"Kalenderblätter" liegen lose im "Zimmer ohne Zeit" zwischen schier unendlichen Mengen an Textskizzen und wirren Reimbüchern verteilt. So ungefähr kann man sich wohl die Wohnung von Fabian Römer vorstellen, der seit einigen Jahren für verschiedene Pop-Größen an Texten feilt, während er parallel am eigenen, musikalischen Werdegang arbeitet. Sein "L_BENSLAUF" ist zu großen Teilen geprägt von der Musikszene. Darum haben wir im Interview mit ihm nicht nur über sein gleichnamiges Album gesprochen, sondern auch über das Gefühl, in der zweiten Reihe des Erfolgs hinter Platin-Künstlern zu stehen und wie man eigentlich mit der Erwartungshaltung an einen 13-jährigen Rap-Wunderknaben umgeht.
MZEE.com: Seit dem Erscheinen deines letzten Albums sind vier Jahre ins Land gezogen. Dass du keinen normalen "L_BENSLAUF" hast, wird in der gleichnamigen Single deutlich. Wie hat denn dein Alltag in der Zwischenzeit ausgesehen?
Fabian Römer: Mein Alltag hatte eigentlich ziemlich viel mit Musik zu tun, auch wenn das nach außen nicht so gewirkt hat. Schon zum Release von "Kalenderblätter" entdeckte ich das Songwriting für mich, weswegen ich nicht jede Idee, die mir zufliegt, für mich selbst und mein eigenes Schaffen verwende. Das war vor grob acht, neun Jahren – alles an kreativem Output habe ich für mich verwurstet. Mittlerweile picke ich für meine eigenen Releases nur noch die Themen, die mich auch wirklich persönlich beschäftigen. Daher auch der neue Vier-Jahres-Rhythmus meiner eigenen Platten. Das scheint sich langsam einzupendeln. (schmunzelt)
MZEE.com: Seitdem du Texte für andere schreibst, wirken deine Alben stringenter, aber auch sehr viel melancholischer.
Fabian Römer: (überlegt) Ich würde eigentlich sagen, dass "L_BENSLAUF" weniger melancholisch ist als "Kalenderblätter". Aber ja, das ist jetzt nicht so der krasse Bruch wie damals von "Ganz Normaler Wahnsinn" zu "Kalenderblätter". Für das neue Album habe ich auch den Rap-Anteil nach oben geschraubt, obwohl in die Refrains wieder mehr Poppiness und Einfachheit einfließen. Ich würde meine Musik gar nicht als so melancholisch beschreiben, merke aber auch selbst, dass es mir nicht besonders leicht fällt, komplett befreite Songs zu schreiben. Es ist einfacher, Dinge zu schreiben, die eine emotionale Schwere haben.
MZEE.com: Wieso fallen dir solche Songs leichter als beispielsweise der sehr befreit wirkende Titelsong "L_BENSLAUF"?
Fabian Römer: Wenn ich für mich selbst schreibe, bin ich komplett alleine im Raum und isoliert. Wenn man nicht unter anderen ist, kommen ja bei vielen Menschen die Momente, in denen man reflektierter über sich selbst nachdenkt. Da kommt das für mich automatisch. Mit fünf Homies und Champagnerflaschen im Studio würde die Musik vermutlich auch anders klingen. (lacht)
MZEE.com: Wenn du so über dich selbst reflektierst, kann dich Ghostwriting doch auch in eine Bredouille bringen: Ich kann mir vorstellen, dass du da Gefühle in Texten darstellen musst, die du selbst vielleicht ganz anders empfindest. Wie gehst du mit diesem Zwiespalt um?
