Kaum eine Szene hierzulande scheint so facettenreich zu sein wie die Deutschrapszene. Während es bereits jetzt schon fast unmöglich erscheint, jeden einzelnen, etablierten Vertreter zu kennen, steigt die Zahl neuer, noch unbekannter Künstler exponentiell weiter an. Den Überblick zu behalten, gleicht einer Herkulesaufgabe: Hat man sich ein Gesicht der HipHop-Hydra gemerkt, tauchen schon wieder mindestens zwei neue auf. Gleichzeitig ist es für unbekannte, junge Talente überaus schwer, aus der überwältigenden Masse an Musikern herauszutreten und sich einen Namen zu machen.
Beiden Seiten soll unser Soundcheck eine Hilfestellung bieten. Producern, die bisher noch in den Tiefen des Untergrunds untergegangen sind, eine Plattform geben, auf der sie sich kurz, aber prägnant präsentieren können. Und Hörern und Fans ermöglichen, sich einen schnellen Überblick über nennenswerte Künstler zu verschaffen, die sie bisher vielleicht noch gar nicht auf dem Schirm hatten.
MZEE.com: Bereits 2015 hast du unter anderem für die Häng Man Gang produziert und erste Releases veröffentlicht. Aber wann und wie bist du HipHop allgemein erstmals begegnet?
High John: Das erste Rapalbum, mit dem ich mich befasst habe, war "Samy Deluxe" von Samy Deluxe. Das war so um 2001 oder 2002, als ich die Single "Weck mich auf" auf MTV gesehen hatte. Nachdem meine Eltern mit mir als Baby ausgewandert sind und wir an allen möglichen Orten der Welt gelebt haben, war ich gerade mal seit circa drei Jahren zurück in Deutschland. Zehn Jahre alt. Mein ungarischer Akzent war deutlich zu hören und meine asiatischen Gene trugen auch dazu bei, dass ich immer irgendwie als anders auffiel. Meine Mutter ist weiß und war zu dem Zeitpunkt alleinerziehend. Sie hatte sich nie mit dem Thema Migration beschäftigt und ihr schien auch nicht aufzufallen, dass ich nicht als Deutsch gesehen wurde. Ich war zum Glück gut darin, mich mit neuen Leuten zu connecten und mir meine Andersartigkeit zunutze zu machen. Trotzdem habe ich auch Ausgrenzung und Ablehnung erfahren. In mir hatte sich eine enorme Wut angestaut und ich stritt oder prügelte mich öfters mit Kids, die meinten, mich ärgern zu müssen. Als fast einziges nicht-weißes Kind an meiner Schule hatten die Lehrer null Verständnis für meine Wut und ich war dann der Böse. Und dann hörte ich plötzlich Samy Deluxe, wie er zu seiner Hochzeit genau dieselbe angestaute Wut mit seinen Hardcoreraps entladen hat. Das hat mich so sehr geflasht. Ich konnte damals schon mit zehn oder elf das gesamte Album mitrappen und habe meine eigene Identität durch seine Texte langsam besser kennengelernt. Das hat mir sehr viel gegeben. Circa zwei Jahre später bei einer Jugendreise traf ich dann jemanden, der selbst Raps geschrieben und gerappt hat. Noch vor Ort schrieb ich dann meine ersten Lines und Doppelreime. Mein erstes Rapmixtape mit sherlock flows haben wir 2009 gemeinsam auf CD rausgebracht und das erste Album auf Tape – mit Kid Karu als DJ und Producer – kam 2012. Dort waren auch meine ersten beiden veröffentlichten Beats drauf.
MZEE.com: Hast du dich auch in den anderen HipHop-Disziplinen versucht – oder ging es von Anfang an um Beats und Instrumentals?
