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Interview

PTK

"Frei­zü­gig­keit, Gewalt, Exzes­se und Klatsch und Tratsch funk­tio­nie­ren. Die meis­ten Medi­en inter­es­siert das schon fast mehr als die Musik und das neu­es­te Video." – PTK im Inter­view über den Umgang der Rap-​Medien mit Sexis­mus, Trans­hu­ma­nis­mus und sein Band­pro­jekt Anti­na­tio­nal Embassy.

PTK ist kein Mann, der mit sei­ner Mei­nung hin­term Berg hält. Bereits seit eini­gen Jah­ren ist er vor allem für sei­ne kri­ti­schen Tex­te bekannt, mit denen er oft­mals aneckt. Dabei behan­delt er häu­fig schwie­ri­ge The­men wie sozia­le Unge­rech­tig­keit, Gen­tri­fi­zie­rung oder Ras­sis­mus. Kein Wun­der, denn er hat eine beleb­te Ver­gan­gen­heit hin­ter sich. In unse­rem Inter­view und auf sei­ner aktu­el­len EP "Kein Mensch ist digi­tal" schreckt der gebür­ti­ge Ber­li­ner nicht davor zurück, sich deut­lich und mit kla­ren Wor­ten gegen den Sta­tus quo zu posi­tio­nie­ren. Wir haben uns mit ihm unter ande­rem über sexis­ti­sche Kom­men­ta­re unter YouTube-​Videos diver­ser Maga­zi­ne unter­hal­ten, die sich gegen deren Mode­ra­to­rin­nen rich­ten. Wei­te­re Gesprächs­the­men waren Ras­sis­mus inner­halb der Battlerap-​Szene und die musi­ka­li­sche Zusam­men­ar­beit mit Geflüch­te­ten, mit denen er das Pro­jekt "Anti­na­tio­nal Embas­sy" gegrün­det hat.

MZEE​.com: Auf dei­ner neu­en Sin­gle "HHWMWMM" kri­ti­sierst du das Ver­hal­ten der Szene-​Medien. Unter ande­rem, weil sie dei­ner Mei­nung nach mit dem The­ma Sexis­mus falsch umge­hen – zum Bei­spiel in Bezug auf ihre Mode­ra­to­rin­nen. Was wür­dest du dir kon­kret wün­schen? Was soll­te sich ändern?

PTK: Ich ver­su­che da halt, zu sagen: "Guck mal, das sind Punk­te, die mir auf­fal­len, die ich dop­pel­mo­ra­lisch fin­de." Gera­de bei dem Sexismus-​Thema fällt mir oft auf, dass sei­tens der Medi­en in letz­ter Zeit mora­li­sche Bei­trä­ge gepos­tet wer­den, die gewis­se Vor­fäl­le auf­grei­fen. Gefühlt pas­siert das alle paar Mona­te. Ich bin jetzt nicht der Mei­nung, dass die Medi­en Kom­men­ta­re löschen soll­ten. Es geht mir eher dar­um, dass da jemand für dein For­mat mode­riert und ihr stellt das online. Dann ist in den Kom­men­ta­ren die Höl­le los und nie­mand gibt Gegen­wind. Wenn man alle paar Mona­te Bei­trä­ge nach dem Mot­to "Die Rap­per und die Rapf­ans sind alle so sexis­tisch" macht, wird die The­ma­tik schon ver­nünf­tig beleuch­tet. Gleich­zei­tig wirkt man jedoch unglaub­wür­dig, wenn man sich nicht die Mühe macht, bei sol­chen Kom­men­ta­ren aktiv zu wer­den. Wozu gibt es schließ­lich eine Kom­men­tar­funk­ti­on? Die gibt es sowohl auf den Sei­ten der Maga­zi­ne selbst als auch auf deren YouTube-​Kanälen. Ich sage jetzt "jeder" und "alle" und pau­scha­li­sie­re damit natür­lich … Es gibt bestimmt auch Medi­en, die da nicht mit­ma­chen. Ich mei­ne aber meh­re­re damit und es gibt sicher auch Por­ta­le, die ich gar nicht ken­ne, bei denen das auch pas­siert. Wenn irgend­wo eine Mode­ra­to­rin, eine Rap­pe­rin oder sonst was auf­tritt, gibt es eben die­se Kom­men­ta­re, die ein­fach so ste­hen gelas­sen wer­den. Und das nächs­te Video ist wie­der eins von irgend­ei­nem Rap­per, bei dem es nack­te Frau­en zu sehen gibt und dann ist genau das auch noch das Thumb­nail … Sex sells. Beim nächs­ten Bei­trag wird wie­der auf die Wer­te, die man in vor­he­ri­gen ver­tre­ten hat, geschis­sen. Das ist eben so eine Dop­pel­mo­ral, die ich ein­fach mal auf­zei­gen woll­te. Was da rich­tig und was falsch ist, müs­sen die alle für sich selbst ent­schei­den. Ich bin nicht der­je­ni­ge, der sagt, was rich­tig und was falsch ist. Ich sage ein­fach nur, was ich schei­ße fin­de. Wenn die Medi­en die Eier hät­ten, zu sagen "Wir pran­gern das an", und gleich­zei­tig zuge­ben wür­den, dass sie nach dem Mot­to "Sex sells" arbei­ten und es ihnen um Rele­vanz geht, dann hät­te ich auch gar kein Argu­ment mehr. Da das aber gar nicht pas­siert, spre­che ich das an.

MZEE​.com: Stich­wort "Sex sells": Das ein oder ande­re For­mat pro­fi­tiert sicher­lich auch ein wenig davon. Siehst du das genauso?