Fabian Römer: Das kann ich eigentlich ganz gut trennen. Das Schönste ist ja eigentlich, wenn man mit dem jeweiligen Künstler beisammen sitzt und gemeinsam an Texten arbeitet. Sobald ich mit denen spreche, kann ich ihre Emotionen zumeist auch ganz gut nachvollziehen, ohne Ähnliches erlebt zu haben. Ich glaube, ich hab' noch nie einen Song geschrieben, der für mich emotional komplett tot oder unzugänglich war – auch wenn er vielleicht nicht direkt mit meinem Leben zu tun hatte. Ich ziehe da immer gerne eine Analogie zu Drehbuchautoren, die ja auch ihre eigenen Emotionen in die Fiktion einfließen lassen. Das geht mir genauso. Es muss nicht immer meine Geschichte sein, damit ich einen Text mit Gefühlen anreichern kann.
MZEE.com: Bist du mit den meisten Künstlern, für die du schreibst, auch befreundet? Ansonsten stelle ich mir das schwierig vor, sich nach nur wenigen Gesprächen tief in das Gegenüber hineinzuversetzen.
Fabian Römer: Das ist ganz unterschiedlich. Natürlich ist es der schönste Weg, wenn man mit dem Artist eine Ebene findet oder sogar befreundet ist. Da kann man viel schneller eine inhaltliche Tiefe erreichen. Es gibt aber auch Fälle, bei denen man einfach angefragt wird und ins Blaue hineinschreibt. Manchmal sogar, ohne sich mit dem jeweiligen Sänger zu besprechen. Das ist natürlich schwieriger, kommt dann aber immer auf den Auftrag an – auch wenn ich das Wort "Auftrag" überhaupt nicht mag. (lacht) Zum Glück habe ich meistens Song-Ansätze herumfliegen, die auf das Briefing passen. Lieber ist mir aber die persönliche Ebene, klar.
MZEE.com: Wenn du schon viele solcher Song-Konzepte rumfliegen hast, sei mal ehrlich: Schreibst du manchmal Zeilen für andere Künstler, die du so gut findest, dass du sie lieber für deine eigenen Alben verwendest?
Fabian Römer: (lacht) Das Gute ist, dass man ja in den Themen schreibt, die der Künstler vorgibt. Dadurch kommt man seltener in die Bredouille, sich zu überschneiden. Wenn der Sänger eine Idee hat, die ich vervollständigen soll, dann gebe ich mein absolut Bestes und stelle mein eigenes Ego ziemlich weit zurück. Das wirkt auch befreiend: Es geht einmal nicht um mich. Ich helfe nur. Es gibt aber auch Song-Konzepte, bei denen ich merke, dass das keine Idee für jemand anderen ist, sondern dass ich jetzt einen Track darüber schreiben muss. Da ist die Musik schlussendlich immer noch mein Ventil. Bei sowas muss ich dann zum Glück keine Kompromisse eingehen.
MZEE.com: Auf deinem Titelsong sagst du sogar selbst: "Schreibe Songs für andere – bundesweite Trophäen. Schreibe Songs für mich – Kunst, die keiner versteht." – Nagt es an dir, dass andere Künstler für deine Worte gefeiert werden, während die eigene Musik einen deutlich kleineren Hörerkreis anspricht?
Fabian Römer: Bei dem Zitat sind die nachfolgenden Zeilen fast noch wichtiger: "Nein, da gibt es kein Umverteilungsproblem. In der zweiten Reihe zu stehen, finde ich unbeschreiblich bequem." Das meine ich genauso, wie ich es sage. Ich genieße es total, mein narzisstisches Künstlerding manchmal abzustreifen. Meistens beschäftigt man sich nur mit der eigenen Kunst und mit der eigenen Darstellung nach außen. Und weil ich selbst auch nicht wirklich die Rampensau schlechthin bin, schätze ich mich glücklich, nicht das große Spotlight auf mir zu haben.
MZEE.com: Interessant, dass du das sagst – ich finde, bei deinen Live-Shows bist du schon auch gerne die Rampensau, die du selbst ja nicht sein willst.
