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Interview

Johnny Rakete

"Wie wich­tig bin ich in mei­nem sozia­len Umfeld? Würd' mich jemand ver­mis­sen, wäre ich nicht mehr da? Das sind manch­mal Din­ge, über die ich mir Gedan­ken mache." – John­ny Rake­te im Inter­view über das The­ma Tod, die japa­ni­sche Pop­kul­tur, sei­ne Außen­wir­kung und "Trau­ri­ger Jun­ge mit Rauch in der Lunge".

John­ny Rake­te: Der Rap­per, der auf Twit­ter von sich sagt, er habe den "Heroin-​Look" wie­der salon­fä­hig gemacht. Oft­mals wird er auch als Weed-​Rapper beti­telt – doch ist die­se Bezeich­nung gerecht­fer­tigt? Sein Debüt­al­bum "Trau­ri­ger Jun­ge mit Rauch in der Lun­ge" ist düs­ter und tief­grün­dig. Es beweist, dass hin­ter John­ny Rake­te mehr steckt als Kif­fen und lau­tes Den­ken auf Oldschool-​Boom bap-​Beats. Um her­aus­zu­fin­den, was ihn zu sei­nen Inhal­ten bewegt hat und war­um er Dia­lo­ge aus einem Ani­me in sein Album inte­grier­te, führ­ten wir ein Inter­view mit ihm. Wir erfuh­ren außer­dem, wie er über 90er-​Boom bap, Gras­kon­sum und sei­ne Wir­kung nach außen denkt.

MZEE​.com​: "Trau­ri­ger Jun­ge mit Rauch in der Lun­ge" ist dein Debüt – viel län­ger als dei­ne vor­he­ri­gen Wer­ke ist es aller­dings nicht gewor­den. Wor­in liegt für dich der Unter­schied, dass du die Plat­te als dein ers­tes Album bezeichnest?

John­ny Rake­te: Das ist 'ne gute Fra­ge. An dem Album hängt für mich ein­fach emo­tio­nal mehr dran. Natür­lich hät­te ich auch ein­fach eine EP mit neun Songs machen kön­nen. Ich weiß nicht, ob es eine offi­zi­el­le Gren­ze gibt, ab wann man eine Plat­te nicht mehr EP nen­nen kann. Ein Unter­schied ist auf jeden Fall, dass ich für das Album etwas anders und geziel­ter an die Tex­te her­an­ge­gan­gen bin. Ich hab' fünf EPs gemacht, es wur­de ein­fach auch mal Zeit für eine LP und dann hab' ich gesagt: "Okay, dann machen wir jetzt halt eine." Was da jetzt der gro­ße Unter­schied ist, das muss jeder für sich ent­schei­den. Es ist halt ein sehr kur­zes Album, sagen wir es so.

MZEE​.com​: War es im End­ef­fekt eine bewuss­te Ent­schei­dung, die­ses Mal ein Album zu machen anstatt einer EP?

John­ny Rake­te: Man macht es als Künst­ler auch für die Außen­wahr­neh­mung. Ich wür­de mei­nen EPs nicht weni­ger Wich­tig­keit zuspre­chen als dem Album. Aber natür­lich ist es für die Wir­kung auf die Sze­ne, Labels und Maga­zi­ne schon wich­tig, dass ein Künst­ler mal ein rich­ti­ges Album hat, an dem er gemes­sen wer­den kann bezie­hungs­wei­se was ihn als Künst­ler posi­tio­niert. Das spielt da 'ne gro­ße Rol­le. Ich hät­te jetzt noch gefühlt zehn Jah­re lang EPs machen kön­nen, das wäre für mich auch klar­ge­gan­gen. Aber irgend­wann kommt der Moment, in dem du sagst: "Okay, jetzt muss mal was kom­men, was das Gan­ze auf den Punkt bringt." Da ist ein Album die logi­sche Konsequenz.