PTK: Ja, auf jeden Fall. Was ist ein Rapmedien-​Portal am Ende des Tages? Einer­seits ist das eine Insti­tu­ti­on, die sozu­sa­gen Leu­te gebün­delt auf dem Lau­fen­den hal­ten will – das sind ja qua­si Genre-​Nachrichten. Nur wie finan­ziert sich das? War­um machen die das so? Viel­leicht ist das hier und da mal aus einem Spaß-​Projekt ent­stan­den. Aber sobald du da ein paar Leu­te hast, die dar­an mit­ver­die­nen wol­len, geht es um Klicks und Wer­bung, die du schal­test oder um Spon­so­ren. Am Endes des Tages geht es um dei­ne Reich­wei­te. Man kann mich da auch berich­ti­gen … Ich habe kein sol­ches Jour­nal. Ich weiß natür­lich nicht hun­dert­pro­zen­tig, wie es genau funk­tio­niert. Aber ich den­ke mal, dass es so läuft. Frei­zü­gig­keit, Gewalt und Exzes­se funk­tio­nie­ren – genau­so wie Klatsch und Tratsch. Die meis­ten Medi­en inter­es­siert das schon fast mehr als die Musik und das neu­es­te Video. Da geht es halt gefühlt mehr dar­um, auf was die Leu­te kli­cken … Eine rei­ße­ri­sche Über­schrift, ein Screen­shot oder sonst was. Man muss eben ste­tig Klicks gene­rie­ren, um sei­ne eige­ne Rele­vanz zu recht­fer­ti­gen, wenn du dich mit Wer­be­part­nern oder Spon­so­ren beschäf­tigst. Und des­we­gen spie­len die Rap-​Medien da, wie alle ande­ren Medi­en, mehr oder weni­ger auch irgend­wie mit.

MZEE​.com: Mit dei­nen Zei­len über Battle-​Formate hast du in einem DLTLLY-​Thread eine klei­ne Dis­kus­si­on über Kunst­frei­heit los­ge­tre­ten – eine Fra­ge, die bei A cappella-​Rap all­ge­gen­wär­tig ist. Inwie­weit siehst du dort die Gren­zen des guten Geschmacks über­schrit­ten? Fin­dest du, dass es da über­haupt Gren­zen geben sollte?

PTK: Wenn das eine Dis­kus­si­on aus­ge­löst hat, kann ich da gar nicht falsch lie­gen. Kennst du das? Wenn Leu­te sich ange­grif­fen füh­len, dann reden sie erst recht dar­über. Wenn die­se Dis­kus­si­on vor­her nicht so wirk­lich statt­ge­fun­den hat, fin­de ich es sogar ganz cool, dass das jetzt der Fall ist. Anschei­nend habe ich da ja etwas aus­ge­löst und Leu­te getrig­gert. Ich kom­me halt aus Ber­lin und hab' mit zehn Jah­ren ange­fan­gen, die­sen gan­zen Westberlin-​Rap zu hören. Ich fand das voll geil und hab' wie ein Geis­tes­kran­ker ange­fan­gen, das alles zu inha­lie­ren. Von West­ber­lin Mas­ku­lin über MOR bis hin zu Bass­boxxx und so wei­ter. Das war ja auch alles Batt­ler­ap. Das war immer so eine Mischung aus Real­ness und Fan­ta­sie. Bei dem einen wahr­schein­lich mehr und bei dem ande­ren weni­ger real – ohne den Künst­lern jetzt irgend­wie nahe tre­ten zu wol­len. Du wuss­test halt ein­fach, dass die Lines teil­wei­se auf Fan­ta­sie auf­bau­en oder der Geg­ner sogar Fan­ta­sie war, wenn die sich batt­len. Ich ver­ste­he voll, dass Batt­ler­ap eine eige­ne Dis­zi­plin und ein Sport ist. Das habe ich auch frü­her mehr oder weni­ger immer gefei­ert. Wenn man das in einer Turnier-​Form macht, kommt es dar­auf an, wo da jetzt der Mehr­wert ist. Ich ver­ste­he schon den Sinn dahin­ter, jeman­den cool zu belei­di­gen. In mei­nem Freun­des­kreis dis­sen wir uns auch aus Spaß her­aus in einem Gespräch und machen Wit­ze über­ein­an­der. Aber im Rap ist es ja so, dass es oft ein­fach nur auf Ober­fläch­lich­kei­ten beruht, habe ich beob­ach­tet. Da ist der Geg­ner eben total aus­tausch­bar. Man muss ein­fach nur die ent­spre­chen­de Her­kunft oder Haut­far­be haben. Wenn das der gemein­sa­me Nen­ner der Belei­di­gun­gen ist, wider­spricht das – für mich jeden­falls – dem HipHop-​Gedanken, der bei die­sen Ver­an­stal­tun­gen immer hoch­ge­hal­ten wird. "Es geht um Hip­Hop, wir sind alle für Hip­Hop hier" heißt es da immer. Dann wird noch ein Post gegen Nazis gemacht, aber gleich­zei­tig wer­den da die gan­ze Zeit Batt­les aus­ge­tra­gen, die meis­tens Ober­fläch­lich­kei­ten behan­deln: Du bist schwarz, du bist weiß, du bist Kana­cke, du bist eine Frau und was weiß ich was noch. Klar ist das in die­sem Kon­text sport­lich zu sehen. Aber dass die Zuschau­er das alles wirk­lich pei­len, wenn sie das dau­er­haft kon­su­mie­ren, glau­be ich eher nicht. Wenn man sich die Kom­men­ta­re all­ge­mein unter Rap-​Videos anguckt, dann sind da vie­le klei­ne Kids dabei, die gefühlt unter jedem Video von jedem Rap­per irgend­wel­che natio­na­lis­ti­sche Schei­ße pos­ten. Wenn da ein Kur­de rappt, schrei­ben die Tür­ken drun­ter und umge­kehrt … Weißt du, was ich mei­ne? Es gibt in der Gesell­schaft ganz viel Poten­zi­al dafür, dass sol­che Sachen unre­flek­tiert auf­ge­nom­men und nicht wei­ter durch­dacht wer­den. In die­ser Battlerap-​Szene sehe ich halt auch wie­der so eine Schein­hei­lig­keit. Ich weiß nicht, was es da für ein Regel­werk gibt. Aber so wie ich das ver­ste­he, ist alles erlaubt. Und wenn alles erlaubt ist und man das nicht noch mal auf einer ande­ren Ebe­ne behan­delt, dann ist eben ein "Nazis sind schei­ße und ist doch alles nur Rap"-Post danach für mich zu wenig. Das eine fin­det ein­mal vir­tu­ell statt und das ande­re in mehr oder weni­ger jedem Batt­le. Es gibt ja auch Rap­per, die sich – außer­halb des Battle-​Kosmos – extrem ange­grif­fen füh­len, sobald es gegen ihre Her­kunft oder Eth­nie geht. Jetzt mal auf blöd gesagt: Wenn zu dir einer außer­halb vom Batt­le "Scheiß Irgend­was" sagt, fin­dest du es voll schlimm und inner­halb des Batt­les fin­dest du es die gan­ze Zeit okay – das fin­de ich total unlo­gisch. Ich per­sön­lich tren­ne das nicht auf die­se Wei­se. Ich ver­su­che, mei­ne eige­ne Per­son authen­tisch in mei­ner Musik unter­zu­brin­gen. Ich fin­de das im Hip­Hop gene­rell sehr schwer von­ein­an­der zu tren­nen. Wenn da jemand steht und mich wirk­lich belei­digt, dann kannst du noch so sehr argu­men­tie­ren, dass es ein Sport sei. Ich muss das irgend­wie per­sön­lich neh­men, weil ich davon aus­ge­he, dass man mich auch per­sön­lich nimmt, sozu­sa­gen. Es gibt die­se legen­dä­ren Batt­les, bei denen einer den ande­ren krass ana­ly­siert hat und sein gan­zes Leben auf den Tisch packt. Das ist etwas ande­res, als wenn er nur sagt, dass der ande­re so und so aus­sieht, fett ist, schwarz ist oder was weiß ich was. Ich fin­de es schlicht­weg schein­hei­lig. Ich dreh' mich gera­de im Kreis. Was war noch mal genau dei­ne Frage?