Fabian Römer: Wenn du mich fragen würdest, ob ich in noch größeren Locations spielen will, würde ich das auch bejahen. Wenn du mich aber fragen würdest, ob ich ein Star sein will, wäre die Antwort definitiv "Nein". Ich habe gemerkt, dass es in einem solchen Leben viel zu viele Dinge gibt, die mich freiheitlich zu sehr einschränken würden. Aber ja, schön, wenn du das so bemerkst. Die Fußnote sei erlaubt: Bei Live-Shows kommt sofort das Adrenalin dazu. Das hilft wahnsinnig, aus mir rauszukommen. Da mache ich eben auch aktiv Musik und damit genau das, was mir Spaß macht und womit ich mich wohlfühle. Viele Bekannte sagen, dass sie auf der Bühne einen ganz anderen Fabian erleben. Ich habe allerdings ein riesiges Problem mit Kameras. Das fühlt sich für mich immer unnatürlich an. Da gibt es auch kein Adrenalin und ich fange stattdessen an, zu schauspielern.
MZEE.com: Auf der Bühne bist du ja auch ein alter Hase, immerhin erschien dein erstes Album "Mundwerk" vor inzwischen 15 Jahren. Du warst ungefähr genauso alt, als diese Platte erschien. Wann hast du dein Erstlingswerk zuletzt gehört?
Fabian Römer: Das muss eine ganze Weile her sein. Manchmal wird einem so ein Quatsch bei YouTube vorgeschlagen und man erwischt sich selbst dabei, wie man die eigenen, illegal hochgeladenen Songs anklickt. (lacht) Das dürfte das letzte Mal gewesen sein, dass ich zumindest den ein oder anderen Song der Platte gehört habe. Aber das ganze Album? Das ist richtig, richtig lange her. Das gibt es ja nicht auf Spotify und ich glaube, ich habe auch kein Exemplar in meiner Wohnung rumfliegen.
MZEE.com: Du hast dein eigenes Album nicht mehr selbst zu Hause liegen? Ich hätte dich jetzt als einen kleinen Musiknerd und Sammler eingeschätzt, der sowas nicht wegwerfen kann.
Fabian Römer: Das war früher auch total so! Ich hatte drei riesige, rappelvolle CD-Ständer, die man drehen konnte. Aber mit jedem Umzug – und ich bin wirklich oft in meinem Leben umgezogen – sind es weniger geworden. Auch, weil CDs eigentlich ein hässliches Format sind. Plastikschrott, nicht wie Vinyl, das du dir schön in den Schrank stellst. Daher bin ich auch mit den eigenen Alben nicht so sorgfältig umgegangen. Ich müsste mal gucken, vielleicht liegt es noch in irgendwelchen Sofaritzen oder so. (lacht) Mein Sammler-Gen ist nach der Kindheit und den Pokémonkarten gestorben.
MZEE.com: Aber die Karten hast du bestimmt lange aufgehoben, in der Hoffnung, die werden irgendwann richtig viel wert? (lacht)
Fabian Römer: Das dachte man immer, oder? Damals dachte man, dass vor allem diese Glitzerkarten mal richtig teuer sein werden. In Wirklichkeit sind die in einem riesigen Ordner, der im Keller meiner Eltern in Braunschweig liegt. (überlegt) Eigentlich lustig, wie viel Weihnachts- und Taschengeld ich für diesen Quatsch vergeudet habe. Auf der anderen Seite hatte man damals sowieso noch keinen Bezug zu Geld und es hat einen sehr glücklich gemacht, die Karten zu sammeln. Also: No Regrets, was das Pokémonkarten-Game anging!
MZEE.com: Jetzt sind wir aber auch total abgeschweift. Eigentlich wollte ich fragen, was du aus heutiger Sicht denkst, wenn du ab und an mal was von "Mundwerk" abspielst.