MZEE​.com​: Die Plat­te ist deut­lich düs­te­rer und tief­grün­di­ger gewor­den als dei­ne vor­he­ri­gen Releases. Du redest auch expli­zi­ter über dei­ne per­sön­li­chen Befind­lich­kei­ten. Wie kamst du auf die Idee, dein neu­es­tes Werk so zu gestalten?

John­ny Rake­te: Ich bin eigent­lich gar nicht der YouTube-​Kommentare-​Leser, aber es gab einen Kom­men­tar, der mich zum Nach­den­ken gebracht hat. Um das grob wie­der­zu­ge­ben: "Bei Rake­te klingt's ein­fach immer so, als wür­de der jedes Mal den glei­chen Song auf 'nem ande­ren Beat auf­neh­men." Ich dach­te mir: "Du Bas­tard." (lacht) Aber wenn ich mir jetzt mit etwas Abstand älte­re Songs von mir anhö­re, kann ich zu einem gewis­sen Grad nach­voll­zie­hen, was er damit gemeint hat. Mei­ne Songs sind mit ein paar Aus­nah­men the­ma­tisch immer sehr offen. Ich set­ze mich oft auf eine ähn­li­che Art und Wei­se mit The­men oder mir selbst und mei­ner Gefühls­welt aus­ein­an­der. Das macht es bei man­chen Songs viel­leicht etwas schwie­ri­ger, zu defi­nie­ren, wor­um genau es inhalt­lich geht. Natür­lich hab' ich mir dann gedacht: "Okay, viel­leicht macht es Sinn, die Tex­te ein biss­chen geziel­ter zu schrei­ben und nicht nur lose Gedan­ken auf 'nen Track zu packen." Des­we­gen ist die Plat­te mehr auf den Punkt gebracht als die Releases davor, die immer sehr nach­denk­lich und etwas ver­schwom­men waren. Songs wie "Manch­mal", "42" und "Wie immer" gehen zum Bei­spiel in eine ähn­li­che Rich­tung, sowohl inhalt­lich als auch, was den Sound angeht. Das ist ja nichts Schlech­tes und letzt­lich der Tat­sa­che geschul­det, dass die­se Art von Musik eben mein Style ist. Die­ses Mal woll­te ich die Unter­schie­de zwi­schen den Tracks stär­ker her­aus­ar­bei­ten, damit jeder Song mehr Aus­sa­ge­kraft hat und für sich steht.

MZEE​.com​: Du hast also schon bewusst etwas verändert.

John­ny Rake­te: Zu einem gewis­sen Grad natür­lich. Du setzt dich dann als Rap­per hin und sagst: "Okay, jetzt steht das Album an, also musst du ablie­fern, wie du bis­her noch nie abge­lie­fert hast." Ich bin halt noch damit groß gewor­den, dass Debüt­al­ben von Rap­pern unheim­lich wich­tig sind und die ers­te LP einen beson­de­ren Sta­tus hat. Vie­le Erst­lings­wer­ke von legen­dä­ren Rap­pern haben mich in mei­ner Rap­so­zia­li­sa­ti­on sehr stark beein­flusst. Vie­le die­ser Alben sind im Kon­text der Geschich­te von Rap ja auch extrem wich­tig, mit "Ill­ma­tic" sei jetzt mal nur ein ein­fa­ches, aber sehr bekann­tes Bei­spiel genannt. Und den Anspruch hat­te ich dann natür­lich auch an mich selbst. Mein Debüt soll krass wer­den und eine Ent­wick­lung gegen­über dem dar­stel­len, was ich davor gemacht habe. Und ich bin der Mei­nung, dass mir das ganz okay gelun­gen ist.

MZEE​.com​: Die Aus­sa­ge hört man auch nicht so oft, dass ein Rap­per sagt, das neue Album sei ganz okay gelungen.