MZEE​.com: Ich fin­de, du hast sie gut beant­wor­tet. Ich hat­te gefragt, inwie­fern du da die Gren­zen des guten Geschmacks über­schrit­ten siehst.

PTK: Ich fin­de es schwer, von Gren­zen zu spre­chen. Ich ver­ste­he schon, dass Batt­ler­ap bedeu­tet, sich gegen­sei­tig fer­tig­zu­ma­chen. Aber für mich per­sön­lich gibt es schon Gren­zen. Die jetzt aller­dings nie­der­zu­schrei­ben … Ich bin kein Freund von Regeln, son­dern eher von Wer­ten. In mei­nem Freun­des­kreis sagt man ein­fach nicht "Huren­sohn" oder "dei­ne Mut­ter". Das sagt ein­fach kei­ner von uns. Man kann sich trotz­dem mal dis­sen, weißt du? Die Regeln wur­den nie fest­ge­legt, die sind ein­fach da, weil wir glei­che Wer­te tei­len. Das kann man für mich auch auf die Rap­sze­ne über­tra­gen. Das wür­de ich mir zumin­dest wünschen.

MZEE​.com: Ich bin der Mei­nung, dass Batt­ler­ap­per es sich oft­mals ein­fach zu leicht machen, wenn sie ledig­lich auf Ober­fläch­lich­kei­ten und Min­der­hei­ten rum­ha­cken. Wenn ein Schwar­zer in einem Raum vol­ler Wei­ßer Lines gegen die Haut­far­be des Gegen­übers bringt, funk­tio­niert das ein­fach nicht so gut wie umge­kehrt. Vie­le sind da schlicht­weg zu faul beim Schrei­ben, fin­de ich.

PTK: Ja, das kann sehr gut sein. Ich hab' aber, glaub' ich, schon mal ein Batt­le gese­hen, bei dem ein Schwar­zer einen Wei­ßen per­ma­nent als "Weiß­brot" fer­tig­ge­macht hat. Kann auch sein, dass das ein Ami-​Battle war bezie­hungs­wei­se nur so gut ankam, da die Rol­len ein­ma­lig anders ver­teilt waren … Kei­ne Ahnung. Ich weiß halt, dass es hier vor ein paar Jah­ren mal ein Batt­le gab, bei dem ich nicht dabei war. Ich hab' das nur im Netz gese­hen. Da war ein befreun­de­ter, bekann­ter Künst­ler vor Ort. Der hat sich zum Bei­spiel krass dar­über auf­ge­regt, dass da ein Schwar­zer gegen einen Asia­ten gebatt­let hat und es nur Hautfarben- bezie­hungs­wei­se Schlitz­au­gen­wit­ze von bei­den Sei­ten gab. Ich hab' das danach im Netz gese­hen und fand es übelst schei­ße. Ich fand es auch nicht lus­tig. Da gab es kei­ne gute Lau­ne. Das war wie bei so Stammtisch-​Witzen in der Knei­pe. Ich den­ke mir da nur so: "Hä? Wo ist denn da jetzt die Krea­ti­vi­tät?" Okay, es reimt sich … Und jetzt? Kei­ne Ahnung, Alter. Es kann schon sein, dass die ein­fach zu faul zum Schrei­ben sind.

MZEE​.com: Der Titel dei­ner aktu­el­len Sin­gle steht für "Hip­Hop war mal was mit Mes­sa­ge". Ich bin der Mei­nung: Wer suchet, der fin­det. Denkst du, dass Rap mit Mes­sa­ge in Zukunft wie­der eine wich­ti­ge­re Rol­le spie­len wird – gera­de auch im Mainstream?