Fabian Römer: Ich finde das Album immer noch cool. Auch wenn ich es ewig nicht gehört habe. Einfach aus dem Gesichtspunkt, dass es wahnsinnig pur und roh war. "Mundwerk" entstand total autistisch in meinem Kinderzimmer – im zur Gesangskabine umgebauten Kleiderschrank. Und die Beats bekam ich von Produzenten, die ich nur aus dem Internet kannte. Das sind einfach die schönsten Erinnerungen und ersten Erfolgserlebnisse, gemeinsam mit der RBA-Zeit. Da gab es Leute, die meine Songs mochten und mit denen ich auf Jams abgehen konnte. Das war schon cool und frei.
MZEE.com: Und parallel fickst du in der RBA die Mütter von dir unbekannten Gegnern.
Fabian Römer: Genau. Gegner, die deutlich älter waren als ich. Das macht die Mütter auch älter – umso besser! (lacht)
MZEE.com: Auch wenn wir jetzt Witze darüber machen: War das für den 13-jährigen Fabian nicht wahnsinnig surreal?
Fabian Römer: Absolut. Es war mir auch superwichtig, was die damalige Jury über sowas dachte. Das hatte schon etwas von Autismus. Man hat dafür gebrannt, in den 48 Stunden, die man für eine RBA-Runde Zeit hatte, den Gegner zu zerstören und alle zu überzeugen. Schon eine ziemlich witzige Zeit.
MZEE.com: Hast du heute noch irgendeine Verbindung zu Battlerap? Cro hat ja vor einigen Jahren beispielsweise seinen alten RBA-Account wiederbelebt.
Fabian Römer: Das war ein total cooler Move von ihm! Ich verfolge die Szene immer noch und finde es erstaunlich, wie oft man Leuten über den Weg läuft, die schon damals aktiv waren. Egal, ob man davon hört, dass jemand irgendeine Hinrunde gegen XY gut fand, oder von Leuten, die selbst gebattlet haben. Das bricht einfach nicht ab. Die Plattform selbst scheint mehr Wirbel gemacht zu haben, als man es selbst so einschätzt.
MZEE.com: Die Battleszene entwickelt sich eben stetig weiter, auch wenn die Ausprägungen mittlerweile anders sind. Aktuell erleben ja A cappellas ihre kleine Renaissance. Verfolgst du das? Kannst du dir vorstellen, da selbst mal mitzumachen?
Fabian Römer: Ich verfolge das total intensiv, aber kann mir nicht vorstellen, selbst mitzumachen. Klar, sag niemals nie – aber aus der aktuellen Perspektive reizt es mich nicht so wirklich. Ich habe das Gefühl, so früh und intensiv im Battleding gewesen zu sein, dass es für mich inzwischen abgefrühstückt ist. Was nicht heißt, dass ich die krasse Weiterentwicklung nicht sehe oder mich über die aktuellen Künstler stellen will. Ich habe das damals nur so krass mit Löffeln gefressen, dass mir heutzutage der Anreiz fehlt. Deshalb schreibe ich auch keine Battletracks mehr.
MZEE.com: Rein textlich gesehen: Was ist der größte Unterschied zwischen deinen RBA-Runden und heutigen Battles?
Fabian Römer: Die sogenannte Punchline-Dichte ist heutzutage deutlich höher. Damals war es schon krass, dass man überhaupt Mehrfachreime hatte. Mittlerweile kommt es natürlich auf so viel mehr an. Das Niveau ist unglaublich. Wer was reißen will, muss Doppeldeutigkeiten bringen, gute Reime haben und – was in der RBA zum Glück keine Rolle spielt – das alles auch nach außen hin verkörpern. Dein Auftreten, dein Aussehen, deine Delivery allgemein. Das fing mit dem VBT an und jetzt musst du eben live abliefern und deine Texte rüberbringen. Man könnte sogar sagen, das sei fast ein anderer Sport.
MZEE.com: Du meinst also, der kleine, 13-jährige F.R. hätte heute bei DLTLLY oder TopTier Takeover versagt?