John­ny Rake­te: Schau mal, ich sag's dir ganz ehr­lich: Ich mag das Album und ich bin super­zu­frie­den damit. Aber ich weiß jetzt schon, dass das nächs­te noch mal gei­ler wer­den muss. Ich hab' da zum Glück noch nicht den Punkt erreicht, an dem ich sage: "Das war das Maxi­mum von dem, was ich kann." Ich befas­se mich ja mit den Songs des Albums schon wesent­lich län­ger als alle, die es erst ab Okto­ber hören. Ich hör' die Songs gefühlt schon seit einem Jahr. Ich will das jetzt raus­brin­gen, aber auch direkt mit neu­em Kram wei­ter­ma­chen, weil das Zufrie­den­heits­le­vel noch nicht kom­plett erreicht ist. Ich glau­be, das soll­te es nie sein. Da ist immer die Ambi­ti­on, mich zu steigern.

MZEE​.com​: Der rote Faden in dei­nem Album sind Dia­lo­ge aus "Cow­boy Bebop". Inwie­fern hat dich der Ani­me inspiriert?

John­ny Rake­te: So direkt jetzt gar nicht. Ich hab' mir nicht die Serie ange­guckt und dar­aus Sachen für die Songs gezo­gen. Die Atmo­sphä­re in dem gan­zen Ani­me ist aber auch so ein biss­chen düs­ter und melan­cho­lisch. Wer dar­aus etwas zie­hen will, kann das machen. Die Songs stan­den aber schon, als ich mir über­legt habe, die Dia­lo­ge mit draufzupacken.

MZEE​.com​: Das ist ein ganz coo­les Gimmick.

John­ny Rake­te: Ich bin grund­sätz­lich ein gro­ßer Fan davon, einen roten Faden zu stri­cken, der das Album zusam­men­hält. Sei­en es jetzt Skits oder irgend­et­was ande­res. Ich hab' ja auch auf "Per Anhal­ter durch die Gala­xis", der ers­ten EP, schon mit sol­chen Film­schnip­seln gear­bei­tet. Ich dach­te mir, fürs Album passt das wie­der. Du hast prak­tisch noch mal einen zwei­ten Erzähl­strang, der par­al­lel statt­fin­det. Ich hat­te auch echt Glück, dass der Ani­me extrem vie­le gute Dia­lo­ge her­ge­ge­ben hat, die unheim­lich tref­fend für die Songs waren.

MZEE​.com​: Das ist ja qua­si ein Äqui­va­lent zu DJ-​Cuts, die man zu ver­schie­de­nen The­men hat.

John­ny Rake­te: Zum Bei­spiel. Wie gesagt, es war echt nicht geplant, dass jeder Song ein Intro und ein Out­ro hat und einen Film­schnip­sel bekommt, aber es hat dann ein­fach gepasst. Ich mag sowas auch bei alten Songs. Das war ja frü­her gar nicht so unüb­lich, dass man Film­schnip­sel im Intro hat­te oder irgend­wo ein Stück eines Dia­logs. Das ist mitt­ler­wei­le ein biss­chen ver­lo­ren gegan­gen. Ich mach' das ger­ne. Ich fin­de, das gibt dem Song ein­fach noch mal 'ne zwei­te Ebe­ne, mit der man sich viel­leicht iden­ti­fi­zie­ren kann. Und wenn's nur ist, dass jemand erkennt, dass es aus dem Ani­me ist. Es gibt was her und gibt dem Gan­zen eine extra Atmo­sphä­re. Wenn Leu­te wis­sen, woher es kommt und dann den Song hören, bau­en die sich viel­leicht sel­ber einen Zusam­men­hang dazu auf, den ich mög­li­cher­wei­se gar nicht auf dem Schirm hatte.

MZEE​.com​: Auf­fäl­lig an dei­nem Art­work für das neue Album ist die Anleh­nung an japa­ni­sche Schrift­zei­chen – du scheinst all­ge­mein ein Fai­ble für die­se Kul­tur zu haben. Wie kam die Idee zustan­de und woher stammt dei­ne Begeis­te­rung dafür?