PTK: Na ja, also, es ist allei­ne schon so, dass ich selbst auch Hip­Hop bin und da wider­spre­che ich mir ja schon. Aber ich bezie­he mich natür­lich auf den Main­stream, wie du schon sagst. Das kann ich tat­säch­lich recht kurz beant­wor­ten: Ich befürch­te, das wird eher nicht pas­sie­ren, da die Gesell­schaft gefühlt immer mate­ria­lis­ti­scher wird und es immer mehr um belang­lo­se Kacke geht. Und des­halb wird ent­spre­chen­de Mucke ein­fach inter­es­sant. Ich weiß auch, dass vie­le Leu­te mei­ne Musik nicht hören wol­len und Kopf­schmer­zen davon bekom­men. Die sagen: "Geh mal weg mit der Schei­ße. Sowas will doch kei­ner hören." Die Leu­te wol­len ein­fach enter­taint und abge­lenkt wer­den. Ich glau­be, wenn die Kacke mal rich­tig am Damp­fen ist – zum Bei­spiel durch eine Wirt­schafts­kri­se, Krie­ge oder Ähn­li­ches – sind ande­re Sachen wich­ti­ger als Rap. Ich den­ke, dann wird sowas mehr gehört wer­den. Ich kann mir auch vor­stel­len, dass mei­ne Musik in ande­ren Län­dern viel­leicht mehr Erfolg hät­te, weil es dort teil­wei­se ein grö­ße­res Bewusst­sein gewis­sen The­men gegen­über gibt als hier. Das heißt jetzt nicht, dass Deutsch­land nicht reif für mei­ne Aus­sa­gen ist. Aber ich glau­be, hier ist es den Leu­ten ein­fach nicht so wich­tig. Ich mei­ne, wie vie­le Leu­te gucken sich eine gute Doku an und wie vie­le irgend­ei­ne Schei­ße auf RTL II? Die gro­ße Mas­se will sich ein­fach nur mit leich­ter Kost aus­ein­an­der­set­zen. Ich glau­be nicht, dass sich das groß ändern wird, solan­ge sich nichts an der Situa­ti­on der Men­schen ändert. Denn erst, wenn sie per­sön­lich betrof­fen sind – in wel­cher Form auch immer – machen sich die meis­ten Leu­te Gedan­ken zu gewis­sen The­men. Es inter­es­siert sich ja bei­spiels­wei­se nicht jeder für Gen­tri­fi­zie­rung, wenn er davon kei­ne Ahnung hat oder nie­man­den kennt, der davon betrof­fen ist. Das kannst du auf ganz vie­le Sachen bezie­hen … Empa­thie und so wei­ter. Für gewis­se The­men inter­es­sie­ren sich die meis­ten Men­schen erst, wenn sie selbst betrof­fen sind. Des­we­gen wür­de ich sagen, dass es von der gesell­schaft­li­chen Gesamt­si­tua­ti­on abhängt, bis zu wel­chem Grad Rap mit Mes­sa­ge noch mal an Rele­vanz gewinnt.

MZEE​.com: Im dazu­ge­hö­ri­gen Video sind eini­ge Alben­co­ver zu sehen. Ich gehe davon aus, dass die Ver­öf­fent­li­chun­gen für dich alle wich­tig waren. Sehe ich das rich­tig, dass du ledig­lich US-​amerikanische Alben aus­ge­wählt hast?

PTK: Nein, das ist falsch. Da sind auch eini­ge fran­zö­si­sche Cover dabei. Das Video habe ich mit dem­je­ni­gen, der es gedreht und geschnit­ten hat, rela­tiv schnell geplant. Er hat­te die Idee mit dem Bea­mer, dass hin­ter mir Din­ge pro­ji­ziert wer­den und man nur mei­ne Sil­hou­et­te sieht. Ich habe ihm dann cir­ca 40 Cover genannt. Ich bin ein­fach mei­ne CD-​Sammlung durch­ge­gan­gen und habe die­je­ni­gen gewählt, die ich als wür­dig emp­fun­den habe. Dazu hat der Regis­seur noch ein paar Clips genom­men, die ich ihm von die­sen Releases geschickt habe. Das sind halt Sachen, die ich nahe­zu aus­nahms­los auf CD besit­ze. Da waren viel­leicht zwei, drei Sachen dabei, die ich nicht hab'. Natür­lich ist nicht alles, was wir gedreht haben, im Video gelan­det. Ich habe ihm zum Bei­spiel auch "Leben" von Azad gege­ben, weil das eins der wich­tigs­ten Rap-​Alben für mich aus Deutsch­land mit Mes­sa­ge ist. Das hat es aber, glau­be ich, nicht ins Video geschafft. Dafür Wer­ke von Shurik'n, Akhena­ton oder NTM. Das sind alte fran­zö­si­sche Alben aus den 90ern. Klar, die meis­ten Releases stam­men von Amis. Nas und Mobb Deep sind mei­ne Hel­den. Aber auch ganz vie­le ande­re Rap­per aus Queens­bridge, Jedi Mind Tricks oder Immor­tal Tech­ni­que sind mit dabei. Genau­so ist das Cover eines kuba­ni­schen Albums – von Orishas – im Video. Es sind jeden­falls schon alles Alben, die mir bis heu­te mehr oder weni­ger wich­tig sind.

MZEE​.com: Scha­de, dass "Leben" es nicht mit rein­ge­schafft hat. Das Album ist für mich per­sön­lich auch sehr wichtig …

PTK: Es gibt natür­lich noch diver­se Deutschrap-​Alben, die mir sehr wich­tig waren, die aber ehr­lich gesagt ein­fach nicht so die Mes­sa­ge haben. (lacht) Des­we­gen sind die gar nicht erst da rein­ge­kom­men. Aber "Leben" von Azad und auch danach noch "Faust des Nord­wes­tens" … Das sind für mich zwei Über-​Alben gewe­sen! Auch inhalt­lich, weil sie sehr per­sön­lich waren. Ich habe das damals hart gefei­ert. Stra­ße und Mes­sa­ge gemischt. Bei Nas ist das auch so. Der ist einer mei­ner per­sön­li­chen Hel­den. Von dem hab' ich jede scheiß CD.

MZEE​.com: Zuletzt haben wir uns vor fast genau zwei Jah­ren zusam­men­ge­setzt. Damals ging es viel um Reli­gi­on, aber auch um dei­ne Mei­nung in poli­ti­schen Fra­gen, die du als "gefes­tigt" bezeich­net hat­test, ohne zu wis­sen, ob sie eigent­lich rich­tig ist. Hat sich das mitt­ler­wei­le geän­dert? Wür­dest du sagen, mit dir kann man über Poli­tik oder Reli­gi­on dis­ku­tie­ren und einen Kon­sens finden?