Fabian Römer: Das weiß ich gar nicht. Ich bin aber im Nachhinein sehr froh, beispielsweise nie bei "Feuer über Deutschland" gewesen zu sein. Da wurde ich für angefragt und ich weiß, wie viele Kollegen ihre Auftritte mittlerweile gerne löschen würden. (lacht) Das hätten sie sich gerne gespart. Es guckt sich keiner gerne an, wie er früher mal war. Wobei da einiges dabei ist, das man sich noch heute angucken kann – Gregpipe gegen Basic beispielsweise. Aber um das zu sehen, müsste ich die DVD rauskramen, die in der gleichen Ecke wie meine CD-Sammlung liegt.
MZEE.com: Haben dich deine damaligen Mitschüler eigentlich auf deine Anfänge in der RBA und deine ersten Rapsongs angesprochen?
Fabian Römer: Ganz vereinzelt. Nach der RBA-Phase aber erst, vorher war ich komplett anonym unterwegs. Als mein erstes Album kam, wurde ich ungewollt zu meinem ersten Auftritt auf die Bühne gezogen – am nächsten Tag stand das dann in der Braunschweiger Tageszeitung auf der Titelseite. Unglaublich unangenehm. Ich wollte das nicht und ich habe damals auch nicht hinter diesem Hobby gestanden. Ich war noch gar nicht eins mit dem, was ich gemacht habe. Egal, ob mich Leute dafür gelobt oder belächelt haben – alles gleich unangenehm. Ich war ein Mensch, der nicht gesehen werden wollte – als kleiner Junge war das dann nicht so einfach. Der Umzug nach Berlin war deswegen total befreiend, weil man da unsichtbarer war als in einer Stadt mit 260 000 Einwohnern.
MZEE.com: Einige Medien haben dich damals sehr früh zur "neuen Generation Rap" geadelt. Dazu kam noch der Druck, den du eben aus deinem Umfeld gespürt hast. Was hat die Erwartungshaltung mit dir gemacht?
Fabian Römer: Mich haben eher die Ansprüche und die Erwartungshaltung gegenüber mir selbst getrieben. Ich wollte immer alles toppen, immer besser werden, beispielsweise, was den technischen Aspekt angeht. Irgendwann war das gedeckelt und ich habe mich mehr in das Musikalische reingesteigert. Der Druck kam also weniger von außen, sondern mehr aus mir selbst heraus. Ich hab' über die Jahre versucht, das zurückzufahren. Weniger verkrampft sein, gelassener sein, sich selbst nicht zu ernst nehmen – das sind Dinge, die ich auf meinem Weg erst lernen musste.
MZEE.com: Würdest du sagen, du hast deinem eigenen Anspruch über die Jahre hinweg genügt?
Fabian Römer: Man ist sich selbst nie zu 100 Prozent genug. Deshalb geht es immer weiter. Im Endeffekt ist das ein generelles Thema, nicht nur auf die Musik bezogen. Hast du die Fähigkeit, Situationen auch einfach mal zu genießen? Das habe ich gelernt – schöne Momente einfach mal zu leben, nicht zu optimieren.
MZEE.com: In eine ähnliche Richtung geht auch eine Zeile auf "L_BENSLAUF": Du sagst, dass "herzloses Umhergehetze so schlecht fürs Herz ist". Woher kommt dieses Bewusstsein, im Hier und Jetzt zu leben und den Moment zu genießen, wie du sagst?
Fabian Römer: Das ist eben ein Bedürfnis, das irgendwann immer größer geworden ist, weil ich total von Perfektionismus getrieben war. Mir wurde klar, dass das zu nichts Gesundem führt. Es gibt immer ein mitschwingendes Lebensgefühl und ich hatte zunehmend den Eindruck, dass sich das aufhellt, wenn ich mich einfach mal eine Stunde zum Nichtstun zwinge. Häufiger mal in den Park gehen, ohne Handy, sich dort auf eine Bank setzen und mit sich selbst und seinen Gedanken beschäftigen. Ich rechne diesen Phasen mittlerweile dieselbe Priorität an wie denen, in denen ich hochproduktiv bin.