John­ny Rake­te: Woher das genau kommt, kann ich gar nicht sagen. Ich hab' halt ein­fach frü­her, als ich klein war – mit neun oder zehn – ange­fan­gen, auf RTL2 "Dra­gon Ball" zu schau­en. Da ging's mit dem gan­zen Anime-​Kram los. Dann habe ich "One Pie­ce" geschaut und viel von dem, was damals nachts auf VIVA bezie­hungs­wei­se MTV lief. Und natür­lich fängt man auch an, im Inter­net zu gra­ben und stößt dann auf so Sachen wie "Tri­gun" oder "Samu­rai Cham­ploo". Die­se gan­zen Man­gas und Ani­mes haben mich unheim­lich fas­zi­niert – seit­dem ist das nach Rap wahr­schein­lich mei­ne größ­te Lei­den­schaft. Dem­entspre­chend habe ich ein­fach eine Schwä­che für den gan­zen Art-​Style. Da war es irgend­wie die logi­sche Kon­se­quenz, dass ich mein Cover auch in die­se Rich­tung gestal­te. Ich hat­te das Bild grob im Kopf und habe die Ideen ein­fach an den lie­ben Deryl Braun wei­ter­ge­ge­ben. Der hat dann das gezau­bert, was letzt­end­lich zu sehen ist. Ich fin­de es fan­tas­tisch. Ich wür­de so weit gehen, zu sagen, es ist eines der schöns­ten Cover, die deut­scher Rap bis jetzt gese­hen hat.

MZEE​.com​: Meinst du, dass sich dei­ne Lei­den­schaft für japa­ni­sche Zei­chen­trick­fil­me in dei­ner Musik oder auch in dei­nem sons­ti­gen Ver­hal­ten schon mal bemerk­bar gemacht hat?

John­ny Rake­te: Gute Fra­ge. Also, bewusst nicht so sehr. Bis auf den "Grand Line"-Track mit Figub Braz­le­vič. Der ist ja prak­tisch kom­plett an die­se gan­ze "One Piece"-Thematik ange­lehnt. Dass der Input so offen­sicht­lich ist, wird eher nicht zur Regel wer­den. Aber es kann schon pas­sie­ren, dass ich mir aus Ani­mes bezie­hungs­wei­se Man­gas mal einen Input beschaf­fe. Wie offen­sicht­lich die­ser Input umge­setzt wird, hört man dann oder auch nicht.

MZEE​.com​: Dei­nem musi­ka­li­schen Stil bleibst du trotz dem aktu­el­len Zeit­geist treu. Mit Zei­len wie "Ich weiß nicht, ob mein Mind­sta­te heut' noch zeit­ge­mäß ist" lässt du eine gewis­se Distan­zie­rung anklin­gen. Hast du schon mal über­legt, einen moder­ne­ren Sound auszuprobieren?

John­ny Rake­te: Klar hat man zwi­schen­durch mal das Bedürf­nis oder die Idee, was ande­res zu machen und ich will gar nicht aus­schlie­ßen, dass das auch pas­siert. Für das Album war es mir aber wich­tig, mich selbst und mei­nen Kern zu prä­sen­tie­ren und nicht mit Expe­ri­men­ten anzu­fan­gen. Nach dem Album ist bestimmt mal Zeit dafür, ein paar Sachen aus­zu­pro­bie­ren. Jetzt woll­te ich ein­fach das, was ich mit Haw­ki schon davor gemacht habe, noch mal rich­tig auf den Punkt brin­gen. Des­we­gen klingt es jetzt auch so, wie es klingt.

MZEE​.com​: Du hast mit Haw­kO­ne ja auch nicht den schlech­tes­ten Pro­du­zen­ten an der Seite.