PTK: Ich ken­ne den Kon­text von damals nicht mehr, aber ich glau­be, das ist eine sehr ehr­li­che Ant­wort gewe­sen. (schmun­zelt) Ich schlie­ße kei­ne Dis­kus­si­on aus. Aber je mehr die Mei­nung eines ande­ren von mei­ner eige­nen abweicht, des­to schwe­rer wird es, mich zu über­zeu­gen, wenn ich eine gefes­tig­te Mei­nung hab' – wahr­schein­lich ist es sogar unmög­lich. Ich wer­de immer wie­der bestärkt, wenn ich mir Internet-​Kommentare angu­cke, bei denen es um The­men wie Ras­sis­mus geht. Da brau­che ich gar nicht zu dis­ku­tie­ren, Dicker. Das muss auch nicht unbe­dingt Ras­sis­mus sein. Da kann es auch um Angst gehen, die man gegen­über Frem­den emp­fin­det. Über man­che Sachen muss man ein­fach nicht mehr reden – gefühlt. Ich bin selbst jemand, der viel liest. Ich lese ger­ne Repor­ta­gen und schaue mir Doku­men­ta­tio­nen an. Ich erfah­re ger­ne Neu­es über The­men, mit denen ich mich bis­lang noch nicht beschäf­tigt habe oder gelan­ge zu einem neu­en Blick­win­kel. Ich bin nicht so gefes­tigt, dass ich nichts mehr an mich her­an­las­se, son­dern eher gefes­tigt in so einer Grund­mei­nung. Ich höre mir aber neue Per­spek­ti­ven an – gera­de bei so unfass­bar rie­si­gen The­men wie bei­spiels­wei­se Gen­tri­fi­zie­rung oder der Ent­wick­lung von Städ­ten an sich. Da gibt es ein­fach so unfass­bar vie­le Aspek­te, dass es bei ganz vie­len Sachen kein Schwarz-​Weiß-​Denken gibt, fin­de ich. Ich bin schon offen – sogar extrem offen – für ande­re Per­spek­ti­ven. Wenn Leu­te einen ande­ren Erfah­rungs­wert haben, dis­ku­tie­re ich sehr ger­ne mit. Aber dann mach' ich dem­je­ni­gen halt schon klar, dass ich eben auch einen ande­ren Erfah­rungs­wert habe als er. Es gibt Leu­te, die sagen, dass man super mit mir reden kann und wel­che, die sagen, dass es nicht geht, weil ich alles abschmet­tern wür­de. (lacht) Hab' ich bei­des schon erlebt. Es kommt, glau­be ich, ganz dar­auf an, was mein Gegen­über mit­bringt und wor­um es genau geht. Dei­ne Fra­ge war ja, ob sich das geän­dert hat. Ich glau­be, nicht wirk­lich. Wenn ich zu einem The­ma schon eine Mei­nung hab', dann ist die auch rela­tiv fest. Ich hab' aber auch nicht zu allem 'ne Mei­nung. Kann ich gar nicht. In sol­chen Fäl­len höre ich mir schon ger­ne erst mal an, wor­um es über­haupt geht.

MZEE​.com: Du scheinst dich wirk­lich mit sehr vie­len unter­schied­li­chen The­men zu beschäf­ti­gen und die Din­ge stets kri­tisch zu hin­ter­fra­gen. Woher beziehst du eigent­lich dei­ne Infor­ma­tio­nen? Ich schät­ze dich so ein, dass du unter­schied­li­che Quel­len nutzt, wenn du dich zu einem The­ma bil­den willst.

PTK: Es kommt immer dar­auf an, wor­über wir reden. Ich befas­se mich in mei­ner Musik ja eigent­lich aus­nahms­los mit The­men, die ent­we­der mit mir per­sön­lich zu tun haben oder mit mei­nem Umfeld. Ich bin nicht der Typ, der einen Track über einen Kon­flikt irgend­wo am ande­ren Ende der Welt macht, wenn ich nie­man­den ken­ne, der da ist und mei­ne Infos nur aus Zei­tun­gen habe. Sol­che Songs mache ich nicht. Wenn ich mich all­ge­mein mit einem The­ma beschäf­ti­ge – zum Bei­spiel mit einem Krieg – und ich nie­man­den ken­ne, der von dort kommt und etwas zu berich­ten hat, dann infor­mie­re ich mich bei­spiels­wei­se über Monats­ma­ga­zi­ne oder Tages­zei­tun­gen. In mei­nem Stamm­ca­fé lie­gen sol­che Sachen rum und ich les' hier und da mal was. Ich zieh' mir auch – wie bereits erwähnt – sehr ger­ne Repor­ta­gen und Doku­men­ta­tio­nen rein. Hier und da suche ich natür­lich auch mal gezielt nach etwas. Das ist so eine Sache … Was man im Inter­net liest, stimmt eben nicht immer. Aber ich kon­su­mie­re schon Sachen von Medi­en, denen ich kri­tisch gegen­über ste­he, um die Per­spek­ti­ve eben­falls gele­sen zu haben. Gene­rell wür­de ich sagen, dass ich bei den meis­ten Sachen schon eine Grund­mei­nung hab'. Aber bei ande­ren Sachen, die in den Medi­en prä­sent sind, muss ich mir die erst bil­den. Zum The­ma Vene­zue­la zum Bei­spiel hab' ich zuerst mal gar kei­ne Mei­nung gehabt, weil ich kei­ne Ahnung hat­te, was da abging. Da hab' ich gar kei­ne Berüh­rungs­punk­te. Als es aber bei­spiels­wei­se um die Ukrai­ne ging, sah das schon anders aus. Ein guter Freund von mir ist Ukrai­ner, bezie­hungs­wei­se sei­ne Eltern kom­men von da. Dann kann man schon ein biss­chen was dar­über erfah­ren und hat einen ande­ren Bezug dazu. Es muss jetzt nicht nur um Nach­rich­ten­the­men gehen. Ich beschäf­ti­ge mich ja auch mit zwi­schen­mensch­li­chen The­men. Man wird all­ge­mein in Inter­views schnell auf kri­ti­sche Aspek­te fest­ge­na­gelt. Ich fin­de aber, dass eine Mes­sa­ge nicht immer poli­tisch sein muss. In mei­nen Songs fin­det sich ja auch Per­sön­li­ches und Bio­gra­fi­sches wie­der. Auch da kann ich Sachen ein­flie­ßen las­sen, die nicht mir, son­dern jemand ande­rem pas­siert sind. Und da sind mei­ne Haupt­quel­len eben ein­fach per­sön­li­che Gesprä­che. Ich bin gene­rell jemand, der vie­le Men­schen ken­nen­lernt und ich mag es auch, vie­le extre­me Men­schen, die etwas Kras­ses erlebt haben oder beson­ders radi­kal sind, ken­nen­zu­ler­nen. Da muss noch nicht mal poli­tisch radi­kal sein, das kann zum Bei­spiel auch ein Extrem­sport­ler sein. Aus die­sem Umfeld zieh' ich mir auch mei­ne Inspi­ra­ti­on. Ich hole mir die von überall.