MZEE.com: Gab es einen ausschlaggebenden Punkt, an dem du das beschlossen hast?
Fabian Römer: Nein, aber eine Art Zäsur war auf jeden Fall der Abschluss von "F.R." bei meinem zehnjährigen Jubiläum. Als ich meinen bürgerlichen Namen zu meinem Künstlernamen gemacht habe. Das war für mich ein entscheidender Punkt, um zu überlegen, wie es weitergeht. Am Ende war das auch eine Altersfrage – mit Mitte 20 passiert bei vielen Leuten noch mal so etwas.
MZEE.com: Ich finde tatsächlich die Musik von Fabian Römer auch sehr viel selbstreferenzieller als die von F.R. Beispielsweise in "32. Dezember": Da berichtest du über die fünf schlimmsten Erlebnisse eines vergangenen Jahres.
Fabian Römer: Was denkst du denn, was der Zeitraum war, in dem ich diesen Track geschrieben habe?
MZEE.com: Vermutlich redest du da nicht über das vergangene Jahr – aber vom Zeitraum her kann ich mir vorstellen, dass du ihn wirklich an einem Silvesterabend verfasst hast.
Fabian Römer: Ganz genau. Der Song ist für mich ein Zoom zurück ins "Zimmer ohne Zeit". Ich weiß gar nicht, um welches Jahr es genau ging – ich muss damals 17 oder 18 gewesen sein. Das Interessante für mich ist, wenn ich diese Songs erst mit einigen Jahren Abstand verfasse. Das habe ich auf "Kalenderblätter" mit "Nach dir (Anna)" auch gemacht. Da gehe ich immer mal wieder tief rein und ich selbst merke dann, dass es vielleicht doch noch nicht zu 100 Prozent verarbeitet ist. Da flutscht ein Song raus, der jetzt ganz anders klingt, als er damals geklungen hätte.
MZEE.com: Wie fühlt es sich an, all diese schlimmen Emotionen wieder hochkochen zu lassen, um so einen Song zu schreiben?
Fabian Römer: (überlegt) Es gibt Momente, da fühlt sich das wahnsinnig nah an. Ein zweites Erleben. In manchen Momenten ist es aber auch so, als würde man ein Drehbuch verfassen. Als würde man einen Film mit allen Höhen und Tiefen noch einmal nacherleben, aber eben mit dem nötigen Abstand.
MZEE.com: Wenn du heute dein 17-jähriges Ich am "32. Dezember" aus der Retrospektive betrachtest: Hast du damals konkret etwas verändert, um dich selbst zu schützen?
Fabian Römer: Es haben eher einige Prozesse angefangen. Ich lasse das auch im Song offen, meine eigene Lösung habe ich mit dem Umzug nach Berlin ja auch erst ein, zwei Jahre später gefunden. Das war aber durchaus ein Moment, in dem mir klar wurde: "Hier ist meine Zeit jetzt abgelaufen. Es ist Zeit, weiterzugehen."
MZEE.com: Der letzte Song deines neuen Albums heißt "Bevor ich dich kannte". Du rappst dort über eine Liebe, die deinen Charakter grundlegend verändert hat. Wenn du den Fabian von damals sprechen könntest, bevor er dieser Liebe begegnet ist: Welchen Ratschlag würdest du ihm geben?
Fabian Römer: Puh. Ich würde meine charakterliche Veränderung nicht nur dieser einen Person zuschreiben – zwar zu großen Teilen ihr, aber eben auch all den anderen Dingen, über die wir heute geredet haben. Deswegen würde ich dem Fabian von damals einfach nur eine einzige Sache mit auf den Weg geben: "Entspann dich."
(Sven Aumiller)
(Fotos: Ramon Haindl)