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Kritik

Sido – Ich und keine Maske

"Ich brauch' kei­ne Mas­ter­card und Visa, ich zah­le bar in lila. Zwan­zig Jah­re Rap, ich hab' bekomm', was ich ver­dient hab'." – Hier fin­det Ihr ab sofort die Kri­tik zu Sidos aktu­el­lem Release "Ich und kei­ne Mas­ke" aus den Rei­hen der MZEE​.com Redaktion.

Ich brauch' kei­ne Mas­ter­card und Visa, ich zah­le bar in lila.
Zwan­zig Jah­re Rap, ich hab' bekomm', was ich ver­dient hab'.

Elf Jah­re ist es inzwi­schen her, dass Sido sein drit­tes Album "Ich und mei­ne Mas­ke" ver­öf­fent­licht hat, das den roug­hen Sound von "Mas­ke" und den vom etwas pop­pi­ger ange­hauch­ten "Ich" zusam­men­führ­te. Eini­ge Radio­sin­gles und Solo­plat­ten nach dem Able­gen der damals cha­rak­te­ris­ti­schen Mas­ke soll "Ich und kei­ne Mas­ke" nun auf­zei­gen, was sich seit­dem ver­än­dert hat.

Der wesent­li­che Unter­schied vom dama­li­gen Sido zum heu­ti­gen ist der kom­mer­zi­el­le Erfolg, der inzwi­schen weit über die Rap­sze­ne in den pop­kul­tu­rel­len Main­stream reicht. Die­se Tat­sa­che könn­te im Hin­blick auf frü­he­re Sin­gles wie "Bil­der im Kopf" oder "Astro­naut" dazu ver­lei­ten, eine mit poten­zi­el­len Radio­sin­gles gespick­te Plat­te zu erwar­ten. Doch in die­sem Fall bleibt die Sor­ge wei­test­ge­hend unbe­grün­det. Statt­des­sen erin­nert der Sound an den geis­ti­gen Vor­gän­ger aus dem Jah­re 2008 – "Ich und mei­ne Mas­ke". Straigh­ter Rap wird mit melo­di­schen Beats und leicht Pop-​inspirierten Gesang­shooks kom­bi­niert. Jedoch wird nie damit über­trie­ben, sodass ein stim­mi­ges Gesamt­bild ent­steht. Wäh­rend die Gast­bei­trä­ge damals über­wie­gend aus dem Aggro Berlin-​Umfeld stamm­ten, wird hier einer­seits die Zusam­men­ar­beit mit gehyp­ten New­co­mern wie Apa­che 207 und Sam­ra gesucht. Ande­rer­seits fin­det man zudem eta­blier­te Sze­ne­grö­ßen wie Cas­per und Kool Savas als Fea­ture vor. Inhalt­lich wird ein brei­tes Spek­trum abge­deckt – es geht um den eige­nen Wer­de­gang und per­sön­li­che The­men wie Fami­lie, aber auch klas­si­sches Repre­sen­ten fin­det sei­nen Platz. Der über­wie­gend posi­ti­ve Ein­druck zieht sich über die ers­ten 13 Songs des Albums. Dann jedoch pas­siert das, was auf einer Sido-Plat­te im Jahr 2019 wohl lei­der pas­sie­ren muss: Der befürch­te­te poten­zi­el­le Radio­hit setzt ein. Und das aus­ge­rech­net mit Johan­nes Oer­ding, dem kein deut­scher Sän­ger das Was­ser rei­chen kann, wenn es dar­um geht, Kli­schees zu erfül­len. Schade.

Blen­det man den letz­ten Song "Pyra­mi­den" aus, han­delt es sich bei "Ich und kei­ne Mas­ke" um ein wirk­lich gutes Album. Sido gelingt es, frü­he­re Ansät­ze zeit­ge­mäß umzu­set­zen. Auch wenn er die Mas­ke schon seit Jah­ren nicht mehr trägt, wird spä­tes­tens jetzt klar, dass sei­ne Musik auch ohne das Gim­mick funktioniert.

(Micha­el Collins)