MZEE​.com: Dei­ne neue EP trägt den Titel "Kein Mensch ist digi­tal". Digi­ta­li­sie­rung scheint ein The­ma zu sein, mit dem du dich beson­ders inten­siv beschäf­tigst. Wie digi­tal wird der Mensch denn dei­ner Mei­nung nach noch wer­den? Denkst du, dass wir irgend­wann auch phy­sisch mit tech­ni­schen Pro­duk­ten ver­schmel­zen werden?

PTK: Sagt dir Trans­hu­ma­nis­mus was?

MZEE​.com: Ja. Dar­über haben wir vor gerau­mer Zeit auch mit Tua geredet.

PTK: Ah, krass. Von dem bin ich Fan! Kras­ses Album, Alter … Er macht zum Bei­spiel auch nicht die poli­tischs­ten Songs. Aber er trans­por­tiert für mich eine Mes­sa­ge. Kras­ser Künst­ler … Das ist auch voll das span­nen­de The­ma. Es gibt so etwas ja schon – den Hang dazu, glaub' ich. Aber was heißt denn "ver­schmel­zen"? Ich fin­de, auch wenn es phy­sisch noch getrennt ist, dass so manch einer mit sei­nem Smart­phone schon kom­plett ver­schmol­zen ist. Wenn so eine Push-​Nachricht kommt, dann gucken man­che sofort auf ihr scheiß Gerät, das auf dem Tisch liegt – selbst, wenn sie gera­de etwas Wich­ti­ges erzäh­len … Die sind sofort ver­knüpft und gucken auf ihr Han­dy. Das ist wie so ein kör­per­li­cher Reiz – ver­gleich­bar mit einer Mücke, die dich gera­de sticht. Das ist ja gefühlt schon "ver­schmol­zen". Es ist der Wahn­sinn, was es bereits alles im Bereich Wis­sen­schaft und Tech­no­lo­gie gibt. Ich mei­ne, guck dir mal an, wie vor 50 Jah­ren ein Science-​Fiction-​Film aus­sah, der im Jahr 2000 spielt und wie krass wir uns teil­wei­se tat­säch­lich schon ent­wi­ckelt haben. (lacht) Ich fin­de, wir – also die Men­schen all­ge­mein – machen schon ver­rück­te Sprün­ge in allen mög­li­chen Berei­chen. Ich glau­be, man kann sich gar nicht vor­stel­len, was da noch alles pas­sie­ren wird. Trans­hu­ma­nis­ten sind ja Leu­te, die das auch wol­len und rich­tig Bock dar­auf haben. Die sind der Mei­nung, dass Tech­no­lo­gie den Mensch ver­voll­stän­di­gen soll. Kor­ri­gier mich, wenn ich falsch liege …

MZEE​.com: Ich bin da jetzt auch nicht so tief drin. Aber es gibt sicher­lich Men­schen, die genau das wollen.

PTK: Es gibt auf jeden Fall Leu­te und For­schun­gen, die mich glau­ben las­sen, dass es noch kras­se Ent­wick­lun­gen geben wird – ohne jetzt kon­kre­te Vor­stel­lun­gen zu haben. Das ist halt alles so Science-​Fiction-​Gelaber und in die Zukunft gucken kann nie­mand. Aber ich kann es mir sehr gut vor­stel­len, weil ein "Ver­schmel­zen" im Sin­ne von einer Abhän­gig­keit von die­sen gan­zen Gerä­ten beim Men­schen ja schon statt­ge­fun­den hat. Da will ja kei­ner mehr drauf ver­zich­ten, der das mal im All­tag hat­te. Das ist schon ver­gleich­bar mit einer Sucht. Es gibt mitt­ler­wei­le Leu­te, die ihr Smart­phone absicht­lich zu Hau­se las­sen, wenn sie in den Urlaub fah­ren, da sie sich wirk­lich the­ra­pie­ren wol­len und sonst ihren gan­zen All­tag dar­auf aus­ge­legt haben. Viel­leicht gibt es irgend­wann ein Implan­tat oder in hun­dert Jah­ren wird der Bild­schirm vom Smart­phone in dein lin­kes Auge pro­ji­ziert. Kei­ne Ahnung … Ich kann mir schon vor­stel­len, dass es immer kras­ser wird. Und wer es sich leis­ten kann, wird da auch mitziehen.

MZEE​.com: Abschlie­ßend wür­de ich ger­ne noch mal über dei­ne Musik spre­chen. Du hat­test eine Zeit lang ein Band­pro­jekt in Ber­lin am Lau­fen, bei dem wech­seln­de Cha­rak­te­re mit den ver­schie­dens­ten kul­tu­rel­len Hin­ter­grün­den mit­ein­an­der Musik gemacht haben. Machst du das immer noch? Inwie­fern hat dich das in dei­ner Musik inspiriert?