High John: Nein, es hat mit Rap angefangen. Zwischendurch war ich vom Breaking sehr geflasht und versuchte auch immer wieder mal ein paar Breakermoves, aber hatte keine richtige Crew oder so. Deshalb hat das keinen Spaß gemacht. Danach war ich lange Zeit Teil der Veranstaltungsreihe Sketch Corner. Da habe ich viel gemalt und gezeichnet, aber ohne Fokus auf Graffiti. Zügemalen und so war mir ehrlich gesagt auch zu stressig. Das habe ich anderen überlassen. Und mittlerweile sind Producing und ein bisschen DJing die letzten beiden verbliebenen Elemente, die ich ausübe – dafür aber immer noch mit meinem ganzen Herzen!
MZEE.com: Um es mal auf den Punkt zu bringen, beende bitte folgenden Satz: "Meine Musik ist wie eine Mischung aus …"
High John: … meinen Gefühlen und Erfahrungen, dem, was ich ausdrücken will und meinem unstillbaren Drang danach, Neues zu erschaffen. Oder aber: … einer Weltreise auf einem Einhorn und sinnlicher Meditation auf dem Mond – je nachdem, ob ich sie gerade mache oder höre. (lacht)
MZEE.com: Wenn du jetzt nur einen deiner Beats hättest, um jemandem deine Musik zu präsentieren, welcher wäre das?
High John: Das wäre wahrscheinlich eine unveröffentlichte Produktion und auch fast jeden Tag eine andere. Meine Musik, Stimmung und Selbstwahrnehmung verändern sich ja ständig. Aber dem Leser würde ich zum Reinhören "Mailbox Message" empfehlen. Der stößt auf sehr viel gute Resonanz und ist sehr geschmeidig. Allerdings mag ich persönlich auch Ecken und Kanten. Wenn es der Person, der ich den Track empfehlen soll, auch so geht, würde ich dann doch "Helpless", "In Here" oder "Out There" empfehlen. Eine sehr ehrliche EP von mir ist "Love Movie Music". Die ist innerhalb von zwei oder drei Tagen entstanden und hat eine sehr besondere Stimmung eingefangen. Eigentlich sehe ich auch immer eher Alben oder EPs als meine Werke anstatt einzelner Songs.
MZEE.com: In Kürze veröffentlichst du zusammen mit Douniah das Album "Dream Baby". Was sind dann die nächsten Schritte? Oder hast du für dich sogar schon das Ziel festgelegt, das du mit deiner Musik erreichen willst?
High John: Natürlich werde ich weiterhin Beats machen. Ich möchte mich weiter mit Musiktheorie auseinandersetzen, Neues ausprobieren, meine Musik weiterentwickeln und diggen, was das Zeug hält. Eigentlich alles wie immer halten. Ich arbeite mit vielen Musikern zusammen. Aktuell zum Beispiel mit Douniah, Muskart von den Dudes, mit sherlock flows an unserem zweiten High Flows-Album, mit Cap Kendricks, Nokiaa aka Dayle, AgaJon … Und das werde ich auch weiterhin tun. Mir macht es Spaß, beim Arbeiten voneinander zu lernen und eine gute Zeit zu haben. Aber auch allein gibt es für mich nichts Bereichernderes, als Musik zu hören und zu machen. Immer weitermachen ist also eins meiner Ziele. Das Privileg, von meiner Musik leben zu können, genieße ich dabei sehr und habe auch weiterhin vor, meine Brötchen mit dem zu verdienen, was ich am liebsten mache. Mit einem anderen Job könnte ich meinem Drang nach Musik nicht gerecht werden. Da ich eh jeden Tag an neuen Produktionen sitze, habe ich bereits mehrere Projekte in petto. Dabei werde ich auch weiterhin mit Douniah zusammenarbeiten. Aktuell feilen wir an Album Nummer zwei. Darüber hinaus habe ich eine Solo-EP mit eher ruhigen, gefühlvollen Instrumentalen und eine LP mit spacigen Tracks fertig. Da habe ich wirklich alles selbst eingespielt. Beide warten nur noch auf Master und Presswerk. Auch wenn ich lieber in größeren Releases denke, hau' ich regelmäßig neue Singles auf Spotify raus. Außerdem habe ich gerade angefangen, eine neue Raw Suppliers-LP zu kuratieren. Es gibt also immer etwas zu tun.
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(Daniel Fersch)
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