John­ny Rake­te: Nee, eher den bes­ten. Das Ding bei ihm ist, dass er natür­lich 90er-​Boom bap-​mäßig beein­flusst ist, aber ich fin­de nicht, dass es hän­gen­ge­blie­ben klingt, weißt du? Ich fin­de, Haw­ki hat das Talent, dass er die­se stau­bi­ge Oldschool-​Boom bap-​Ästhetik sehr gut an aktu­el­le Zeit­ge­scheh­nis­se anpasst. Es klingt nicht, als lägen die Beats schon seit 20 Jah­ren auf der Fest­plat­te, son­dern wie etwas, das 2019 gemacht wur­de – in Anleh­nung an den Sound von frü­her. Ich fin­de, das gelingt ihm sehr, sehr gut. Er ist halt nicht einer von denen, die in 1995 ste­cken­ge­blie­ben sind und nur den Sound machen, der genau­so klingt, als käme er jetzt aus 'ner SP-​1200. Son­dern er hat da einen schö­nen Mit­tel­weg gefun­den: die Moder­ne nicht außer Acht las­sen, aber der Gol­den Era trotz­dem die Ehre erwei­sen. Das bekommt mei­ner Mei­nung nach in Deutsch­land kein ande­rer so gut hin.

MZEE​.com​: "John­ny Rake­te, der selbst­er­nann­te Astro­naut mit Mäh­ne, ist kei­ner die­ser durch­schnitt­li­chen Weed-​Rapper, die seit ein paar Jah­ren über sample-​basiertes Neo-​Bumm-​Tschakk schil­lern­de Nebel­schwa­den und kilo­wei­se Bewusst­seins­er­wei­te­rung in die Deutschrap-​Blase blub­bern." – Das hat die JUICE über dich geschrie­ben. Beschreibt dich die­ses Zitat nicht ganz gut?

John­ny Rake­te: Na ja, ich bin ja auch kein durch­schnitt­li­cher Weed-​Rapper. Letzt­end­lich ist es für mich eh super­schwie­rig, ein­zu­schät­zen, wie mei­ne Außen­wir­kung ist, in wel­che Schub­la­de ich gepackt wer­de, wer glaubt, dass ich wohin gehö­re, in wel­che Ecke … Das ist, fin­de ich, sehr schwer nach­zu­voll­zie­hen und man kriegt ja auch immer aus unter­schied­li­chen Rich­tun­gen unter­schied­li­che Sachen gesagt.

MZEE​.com​: Ich glau­be, das ist unser Ding, dass wir Rap­per immer irgend­wo ein­ord­nen müs­sen. Die Künst­ler selbst machen das ja meis­tens gar nicht.

John­ny Rake­te: Ein Fun­fact: Ich wer­de ja immer sehr krass mit Kif­fer­rap ver­bun­den. Das fällt bei mir rela­tiv oft, aber Fakt ist eigent­lich: Wenn man sich mal mei­ne Plat­ten anhört, geht's ja nicht zu hun­dert Pro­zent um Gras, weißt du? Ich hab', wenn ich jetzt so über­le­ge, drei Songs auf mei­nen Releases, die sich wirk­lich bewusst mit die­sem The­ma aus­ein­an­der­set­zen. Das sind "1 oder 10", "Nein Nein" und "Ab und zu". Das sind die Kif­fer­tracks, wenn du es so sehen willst, aber der Rest ist ja eher lau­tes Den­ken auf Beats. Gras spielt dann nur als Teil des Gan­zen eine Rol­le. Aber ich wer­de trotz­dem krass in die­se Schub­la­de gesteckt. Da gibt es in Deutsch­land ande­re Rap­per, die sich mit dem The­ma Gras auf Tracks viel inten­si­ver und regel­mä­ßi­ger aus­ein­an­der­set­zen, als ich das tue. Bezie­hungs­wei­se Rap­per, bei denen es in den Songs öfter und expli­zi­ter um Gras und das Gan­ze drum her­um geht, als das bei mir der Fall ist. Ich fin­de, dass bei mir eigent­lich eher eine Depri- oder Emo-​Kiste im Vor­der­grund steht. Ich habe halt dadurch, dass ich mich im Baye­ri­schen Rund­funk in eine Doku über Weed gesetzt hab', die­ses Bild nach außen sehr ver­stärkt. Aber rein musi­ka­lisch oder inhalt­lich wun­dert es mich immer etwas, dass ich genau dar­auf beschränkt wer­de, obwohl das gefühlt den klei­ne­ren Teil aus­macht, was ich sage. Viel­leicht benut­zen Leu­te aber auch die Bezeich­nung Kif­fer­rap eher des­we­gen, weil es eben Musik ist, die man gut und ger­ne beim Kif­fen hört. Hawki-​Beats beim Joint­s­rau­chen sind immer eine Wohl­tat, das kann ich nachvollziehen.