PTK: Ja, das mach' ich immer noch. Wobei ich ehr­lich sagen muss, dass ich es zuletzt hart hän­gen las­sen hab' wegen mei­nes eige­nen Pro­jekts. Wir haben eigent­lich ein­mal die Woche Pro­be. Die Band hat sich 2013 gegrün­det. Es gab in Ber­lin so eine Pro­test­wel­le, bei der ein öffent­li­cher Platz besetzt wur­de – der Ora­ni­en­platz – und 2013 eine lee­re Schu­le. Das waren halt über­wie­gend Geflüch­te­te oder Leu­te aus der gan­zen Welt, die in ver­schie­de­nen Lagern in Deutsch­land und Euro­pa unter­ge­kom­men waren. Die haben gegen die gan­zen Auf­la­gen pro­tes­tiert. Im Zuge des­sen wur­den in Kreuz­berg eben der Platz und die Schu­le besetzt. Ich bin weni­ge Wochen, nach­dem die Schu­le besetzt wur­de, durch eine Freun­din mal da hin­ein­ge­ra­ten und hab' dort tau­send Leu­te ken­nen­ge­lernt. Irgend­wie haben alle Mucke gemacht und dar­aus ist ein Band­pro­jekt ent­stan­den. Da war ich sehr oft in der Zeit. Ende 2014 wur­de die Schu­le von den Bul­len neun Tage lang bela­gert. Damals haben sie schon ver­sucht, die zu räu­men, was ihnen 2015 auch voll­stän­dig gelun­gen ist. Das Band­pro­jekt lag dann erst mal für ein paar Wochen auf Eis. Weil aber sie­ben Leu­te aus der besetz­ten Schu­le ver­haf­tet wur­den und in U-​Haft waren, haben wir wie­der ange­fan­gen. Das Pro­jekt gibt es bis heu­te und es heißt Anti­na­tio­nal Embas­sy. Die anti-​nationale Bot­schaft sozu­sa­gen – als Ant­wort auf den gan­zen Strugg­le, den alle mit diver­sen Aus­län­der­be­hör­den und Bot­schaf­ten haben. Und da kom­men die Leu­te wirk­lich aus der gan­zen Welt: von Latein­ame­ri­ka über Afri­ka bis hin zu den gan­zen ara­bi­schen Län­dern. Einen Israe­li haben wir auch dabei und was weiß ich was noch alles. Dazu kom­men Leu­te von hier. Wir sind alle durch den Pro­test bezie­hungs­wei­se durch Hil­fe und Sup­port mit­ein­an­der in Kon­takt gekom­men. Die­ses "Refu­gee Move­ment" ist in Ber­lin so ein biss­chen tot. Vor ein paar Jah­ren kamen zu den Demos noch ein paar tau­send Leu­te. Mitt­ler­wei­le ist das gan­ze The­ma in den Mainstream-​Medien ein­fach durch. Da geht es mehr um ande­re Sachen als dar­über, dass die Leu­te hier gera­de strugg­len. Da geht es dann mehr um The­men wie Sea-​Watch, die auch total wich­tig sind. Aber was aus den gan­zen besetz­ten Häu­sern gewor­den ist, in denen die Leu­te ver­sucht haben, sich einen Ort des Pro­tests zu schaf­fen … Das ist ein biss­chen unter­ge­gan­gen in den letz­ten Jah­ren. Die meis­ten in die­sem Band­pro­jekt haben noch ande­re Bands oder Solo­pro­jek­te, so wie ich. Es ist von allen trotz­dem eine Her­zens­an­ge­le­gen­heit, weil wir ers­tens alle Freun­de sind und zwei­tens kras­se Schick­sa­le damit ver­knüpft wur­den. Vie­le, die bei uns in der Band waren, sind mitt­ler­wei­le abge­scho­ben wor­den, in den jewei­li­gen Län­dern ver­schwun­den oder wol­len bald wie­der­kom­men – ande­re sind im Gefäng­nis oder ver­stor­ben. Musi­ka­lisch ist es haupt­säch­lich Reg­gae und Hip­Hop gemischt. Aber es gibt auch ande­re Ein­flüs­se, da wir ja diver­se Instru­men­te haben. The­ma­tisch liegt unser Schwer­punkt bei den Schick­sa­len der Leu­te, die aus diver­sen Krisen- und Kriegs­ge­bie­ten stam­men und denen ganz vie­le Stei­ne in den Weg gelegt wer­den. Das gibt es ja nach wie vor. Es pas­siert ein­fach. Es gibt gera­de in Deutsch­land und in Euro­pa einen Rechts­ruck. Die Leu­te haben Angst vor sol­chen Men­schen und behaup­ten irgend­wel­che ver­schwö­rungs­theo­re­ti­sche Schei­ße, wie, dass es einen geziel­ten Bevöl­ke­rungs­aus­tausch gäbe … Aber hin­ter all die­sen Leu­ten, die ich ken­nen­ge­lernt hab', ste­cken halt per­sön­li­che Schick­sa­le, die sie mit vie­len Leu­ten tei­len. Und die­se Mes­sa­ge ver­su­chen wir, da hoch­zu­hal­ten. Mei­ne eige­ne Musik ist ja eher düs­ter. Bei dem Band­pro­jekt ist es allei­ne dadurch, dass es Reg­gae ist – trotz teil­wei­se aggres­si­ver Tex­te – schon eher so, dass in der Musik und auch live ein ande­rer Vibe vor­herrscht. Das Pro­jekt ist jetzt nicht so mega­be­kannt außer­halb gewis­ser Krei­se in Ber­lin. Aber wenn du uns mal live gese­hen hast, dann fei­erst du uns auf jeden Fall. So war's bis­her immer. Es macht gute Lau­ne und trans­por­tiert trotz­dem eine Mes­sa­ge, wäh­rend mei­ne eige­ne Musik ja ein biss­chen anders funk­tio­niert. Ich ver­such' ja ein­fach knall­hart, durch eine Mischung aus Aggres­si­on und Melan­cho­lie mei­ne Sachen los­zu­wer­den. Des­we­gen ist das für mich per­sön­lich ein­fach noch mal eine ande­re Art und Wei­se, Musik zu machen. Es ist aber eine Her­zens­an­ge­le­gen­heit und gar kei­ne kom­mer­zi­el­le Geschich­te. Das kos­tet eher Geld, anstatt wel­ches ein­zu­brin­gen. (schmun­zelt) Da machen wir eben auch Demos und die­se gan­zen Soli-Parties.

