein brutaler Aufwand für die kurze Zeit auf der Bühne.
MZEE.com: Das stimmt natürlich. Da war Schote ein guter Gegner.
Galv: Ja, da konnte ich mir zumindest etwas reinziehen, auch wenn ich das gar nicht wollte. Es war so eine Mischung aus allem. Du musst dich drei Monate lang mit einem Typen auseinandersetzen, was du sonst nicht machen würdest. Ich feier' das alles nicht so krass und verfolge es auch nicht regelmäßig. Dann betreib' ich dafür einen Aufwand, den ich normalerweise für ein Album betreiben würde. Das ist sehr viel Schreibarbeit und Vorbereitungszeit. Und das für einen Gig, der nicht mal ansatzweise den Effekt hat, den ein Album aufweisen kann. Von dem kann ich langfristig profitieren und habe nicht nur zehn Minuten Gladiatoren-Spotlight.
MZEE.com: Bleiben wir noch bei der Tapefabrik: Das Festival hat sich selbst das Ziel gesetzt, bis 2022 eine Quote von 50 Prozent an weiblichen Acts zu erreichen. Wie seht ihr das?
Fuzl: Da haben wir neulich schon mit DJ Rookie drüber geredet. Ich denke, es ist in vielen musikalischen Bereichen gar nicht so schlecht, wenn man versucht, eine Frauenquote einzuführen. Die Fusion macht das schon länger – genauso wie andere Technoveranstaltungen auch. Auf der einen Seite geht es dabei um eine symbolische Wirkung: Frauen und junge Mädchen können auch rappen. HipHop hatte schon immer eine Teacher-Rolle. Es ist eine Jugendkultur und fängt vor allem junge Menschen auf. HipHop hat immer eine Meinung, etwas zu sagen und politischen Input gehabt. Deswegen denke ich, eine Frauenquote ist sehr gut und kann eine große symbolische Wirkung haben. Das ist die eine Seite. Auf der anderen Seite denke ich, es ist eine Kunstrichtung. In der Kunst sollte es darum gehen, dass jemandem, der etwas gut kann, eine Bühne gegeben werden sollte – unabhängig vom Gender. Ich finde beide Seiten sehr wichtig und habe deshalb keine konkrete Meinung zur Tapefabrik. Die Genderdebatte im Allgemeinen geht eher in die Richtung, dass man versucht, mit symbolischer Wirkung die Frauen, insbesondere junge, zu bestärken. So kann man ein Bewusstsein in der Gesellschaft schaffen – oder in diesem Fall bei HipHop-Hörern. Im Endeffekt sollte es dahin gehen, dass es egal ist, was für ein Gender man hat.
Galv: Dem schließe ich mich an.
(Sven Aumiller & Malin Teegen)
(Fotos von Martin Taylor)