MZEE​.com​: Ich kann mir vor­stel­len, dass es ein biss­chen nervt, weil das nicht der ein­zi­ge Inhalt dei­ner Musik ist. Viel­leicht liegt es aber auch dar­an, dass du dei­nen Weed-​Konsum häu­fig neben­bei erwähnst. Aber das tun ja vie­le Rapper.

John­ny Rake­te: Das stört mich nicht, ich find's nur inter­es­sant, dass es das ist, was schein­bar bei den Leu­ten kle­ben bleibt. Oder dass das die Schub­la­de ist, in die ich gesteckt wer­de. Wie gesagt, ich wür­de mich da per­sön­lich nicht rein­pa­cken. Ich ver­ste­he das aber. Du kannst dich halt selbst schlecht von außen sehen oder beur­tei­len. Des­we­gen fin­de ich es immer inter­es­sant, in was für Schub­la­den man von den Rap­me­di­en oder Fans gesteckt wird.

MZEE​.com​: Wie ist dein aktu­el­les Ver­hält­nis zum Gras­kon­sum? Auf dei­nem Album wech­seln sich Glo­ri­fi­zie­rung und kri­ti­sche Betrach­tung ab. 

John­ny Rake­te: Tat­säch­lich habe ich das seit April oder so um 80 Pro­zent run­ter­ge­fah­ren. Ich hab' die gesam­te Album-​Produktion über noch gekifft. Natür­lich auch, als ich "1 oder 10" geschrie­ben hab', aber der Track steht jetzt schon seit fast einem Jahr. Irgend­wann dach­te ich mir, dass es viel­leicht mal Zeit für eine grö­ße­re Pau­se ist. Ich bin aktu­ell weit davon weg, jeden Tag einen Joint zu rau­chen. Im Zuge des­sen war es natür­lich lus­tig, dass jetzt auch der Track "1 oder 10" raus­kam, der die Glo­ri­fi­zie­rung in Per­son ist, ich aber par­al­lel dazu gar nicht so viel Gras rau­che. Das ist mir letzt­end­lich egal, weil Kif­fen zu dem Zeit­punkt, als ich den Song geschrie­ben hab', eben noch fes­ter Bestand­teil mei­nes All­tags war. Jetzt ist es eben anders. Ich muss aktu­ell nicht jeden Tag zehn Tüten rau­chen. Es reicht auch eine klei­ne am Abend. Gras ist für mich gera­de wie­der mehr Genuss­mit­tel als Muss. Ich rau­che ein­fach dann, wenn ich Bock habe. Und wenn es nicht passt, weil ich etwas zu erle­di­gen habe oder so, dann halt nicht. Das funk­tio­niert ganz gut so.

MZEE​.com​: Wie wich­tig ist dir dies­be­züg­lich dei­ne Außen­wir­kung? Legst du Wert dar­auf, dass du auch ein wenig Kri­tik einbringst?