MZEE​.com: Das klingt so, als kön­ne man da für sich selbst sehr viel raus­zie­hen. Gibt es irgend­ein beson­de­res Schick­sal eines Band-​Kollegen, von dem du uns berich­ten kannst? Oder die Geschich­te, die dich am meis­ten beein­druckt hat?

PTK: Was mich am meis­ten beein­druckt hat … Das ist schwer zu beant­wor­ten. In die­ser Schu­le hab' ich extrem vie­le Leu­te ken­nen­ge­lernt … Ken­nen­ge­lernt ist natür­lich rela­tiv, aber ich hab' mir echt vie­le Geschich­ten ange­hört – teil­wei­se mit Fotos und Ähn­li­chem. Vie­le der Leu­te sind rich­tig gute Freun­de gewor­den, mit denen ich bis heu­te rich­tig dicke bin. Ich hab' deren gan­zen Strugg­le hier mit­er­lebt. Sprich: Sie soll­ten abge­scho­ben wer­den, haben sich selbst um Aus­bil­dungs­plät­ze und Deutsch­kur­se bemüht und haben es irgend­wie mit ganz viel Hil­fe und Anwäl­ten dann doch geschafft, hier blei­ben zu dür­fen. Sol­che Sachen sind halt schon – ohne ins Detail zu gehen – krass berüh­rend. Vor allem, wenn man sich mit den Leu­ten anfreun­det. Bei einer Sache, die sehr für die Musik spricht, geht's um Dar­li­no. Das ist einer unse­rer MCs und Sän­ger. Der kommt aus Nige­ria und ich ken­ne ihn von Anfang an, also seit fünf, sechs Jah­ren. Der hat halt schon echt viel Schei­ße durch. Bevor er nach Ber­lin gekom­men ist, hat er bei einer Demo – ich glaub', das war in Köln – so har­te Schlä­ge mit Schlag­stö­cken von den Bul­len kas­siert, dass sei­ne Hüf­te gebro­chen ist. Als er schon am Boden war, ging es immer wei­ter drauf … Wäre er ein alter Mann gewe­sen, hät­te er das nicht über­lebt. Gemel­det war er damals in Bay­ern. In Ber­lin habe ich ihn dann ken­nen­ge­lernt und gemerkt, dass er jeden Abend ange­fan­gen hat, still zu lei­den. Er hat mit­ten beim Sin­gen immer auf­ge­hört, weil er Schmer­zen hat­te. Da er aber in Bay­ern gemel­det war und eigent­lich nicht in Ber­lin sein durf­te wegen der Resi­denz­pflicht – die dür­fen sich nur in einem gewis­sen Radi­us auf­hal­ten. Dann haben irgend­wel­che Papie­re gefehlt, wes­we­gen er hier nicht zum Arzt konn­te und nicht ope­riert wer­den durf­te. Sobald er aber nach Bay­ern gegan­gen wäre, um die Papie­re zu holen, um hier ärzt­lich ver­sorgt zu wer­den, hät­ten sie ihn dort wahr­schein­lich direkt ver­haf­tet. Jeden Tag, den du gegen die­se Resi­denz­pflicht ver­stößt, bekommst du 'ne Geld­stra­fe. Und das sum­miert sich natür­lich. Die haben hier aber alle pro­tes­tiert und gegen ihre Resi­denz­pflicht ver­sto­ßen, da sich in ihren Käf­fern, in denen sie in Lagern unter­ge­kom­men sind, kei­ner für sie inter­es­siert. Des­halb sind sie nach Ber­lin bekom­men, um zu pro­tes­tie­ren. Das ist halt ein Kreis­lauf. Die woll­ten das nie schrift­lich aus Bay­ern schi­cken und haben ihm gesagt, dass er es abho­len muss. Das ging halt nicht. Irgend­wie hat das Jah­re spä­ter mal geklappt. Ich hab' hier mal einen Arzt ken­nen­ge­lernt und irgend­wel­che Leu­te haben ihn dann wei­ter­ver­mit­telt. Ich weiß gar nicht, was da genau alles pas­siert ist. Auf jeden Fall hat er ärzt­li­che Hil­fe bekom­men, aber bis heu­te halt nicht die­se OP … Es ist wirk­lich so, dass er manch­mal nicht lau­fen kann. Du musst dir immer vor Augen füh­ren, dass er gesund her­ge­kom­men ist. Das haben ihm die Poli­zis­ten in Deutsch­land ange­tan. Das ist die kras­se Sache an der Geschich­te. Der hat echt viel erlebt in sei­ner Hei­mat. Da gab's auch echt vie­le schlim­me Sachen, aber dass er kör­per­lich so lei­det, das ist hier pas­siert und das steht stell­ver­tre­tend dafür, wie mit den Men­schen teil­wei­se umge­gan­gen wird. Ohne jetzt über die Auf­ga­be der Poli­zei zu reden … Und selbst, wenn er auf der Demo viel­leicht einen Bul­len weg­ge­schubst hat … Wenn du mal mit jeman­dem sprichst und dir das alles authen­tisch erzählt wird und du auch mit­be­kommst, wie krass ihn das in sei­nem All­tag bis heu­te behin­dert. Er wird dafür nicht ent­schä­digt. Die Sache ist ein­fach durch. Das ist lan­ge her, aber er hat bis heu­te damit zu kämp­fen und wird immer wei­ter Schmer­zen haben. Und trotz­dem muss er noch mit Papie­ren und Ämtern strugg­len. Sowas lässt mich nicht kalt und da kann ich auch nicht neu­tral sein. Da bil­det man sich halt eine Mei­nung zu gewis­sen Din­gen. Das ist so eine Sache, die man hier erwäh­nen kann. Aber wahr­schein­lich könn­te jeder von den Leu­ten irgend­was erzäh­len, was in die Rich­tung geht. Viel­leicht auf 'ner ande­ren Ebe­ne. Aber die haben alle irgend­wie Schei­ße durch. Das ist schon bezeichnend.

(Stef­fen Bauer)
(Fotos: Adri­an Häus­ler, Anna Maria Pecho & Joshua A. Hoffmann)