John­ny Rake­te: Na ja, das hab' ich ja bis jetzt auch immer gemacht. Ich hab' mich in mei­nen Songs nie super­un­re­flek­tiert über Gras geäu­ßert. Wenn du dir "Ab und zu" anhörst: Das ist ja auf den ers­ten Blick sehr glo­ri­fi­zie­rend, aber letzt­end­lich geht's da nur dar­um, wie viel Abfuck mit zuviel Kif­fe­rei ein­her­ge­hen kann. In "Nein Nein" ist eben­falls viel Kri­tik drin und Zei­len, die die nega­ti­ven Sei­ten des Dau­er­kon­sums beschrei­ben – wenn auch mit Augen­zwin­kern. Die Außen­wir­kung ist mir lat­te. Wenn die Leu­te jetzt im Inter­view lesen, dass ich zur­zeit fast gar nicht kif­fe, dann juckt mich das nicht. Ich bin ja gegen­über nie­man­dem ver­pflich­tet, die gan­ze Zeit zu rau­chen wie ein Schlot, weißt du? Wer mir das jetzt nega­tiv anrech­nen will und sagt: "Ey, du bist nicht real, weil du nicht buffst." Dann soll er das den­ken. Aber Gras ist letzt­end­lich ein Genuss­mit­tel und es ist die Sache von jedem selbst, wie er damit umgeht. Mit mei­ner Ent­schei­dung lebe ich gera­de sehr gut. Wie jemand ande­res damit leben kann, ist mir ehr­lich gesagt ziem­lich egal.

MZEE​.com​: Du sprichst auf der neu­en Plat­te auch viel über den Tod. Inwie­fern beschäf­tigt dich das The­ma im All­tag? Was für eine Ein­stel­lung hast du zum Tod?

John­ny Rake­te: Puh. Das ist ein gro­ßes The­ma. Es gibt sehr vie­le Mög­lich­kei­ten, sich damit aus­ein­an­der­zu­set­zen und man kann das aus ver­schie­de­nen Gesichts­punk­ten betrach­ten. Wie sehr beschäf­tigt mich das The­ma Tod? Prin­zi­pi­ell spielt es mit zuneh­men­dem Alter eine grö­ße­re Rol­le. Je älter du wirst, des­to weni­ger Zeit hast du gefühlt, die du noch ver­brin­gen kannst. Man guckt natür­lich auch auf sein Leben zurück. Was hat man gemacht, was hat man nicht gemacht, was hät­te man ger­ne machen wol­len, kann man das noch machen? Und dann kom­men natür­lich Gedan­ken wie: "Hey, okay, wenn ich jetzt mor­gen ver­re­cken wür­de, wär' ich zufrie­den mit dem, was ich gemacht hab' oder wür­de ich Sachen bereu­en?" Sowas kommt ab und zu hoch. Und dann ist da die Fra­ge: Gibt's was nach dem Tod? Gibt es nichts? Damit kann man sich viel beschäf­ti­gen. Gera­de, wenn man mal 'ne sehr depres­si­ve Pha­se hat, kommt sowas natür­lich auch schnell auf. Zum Bei­spiel in Bezug auf Freun­de: Wie wich­tig bin ich in mei­nem sozia­len Umfeld? Würd' mich jemand ver­mis­sen, wäre ich nicht mehr da? Das sind Sachen, die kom­men auf. Ich weiß nicht, ob das bei jedem so ist, aber bei mir sind das manch­mal Din­ge, über die ich mir Gedan­ken mache. Also, es ist jetzt nicht so, dass mich das super­in­ten­siv beschäf­tigt und ich des­we­gen Pro­ble­me hab', aber das sind Sachen, die ich im Zuge ande­rer Gedan­ken auch manch­mal her­vor­brin­ge. Fakt ist: Der Tod pas­siert – frü­her oder spä­ter – und ich find's nicht schlecht, sich mit einer Sache, die zwangs­läu­fig ein­tritt, ein biss­chen auseinanderzusetzen.

MZEE​.com​: Das sind natür­lich sehr emo­tio­na­le Gedan­ken. Mit 28 ist man immer noch sehr jung und hat viel Zeit.

John­ny Rake­te: Ja, da hast du natür­lich Recht. Aber jün­ger wird man nicht mehr. Ich den­ke auch nicht, dass das Alter dafür aus­schlag­ge­bend ist, wie viel man sich mit dem The­ma Tod beschäf­tigt. Bei "Wenn Kat­zen strei­ten" steht das bei­spiels­wei­se etwas mehr im Vor­der­grund. Sowas schreib' ich natür­lich nicht an einem Tag, an dem ich "1 oder 10" schrei­be, weißt du? Von der Stim­mung her, von den Emo­tio­nen, die dich irgend­wie erwi­schen. "Wenn Kat­zen strei­ten" hab' ich letz­tes Jahr, glau­be ich, irgend­wann geschrie­ben. Ich bin nachts gegen drei heim­ge­kom­men. Ich glau­be, ich war irgend­wo fei­ern und es war ein Scheiß­abend. Ich war ange­pisst, unzu­frie­den mit mir selbst und mit mei­nem Leben. Ich hat­te eh 'ne extrem schlech­te Pha­se und habe den Track dann in einer Stun­de run­ter­ge­schrie­ben. Das sind Sachen, die sehr impul­siv pas­sie­ren – in einer Stim­mung, die du wahr­schein­lich nicht jeden Tag hast. Dann pas­siert es halt, dass der Tod einem irgend­wie näher ist, wenn man sich sehr schlecht fühlt. Ent­we­der, weil man sich in schlech­ten Zei­ten viel­leicht einen vor­zei­ti­gen Tod wünscht, um den gan­zen Sor­gen ein Ende zu berei­ten. Oder man hat eben Angst davor, weil man das Gefühl hat, mit sei­nem Leben noch nicht an einem zufrie­den­stel­len­den Punkt ange­kom­men zu sein.

MZEE​.com​: Zum Abschluss möch­ten wir dich noch fra­gen, wo du dich selbst mit dei­ner Musik in fünf Jah­ren siehst.

John­ny Rake­te: In fünf Jah­ren? Puh. Ja, 2024 – Spo­ti­fy hat sei­ne Tore geschlos­sen und wir hören alle wie­der Kas­set­ten. Hm, nee, wo seh' ich mich in fünf Jah­ren mit mei­ner Musik? Na ja, im Opti­mal­fall da, wo ich hin­will. Dass es reicht, dass es gut genug läuft, um davon zu leben und ich immer noch zufrie­den bin mit dem, was ich mache. Dass ich aus­ver­kauf­te Tou­ren spie­le, viel­leicht mal irgend­wo Head­li­ner auf einem guten Fes­ti­val bin, sol­che Sachen. Ich muss ehr­lich sagen, ich ver­su­che, mir über sowas sehr wenig Gedan­ken zu machen. Je grö­ßer dei­ne Erwar­tungs­hal­tung, umso ärger­li­cher ist es, wenn es viel­leicht nicht oder anders ein­tritt. Des­we­gen will ich das ger­ne offen las­sen. Ich kon­zen­trier' mich lie­ber dar­auf, jedes Mal, wenn ich Musik mache, das Best­mög­li­che abzu­lie­fern. Was dar­aus resul­tiert, dar­auf habe ich ja nicht viel Ein­fluss. Es gibt vie­le Leu­te, die gute Musik machen, aber nicht den Durch­bruch schaf­fen oder davon leben kön­nen, weil sie ein­fach kein Glück haben. Das ist auch ein Fak­tor. Zum rich­ti­gen Zeit­punkt am rich­ti­gen Ort zu sein. Ich hof­fe ein­fach, dass in fünf Jah­ren, wenn ich Musik mache, immer noch eine Stei­ge­rung da ist im Ver­gleich zu dem, was ich heu­te mache. Es wäre super­geil, wenn ich davon leben könn­te, aber die Haupt­sa­che ist, dass ich mich wei­ter­ent­wick­le und nicht ste­hen blei­be. Das ist mir wichtig.

(Alex­an­der Hol­len­horst und Sicko)
(Fotos von Emma Weh und Arvid Wünsch)